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1. Kapitel - Weißt du noch…? (8 Jahre später)

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Die Aufregung im Land war groß, denn die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet: nach 7 Jahren war die junge Königin endlich schwanger! Das Gerede und Getuschel am Hofe über ihre vermeintliche Unfruchtbarkeit war am Ende nur noch durch den aufkeimenden Klatsch in der Bevölkerung übertroffen worden, denn allmählich hatte wirklich jeder geglaubt, die Königin wäre nicht imstande, schwanger zu werden und ein Kind auszutragen.

Doch nun hatte es schließlich doch noch geklappt und die Thematik der Gespräche schlug sogleich um. Jetzt wurde überall die Frage diskutiert, ob es wohl eine Prinzessin oder ein kleiner Kronprinz werden würde.

Die junge Königin selbst verschwendete keine Gedanken daran; sie jammerte stattdessen tagein, tagaus über die Tatsache, dass ihre zarte Gestalt unansehnliche Formen annahm und ihr darüber hinaus fortwährend übel war. König Albert, der seine schöne Frau vergötterte und über alle Maßen liebte, verwöhnte sie mit Geschenken und allen Annehmlichkeiten, welche ihr ihren Zustand erträglicher machen konnten. Sie nahm dies gleichmütig hin und klagte ihm gern ihr Leid.

Als sie sich dem siebten Monat ihrer Schwangerschaft näherte, ließ sie alle Spiegel im Schloss verhängen, denn sie konnte ihr eigenes Spiegelbild nicht ertragen. Hoch erhobenen Hauptes lief sie in den Wochen vor der Niederkunft durch die langen Gänge des Schlosses und rümpfte dabei auch die Nase über die Kinderstube, welche für das Ungeborene eingerichtet worden war.

„Wir wollen hier das Königskind betten! Glaubt ihr etwa, wir würden den Kronprinzen in eine solch finstere Kammer sperren?“

Also wurden eiligst neue Räumlichkeiten vorbereitet, denn mittlerweile neigte sich der achte Monat dem Ende entgegen und die Anspannung nahm deutlich zu. Man erwartete praktisch jeden Tag die Niederkunft. Die Königin wurde zusehends reizbarer und mürrischer, denn sie schlief nur noch schlecht und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass ihr Baby nur endlich ihren Körper freigeben würde. Als dann eines Abends, auf einem Ball zu Ehren des Hochzeitstages des Königspaares, mit einem Mal ein Aufschrei zu hören war, ging jede Ruhe verloren: die Königin war aufgesprungen, am ganzen Körper zitternd, und fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Sie stand in einer Pfütze trüber Flüssigkeit und wurde sofort hinauf in die für die Geburt vorbereiteten Gemächer gebracht.

Die ganze Nacht über lief der König rastlos im Gang auf und ab, während Schmerzenslaute und die harsche Stimme der Königin von den Wänden widerhallten. Dann, bei Sonnenaufgang, gab es einen lang gezogenen Schrei, der in das Weinen eines Babys überging. Eine der Hebammen kam heraus und verneigte sich demütig vor Albert.

„Ein Junge, Majestät. Stramm und gesund.“

Albert strahlte, fragte jedoch besorgt:

„Und die Königin? Ist sie wohlauf?“

Die Hebamme verneigte sich erneut.

„Sie ist erschöpft, aber unversehrt, Majestät.“

Das genügte ihm fürs Erste und er eilte davon, um seiner wartenden Mutter die gute Neuigkeit zu berichten.

Inzwischen waren sowohl die Königin als auch ihr Kind gesäubert und in ein frisch bezogenes Bett gebracht worden, wo die junge Mutter versonnen und stolz auf ihren Sohn blickte.

„Wie wäre es mit Leonard, hm? Ist das nicht ein schöner, starker Name?“

„Wirklich bezaubernd.“

Sie hob empört den Blick, als sie eine männliche Stimme vernahm, denn kein Mann mit Ausnahme des Königs durfte derzeit ihre Räumlichkeiten betreten. Doch als sie die schlanke Gestalt erblickte, die würdevoll mit hinter dem Rücken verschränkten Armen am Fußende ihres Bettes stand, keuchte sie.

„Du!“

Das kalte Lächeln vertiefte sich.

„Weißt du noch, Eleonore? Bei unserem letzten Treffen hast du mir etwas versprochen. Damals hast du mich angefleht, dich zu verschonen und dir noch ein wenig Zeit auf Erden zu geben; ich gewährte sie dir. Doch nun ist die Zeit gekommen, den Preis für deine Freiheit zu zahlen.“

Sie umklammerte schützend ihr Neugeborenes.

„Ich erinnere mich an dich! Du bist der Tod, der mich bereits durch meine Kindheit begleitet hat - du nahmst mir die Mutter, als ich gerade mal 5 Jahre alt war! Darum weiß ich, wie niederträchtig und gnadenlos du bist, aber ich sagte, dass du das Kind nur bekommst, sollte es ein Mädchen sein! Doch wie du siehst, habe ich einem Sohn das Leben geschenkt, also hast du kein Recht auf ihn!“

Sie zitterte, jedoch mehr vor Zorn als aus Furcht. Der Tod sah sie ungerührt an.

„Ich habe dies nicht vergessen, Eleonore. Jedoch versprachst du mir ein anderes Opfer, das ich mir selbst erwählen und welches sich meinem Kuss freiwillig hingeben sollte.“

Eleonore schluckte schwer.

„Ja, das habe ich. Aber warum belästigst du damit mich? Geh und suche dir dein Opfer, ich werde dann befehlen, dass es sich den Kuss des Todes verpassen lässt und sein Leben in deinen Armen aushaucht.“

Sie wandte demonstrativ den Blick ab und konzentrierte sich auf ihr Baby, doch er ging nicht fort. Stattdessen trat er näher und flüsterte dicht an ihrem Ohr:

„Ich habe meine Wahl bereits getroffen, Eleonore. Und genau deshalb bin ich hier.“

Sie blinzelte irritiert und wandte sich ihm wieder zu, als sie schlagartig begriff und entsetzt aufsprang, ehe seine Lippen die ihren berühren konnten.

„Nein! Ich meinte nicht mich damit!“

Aber der Tod erwiderte ruhig:

„Du hast mir die freie Wahl gelassen und sie fiel auf dich. Also erfülle dein Versprechen.“

Eleonore schüttelte heftig den Kopf und drückte ihr Kind eng an sich.

„Ich lasse mich nicht von dir übertölpeln! Niemals werde ich dir mein Leben geben, ich bin noch zu jung, um zu sterben!“

Sein Blick war eisig.

„Heißt das, du weigerst dich, deinen eigenen Schwur einzuhalten? Du willst dich tatsächlich mit mir anlegen, Eleonore?“

Sie sah ihn hoch erhobenen Hauptes an.

„Ich fürchte dich nicht!“

Da lachte er auf.

„Närrin! Also gut, du hast es nicht anders gewollt - von nun an herrscht Krieg zwischen uns!“

Damit verschwand er in den Schatten und schluchzend sank Eleonore in sich zusammen, wo sie kurz darauf von ihren Dienerinnen gefunden wurde. Behutsam führte man sie zurück ins Bett und nahm ihr das Kind ab, welches lauthals schrie.

Der junge König war verwirrt und in größter Sorge um seine geliebte Frau. Immer wieder sprach sie in den folgenden Wochen vom Tod, und dass man sie beschützen müsse; außerdem sei der Kronprinz in großer Gefahr. Albert wusste nicht, was er davon halten sollte, doch wie immer gab er nach. Das Kinderzimmer wurde ihren Wünschen entsprechend neben die Gemächer der Königin verlegt und er ließ es zu, dass sie Tag und Nacht über das Baby wachte. Zu ihrem eigenen Schutz ging sie nirgends mehr allein hin und hielt die Ammen und Dienerinnen rund um die Uhr auf Trab.

Doch das erste Jahr verging, ohne dass irgendetwas geschah. Der kleine Prinz gedieh prächtig und war ein aufgewecktes, wenn auch etwas scheues Kerlchen. Albert wusste, dass die ständige Bemutterung zu der Unsicherheit seines Sohnes führte, und hatte verstärkt das Gefühl, einschreiten und der Königin Einhalt gebieten zu müssen. Doch erst, als der Junge bereits 4 Jahre alt war und ihm seine Mutter noch immer verbot, auch nur einen Fuß allein vor die Tür seines Gemachs zu setzen, erhob der König die Stimme. Die Auseinandersetzung mit ihr war fürchterlich und nur mit größter Mühe blieb er ihr gegenüber standhaft. Letztendlich setzte er sich durch, doch Eleonore rief aufgebracht:

„Wie du wünschst, überlasse ihn ruhig seinem ungewissen Schicksal! Aber wenn der Tod ihn draußen aufgreift und mit sich nimmt, trage nicht ich die Schuld!“

Damit rauschte sie zornig davon und mit einem tiefen Gefühl des Unbehagens sah er ihr nach. Schließlich befahl er, die anstehenden Audienzen des Tages zu verschieben, um seinen Sohn mit sich nach draußen in die Gärten zu nehmen.

Leonard erblühte förmlich in der neu gewonnenen Freiheit außerhalb seines Zimmers; er konnte sich von da an besser auf den Unterricht konzentrieren, wurde zusehends selbstbewusster und neugieriger. Eleonore beobachtete mit sorgenvoller Miene, wie ihr Sohn im Schloss und in den Gärten umhertollte, und wartete unentwegt auf ein Unheil, doch es ereilte sie anders, als sie es erwartet hatte. Vermehrt erreichten sie in den kommenden Monaten Mitteilungen über tragische Unfälle mit Todesfolge, welche ihrer Familie widerfuhren. Es dauerte eine Weile, bis ihr klar wurde, dass dies kein Zufall sein konnte und verzweifelt wachte sie weiter im Hintergrund über ihren Sohn und ihren Mann, denn sie waren alles, was ihrem Leben Bedeutung gab.

Doch es vergingen 2 weitere Jahre voller Todesfälle, in denen Leonard wohlbehütet aufwuchs. Eines Morgens im August war er früh aufgestanden, um zuzusehen, wie die Pferde für die Jagd vorbereitet wurden. Er liebte Tiere sehr und fühlte sich ihnen stark verbunden. Denn da Eleonore ihren mittlerweile sechsjährigen Sohn noch immer kaum aus den Augen ließ, hatte Leonard keine Freunde; die Tatsache, dass er der Kronprinz war, trieb das Kind nur noch weiter in die Isolation. So widmete er sich seinen vierbeinigen Freunden, auch wenn die Königin es nicht gern sah, wenn er zu den Ställen ging. Sie pflegte dann stets zu sagen:

„Die Stallburschen sind kein Umgang für dich.“

Also schlich sich der kleine Prinz heimlich fort, so wie auch an diesem Morgen. Er hatte keinerlei Angst vor den großen Tieren und streichelte sehnsüchtig die Nüstern eines jungen schwarzen Hengstes.

„Ich wünschte, ich könnte dich auch reiten so wie Vater.“

Der König hatte zwar angeordnet, dass Leonard das Reiten beigebracht werden solle, doch wieder einmal hatte die Königin sich durchgesetzt - nur allzu deutlich war ihr bewusst, welche Möglichkeiten sich dem Tod bieten würden, sollte Leonard erst einmal auf dem Rücken eines Pferdes sitzen. Wieder hatte es eine heftige Auseinandersetzung gegeben, bis der König ihr entgegengekommen war: Leonards Reitausbildung sollte warten, bis er 10 Jahre alt war. Bedrückt sah dieser nun zu, wie die stolzen Tiere an ihm vorbei in den Hof geführt wurden, und machte sich widerwillig auf den Weg zurück zum Schloss.

Da ertönte mit einem Mal ein schriller Schrei und der Junge wirbelte herum, als ein lautes Wiehern zu hören war. Er sah den Reiter einer weißen Stute reglos am Boden liegen, während das Tier wild auf ihn zu stürmte. Wie versteinert starrte Leonard ihm entgegen, da legte sich mit einem Mal eine Hand auf seine Schulter. Verwirrt sah er auf und erblickte einen ihm fremden Mann neben sich, dessen Blick fest auf das rasende Tier gerichtet war und der langsam die rechte Hand hob. Das Pferd wurde langsamer und blieb stehen, ehe es den Prinzen niedertrampeln konnte. Überrascht blinzelte der Junge und merkte nun, dass auch die anderen Menschen sich nicht mehr rührten; sie waren in äußerst seltsamer Körperhaltung scheinbar erstarrt. Als er den Blick umherschweifen ließ, erkannte er, dass eigentlich alles um sie herum still war. Fragend sah er auf den Mann, der sich nun auf Augenhöhe mit ihm begab und leise sagte:

„Du musst vorsichtiger sein, Leonard. Sonst waren all die Bemühungen deiner Mutter vergebens.“

Verblüfft starrte Leonard ihn an.

„Woher weißt du das? Wer bist du?“

Der Mann lächelte, während sein blondes Haar im Licht der Sonne golden glänzte. Leonard fand es sonderlich, dass der Mann an einem warmen Morgen wie diesem so dunkel angezogen war; er trug sogar schwarze Handschuhe. Mit sanfter Stimme beantwortete er nun die Fragen des Jungen.

„Ich bin ein Freund, der über dich wacht. Doch wenn du nicht für den Rest deines Lebens von der Königin eingesperrt werden willst, solltest du ihr besser nichts von unserer Begegnung verraten.“

Neugierig neigte Leonard den Kopf zur Seite.

„Warum? Mag sie dich nicht?“

Das Lächeln vertiefte sich.

„Sagen wir, sie geht mir lieber aus dem Weg. Sie würde sagen, dass ich kein Umgang für dich bin.“

Als er dies hörte, empfand Leonard augenblicklich ein aufkeimendes Gefühl der Zuneigung für den Mann.

„Ach, das sagt sie zu jedem. Darum bin ich auch immer allein …“

Der Fremde hob die Hand und streichelte ihm tröstend übers Haar.

„Ich weiß, und deshalb habe ich auch ein Auge auf dich, wann immer es mir möglich ist. Wenn du mich brauchst, rufe einfach nach mir; ich werde zu dir kommen.“

Damit erhob er sich wieder und aus einem Impuls heraus griff Leonard nach seiner Hand. Er wollte nicht, dass der Fremde ging.

„Warte! Bleib doch da!“

Der Mann sah auf ihn hinab und erwiderte ruhig:

„Hab keine Angst, ich bleibe dir nah.“

Und mit einem seltsamen Funkeln in den Augen fügte er hinzu:

„Das verspreche ich dir.“

Mit diesen Worten zog er das Kind in seine Umarmung und hob erneut die rechte Hand, woraufhin die Welt offensichtlich wieder zum Leben erwachte. Leonard schrak zusammen, als das Pferd mit unglaublicher Geschwindigkeit an ihnen vorbeidonnerte und sein Herz raste wie verrückt. Die Hände des Fremden ruhten an den Oberarmen des Jungen und in dem Moment fiel diesem ein schwerer Silberring mit einem funkelnd schwarzen Stein auf, welcher an der behandschuhten linken Hand des Mannes steckte.

„Was ist das für ein Ring?“

Langsam zog der Mann seine Hände zurück und antwortete schlicht:

„Er ist ein Glücksbringer.“

Interessiert wandte Leonard sich zu ihm um.

„Und von wem hast du ihn bekommen?“

Da lachte der Fremde.

„Das waren genug Fragen für heute, mein Lieber. Sei ein braver Junge und kehre nun in den Palast zurück. Und denke immer daran: wenn du mich brauchst, komme ich zu dir.“

Und ehe Leonard auch nur geblinzelt hatte, war der Mann zwischen den nahen Bäumen spurlos verschwunden.

Todestanz

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