Читать книгу Draggheda - Resignation - Karin Pfeiffer - Страница 8

Der Andere 2 Falk

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Es war kaum zu glauben, aber Falk hatte in der Welt der Menschen Frieden gefunden. Es war ihm nicht leichtgefallen und es hatte Kraft gekostet, doch nun war er hier und er kam zur Ruhe.

Wann immer sich die Kräfteverhältnisse in Draggheda verschoben, beeinflusste es ihn. Da war der seltsame Kraftverlust von Farq und die Konsequenzen für seine Krieger. Auch das Erstarken des Arwadoks hatte Auswirkungen auf Falk. Es dauerte eine ganze Zeit lang, bis diese Schwingungen die von so weit entfernt auf ihn wirkten, ihn nicht jedes Mal zum Handeln reizten. Er zog sich aus den belebten Gebieten zurück und nach einigen einsamen Monaten in der Wildnis der Berge ließ der Drang ständig um sich zu schlagen, nach. Er hatte viel gesehen, war durch viele Staaten gereist und nun zog es ihn zurück ins Leben. Ihm fehlte Gesellschaft. Vorsichtig näherte er sich den bewohnten Gebieten. Je näher er den großen Städten kam, desto schlimmer wurde der Gestank, desto ärmer wurde die Luft. Also zog er weiter und als der Motor seines Motorrades in einer Kleinstadt mitten in Montana plötzlich anfing zu stottern und schließlich ausfiel, entschied er sich, ein paar Tage zu verweilen. Er suchte eine Werkstatt, gab das Motorrad ab und machte sich zu Fuß auf den Weg.

Das Kaff war nicht allzu groß. Doch es gab einen Stadtkern und an einem so milden Abend wie heute spielte sich dort das Leben ab. Mehrere Restaurants waren um einen schönen Marktplatz angesiedelt. Vor den meisten standen Tische und Stühle und es gab kaum freie Tische.

Falk suchte sich einen dieser Tische aus und sah sich um. Es war ihm völlig gleich, wo er saß. Er hatte nicht vor etwas zu essen, denn egal wo er war, egal wie schön der Ort auch sein mochte, das Essen war einfach überall grauenhaft. Als die Bedienung kam, bestellte er freundlich ein Bier und lehnte sich entspannt zurück. Der Ort wirkte fast schon pittoresk. Überall waren Blumenkästen mit blühenden Pflanzen bestückt. Ein Brunnen mit einem netten Wasserspiel war mitten auf dem Marktplatz aufgebaut. Einige Händler räumten noch ihre Waren ein. Es schien Markttag gewesen zu sein.

Für einen Augenblick ließ er all das auf sich wirken. Das Gemurmel der Menschen um ihn herum war wie das Rauschen von Wellen am Strand. Er nahm es wahr, doch er hörte nicht hin.

Jedenfalls nicht, bis sich einzelne Wörter in seinem Verstand formten. Anfangs noch setzte er sie nicht in einen Zusammenhang und ließ sie einfach kommen. Doch mit jedem Wort wurde die Stimme klarer.Es war eine Frauenstimme und sie sprach die Worte nicht, sie dachte sie.

»... wie er wohl beim Kacken aussieht?«, eine Pause »... wenn er nur endlich still sein ...«, dann laut »HMM - AHA? Das ist interessant ...« Es folgte ein Gedankenfetzen »... was tue ich hier? HIMMEL! Warum hilft mir denn keiner?«

Und laut ausgesprochen »Wirklich? So einfach haben Sie ...« Falk grinste. Es war eine hohe Stimme, die sie unterbrach. Er grinste, weil der Mann sprach, während sie dachte »... das kann der doch nicht ernst meinen. Wie kann er glauben, dass ihm das jemand abnimmt ...«

»... und dann habe ich auf den Tisch gehauen!«, fistelte die männliche Stimme »So nicht - hab ich gesagt ...«, während die Frau dachte »... ob ich mildernde Umstände bekomme wenn ich ihm jetzt einfach die Gabel in den Hals ...«

Dann, in ihren Mordgedanken unterbrochen »Ja, wie ...? Nein, nein, habe ich noch nie ...«

Mit einem Lächeln nahm Falk wahr, dass sie anfing, sich zu ärgern »... warum antworte ich eigentlich? Es interessiert ihn nicht im Geringsten!«, eine kurze Pause, sie kicherte still »... er sieht aus wie ein ... verdammt! An was für ein Tier erinnert er mich bloß?«

Es machte Spaß, ihr zuzuhören »Wie bitte?«

Der Mann hatte sie etwas gefragt und sie hatte es nicht mitbekommen »Hmmm?«, fragte sie erneut und wieder näselte der Typ etwas. Falk hörte nicht mal hin, er wartete einfach nur auf ihren nächsten Gedanken und schloss die Augen »... ich muss völlig untervögelt sein, wenn ich meinen Samstag Abend hier mit so einem Idioten verbringe ...« Falk verschluckte sich, als sie den Gedanken weiterspann »467 Tage ohne Sex! Was macht das aus einem Menschen? Herrgott! Dafür MUSS es mildernde Umstände geben!« Jetzt lachte er laut auf und als sich die Leute an seinem Nachbartisch verwundert nach ihm umsahen, riss er sich zusammen. Er trank sein Glas aus und dann drehte er sich um, um die Frau zu betrachten, deren Gedanken ihm so viel Spaß machten.

Falk ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Das Restaurant war voll besetzt, doch das Pärchen war leicht auszumachen und seine Augen blieben zuerst an dem Mann hängen. Das Tier, an das er sie erinnerte, war ein Maulwurf und für das arme Tier war das eine Beleidigung.

Falk wusste, dass er das Gesicht zu der näselnden Stimme war, ohne dass er einen weiteren Ton hören musste. Er musterte den teuren Anzug, die blinkende goldene Uhr, die Brille mit dem Goldrand und den Gläsern, die wie Lupen wirkten. Er hatte ein spitzes Gesicht und kniff die Augen zusammen. Falk dachte an ihren ersten Gedankenfetzen und stellte ihn sich ebenfalls beim Kacken vor. Wieder drehten sich einige Köpfe nach ihm um, als er auflachte. Sein Blick hielt an dem Mann fest. Er genoss den Moment, bevor er sich zu ihr drehte. Einige Sekunden lang betrachtete er die Frau die dort saß ohne Regung. Sie war irgendetwas ab vierzig aufwärts. Sie war ungeschminkt, ihre Haare waren nicht gefärbt. Ihre Kleidung war geschmackvoll, aber nicht auffällig. Sie trug keinen Nagellack, keinen Schmuck und im Vergleich zu den Frauen, die ihm sonst auffielen, war sie zu dürr. Doch hier und jetzt gefiel ihm was er sah! Sie wirkte echt und das zog ihn an. Ohne sich dessen bewusst zu sein, stand er auf und betrat das Restaurant. Von dem Moment an, als er eintrat, sah er sie an und nahm den Blick nicht mehr von ihr. Er tat einen Schritt auf sie zu und blieb dann einfach stehen. Er sah sie an und freute sich, als sie unter seinem Blick anfing zu schwitzen.

Sie sah bezaubernd aus, als sie mit roten Backen den Blick abwandte und verzweifelt versuchte, sich auf die Worte des Maulwurfes zu konzentrieren. Es brachte sie aus der Fassung, als Falk einen weiteren Schritt auf sie zu trat. »Steht einfach da und stiert mich an?«, flüsterte ihr Verstand. »Nein, der starrt wahrscheinlich jemanden hinter mir an ...«, bei diesem Gedanken drehte sie sich um und Falks Grinsen wurde breiter, denn da war niemand. Unsicher vergewisserte sie sich, dass er sie immer noch im Auge behielt, dann wich sie erneut aus und Falk machte den nächsten Schritt auf sie zu. Sie knetete ihre Finger, ihre Gedanken rasten.

»Was?«, der Maulwurf hatte sie etwas gefragt und wieder hatte sie keine Ahnung, was er von ihr wollte. Mit Gewalt versuchte sie sich auf den ihn zu konzentrieren und Falk zog die Schlinge weiter zu. Sein Lächeln verschwand, und als er den Kopf von links nach rechts drehte, knackten seine Wirbel laut und hörbar. Sie schluckte, schloss für einen Moment die Augen und es gefiel ihm sehr, dass sie noch röter wurde.

Als er den nächsten Schritt tat, konnte er sie riechen. Er mochte, wie sie versuchte, sich unter Kontrolle zu bekommen und wie jämmerlich sie versagte. In all der Zeit, in der er hier in dieser Welt war, war ihm kaum etwas Echtes untergekommen. Die Frauen waren genau wie Neel sie beschrieben hatte. Und genau, wie er voraussagte, verloren sie schnell ihren Reiz. Doch diese da schaffte es nicht, ihre Unsicherheit und ihren inneren Frust zu beherrschen. Damit gefiel sie ihm mehr, als alle, die er bisher hatte. Und von diesem Moment an wollte Falk sie. Es war ihm egal, dass sie nicht in sein Beuteschema passte. Alles was er wollte, war sein Gesicht in diesem Geruch zu vergraben.

Frances registrierte, dass den Mann eine Regung durchfuhr, und sie bekam Gänsehaut. Sie hatte keine Ahnung, was genau gerade passierte. Alles um sie herum fühlte sich plötzlich wattig an. Alles bis auf den großen Mann, der sie anstarrte.

»Was?«, fuhr sie herum. Oh ja, diesmal war sie eindeutig wütend. Das Frettchen auf der anderen Seite des Tisches gab einfach keine Ruhe und sie hätte ihn am liebsten geohrfeigt dafür, dass er sie aus diesem Tagtraum holte.

»Was? Bitte Sam!«, unterbrach sie ihn »Ich ... ich muss ... ich muss mich frisch machen!«

Als sie vom Tisch floh folgte er ihr langsam.

....

In die Damentoilette rein, in eine der Kabinen und die Tür hinter sich zu! Das war alles, was sie wollte. Sie war aufgelöst. Was verdammt nochmal ging hier vor?

»Beruhige dich!«, schalt sie sich. »Blöde Gans!«

Sie atmete einmal tief ein und wieder aus - nochmal ein und wieder aus und dann öffnete sie die Tür und erschrak, als Falk sie wortlos in die Kabine drängte und die Tür hinter sich schloss. Sie taumelte zurück und öffnete den Mund, doch er gab ihr keine Chance etwas zu sagen. »Nein!«, entgegnete er stattdessen leise, »Fang jetzt bloß nicht an zu lügen! Ich kann dich riechen, also sei still!«

Sie hielt völlig überfahren mitten im Luftholen inne, doch als er an ihr herabglitt und sie sein Gesicht tief an ihrem Körper fühlte. Als die großen Hände des Fremden langsam unter ihren Rock fuhren, da keuchte sie - doch sie wehrte sich nicht. Und nachdem seine Finger sie erreichten, gab sie auf! Sie wollte, was er tat! Sich jetzt zu verweigern wäre Heuchelei gewesen! Und Frances Callone war vieles, sie war alleine, sie war verzweifelt, sie hatte das Gefühl ihr Leben verschwendet zu haben, doch sie war keine Heuchlerin! Falk folgte ihren Gedanken und er griff nach ihr, zog sie fester an sein Gesicht und erfreute sich an den Geräuschen, die sie über ihm machte.

Sie brauchte nicht lange bis sie kam, und Falk genoss den Moment mindestens ebenso wie sie. Frances sackte kurz über ihm zusammen und es dauerte einen Augenblick, bis sie die Hände aus seinen Haaren löste.

Als er aufstand und sie anlächelte, wich ihr Blick ihm aus. Sie war gerade von einem Wildfremden in einer Restauranttoilette befriedigt worden und jetzt war der Moment der Scham gekommen. Und auch der gefiel Falk, denn auch dieser Moment war echt. Die ganze Frau gefiel ihm und zum Abschied küsste er sie freundlich. Dann verließ er die Kabine und Frances sank entsetzt auf die Toilette.

Es dauerte ewig, bis sie sich wieder bewegte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie nun wieder in das Restaurant gehen sollte. Jeder würde sehen was sie gerade ...

Nein, sie konnte es nicht mal denken. Sie riss sich zusammen, kam vorsichtig aus der Kabine und immer noch völlig überfahren wusch sie sich ihr Gesicht. Frances schüttelte den Kopf, war entsetzt von sich und wagte es kaum, in den Spiegel zu sehen. Doch als sie es endlich tat dauerte es nur einen winzigen Moment und dann lächelte sie sich an: Ja, vielleicht war es nicht besonders ... hmmm, anständig ... aber es hatte sich gut angefühlt.

Eine lange Zeit betrachtete sie sich im Spiegel. Dann beschloss sie, nicht zurück an den Tisch zu gehen. Sie würde sich jetzt nicht zu diesem verdammten Langweiler setzen und sich dieses Gefühl der Befriedigung kaputt machen lassen! Also lächelte sie sich ein letztes Mal im Spiegel an und verließ das Restaurant durch den Hintereingang.

In der Nacht

Als Falk ihr Haus betrat, war alles um ihn herum dunkel und still. Er war ihr gefolgt. Er hatte ihr Gesicht gesehen, als sie das Lokal verlassen hatte, und ihm gefiel der Gedanke, das sie den Maulwurf ohne ein weiteres Wort sitzenließ. Außerdem hatte er nichts anders zu tun. Das Haus das sie betrat, war nicht groß und er wartete, bis das letzte Licht erlosch. Langsam setzte er seinen Fuß auf das Grundstück und sah sich um. Das Haus hatte einen großen Garten, ziemlich verwildert. Er warf einen Blick in die Garage und fand dort einen kleinen Alfa. Kein großer SUV, keine teure Männerkarre.

Er wartete noch eine Zeitlang und als sich nichts rührte, trat er ein. Es war nicht nötig, die Tür aufzubrechen. Wesen wie er machten sich nichts aus Wänden oder Türen. Er glitt in ihr Haus und sah sich in aller Ruhe Raum für Raum an.

Zuerst betrat er ein großes Wohnzimmer, vollgestopft mit Büchern. Nur ein kleiner Fernseher stand verstaubt in der Ecke. Eine große Couch dominierte den Raum und überall lagen Stapel von Büchern. Ohne erkennbare Ordnung waren überall Unterlagen verteilt. Er nahm ein paar Papiere auf und überflog sie. Doch er ließ sie achtlos fallen, als er einige Bilder auf einem der Regale bemerkte. Langsam trat er näher und betrachtete sie. Er sah die Frau und einen Mann lachend in einem Restaurant sitzen. Dann posierten sie zusammen vor einem seltsamen Turm. Auf einem anderen Bild standen sie vor einer riesigen Kirche. Falk nahm die Bilder nacheinander herab und musterte sie genauer. Der Mann schien um einiges älter als sie zu sein.

Voller Neugier betrat er die Küche und ein fast kindlicher Ausdruck überzog sein Gesicht, als er den Kühlschrank öffnete. Denn er roch Fleisch! Gutes Fleisch! Nicht das, was ihn wie sonst zum Würgen reizte! Nein, dieses Fleisch roch gut! Es gefiel ihm hier immer besser.

Auf seinem Rundgang durch das untere Geschoss durchstöberte er noch zwei weitere Räume. In einem waren noch mehr Bücher und ein Computer. Auch hier herrschte ein seltsames Chaos durch die scheinbar wahllos verteilten Bücherstapel.

Doch dann öffnete er die Tür zum letzten Raum und diesmal übertrat er die Schwelle nicht. Denn in diesem Raum herrschte keine Unordnung. Dieser Raum war fast leer. In der Mitte stand ein Ständer mit einem kleinen Heft darauf. Seltsame Zeichen waren darin verzeichnet. Auf dem Ständer lag eine Flöte. Dieses Zimmer war zum Garten hin ausgerichtet und wurde durch eine große Terrassentür abgetrennt. Falk nahm den Frieden wahr, der hier herrschte. Einen letzten Moment nahm er die Stimmung noch in sich auf, dann zog es ihn nach oben.

Im oberen Geschoss fand er das Bad. Schnell checkte er, ob hier Männerutensilien zu finden waren, doch er wusste bereits, dass sie alleine war. Außer dem Bad gab es ein weiteres kleines Zimmer in dem ihr Kleiderschrank stand. Auch hier herrschte ein heilloses Durcheinander. Falk wunderte sich über sich selbst als er erkannte wie viel Spaß ihm das alles machte. Dann stand er vor der letzten Tür. Ohne einen Laut zu machen, öffnete er sie und wieder hielt er inne und ließ die Atmosphäre auf sich wirken. Dieses Zimmer war wunderschön und ebenfalls zum Garten hin geöffnet. Die Tür, die auf einen großzügigen Balkon führte, war offen und die leichten Vorhänge bewegten sich sanft im Wind. Hier waren nirgendwo Bücher verteilt. Hier gab es nur eine Menge Pflanzen und ein Bett mit der Frau, deren Geschmack er immer noch auf den Lippen trug.

Erneut staunte er über sich selbst, doch er gab zu, dass ihm die Stimmung gefiel, in die ihn all das brachte. Er fühlte sich seltsam friedlich und er wollte sie nicht erschrecken. Falk näherte sich ihr und achtete darauf, sie nicht zu berühren. Er legte sich an ihre Seite und betrachtete das schlafende Gesicht. Ihre Haare waren verstrubbelt und er ertappte sich dabei, dass er diese Haare gern berührt hätte. Doch er hielt sich zurück und begnügte sich damit, sie anzusehen. Dabei schweiften seine Gedanken zurück zu der Flöte im unteren Zimmer. Sie machte Musik? Wie sich das wohl anhörte? Er legte sich zurück und wartete.

Als sie bemerkte, dass sie nicht mehr allein war, drang er in sie ein, um ihr den Schreck zu ersparen. Wie ein schwerer Mantel legte er sich über sie. »Hab keine Angst ...«, schnurrte er in ihrem Verstand »Ich bin es nur ...« Erst dann ließ er sie die Augen öffnen und er freute sich über das Zucken in ihren Mundwinkeln als sie ihn erkannte. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch als er den Kopf schüttelte, schwieg sie folgsam. Sie wehrte sich nicht, als seine große Hand sie an sich zog.

....

Als er später, von ihr abließ, dankte er dem Schicksal, das seine Maschine ausgerechnet in diesem Kaff hatte verrecken lassen. Himmel, war die Frau ausgehungert. Sie war unter seinen Händen laut gewesen. Sie wollte angefasst werden und kam nachgerückt, wann immer er nur einen Zentimeter Platz zwischen ihnen ließ.

Zufrieden winkelte er den Arm an, auf dem ihr Kopf lag und holte sie zu sich. Jetzt stöhnte sie leise »Ich will ja ...«, lachte sie »... aber ich kann nicht mehr ...«

Und er lachte mit ihr, drehte er sie auf die Seite und schob sich hinter sie.

»Morgen!«, versprach er und dann schliefen sie ein.

Die Tage danach

Fran fragte sich immer noch, wie das eigentlich alles hatte geschehen können. Er war ein Bild von einem Mann, so etwas hatte sie bisher höchstens in ihren Büchern gesehen. Und nun lag der Mann in ihrem Bett und schien sich dort irgendwie wohl zu fühlen. Er hatte ihr ein »Morgen« versprochen und sein Versprechen gehalten. Und zwar jeden Tag, seit dem er hier aufgetaucht war. Sie verstand nicht, warum er hier war, warum er blieb oder wo er herkam. Und es war ihr auch egal. Frances fühlte sich, als ob Falk all ihre lange verloren geglaubten Gefühle wiederfand und sie ihr zurückgab. Dafür war sie ihm unendlich dankbar. Und so stellte sie die Fragen nicht, die hätten gestellt werden müssen: Wer bist du? Wo kommst du her? Was willst du von mir? Wann wirst du wieder gehen?

Falk mochte ihren Humor. Frances konnte wunderbar über sich selbst lachen und tat das oft und ausgiebig. Sie war tatsächlich so echt, wie es auf den ersten Blick gewirkt hatte. Sie war Kunsthistorikerin. Er hatte keine Ahnung, was genau sie tat und sie machte auch nicht den Versuch es ihm zu erklären. So wie sie ihm eigentlich gar nichts erklärte. Denn es tat nichts zur Sache. Er wollte nichts wissen, und sie verschwendete ihrer beider Zeit nicht mit Geschichten.

Einmal fragte er sie nach dem Sinn der ganzen verstreuten Bücher und sie antwortete schlicht »... man hat mich erzogen Ordnung zu halten, und jetzt« ein wenig hilflos schaute sie sich um und verstand, wie ihre Worte angesichts des Chaos um sie herum wirken mussten, dann lächelte sie ein zaghaftes Lächeln »... und jetzt ist es mir egal ...«, zögernd sah sie ihn an. Sie erwartete eine Wertung, doch er lachte nur. Er mochte sie genau so.

Einmal nur fragte sie ihn »Warum ich? Warum keine junge, keine schöne Frau? So wie du aussiehst, könntest du sie alle ...« Doch er unterbrach sie mit den wenigen echten Worten, die sie verdiente »Weil du dich gut anfühlst!« Ihr verschämter Gesichtsausdruck war so reizend, dass er an sich zog. Danach stellte sie solche Fragen nicht mehr.

Ernst wurde sie nur wenn sie die Flöte zur Hand nahm. Und auch Falk verging dann das Lachen. Wenn sie die Lippen befeuchtete und anfing zu spielen, ergriff ihn eine seltsame Stimmung. Ihre Lieder waren schwer und traurig und manchmal hatte sie nasse Augen wenn sie absetzte.

Nachdenklich sah er ihr zu, wie sie sich um Fassung bemühte. Dann nahm er sie an die Hand und führte sie nach oben. In diesen Nächten schliefen sie nicht miteinander. Die Traurigkeit, die sie dann überkam, war genauso echt wie ihre Gier, ihre Freude und ihr Genuss. Falk saugte auch dieses Gefühl in sich auf wie ein Ertrinkender Sauerstoff. So gingen einige Wochen ins Land, in denen er kaum etwas anderes tat als mit ihr zu schlafen, ihr zuzusehen und ihr Essen zu verschlingen. Sie war eine phantastische Köchin! Fran kaufte ihr Fleisch bei einem Bauern auf dem Land und nicht in einem Supermarkt. Von dort holte sie auch ihr Gemüse und daraus kochte sie Gerichte, die ihm genauso gut gefielen wie der Sex mit ihr.

Wenn Frances kochte, erzählte sie ihm von ihrer Großmutter. In diesen Momenten beneidete er sie um ihre Vergangenheit. Und während sie über ihre Kindheit sprach, erinnerte er sich an die dunkle Zeit seiner ersten Jahre. Er erinnerte sich an die Angst der beiden Alten die ihn großziehen mussten.

Sie erzählte ihm von einem kleinen Mädchen, das das Wort ‚Zuhause‘ immer mit einem verträumten Unterton aussprach. Ihre Worte malten ihm Bilder von ihrem Großvater, der ihr das Fahrradfahren beibrachte.

Seine Erinnerung zeigte ihm den Ekel des Alten, wenn der Arwadok Falk vom Schlachten zurückgebracht hatte.

Fran versuchte ihm den Geschmack der Kuchen ihrer Großmutter zu beschreiben, und er dachte daran, wie die Alte sich übergeben hatte, weil sie ihm die Reste der Sklaven kochen musste. Doch während sie erzählte und er in seiner eigenen blutigen Erinnerung versank, lächelte er. Denn egal, wie stark die Erinnerungen waren: Er war jetzt hier! Und ihre Kuchen dufteten!

Falk genoss diese Zeit. Nur selten dachte er daran, sie zu verlassen. Doch bei den wenigen Gelegenheiten in denen er sie in das Dorf begleitete und sich mit ihr aus dem sicheren Haus wagte, war ihm bewusst, wie dünn die Schicht seiner Gelassenheit war. Fran bemerkte es nicht, doch er reagierte auf vieles, das ihnen begegnete. Er sah Blicke die er nicht mochte. Registrierte Berührungen, die ihm nicht gefielen. Selbst der Mann, der sein Motorrad reparieren sollte, ließ ihn vibrieren. Falk wusste, dass man nach ihm Ausschau hielt. Doch wann immer sich die Tür hinter ihm und Frances schloss, schloss sie auch diese Gewissheit aus.

Draggheda - Resignation

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