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1.7 AUSBLICK

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Handlungen verleihen und reproduzieren Bedeutung. Und hierbei spielen die Denkmodelle ihre eigentümliche Rolle. Sie sind geeignet, verschiedene Handlungen sozial zu koordinieren. Darin gründet ihre hohe Akzeptanz. Wie Handlungen endlos in Gewohnheiten und Routinen überzugehen neigen, ebenso verwandeln sich Beschreibungen in Gewohnheiten, in Denkmodelle. Da es niemals so etwas wie eine eindeutige Zurückweisung von Theorien durch Tatsachen gibt, verbleibt stets eine unscharfe Offenheit in der Anwendung auch dann, wenn die Sachverhalte eine vielfältige Zurückweisung zeigen. Es hat dem Walrasschen Totalmodell noch nie geschadet, daß empirisch die Gewinne positiv sind, nicht null, wie Walras behauptet. Es kann einen hartnäckigen Anhänger der Theorie rationaler Erwartungen nicht vom gewohnten Festhalten an seinem Denkmodell abbringen, wenn er täglich Arbeitslosenstatistiken liest, die alles, nur keine Stabilität des privaten Sektors zeigen.

Die nachfolgenden Kapitel hegen auch nicht die Hoffnung, daß die Aufklärung der Herkunft und der Funktionsweise zentraler ökonomischer Denkmodelle bei jenen, die daran festhalten wollen und sogar durch dieses Festhalten viele gut dotierte Preise, Anstellungen usw. erhalten, eine Änderung bewirken könnte. Hier gilt das, was Thomas S. Kuhn von jedem Paradigma andeutet: Es lebt mit den Wissenschaftlern, die von diesem Paradigma leben. Allerdings bleibt die Hoffnung, daß durch die immer unübersehbareren Probleme der globalen Marktwirtschaft die Bereitschaft, weltfremde Theorien weiter als Leistung zu honorieren, abnehmen wird.

1 Vgl. für eine Einführung in die Wissenschaftstheorie: K.-H. Brodbeck, ABC der Wissenschaftstheorie für Betriebswirte, Begleitskript zum Blockseminar »Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten«, Würzburg 1995.

2 Vgl. L. Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache (1935), Frankfurt/M. 1980; T. S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (1962), Frankfurt/M. 1976; ders., Die Entstehung des Neuen, Frankfurt/M. 1978.

3 W. Ostwald, Grundriß der Naturphilosophie, Leipzig 1908, S. 137.

4 Putnam, H., Die Bedeutung von »Bedeutung«, Frankfurt/M. 1979.

5 D. Davidson, On the Very Idea of a Conceptual Scheme, in: Inquiries into Truth & Interpretation, Oxford 1984. Die Ablehnung eines Begriffsschemas hat auch Bedeutung für Putnams These des »internen Realismus«, dessen Theorie große Ähnlichkeit mit dem von Davidson abgelehnten Begriffsschema besitzt. Dieser Gegensatz kann aufgelöst werden, wenn die situative Struktur solcher Begriffe erhellt wird. Den genannten Gegensatz versucht mein Begriff des »Denkmodells« zu vermeiden. Es gibt nur innerbegriffliche Relationen, gewiß. Aber diese Relationen besitzen eine situative Prozeßstruktur, und diese dynamische Struktur ist der »Sinn« der empirischen Realität.

6 Humberto Maturana hat die Verwendung dieses Begriffs in der Soziologie ausdrücklich mißbilligt. Francesco Varela bestätigte dem Autor in einem Gespräch, daß auch er diesen Mißbrauch ablehne. Luhmann habe einfach nicht verstanden, was »Autopoiesis« heißt. Gerade weil Denkmodelle wesentlich leer sind, ist solch ein Mißbrauch aber immer möglich; K.-H. Brodbeck, Entscheidung zur Kreativität, Darmstadt 1995, Kapitel 9–12. Vgl. auch meine Diskussion mit Niklas Luhmann: K.-H. Brodbeck, Wirtschaft als autopoietisches System? Anmerkungen zu N. Luhmanns Buch »Die Wirtschaft der Gesellschaft«, Zeitschrift für Politik 38 (1991), S. 317–326; N. Luhmann, Wirtschaft als autopoietisches System. Bemerkungen zur Kritik von Karl-Heinz Brodbeck, Zeitschrift für Politik 39 (1992), S. 191–194; K.-H. Brodbeck, Autopoietische Systeme und ökonomische Systeme. Anmerkungen zur Entgegnung von Niklas Luhmann, Zeitschrift für Politik 39 (1992), S. 436–439.

7 H. Laux, Entscheidungstheorie I, Berlin-Heidelberg-New York et. als 1991, S. 5.

8 aaO., S. 9.

9 W.-R. Bretzke, Der Problembezug von Entscheidungsmodellen, Tübingen 1980, S. 109.

10 Laux aaO., S. 23. Bei anderen Autoren ist das sogleich die Voraussetzung; vgl. W. Krelle, Präferenz- und Entscheidungstheorie, Tübingen 1968, S. 3.

11 G. Bamberg, A. G. Coenenberg, Betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie, München 1992, S. 14. Das Entscheidungsfeld stellt die »Menge und Art der Personen und Sachen« und die »Zustände der Umwelt« dar.

12 W. Stegmüller, Entscheidungslogik, Berlin et. al. 1973, S. 289.

13 aaO.

14 Vgl. W. Stegmüller, Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie, Band IV, Berlin-Heidelberg-New York 1973, Studienausgabe, S. 129ff. Auch die Spieltheorie beruht auf dem Begriff eines gegebenen (diskreten oder kontinuierlichen) Strategieraumes, wobei allerdings die Zahl der Entscheidungssubjekte wenigstens zwei beträgt. Das führt zu anderen Ergebnissen, basiert aber logisch auf denselben Voraussetzungen, die wir hier kritisch untersuchen.

15 R. von Mises, Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung; in: I. Schneider (Hrsg.), Die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie von den Anfängen bis 1933, Darmstadt 1988, S. 378.

16 C. F. von Weizsäcker, Zeit und Wissen, München-Wien 1992, S. 293.

17 A. A. Coumot, Die Grundlehren der Wahrscheinlichkeitsrechnung, in: Schneider, aaO., S. 77.

18 C. Huygens, Brief an L. Huygens, Paris, den 21. November 1669; in: Schneider, aaO., S. 186.

19 F. A. Hayek, Studies in Philosophy, Politics and Economics, London and Henley 1967, S. 29f.

20 Vgl. M. Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 197212, § 32.

21 R. G. Collingwood, Denken, Stuttgart 1955, S. 39.

22 M. Heidegger, Nietzsche II, Pfullingen 1961, S. 344.

23 F. A. Hayek, Studies aaO., S. 22f.

24 Collingwood, aaO.; vgl. H.-G. Gadamer, Vorwort zu Colingwood, und Wahrheit und Methode, Tübingen 19755.

25 »Der Zweck der theoretischen Wissenschaft ist (…) die Beherrschung der realen Welt.« C. Menger, Untersuchungen über die Methode der Socialwissenschaften, Leipzig 1883, S. 33.

26 Vgl. H-H. Bothe, Fuzzy Logic, Berlin-Heidelberg-New York 1993; B. Kosko, fuzzy logisch. Eine neue Art des Denkens, Hamburg 1993. Es handelt sich keineswegs um eine »neue« Art zu denken, es handelt sich ganz einfach um die Beseitigung der mechanischen Illusionen im Denken, wonach »logische Körper« in einem »logischen Raum« nur eine Stelle einnehmen können.

27 L. Fleck, Entstehung aaO., S. 31.

Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie

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