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5 Ein letztes Zaudern

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Es war Nacht geworden auf dem Berg. Die letzten Stunden des Tages hatte Dogan allein verbracht. Tief im Berg war sein Revier. In der ersten Ebene befand sich der Kerker. Tief darunter verborgen lagen unzählige verborgene Räume, zu denen nur er Zugang haben sollte. Seine Zähne knirschten vor Wut als ihm ein weiteres Mal bewusst wurde, dass Farq ohne den geringsten Respekt seine Sachen auch von hier hatte fortschaffen lassen. Noch nie zuvor war er so tief in Dogans Reich eingedrungen!

Doch für diesen Moment schob Dogan all das in den Hintergrund. Das Gemäuer um ihn herum schwieg und schirmte alle Geräusche ab, die von oben kamen. Hier blendete Dogan die Stimme aus, die ihn quälte. Heute kostete ihn das kaum Kraft. Odile schien ihm in der Vorfreude über ihren baldigen Sieg eine Pause zu gönnen und ließ ihm freies Geleit in seine eigenen schwarzen Gedanken. Er versuchte nicht einmal mehr einen Ausweg zu finden. Es gab keinen. Irgendwann erhob er sich. Es war Zeit, diese Farce zu beenden.

Sein Schritt war schwer und ihm war klar, dass überall auf dem Berg seine Männer innehielten und warteten wohin er sich wenden würde. Es war totenstill und niemand begegnete ihm auf seinem Weg durch die langen Flure.

Schließlich stand er vor der Tür, durch die er nicht gehen wollte. Lange Zeit stand er einfach da und starrte sie an. Er wusste, wie viele Gedanken ihn in diesen Raum zwingen wollten. Ruhig zählte er seine Atemzüge und mit jedem Atemzug schloss er alles um sich herum weiter und weiter aus. Als er den Raum betrat, lagen undurchdringliche schwarze Schatten vor der Tür. Niemand würde Mira nun noch zu Hilfe eilen können.

Als er eintrat und die leisen Atemzüge der schlafenden Frau wahrnahm, war er ruhig. Stumm hielt er inne. Er konnte sie riechen. Langsam trat er näher. Er würde ihr nicht wehtun müssen. Ein Griff in ihren Nacken und sie würden ihren Tod verschlafen. Es würde ein sanfter Tod werden.

So stand er eine ganze Zeitlang an ihrem Bett und betrachtete die Frau. Er konnte einfach nicht fassen, dass es ein so unwürdiges Wesen war, das am Ende alles zu Fall brachte. Er hoffte keinen Augenblick auf Farqs Gnade. Die konnte er ihm nicht gewähren. Starb sie, dann würde das auch Dogans Schicksal besiegeln.

Sie lag auf der Seite und hatte ihm den Rücken zugedreht. Langsam streckte er die Hand aus und für einen winzigen Augenblick zögerte er, als ihre Haare seine Finger kitzelten. Mit ruhiger Hand schob er die Locken beiseite, bis ihr Nacken blank vor ihm lag. Ihr Hals war dünn. Er hielt seine riesige Hand dagegen und nicht eine einzige Sekunde lang hatte er den Wunsch, diesen Kopf zu streicheln. Zu deutlich stand ihre Genugtuung ihm vor Augen. Sein Blick war schwarz, sein Atem ruhig. Seine Hand glitt an den Punkt, der sie ausschalten sollte. Doch in dieser Sekunde drehte sie sich herum und wie in einem kitschigen Märchen suchte sich der verdammte Mond genau diesen Moment aus, um durch das Fenster mit seinem kalten Licht auf ihren Bauch zu scheinen.

Und genau dieses Bild, dieser Lichtfleck auf ihrem Bauch fing ihn, hielt ihn auf. Der Bauch nun deutlich sichtbar unter ihren Händen. Das Bild, das sich in ihm einbrannte, war das einer Mutter, die im Schlaf ihr Ungeborenes schützt. Und es war, als ob es genau dieses Bildes bedurfte, um ihn zu stoppen.

Ein schrilles Heulen setzte in seinem Verstand ein und er erstarrte. Wieder drehte Mira sich ein wenig und ihre Hände rutschten ab. Das war der Augenblick in dem Dogan tat, womit niemals jemand gerechnet hätte. Er legte seine Hand auf ihren Bauch und sofort fühlte der Schlächter das Wesen, das sich darin befand. Geschützt im Dunkeln schwimmend, umhüllt von Mutters Körper. Mit Liebe erwartet. Langsam sank Dogan vor dem Bett auf die Knie ohne seine Hand von ihr zu nehmen. In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er niemals so erwartet worden war und seine Finger zuckten.

Wie es sich wohl anfühlte, etwas in sich zu tragen das man liebte und beschützen wollte? Wütend schrie die Schwärze in ihm auf und wie um dagegenzuhalten, zuckte das Kind durch die Bauchdecke gegen seine Hand. Etwas in Dogan klirrte laut. Es war ein Ton, als ob Glas zerbrach, und Odile verstummte augenblicklich.

Minutenlang harrte er bewegungslos auf den Knien aus. Seine Hand hielt die Verbindung zu einem Wesen, das er nicht erfassen konnte. Es wollte nichts von ihm außer das Gefühl der Verbindung. An die Frau, die dieses Wesen in sich barg, verschwendete er keinen Gedanken. Er fühlte nur das winzige Lebewesen, das sich unter seiner Hand bewegte. Und während Dogan anfing, sich in dem Gefühl für das Ungeborene zu verlieren, herrschte angespannte Stille auf dem Berg. Es dauerte lange, bis er die Hand von ihrem Bauch nahm, sich aufrichtete und den Raum verließ.

Dogan und Adara

Adara erwachte, weil sie fror. Als sie die Augen öffnete, konnte sie in der Kälte den Dunst ihres Atems sehen. Sie fuhr auf, sah sich um und traf auf Dogans ruhigen Blick.

Er saß dem großen Bett gegenüber in einem der Sessel. Die schneidende Kälte ging von ihm aus. Mit einer kaum sichtbaren Bewegung bedeutete er ihr, sich umzusehen. Sie suchte nach dem König und erschrak. Wie eine Puppe hing Farq an der Wand! Er hing aufrecht und stocksteif ohne sichtbare Verletzung. Doch sein Gesicht war leichenblass und leblos. Adara wagte kaum zu atmen »Ist er tot?«, hauchte sie leise. Wortlos schüttelte Dogan den Kopf. »Nein,« sagte er dann »aber ich kann ihn im Moment nicht brauchen!« Diese wenigen so abfällig gesprochenen Worte gingen ihm so leicht über die Lippen, das Adara noch mehr erschrak. Es war, als ob nicht Dogan hier mit ihr saß, sondern ein völlig Fremder. Er konnte Farq jetzt nicht brauchen? Himmel! Es stand schlimm um sie alle, wenn Dogan eine solche Entscheidung traf. Er beobachtete sie, wusste um jeden ihrer Gedanken »Wir müssen reden!« sagte er leise »Du und ich! Ohne sein beschissenes Ego!«

Adara fror unsäglich. Sie zog die Decke enger um sich. Dieser Moment, hier und jetzt mit Dogan ängstigte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte. Vorsichtig schaute sie sich um. Der Raum war voller schwarzer Schatten! Und sie drängten sich um ihn.

Adara kannte Dogans Schatten, doch diese hier waren anders! Sie rochen anders, sie ... schufen eine andere Art von Dunkelheit. Sie sah ihn an und verbarg ihre Angst nicht. Er hatte Farq ausgeschaltet! Hatte Adara einfach so aus dem Gefängnis von Farqs mentaler Gewalt befreit! Ohne Aufruhr, ohne Geschrei! Niemand war hier! Niemand hatte auch nur den Hauch einer Ahnung! Niemand hatte Farq vor ihm beschützen können, und niemand würde sie beschützen! Er war mächtig – so viel mächtiger, als sie alle ahnten. Ob Farq wirklich klar war, wen er da wie einen Hofhund an der Kette hielt?

»Wer zum Teufel bist du?«, fragte sie ihn, als sein Antlitz anfing, sich zu verändern. Sie flüsterte nur noch und wagte keine schnelle Bewegung. »Wer bist du?«, fragte sie noch einmal.

»Das weißt du doch!«, entgegnete er ruhig, während die Kälte um ihn herum klirrte und seine Augen jeden Glanz verloren »Ihr alle wisst es! Ihr wollt es nur nicht aussprechen!«

»Also stimmen die Gerüchte? Du trägst ihr Mal?«

»Natürlich stimmen sie! Ich trage ihr Mal und ich trage sie!«

»Und Farq weiß es?«

Als Dogan nickte flüsterte sie »Ich habe es nicht glauben wollen ...«

Für einen Moment noch gab er der Schwärze auf seinem Gesicht den Raum sich zu zeigen. Doch dann verblasste sie und zeigte den Dogan, den Adara zu kennen geglaubt hatte. Er nickte zufrieden, als er erkannte, dass sie sich zusammenriss. Es wurde Zeit, dass Adara die Augen öffnete. Dogan brauchte sie. Er musste ihr bestätigen, was Farq als Einziger wirklich wusste, und was er in seiner Verbohrtheit zu ignorieren beschlossen hatte. Nur so würde sie in der Lage sein zu handeln.

Vor vielen Jahren, als Raan ihm und Farq die Wahrheit über Dogan erzählte, hatte er ihn damit fast zerstört. Nach Dogans Genesung hatte sein Verstand ihn glauben lassen, dass das, was ihn nachts wach hielt nur ein böser Traum sei. Für eine elend lange Zeit litt er unter diesen Träumen! Er fühlte sich am falschen Ort, im falschen Körper! Er fragte sich, was er getan hatte, um so zu leiden! Doch dann setzte Raan den Tag der Weihe für die beiden kleinen Jungen an und an diesem Tag riss er ihm den Schleier von den Augen und zeigte ihm, zu was er geboren worden war! Und der Arwadok zeigte ihm, was er in Odiles Auftrag bereits getan hatte. Nach diesem Tag wusste Dogan, dass seine Träume in Wirklichkeit Erinnerungen waren. Als ihm das klar wurde, verstand er, warum er so litt und das er diesen Schmerz mehr als verdient hatte. Nur Farq hatte damals verhindert, dass er wahnsinnig wurde.

Zu diesem Zeitpunkt erwartete Dogann getötet zu werden! Mit Freuden wäre er freiwillig auf einen Richtblock geklettert, doch Raan opferte ihn nicht! Stattdessen ließ er sie beide zu Kriegern weihen. Ganz still war ihrer beider Weihe verlaufen, kein Publikum, keine Zeugen. Niemand außer Raan und dem Arwadok waren Zeuge gewesen. An diesem Abend, dort oben in der großen Halle, hatte der kleine Junge die ersten Kinder getötet die schwach und verkrüppelt aus den Versuchen der Männer hervorgegangen waren, sich mit Frauen aus anderen Welten zu verpaaren. Das war seine abschließende Prüfung gewesen. Diese Nacht veränderte alles. Sie ließ ihn den ersten Schritt auf den Weg tun, der ihn genau an diesen Punkt brachte, an dem er nun war!

Als Raan ihm nach diesem ersten Massaker eine Aufgabe gab, legte sich diese Aufgabe wie ein Harnisch um Dogan und half ihm zu ertragen, was er nun über sich wusste. Die Aufgabe Farqs erster Mann, seine Stütze und der Schutz dieses Volkes zu sein, füllte ihn ab diesem Moment aus, gab ihm den Halt, den er so dringend brauchte. Als ihn die Augen des alten Königs ansahen und er den Eid schwor, schwor er den Mächten ab, die ihn geboren hatten. Mit diesem Eid lieferte er sich den Draggheda endgültig aus. Er verschrieb sich ihnen, machte sich zum Werkzeug des alten Königs. Und bis zur Erlösung die Farq ihn erlangen ließ, nutzte er seine schwarzen Mächte für Raan und in seinem Auftrag. Diese zerstörerischen Kräfte nach Raans Tod tief in sich zu begraben, hatte Draggheda ein wenig sicherer gemacht. Es schien Dogan ein Witz der Geschichte zu sein, dass ausgerechnet Raans Sohn sie nun wieder entfesseln würde.

Als Dogan nach Raans Tod das erste Mal als erster Krieger vom Hof ritt, wagte niemand mehr, die Gerüchte um seine Herkunft auch nur zu erwähnen. Alle warteten still und entsetzt auf den Sündenfall - doch er trat nie ein.

So wurde Dogan das Schwert in Farqs Hand. Und niemals trat er aus der zweiten Reihe nach vorne. Im Laufe der Jahre verstummten die bösen Stimmen. Der Arwadok kam nicht mehr auf den Berg und je weniger er sich zeigte, desto mehr vertrauten die Menschen Dogan. Als Dogan nach Farqs Prägung der Einzige war, der sich seinem Wahnsinn noch in den Weg stellte, fingen die Menschen an, ihn zu achten. Und sie waren ihm dankbar, dass er ihren jungen König am Leben erhielt. Denn mit Adara verschwand ihre Hoffnung und außer Farq hatten sie nichts mehr, das ihnen eine Zukunft versprach. Es gab nur noch den zornigen Jungen der plötzlich König war, und das Monster in seinem Rücken, das ihren Untergang in sich trug.

Reglos saß Dogan vor Adara. Die beiden magischen Wesen musterten einander. »Dogan, was willst du von mir?« Adara atmete schwer. Diese verdammten Schatten, sie ... sie schienen näher zu kommen und nahmen ihr die Luft zum Atmen. Auf Dogans unwirsche Handbewegung hin wichen sie zurück. Adara machte ein paar hastige Atemzüge. Trotz der Kälte fühlte sie Schweiß auf ihrer Stirn. Noch einmal fragte sie »Was willst du?«

Er sah sie an und sie bekam eine Gänsehaut, als sein Blick sich auf ihren Bauch richtete. Nur mit Mühe konnte sie panisches Kopfschütteln vermeiden. Sie musste nicht nachdenken, bevor sie um das Leben des Kindes flehte »... Nein! Bitte! Dogan, ich will dieses Kind!«

Er atmete tief ein und nach einem unerträglich langen Augenblick des Schweigens nickte er »Gut, dann soll es so sein!« Gerne hätte sie erleichtert aufgeatmet, doch es fühlte sich nicht an, als ob die Gefahr vorüber war. Endlich hob er den Blick von ihrem Bauch »Bedeutet Farq dir etwas oder willst du immer noch fort?«, fragte er. »Jetzt wo du sein Kind trägst, weißt du, was es für dich bedeutet, was es für das Kind bedeuten würde! Willst du immer noch fort?«

Adara wurde wütend und ihr Gesicht war Antwort genug. Sie wusste, dass er ihr vorschlug, ihr genau das zu ermöglichen, was er ihr vor Wochen noch versagt hatte. Er hatte sie für diesen Wunsch verachtet. Er hatte sie wie einen Hund hierher zurückgezerrt und gedemütigt. Vor wenigen Wochen noch hätte sie keine zweite Frage gebraucht, um zu verschwinden. Doch nun? Nun war da dieses Kind in ihr. Und das änderte alles. Sie wollte Farq und das was ein Leben mit ihm für sie bedeuten würde immer noch nicht, doch er hatte sie zu seiner Königin gemacht. Ihre Instinkte trugen sie wieder. Für Adara gab es keine Alternative mehr! Ihr Kind würde hier geboren werden, hier wo es hingehörte. Wo man es beschützen konnte, es verehren und achten würde. Nicht in dieser stinkenden Welt voll von oberflächlichen Menschen die es jagen würden, sobald sie seiner Andersartigkeit gewahr wurden. Vor Wochen also wäre sie bereits auf dem Weg zum Stall gewesen, noch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hätte. Doch heute blickten sie einander an und sie verstand, dass er nun den Punkt erreicht hatte, an dem sie vor Jahren gescheitert war. Denn sie war weggelaufen und nun wo sie wieder hier war, fragte sie sich, wozu sie all das getan hatte.

Dogan schaute sie an, er nahm ihre Gedanken auf und er lächelte traurig »Es ist gut, dass du nicht gehen willst« sagte er sanft »Er wird dich brauchen! Er wird jemanden an seiner Seite brauchen der ihn führt!« Müde fuhren seine Hände über sein Gesicht »Wir stehen nicht mehr auf derselben Seite und dass heißt, dass er alleine ist! Zum ersten Mal in seinem Leben ist er alleine! Und er trifft schwerwiegende Entscheidungen! Entscheidungen, die von seiner Gier gefordert werden, nicht von Vernunft oder Weitsicht!« Adara versuchte, in seinen dunklen Augen zu lesen. »Er fordert ein schwarzes Kind von mir! Ein Kind mit Mal reicht ihm nicht mehr! Er will mehr!« Die Muskeln in seinem Gesicht bewegten sich und gaben ihm einen noch härteren Ausdruck »Nun weißt du, das alle Gerüchte der Wahrheit entsprechen! Nun weißt du, warum ich ihm nicht geben will was er fordert! Er ... ich ... es könnte der Untergang für Draggheda sein! Doch er ... er ist der König! Ich ...« Dogan schloss für einen Moment die Augen »... weiß nicht, wie ich den Kopf aus der Schlinge ziehen soll.«

Als ihre Blicke sich trafen war die Kriegerin bereit, zu handeln »Ich töte dich! Jetzt und hier! Sofort - lass es uns zu Ende bringen! Auf der Stelle!«

Er lächelte warm, stand auf und sank vor ihrem Bett auf die Knie. Dann griff er nach ihr und seine großen Hände umfassten ihr Gesicht. Sanft zog er sie an sich. Er küsste sie leicht auf die Stirn und sie fühlte, wie sich seine Kälte auf sie übertrug als seine Lippen ihre Haut berührten. Automatisch zuckte sie zurück, doch seine Hände lagen wie ein Schraubstock um ihren Kiefer. Sie hielten ihren Kopf an Ort und Stelle.

Seine Lippen murmelten an ihrer Stirn »Odile würde dich lieben! Das wäre einer dieser Momente, auf die sie wartet! Momente, in denen meine Verzweiflung mich blind macht! Deshalb quält sie mich so! Sie würde von mir auf dich übergehen in dem Moment, in dem ich schwächer werde und sie nicht mehr halten kann! Fühlst du sie? Willst du sie in dir haben? Willst du, dass sie sich über das Kind legt, das du trägst?«

Er hielt sie fest und Adara wurde übel, als sie verstand, was er jeden Tag, jede Minute und jede Sekunde seines Lebens in sich trug. Es war Tod und Verwesung in ihm. Gift und Verderbtheit tobten durch seinen Intellekt. Es kroch ihm aus jeder Pore und sie hörte Odiles hasserfülltes Schreien. Sie hörte die Laute aller Toten, die es jemals in dieser Welt gegeben hatte. Sie fühlte ihren Schmerz und ihr Leid! Nur für wenige Sekunden ließ er sie teilhaben, dann gab er sie frei.

Sofort wich sie vor ihm zurück und er lächelte, als er bemerkte, dass sie mit derselben Geste wie Mira das Leben in ihrem Bauch beschützte. Er ließ ihr Zurückweichen zu. Dogan hatte nur sicherstellen wollen, dass sie verstand, mit wem sie es zu tun hatte. Sie durfte später nicht zaudern. Es durfte keinen Zweifel geben, wenn sie bestehen sollte.

Er war ruhig, seine Stimme war gefasst »Du weißt was er verlangen wird wenn seine Gier wächst?«

Adara antwortete nicht. Sie schaffte es nicht mehr, auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen. Er lächelte bedauernd, dann fuhr er fort »Er wird dich dein Kind auf die Welt bringen lassen. In der Zwischenzeit werde ich Mira getötet haben ...«, als sie den Mund öffnete, schüttelte er den Kopf, noch bevor sie etwas sagen konnte »Nein Adara,« sagte er sachte »sie wird keine Chance haben! Vielleicht überlebt sie den ersten Schlag, vielleicht sogar die ganze Unterwerfungsscheiße! Doch spätestens wenn sie schwanger ist, wird es sie zerreißen!«

Er sah, wie ihre Mundwinkel zuckten, wie sie nach einem Ausweg suchte. Ihre Stimme war kaum hörbar »Deshalb hast du mich sehen lassen ...«

»Ja! Deshalb musstest du mich anfassen! Denkst du, mit dem was in mir ist wird sie eine Chance haben?«

Stumm schüttelte Adara den Kopf. Und er nickte zufrieden »Gut, dann verstehst du, dass sie keine Rolle mehr spielt für das was geschehen wird. Denn wenn sie weg ist und er in seiner Enttäuschung feststellt, dass er nicht bekommen hat wonach es ihn so gelüstet, wirst du dein Kind entbunden haben! Wenn alles gut läuft, wenn sie das Mal trägt, dann haben die anderen Männer bald ebenfalls schwangere Frauen und eine Generation von Mädchen kann langsam heranwachsen ... Wenn es richtig gut läuft, dann wird sie eine Kriegerin wie du. Doch bis dahin ...«

Adara ahnte, auf was er hinaus wollte »... es wird ihm zu lange dauern!«

»Genau! Selbst wenn der günstigste Fall eintritt, wird es ihm zu lange dauern! Und es wird ihm nicht schwarz genug sein! Denn Kinder mit dir werden immer nur Mischlingskinder sein. Keine reinblütigen Draggheda. Da wird immer etwas sein, was ihn zweifeln lassen wird.«

»Und deshalb ...?«

»Deshalb wird er uns aufeinander hetzen. Er wird fordern, dass ich ihm ein Kind mit einer Frau schenke, die die Chance hat das auch zu überleben! Eine Frau deren Kinder noch stärker werden, schneller wachsen! Mehr sind wie ... ich ...«

Dogan sah die Ader an ihrer Stirn pochen, während sie an die Schreie und den Schmerz dachte, den sie bei seiner Berührung gefühlt hatte.

»Es wird ihn nach meiner Schwärze verlangen ohne meine Sturheit. Eine Schwärze die er formen kann wie sein Vater es einst mit mir tat!«

Stumm wandte sie sich ab und Dogan wusste, dass sie verstanden hatte!

Wieder rieb er sich die Augen und sagte mühsam »Seit dem Raan den ersten Blick auf mich warf kämpfe ich dagegen an! Ich halte Odile nieder. Ich schlafe nicht, darf nie aufhören wachsam zu sein. Doch jetzt ist es, als ob beide plötzlich dasselbe wollen. Und ...«, voller Entsetzen erkannte Adara das er recht hatte. Er sah so müde aus »Er weiß das das seine Gelegenheit ist, mich in die Enge zu treiben. Und Odile weiß, dass sie noch nie dichter dran war mich zu überrennen! Sie wird zuschlagen wenn ich mich von ihm schwächen lasse! Denn er gibt ihr die Möglichkeit dazu! Adara, ich kann einfach nicht noch mehr aufpassen! Ich bin sein Krieger - ich bin sein Henker! Ich will das Volk schützen, das Raan mir anvertraut hat. Ich will nicht für seinen Untergang verantwortlich sein! Doch ich kann nicht gegen beide kämpfen!«

Er tat Adara so leid, sie wollte so gerne eine Lösung für ihren Freund finden, dass sie einfach die ersten Worte sagte, die ihr einfielen »Gut,« platzte es aus ihr heraus »dann bringen wir Mira um, und du verschw ...«, sie beobachtete und als sie seinen Blick sah, stockte sie ...

»Der Henker der Draggheda kann die kleine Frau nicht umbringen?«, flüsterte sie fassungslos. Stumm nickte er. »Warum Dogan? Warum lebt sie noch? Du warst schon bei ihr! Du hattest deine Hände schon an ihrem Hals, oder?«

Er schwieg.

»Dogan! Warum lebt sie noch? SAG ES ENDLICH!«

Tief atmete er ein und er sah aus wie ein kleiner Junge, als er zugab »... ich kann das Kind nicht töten ...«

Sie schaute ihn an und war erschüttert, als sie in seine Augen sah »Ich kann es nicht ... ich, ich habe Unzählige getötet, doch ... dieses Kind kann ich nicht töten! Nicht so lange es in ihr ist. Sie trägt es in sich und es verletzt sie nicht. Ich fühle es, wenn ich sie berühre! Es ist das Gegenteil von dem was ich in mir trage und das macht es wertvoll, das macht es gut und richtig. Wenn ich sie berühre, dann fühle ich das Wesen. Es berührt mich. Es ist, als ob es nach mir ruft. Und es ist mir nicht möglich, es zu töten oder zu verletzen ...«, die folgende Pause war bedeutungsschwer und das war Adara durchaus bewusst, als er fortfuhr »... so lange es in ihr ist!«

Bei seinen nächsten Worten war sein Blick eindringlich. Er war warm und weich anfangs, doch mit jedem weiteren Wort veränderte er sich, wurde dunkler und drohender. »Doch genau das wird geschehen! Verstehst du?« Wieder näherte er sich ihr, seine Stimme wurde immer kälter. Die Wärme in seinem Blick wich einer dunklen Gier »Ich werde Mira umbringen wenn sie dieses Kind entbunden hat! Er wird sie mir aufzwingen und das wird ihr Tod sein! Und dann gibt es nichts mehr zwischen mir und dem Wesen das mich berührt hat wie noch nie etwas zuvor in meinem Leben ...«

Er schloss die Augen und sein Gesicht war ihr nun nicht mehr vertraut! Als er sie wieder öffnete, war er nicht mehr derselbe »Kennst du die Gerüchte über das was ich Odile angetan habe? Weißt du was geschah als sie mich in die Enge trieb? Es ist alles wahr!« Eiskalt wurde es um ihn, als er fortfuhr »Und ich würde es wieder tun! Ich würde so gerne wissen, wie sich so ein Wesen in mir anfühlt ... ob es anders ist als das was ich schon so lange in mir trage ... Was würde ich fühlen, wenn ich das Kind aufnähme ...?«

Der Blick der sich in ihre Augen bohrte verletzte sie, und Adara konnte nicht anders als voller Grauen der Szene zu folgen, die sich in seinen Augen spiegelte. Voller Ekel würgte sie trocken.

Als sie ihn das nächste Mal anblickte, da war er wieder Dogan und als Farqs erster Krieger warnte er nun seine Königin »Farq bettelt schon so lange darum, das ich werde, wozu ich geschaffen wurde!« Bei seinen Worten schauderte Adara »Es wird der Punkt kommen, an dem ich nachgebe! Ich habe mich ihm verpflichtet! Das bedeutet mir etwas und ich werde über kurz oder lang keine Wahl mehr haben als seinem Befehl zu folgen! Wenn es also hart auf hart kommt, werde ich ihn sehen lassen, was er so begehrt! Er wird bekommen, wonach es ihn gelüstet! Ich werde Odile an die Oberfläche lassen. Ein einziges Mal werde ich sie ihm zeigen und dann wird er entscheiden müssen, ob all das den Preis wert war.«

Still blickte Adara ihn an. Er wirkte erschöpft und blutleer. Sein Blick war nach innen gekehrt.

»Warum erzählst du mir das? Du hast deine Entscheidung doch bereits getroffen!«, fragte sie leise und endlich kam er auf den Punkt. Sie empfand eine tiefe Traurigkeit, als er sagte »Weil du Wege finden musst ihn zu beschützen! Ich denke nicht, dass ich sie lange aufhalten kann wenn sie an der Oberfläche ist! Verliere ich die Kontrolle, kannst nur du ihn noch schützen. Nur du kannst dich noch zwischen ihn und Odile stellen wenn ich falle! Du musst vorbereitet sein!«

Draggheda - Resignation

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