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Heirat

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Am 3. Juli 1959 heirate ich vor dem Standesamt Castrop-Rauxel und in der Martin Luther-Kirche in Castrop Monika Anita Maria Mieck. Der Weg zu Fuß bergauf zum Standesamt ist für mich sehr mühevoll. Habe ich mir diesen für das ganze Leben so entscheidenden Schritt auch gründlich genug überlegt?

Nach der schlichten Hochzeitsfeier fahren wir, Monica in ihrem einfachen weißen Brautkleid, ich in meinem dunklen „Anzug“ aus Spendenbeständen des Rauhen Hauses, von Castrop-Rauxel mit der Straßenbahn in unsere „Wohnung“ nach Dortmund, weil bei unserer Armut das Geld nicht für ein Taxi reicht. Nur mit Mühe kann ich Monica davon überzeugen, ihren Brautschleier vor der Straßenbahnfahrt abzunehmen. – Monica ist die erste Frau in meinem Leben und wird es bleiben, bis ich diese Zeilen als alter Mann schreibe. Ich glaube, dass ich für meine Zeit in dieser Hinsicht ein seltenes Exemplar von Mann bin. Ich werde mit meiner hochsensiblen Monica eine recht dynamische Ehe führen, und sie wird es mit mir und der Nebenbuhlerin „Diakonenberuf“ nicht leicht haben.

Drei Tage nach der Hochzeit, zu Beginn der Flitterwochen, steht plötzlich Horst Nagler, Schulkamerad aus Grevesmühlen, zum Besuch bei uns vor der Tür. Seitdem habe ich immer mal wieder Kontakt mit ihm.

Nach vielen Wochen können wir im Herbst endlich die Dienstwohnung beziehen. Es wird auch höchste Zeit, denn in unserer nicht heizbaren provisorischen Bude wird es empfindlich kalt. Die neue Wohnung im 1. Stock meiner Dienststelle hat Zentralheizung und ein Badezimmer und kostet uns nur 60 DM Miete monatlich.


Monica in der Küche neben dem alten Gasherd aus Spendenmöbeln

Über uns im Hause wohnt Dr. Heinrich Schmidt, der Dienststellenleiter, von Hause aus Jurist, ein fähiger Mann, den ich sehr schätze. Er war als Halbjude in der Nazizeit diskriminiert und als Kurier aktiver Mitarbeiter der Bekennenden Kirche. An die Dienstwohnung geknüpft ist meine Aufgabe, mich nach Feierabend und am Wochenende um die Stadtstreicher zu kümmern, die recht häufig, auch noch spät abends, an der Tür klingeln und um Hilfe nachsuchen. So manches Schmalzbrot wird vom eigenen schmalen Wirtschaftsgeld dafür abgezwackt. Außerdem habe ich die Koksfeuerung der Zentralheizung zu bedienen, wenn der Hausmeister Urlaub hat oder wegen Krankheit ausfällt. Unsere Wohnung ist zunächst nur dürftig mit einigen wenigen alten Möbeln eingerichtet, die Monica in Hamburg aus einer Haushaltsauflösung einer verstorbenen alten Dame in meiner St. Nikolai-Gemeinde für ihr Zimmer in Eppendorf erhalten hatte. Einen alten Tisch und eine Kommode aus dieser „Erbschaft“ benutzen wir noch fast 40 Jahre weiter. Die alten Sperrmüllmöbel entwickeln sich allmählich durch den Anschauungswandel zu wertvollen Antikmöbeln. „Jaffa“-Möbel (Apfelsinenkisten) springen in die Lücke. Als Radiogerät dient eine alte „Goebbelsschnauze“ (Volksempfänger). Nach und nach können wir das eine oder anderer Möbelstück neu erwerben. Unter unserer Wohnung übt wöchentlich ein Posaunenchor. Daneben befinden sich die Büroräume der Fürsorgerinnen und anderen Kollegen. Am Hause vorbei rattern mehrere Straßenbahnlinien und starker Autoverkehr über Dortmunds Hauptgeschäftsstraße. Hinter dem Hause hören wir die Lautsprecher-Zugansagen des Hauptbahnhofs. Ganz in der Nähe befindet sich die Dortmunder Union-Brauerei. Fast täglich kommt ein Schwall vergorenen Gerstensuds zu uns herübergeweht. Wenn die Hochöfen und Kokereien ihren gelbbraunen Qualm abblasen, ist der Dortmunder Himmel rötlich-braun staubverhangen. Allenthalben sieht man im Stadtgebiet neben den Zechen, die es noch in großer Zahl gibt, riesige Kokshalden. Fast alle Häuser in Dortmund und Umgebung sind grauschwarz verrußt. Auf unseren Fensterbänken liegt täglich neu eine dicke schwarze Rußschicht. Lärm- und schmutzhemmende Termopaneverglasung gibt es noch nicht. Die Worte „Umweltsünden“ und „Umweltschutz“ sind auch noch nicht erfunden. Man ist froh, dass die Wirtschaft nach dem Kriege wieder floriert, vieles schon wieder aufgebaut ist und jeder Arbeit hat. Arbeitslosigkeit ist ein Wort, das man nur aus den 1920er und 30er Jahren und der unmittelbaren Nachkriegszeit in Erinnerung hat. Es herrscht Vollbeschäftigung und nach und nach sogar Arbeitskräftemangel.


Diakon in Dortmund und Soest - Rückblicke - Teil 4

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