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5 Resilienz als Geschäftsmodell und Legitimation für den Abbau von Gesellschaftlichkeit

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Flankiert wird diese herrschende Politik und Ökonomie der institutionalisierten Verunsicherung und Vorteilssicherung (Wettbewerb) von einem Konzept, das die rabiate Auflösung „überkommener“ Verhältnisse mit einem Begleitprogramm adelt: Managementtheorien und -trainings versuchen, Entscheidern das Leben in der vuca-Welt nahezubringen. Wir leben demnach in einer Welt, die von volatility, uncertainty, complexity, ambiguity gekennzeichnet ist. Da ist natürlich was dran und das gab es schon immer, wenn man Leben betrachtet, wie es war, wie es ist und wie es vermutlich sein wird.

Das vuca-Konzept nimmt nun aber mit der Heraushebung dieser Eigenschaften die Gelegenheit wahr, sich von Zielen, verlässlich zu machenden Entwicklungswegen, Strukturvereinfachungsprozessen und Mitmenschlichkeit zu verabschieden. Wir werden Merkel, die uns sagt, die Welt sei eine ganz, ganz unruhige Welt (von der sie ausblendet, dass sie sie mitgeschaffen hat), und man könne nur noch auf Sicht fahren. Damit wird verfestigt, was Thomas Gebauer[Fußnote 11] feststellt:

»Der Verlust der sozialen Kohäsion, die grassierenden seelischen Erschütterungen – all das ist Resultat von Politiken, die kaum noch den Bedürfnissen und Rechtsansprüchen der Menschen folgen, dafür umso mehr den Vorgaben der politischen und ökonomischen Macht.«

Resilienz(förderung) sei inzwischen so konzipiert, dass sich mit ihr Geschäfte machen ließen, dass sie Legitimationsdefizite überwinden helfe und bestehende Unrechtverhältnisse stabilisiere. Ein ganzer Berufszweig könne nun auf die Verlustängste, die aus der Aufkündigung von Gesellschaftlichkeit resultierten, marktförmig reagieren.

Noch die übelsten Ereignisse und Schicksale und bevorstehende Traumata werden zu einer Chance für Resilienzförderung. Wer in diesem Themenfeld tätig wird, kann auf eine (schiefe) Ebene geraten, die er oder sie nie hat betreten wollen. Was in der sicherheitspolitischen Dimension der Resilienz offen ausgesprochen ist, kommt in der psychosozialen noch versteckt zum Ausdruck: es geht darum, sich auf das Unvermeidliche einzurichten. Und das Unvermeidliche liegt außerhalb unserer Sphäre, ist also nicht gestaltbar. Das Unvermeidliche ist das, was kommt. Sollen wir glauben. Das ist Religion – und Propaganda. Schon resilient? Nachdenken.

Juli 2017

Emanzipation des Individuums oder seine Funktionalisierung

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