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Zweites Kapitel

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Noch in der Nacht nach seiner Rückkehr von Heidelberg machte Herr Bligger seiner edlen Hausfrau Katharina kurze Mitteilung von der Unterredung mit dem Rechtsgelehrten und seiner Absicht, einige befreundete Burgherren aus dem Neckartal zu einer Beratung über gemeinschaftliche Schritte in der Angelegenheit einzuladen; sie möchte sich auf eine gute Bewirtung der ritterlichen Gäste für übermorgen einrichten, im übrigen sich mit ihrer Wißbegierde bis zum nächsten Tage gedulden und ihn jetzt nichts mehr fragen, sondern ihn schlafen lassen.

Am anderen Morgen gleich nach dem Frühmahl ritt Konrad und bald darauf auch Ernst, Bliggers und Katharinas ältester, dreiundzwanzigjähriger Sohn, nach den benachbarten Burgen ab, um dort die Einladungen des Familienoberhauptes auszurichten. Bligger hatte den Sohn nicht eingeweiht, denn in Anbetracht des sehr innigen und vertrauten Verhältnisses, das zwischen diesem und Junker Hans bestand, fürchtete er, Ernst möchte seinem schwärmerisch geliebten Oheim einen Wink geben, infolgedessen Hans bei seinem eigenwilligen Wesen durch irgendein unberechenbares Widerspiel Bliggers Pläne kreuzen, vielleicht ganz vereiteln könnte. Ernst mußte nach dem ihm gewordenen Auftrage glauben, daß es sich um die Verabredung einer größeren, gemeinsamen Fehde handelte, die vorläufig noch in tiefes Geheimnis gehüllt bleiben müßte.

Als die beiden Ehegatten allein waren, nahmen sie das in der Nacht abgebrochene Gespräch wieder auf, und Frau Katharina begann: »Also hat uns der wackere Jude mit seinen Mitteilungen über jenes unerhörte Recht oder Widerrecht doch nicht getäuscht, und wir können ihn wohl heute seines Weges ziehen lassen mit seinem Knaben.«

»Nein, noch nicht!« entgegnete Bligger. »Ich habe schon mit ihm gesprochen, daß er noch hier bleiben soll; denn ich habe so eine dunkle Ahnung, als könnte er uns in unserer Fürsorge für Hans noch gute Dienste leisten, wenn ich auch noch nicht weiß, in welcher Weise.«

»Was sollten das wohl für Dienste sein?« sprach Katharina. »Wenn dir der Heidelberger Doktor nicht raten und helfen konnte, wird es der Sterndeuter erst recht nicht können.«

»Wer weiß, Käthe!« antwortete der Ritter. »So ein alter Schlaufuchs von Hebräer ist mit allen Hunden gehetzt.«

»Gegen den Pfalzgrafen vermag er doch nichts. Oder soll er vielleicht unserem Bruder Hagestolz sagen, was er bei seinem Horoskop herausgerechnet hat?«

»Das Horoskop! ich hab's!« rief Bligger, »der Jude muß Julianen das Horoskop stellen und uns sagen, was er findet!«

»Wem? Julianen? Julianen auf der Minneburg?« frug Katharina höchst erstaunt.

»Freilich! welcher sonst?« erwiderte Bligger. »Das einfachste und sicherste Mittel, diesem nichtsnutzigen Hagestolzenrecht zu entgehen, ist und bleibt, daß Hans heiratet, und nun strenge deinen Witz an, ob du eine andere findest, die er heiraten könnte, als Juliane Rüdt von Kollenberg!«

»Ein tollkühner Gedanke, Bligger!« sagte Katharina lachend, »die Gebieterin der Minneburg sollte sich je dazu verstehen, einem Landschaden von Steinach, einem ihrer bittersten Feinde, die Hand zum Ehebunde zu reichen!«

»Aus bitteren Feinden sind schon manchmal die besten Freunde geworden,« versetzte Bligger. »Und denke doch den Spaß, Käthe, wenn Hans seine alte Liebe, die er damals nur aus Furcht vor der Schwiegermutter nicht geheiratet hat, nun doch noch zur Frau bekäme!«

»O du brauchst gar nicht so weit zurückzugreifen. Es ist vielleicht drei, höchstens vier Jahre her, daß es mir manchmal scheinen wollte, als stünde Hans mit der schönen Juliane auf einem viel vertrauteren Fuße, als ihr seliger, damals noch in gutem Frieden mit euch lebender Zeisolf wissen und ahnen durfte,« bemerkte die Hausfrau.

»Desto besser!« sagte Bligger, »diese Tatsache, wenn es eine ist, und von der ich heute zum ersten Male höre, kann mich in meiner Hoffnung nur bestärken.«

»Was ich andeutete, fiel – ich wiederhole es – in die Zeit vor eurem Streit,« erwiderte Katharina. »Vergiß nicht, was unterdessen geschehen ist, und wie unversöhnlich sich Juliane auch nach Zeisolfs Tode noch uns gegenüber gezeigt hat. Seitdem ist zwischen ihr und Hans alles vorbei, und sie weiß vielleicht gar nicht, daß er schon vor ihrer Verheiratung ein Auge auf sie geworfen hatte.«

»Ist auch nicht nötig. Wenn sich die beiden nur jetzt ein wenig ineinander verlieben oder nach deinen Beobachtungen wieder ineinander verlieben, so bringen wir sie auch noch glücklich unter eine Decke und drehen dem Pfalzgrafen eine so lange Nase,« lachte der Ritter mit einer entsprechenden Handbewegung.

»Wie willst du das anstellen?« frug Katharina. »Hans, der abgesagte Feind der Ehe, und die kluge, stolze Juliane, – lieber Alter, du träumst.«

»Pah! sie ist ein Weib, und ich denke, eines mit recht warmem Blut,« antwortete Bligger. »Glaubst du nicht, daß sie ihr Witwentum sehr gern wieder mit einem freudenreicheren Dasein vertauschte?«

»Lieber heute, als morgen würde sie das tun, das ist kein Zweifel,« mußte Katharina zugestehen, »aber eine Frau Landschad von Steinach wird sie doch nicht, einen so ritterlichen und höchst annehmbaren Gemahl du ihr auch in Bruder Hans an die Seite geben könntest.«

»Das will ich meinen!« sagte Bligger, »Hans ist noch ein Mann wie ein Jüngling trotz seiner neunundvierzig Jahre. Er darf nur nichts merken; ahnungslos muß er in die Falle gehen, in die wir ihn zu seinem eigenen Glücke locken, und den Köder, mit dem wir sie beide fangen, den soll mir der Jude zurecht brauen; er sieht mir ganz danach aus, als wenn er hexen könnte.«

»Ein Liebestrank?«

»Nein, nein, kein Liebestrank! laß mich nur machen!« sagte Bligger, rasch im Zimmer auf- und niederschreitend und seiner Frau wie zur Beschwichtigung mit der Hand winkend, als stiegen ihm allerlei pfiffige Gedanken auf, in denen sie ihn nicht stören sollte. »Wo steckt der Jude?« frug er dann; »ich werde mal ein Wort unter vier Augen mit ihm reden.«

»Ich habe ihm und seinem scheuen Knaben ein behagliches Zimmer gegeben; in der Giebelstube hausen sie,« erwiderte Katharina.

»Hast du recht gemacht,« sagte der Ritter, »verpflege sie gut! Ich wünsche überhaupt, daß ihnen jedermann hier mit mehr Milde und Freundlichkeit begegnet, als man sonst Juden zu erzeigen gewöhnt ist. Und nun denke an morgen, daß du mit deiner Küche Ehre einlegst; du weißt, der Engelhard schlägt auch bei Tische eine scharfe Klinge.«

»Keine Sorge, mein Alter! sollst zufrieden sein,« rief die Frau ihrem hinauseilenden Gatten nach. Als sie aber allein war, sprach sie zu sich: »Also Hans, der Ehehasser, soll heiraten! Es ist eigentlich recht so und nur zu wünschen, daß es gelingt. Ich kann als Frau das Hagestolzenrecht nicht ganz verdammen. Des tüchtigen Mannes Kraft soll das Glück der Liebe schaffen und genießen, statt mit seinem Herzen mehr und mehr in der Welt zu vereinsamen. Wie sagt Bliggers Ahnherr, der Minnesänger?

Des Mannes Stärke wäre gut,

Ließ er zu rechten Dingen sie erscheinen,

Allein es ist manch Einem so zu Mut,

Daß er mit Haß sich kränket und die Seinen.«

Katharina war eine stattliche Erscheinung, kräftig und gesund, mit lebhaften Bewegungen und einem immer noch hübschen, klugen Gesicht, dessen frische Farben durch das früh sich zeigende Silbergrau des Haares an Stirn und Schläfen noch mehr hervorgehoben wurden.

Sie setzte sich an das geöffnete Fenster und blickte sinnend in das sonnenüberglänzte Tal hinab. Der Wald ringsum an den sanften Geländen, auf den Hügeln und Bergen trug sein hellgrünes Frühlingsgewand. Die flinken Wellen des Neckars, dessen Lauf hier einen großen Bogen beschrieb, blinkten und blitzten im Morgenlichte; die Schwalben umkreisten die Burg, Finken und Drosseln schlugen im Gebüsch des steilen Abhanges, und von unten herauf tönte das sehnsuchtsvolle Lied der Nachtigall. Es war ein köstlicher Tag, wie zum Ruhen und Träumen und zum wonnigen Genießen geschaffen. War auch müßiges Träumen Frau Katharinas Sache sonst nicht, konnte sie sich doch dem Zauber dieses seligen Friedens, der über dem ganzen, lieblich schönen Talgebilde ausgebreitet lag, nicht entziehen. Sie atmete mit Entzücken die würzige Luft und blieb noch lange sitzen, den Blick wie verloren in die Ferne gerichtet, die Gedanken in vergangene Zeiten versenkt.

Die Herren auf den Burgen des Neckartals hielten im allgemeinen in guter Eintracht zusammen, besuchten sich gegenseitig mit ihren Frauen und Kindern, gaben sich fröhliche Feste, Tanzreigen und Trinkgelage, Ringelrennen und Speerstechen, störten sich auch nicht in ihrem ritterlichen Gewerbe, halfen sich vielmehr dabei, und war einmal eine besonders reiche Beute gewonnen, so teilten sie auch wohl brüderlich untereinander. Kamen auch hin und wieder zwischen zweien kleine Streitigkeiten vor, bei denen dann leicht recht derbe Worte fielen, sich wohl gar ein paar Klingen kreuzten, so dauerte solch ein Zwist in der Regel nicht lange. Die Unbeteiligten bemühten sich, den Frieden zu vermitteln, und aller Groll wurde mit einem gründlichen Versöhnungstrunk, bei dem auch die einer Versöhnung gar nicht Bedürftigen tapfer mithielten, spurlos hinweggespült. Drohte vollends einem eine Gefahr von einem Gegner außerhalb dieses Kreises, so traten sofort alle für den einen männiglich ein, und wie in einem geschworenen Bunde ließ dann keiner den anderen im Stich. So hatten es die Großväter und Väter gehalten, und so hielten es die jetzt Lebenden miteinander, so daß selbst der Pfalzgraf vor dem kecken Treiben dieser kleinen, aber mächtigen und trotzigen Tafelrunde des Neckartales manchmal ein Auge zudrücken mußte, zumal ihre Mitglieder auch ihm zuweilen in seinen kriegerischen Unternehmungen mit Mann und Roß zu Hilfe kamen und er es schon deshalb nicht gern mit ihnen verderben wollte. Der kurpfälzische Gaugraf, der als Obervogt und Richter des Gaues auf dem Dilsberge saß, hatte nur dem Namen nach, aber nicht in Wirklichkeit etwelche Gewalt über seine Standesgenossen und hielt sich deshalb meist fern von ihnen, womit diese ganz zufrieden waren; denn sie liebten ihn nicht, weil sie wußten, daß er in allen streitigen Fragen ihr Widerpart war und auf der Seite des Fürsten stand.

Leider hatte diese Einmütigkeit unter den Burgherren vor wenig Jahren einen Riß bekommen, der allen Sühneversuchen zum Trotz nicht zu heilen gewesen war. Einem großen Frachtzuge von Kaufmannsgütern, der von Heilbronn nach Heidelberg bestimmt war, hatte Zeisolf Rüdt von Kollenberg auf Zureden seines nächsten Nachbars stromauf, des Ritters Bruno von Bödigheim auf Dauchstein, der den Zug bis Binau gedeckt hatte, sicheres Geleit auf der Landstraße bis Neckargemünd zugesagt und auch tatsächlich mit seinen Knechten übernommen. Das war nichts Ungewöhnliches, wenn es mit Wissen und Willen der übrigen Burgherren geschah und diese von dem sehr hohen Geleitsgelde einen Teil abbekamen. Diesmal aber hatte es Herr Zeisolf versäumt oder nicht der Mühe wert gehalten, seine Nachbarn von dem übernommenen Geleit vorher in Kenntnis zu setzen, und als der Zug trotzdem unangefochten bis in die Gegend zwischen Hirschhorn und Neckarsteinach gelangte, bekamen die Landschaden Wind davon, überfielen ihn mit bewehrter Hand und wollten nun von Deckung und Geleit nichts mehr wissen, wie sie bisher nichts davon gewußt hatten. Sie nannten Rüdts Verfahren unritterlich und bundsbrüchig und warfen ihm vor, er hätte ihnen nur ihren Anteil am Geleitsgelde unterschlagen wollen. Von den immer heftigeren und drohenderen Worten kam es bald zu Schwertstreichen und einem ernsthaften Scharmützel, in welchem der Sieg lange hin und her schwankte, bis Rüdt mit den Seinen von den Landschaden in die Flucht geschlagen und eine gute Strecke lang verfolgt wurde. Der Warenzug war dabei am besten weggekommen. Während sich Angreifer und Beschützer um ihn rauften, fuhr er so schnell wie möglich davon und erreichte ungeplündert Neckargemünd, wo ein starkes Geleit aus Heidelberg seiner wartete.

Einige Tage nach diesem Vorfall erhielten die Landschaden von Steinach Rüdts Absagebrief, den auch Bruno von Bödigheim mit gesiegelt hatte, und aller Mühen ungeachtet, die sich die zwischen den verfeindeten Burgen wohnenden Ritter um die Erhaltung des Friedens gaben, war der Ausbruch der Fehde nicht zu verhindern. Diese ging ihren rauhen Gang und wurde von beiden Seiten mit gleicher Erbitterung geführt. Man lauerte sich gegenseitig im Tale und im Walde auf und lieferte sich kleine Treffen, bei denen oft genug Blut floß; man fiel in die feindlichen Dörfer, steckte sie in Brand und nahm den Bauern Vieh weg; kurz, man suchte sich auf jede Weise mit List und Gewalt Abbruch und Schaden zu tun. Eines Tages aber stießen die beiden gegnerischen Streitkräfte unvermutet in größeren Scharen aufeinander, und es entspann sich ein hitziges Gefecht, aus dem die Landschaden von Steinach wieder als Sieger hervorgingen und den verwundeten Rüdt selber als ihren Gefangenen mit sich führten. Sie sperrten ihn in den festen Turm der Vorderburg und verlangten zweihundert schwere Goldgulden Lösegeld. Als aber Rüdt diese Summe nicht sofort zahlen konnte, mußte er sich nach langwierigen Verhandlungen dazu verstehen, den Gegnern sein Dorf Neunkirchen samt einem großen Walde, der an das Gebiet der Landschaden grenzte, zu verpfänden. Dann erst ließen sie den Besiegten frei, machten Frieden mit ihm und schwuren Urfehde.

Über diesen Verhandlungen während Rüdts Gefangenschaft waren mehrere Monate vergangen, und wenn nun auch die beschworene Urfehde auf beiden Seiten ehrlich gehalten wurde, so mieden sich doch die nur äußerlich Versöhnten fortan und kamen nie wieder in ein freundschaftliches Verhältnis zueinander. Mehr noch als ihr Gatte, faßte Frau Juliane einen bitteren Haß auf die gesamte Familie der Steinachs, und als ein halbes Jahr nach seiner Befreiung Herr Zeisolf das Unglück hatte, bei einem jähen Sturz mit dem Pferde den Hals zu brechen und nun, über dem Grabe des einstigen Genossen, die Steinachs, namentlich die beiden Frauen, den Versuch machten, sich der Witwe wieder in Frieden und Freundschaft zu nähern, wies Juliane diesen Versuch schnöde zurück, und sie und die Familie der Landschaden blieben geschiedene Leute.

Die Herrin der Minneburg war viel jünger als Herrn Bliggers Gattin; höchstens in der Mitte der Dreißiger konnte sie sein, aber Katharina hatte sie seit Jahren nicht gesehen. Vermutlich war sie noch, was sie früher gewesen war: eine schlanke, blühende, überaus lebenslustige Blondine, die gut zu Pferde saß, verführerisch lächeln konnte und sich überhaupt der Macht ihrer Reize allen Männern gegenüber sehr wohl bewußt war, ohne daß man ihr nachsagen konnte, sie hätte diese Macht zum Nachteil ihres guten Rufes gemißbraucht. Sie war ihres Geschlechtes eine Gräfin von Ehrenberg von der Burg gleichen Namens bei Heinsheim oberhalb Gundelsheims am Neckar und hatte ihrem Gatten im Laufe der Zeit drei Kinder geschenkt, von denen aber die beiden jüngsten wieder gestorben waren, so daß ihr nur eine Tochter blieb, die jetzt siebzehn Jahre zählen mußte.

Jetzt war sie schon über zwei Jahre Witwe und hatte sich über ihren Zeisolf längst getröstet. Sie fühlte sich noch jugendlich und hatte, dank einer ihr zugefallenen Erbschaft, über bedeutende Einkünfte zu verfügen, was sie, um jede Anknüpfung eines Verkehrs mit den Steinachs zu vermeiden, dennoch nicht veranlaßte, den immer noch verpfändeten Wald von jenen einzulösen. Wie verlautete, sollte sie mit ihrer Tochter Richilde und deren Freundinnen, von denen stets mehrere bei ihr zum Besuch waren, ein sehr vergnügliches Leben führen, von dem manche kleinen abenteuerlichen Züge zu den Ohren der Nachbarn drangen, so daß die Minneburg ein geheimnisvoller Zauberreiz umgab, der die Neugier herausforderte und den die darüber umlaufenden Gerüchte zu deuten und zu vermehren strebten. Ihren verlockenden Namen verdankte die Burg, die auf dem linken Ufer des Flusses, Neckargerach gegenüber lag, einer halb verklungenen Sage, laut welcher vor Jahrhunderten schon ein ritterlicher Kreuzfahrer in treuer, aber trostloser Minne nach der Rückkehr aus dem gelobten Lande seinem verlorenen Glück an dieser Stelle durch Erbauung der Burg ein bleibendes Denkmal gesetzt haben sollte.

Die Minneburg war ein sehr umfangreicher und sehr fester Bau mit einem äußeren und einem inneren baumbewachsenen Zwinger und von doppelten, gewaltig hohen und dicken Ringmauern umschlossen, deren vorderste von vier runden, in gleichmäßigen Abständen voneinander befindlichen, riesigen Türmen noch verstärkt wurde. Der Hauptturm aber, der mächtigste von allen, war viereckig und erhob sich, an die innere Ringmauer gelehnt, aus dem kühlen, schattigen Burghof hoch und stolz empor. Der Palas war mit einer in die Augen fallenden Pracht aufgeführt. Die Einfassungen der Türen und Fenster waren aus schönem roten Sandstein, vom Steinmetzen kunstvoll gemeißelt und mit wohlgeformtem Stab- und Laubwerk geschmückt. In einem besonderen, an den Palas gefügten Turm befand sich eine schlanke, ebenfalls aus rotem Sandstein meisterhaft gearbeitete Wendeltreppe, die bis zum obersten Geschoß hinaufführte. Am südöstlichen Giebel war ein bis unter das Dach reichender Vorbau, welcher Erker enthielt mit einem sehr großen, durch Säulen geteilten Mittelfenster und zwei kleinen Seitenfenstern. Von diesen Fenstern aus, die in dem Erker des großen Hauptgemaches im ersten Stock besonders reich verziert waren, genoß man eine entzückende Aussicht in das Tal hinab und auf die bewaldeten Berge. Unten floß, langhin übersehbar, der tiefgrüne Neckar, und an sein rechtes Ufer geschmiegt lag das Dorf Neckargerach, auf dessen Dächer man von oben hinabschaute, ein friedevolles, liebliches Bild.

Überaus herrlich war die Lage der Burg, auf der Kuppe eines Bergkegels, von hohen Buchenwipfeln umgeben, ganz im Walde versteckt, so daß man von unten nur die Türme und einige Dächer erblickte. Kam man hinauf, so stand man wie vor einem verwunschenen Schloß, in das eine Zugbrücke und ein spitzbogiges Tor führte. Mauern und Türen waren efeuumsponnen; tiefe Stille und Einsamkeit ringsum, in der die Burg wie eine prächtige steinerne Krone des Berges ragte, märchenhaft, feenhaft, von unbeschreiblicher Poesie und Romantik.

Wenig Fremde gelangten hinein und sehr selten ein Freier um die Hand der schönen Gebieterin, und zumeist wohl deshalb so selten, weil es weit und breit umher keinen ebenbürtigen und im richtigen Altersverhältnis zu ihr stehenden, unverheirateten Mann gab, mit Ausnahme des edlen Junkers Hans Landschad von Steinach, der aber vom Heiraten nichts wissen wollte. Nur einer, Ritter Bruno von Bödigheim auf Dauchstein, auch ein Witwer und Herrn Zeisolfs einstiger Bundesgenosse in der Fehde mit den Landschaden, klopfte zuweilen auf der Minneburg und am Herzen ihrer Herrin schüchtern an, hatte aber bislang noch keine Gnade vor ihren Augen gefunden.

So standen die Dinge, als Herr Bligger den kühnen, unter den obwaltenden Verhältnissen schier aussichtslosen Plan faßte, dieser Frau, die sich seiner ganzen Familie so entschieden abhold und unnahbar zeigte, eine Neigung zu seinem Bruder Hans einzuflößen und außerdem auch noch diesen selbst zur Werbung um die Hand der Dame zu bestimmen. Und dies alles nicht etwa in dem einzigen Wunsche, aus jenen beiden, die ja vortrefflich zueinander passen mochten, ein glückliches Paar zu machen, sondern in erster Reihe, um mit diesem wahren Hexenkunststück dem für den Familienbesitz verderblichen Inkrafttreten des Rechtes der Hagestolze vorzubeugen.

Das Recht der Hagestolze

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