Читать книгу Kuss der Wölfin - Band 1-5 (Spezial eBook Pack über alle Teile. Insgesamt über 1300 Seiten) - Katja Piel - Страница 22

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16. Kapitel

Herbst 2012, Frankfurt am Main

«Ja, aber du bist nun mal kein normaler Mensch.»

Ich wurde wach, weil meine Beine heftig kribbelten. Der Heilungsprozess hatte wohl schon eingesetzt. Ich hatte fürchterliche Kopfschmerzen und einen ganz ausgetrockneten Mund. Blinzelnd öffnete ich die Augen.

„Na, Schöne?“, sagte Sam. „Wie geht’s dir?“

„Scheiße“, murmelte ich. „Muss was trinken.“ Er verschwand aus meinem Blickfeld und kam gleich darauf mit einem Glas Wasser wieder. Er hielt es mir an die Lippen, und ich trank gierig.

„Wie spät ist es?“, fragte ich, als das Glas leer war. Langsam begann mein Gehirn, wieder zu arbeiten. Sam sah auf die Uhr. „Halb drei. Morgens. Du bist gestern Nachmittag hier aufgeschlagen und warst seither kaum ansprechbar.“

„Das tut mir leid. Oh mein Gott, Sam. Ich... ich kann dir das alles gar nicht erklären...“

„Du meinst, ich werde nie erfahren, warum du eines Tages blutüberströmt und splitternackt vor meiner Tür liegst?“

Ich fasste nach seiner Hand. „Wenn ich es dir erzähle, wirst du es mir nicht glauben.“ Er grinste, aber seine Augen waren besorgt.

„Soll ich uns einen Kaffee kochen, und dann erzählst du mir die ganze Geschichte?“ Ich nickte. Er stand auf und ging hinüber in die kleine Kochecke seines Appartements. Während er an der Kaffeemaschine werkelte, sah ich mich um. Es war eine typische Studentenbude: klein und unaufgeräumt. Neben der Kochecke gab es ein Sofa, einen Fernseher, einen überladenen Schreibtisch, auf dem ein Laptop flimmerte, und das ungemachte, blutverschmierte Bett, in dem ich lag. Ich schaute unter die Decke. Sam hatte mir eines seiner T-Shirts übergestreift, mehr trug ich nicht am Leib. Meine Beine waren von den Hüften bis zu den Knöcheln dick verschorft und mit getrocknetem Blut überzogen. Dicker, klumpiger Schorf saß auch auf meinen Handflächen.

„Ein Glück, dass du mich nicht ins Krankenhaus gefahren hast“, sagte ich.

„Ich wusste, das war nicht nötig“, erwiderte er über die Schulter. „Es heilt ja schon.“

„Wunderst du dich nicht darüber? Bei... normalen Menschen... dauert es mindestens eine Woche, bis eine Wunde so aussieht.“

Er klapperte mit den Tassen. „Ja, aber du bist nun mal kein normaler Mensch.“ Mir lief es heiß und kalt den Rücken hinunter. Was wusste Sam? Ich schob mich vorsichtig aus dem Bett. Meine Fußsohlen schmerzten, als ich mein Gewicht darauf verlagerte. „Wo ist dein Bad?“

„Hier, gleich links die Tür.“ Vorsichtig ging ich hinüber in das kleine Räumchen und schloss die Tür. Ich benutzte die Toilette und wusch mir dann das getrocknete Blut von den Händen. Ein Blick in den Spiegel zeigte mir, dass Annettes Schminke den Vorfall nicht unbeschadet überstanden hatte. Ich sah aus wie ein trauriger Clown. Ich drehte das Wasser heiß auf, nahm mir ein Handtuch und wusch mein Gesicht. Am liebsten hätte ich geduscht, um auch den verschmorten Gestank in meinen Haaren loszuwerden, aber dringender musste ich Sam befragen. Ich fand einen Bademantel und zog ihn mir über. Dann ging ich wieder zu Sam, der an der brodelnden Kaffeemaschine stand und eine Packung Milch öffnete.

„Zucker?“, fragte er mich.

„Lieber ein paar Informationen. Was weißt du?“

Er grinste mich unschuldig an. „Moment – habe ich nackt vor deiner Tür gelegen oder du vor meiner?“

„Jetzt sag schon!“ Er seufzte und fummelte weiter am Verschluss der Milchpackung. „Mein Vater ist einer der Venatio“, sagte er.

Es musste hundert Jahre her sein, dass ich das Wort zuletzt gehört hatte.

„Ein Venatio-Druide? Ein Werwolf-Jäger?“

„Genau. Er ist aber im Ruhestand. Hat sich mit dem Orden überworfen, und er wollte auch nicht, dass seine Verpflichtung auf mich übergeht. Wenn es nach ihm geht, soll ich ein völlig normales Leben führen können.“

„Dann weißt du...“

„... über Werwölfe Bescheid. Ja. Und ich weiß auch, dass du eine Wandlerin bist.“

„Woher?“ Er goss Kaffee in zwei Tassen. „Ich weiß nicht. Ich hatte so ein Gefühl. Eine Frau wie du ist mir noch nie begegnet. Dann die dünne Geschichte mit deiner Tante, die als Model arbeitet... und du bist stark. Stärker als andere Frauen. Obwohl du dich sehr bemüht hast, das zu verstecken. Und denk an den Tag, als du frühmorgens aus dem Wald kamst...“ Plötzlich fühlte ich mich, als hätte ich ein Schild mit der Aufschrift „Gestaltwandlerin“ um den Hals getragen.

„Weiß Alexa davon?“

„Was? Nein, bewahre. Sie ist völlig ahnungslos. Sowohl, was dich betrifft, als auch bezüglich Werwölfen insgesamt.“

„Schade, dass dein Vater im Ruhestand ist. Ich hätte einen Werwolf, den er jagen kann.“

Er hielt mir eine Tasse hin. „Und jetzt raus mit der ganzen Geschichte.“

Ich legte mich mit meinem Kaffee wieder ins Bett. Der Blutverlust hatte mich geschwächt. Während ich langsam das bittere Gebräu nippte, erzählte ich Sam alles, was ich wusste. Es war merkwürdig, alles auszusprechen. Seit hunderten von Jahren hatte ich Stillschweigen bewahrt. Die Worte wollten mir kaum über die Lippen, doch Sam war ein geduldiger Zuhörer.

„Und du meinst, dein alter Freund Marcus steckt hinter all dem?“, fragte er besorgt, als ich geendet hatte. „Möglich“, sagte ich. „Er ist der einzige Feind, von dem ich weiß. Während des zweiten Weltkrieges war er in der SS, und soweit ich weiß, war er auf dem Russlandfeldzug dabei. Ich hatte gehofft, er wäre dort umgekommen. Ich hatte seither vier Identitäten. Dass er meine Spur wieder aufgenommen hat, ist eigentlich fast ausgeschlossen...“

„Nur dass du deinen alten Namen wieder benutzt, mein Herz. Und sogar ein Facebook-Profil angelegt hast.“

„Meinst du...?“

„Wenn ich er wäre, würde ich alle paar Monate die wichtigen sozialen Netzwerke checken. Du etwa nicht?“ Ich ließ mich in die Kissen zurücksinken. Ich kam mir unglaublich dumm vor.

„Wann bist du geboren?“, fragte Sam mich liebevoll. „1590“, murmelte ich. „Datum unbekannt.“

„Na siehst du. Du bist ein Mensch der Renaissance. Du rechnest einfach nicht damit, dass es eine Durchleuchtungsmaschine wie das Internet gibt, mit der jeder alles über jeden herausfinden kann.“

„Das ist ein schwacher Trost. Ich hatte vierhundert Jahre, um mich anzupassen.“ Er strich mir tröstend übers Haar, und ein leises Kribbeln erwachte in meinem Bauch. „Wichtig ist erst mal, dass du in Sicherheit bist. Ich nehme an, dir ist niemand bis hierher gefolgt?“

„Ich glaube nicht. Allerdings habe ich eine Blutspur hinterlassen. Sie können sicher meine Witterung aufnehmen.“

„Dann brauchen wir Hilfe.“

„Kann ich nicht einfach hierbleiben, bis es mir wieder besser geht?“

„Und dann? Zurück in deine Wohnung und darauf warten, dass sie dort einen Häuserkampf anfangen? Mit Alexa direkt daneben? Nein, finde ich nicht gut.“

„Du hast recht. Ich muss untertauchen.“ Heiße Tränen brannten mir in den Augen. Ich hatte es so satt. Ich wollte nicht gehen, aber wenn ich blieb, brachte ich Menschen in Gefahr, die mir lieb waren.

„He“, flüsterte er und rückte näher. „He. Nicht weinen. Alles wird gut.“

„Ich weine nicht“, schluchzte ich. Er hob die Bettdecke an und schlüpfte darunter. Ich presste mich gegen seinen warmen Körper und lehnte die Stirn gegen seine Schulter. Oh, er roch so gut. Ich konnte seine Muskeln spüren, als er mich in den Arm nahm und sanft streichelte. Jede seiner Berührungen hinterließ eine Feuerspur auf meinem geschundenen Körper. Er küsste zart meine Stirn, meine Wangen, meine Augenlider. Ich vergrub die Hände in seinen Haaren. Mein Atem ging schneller, mir wurde warm, und letzte Reste von Schmerz wurden aus meinem Körper gespült. Ich schlang ein Bein um ihn und zog ihn noch näher. Jetzt kamen seine Lippen auf meine, und seine Zunge verschaffte sich zart Einlass. Er war ganz vorsichtig und schüchtern, als hätten wir nicht auf der Uni-Party einen halsbrecherischen Quickie geschoben. Ich wusste, hier passierte genau das, was nie wieder hätte passieren sollen, aber ich bremste ihn nicht, als er sich vorsichtig auf mich legte und mit einer Hand den Bademantel öffnete. Im Gegenteil, ich half ihm dabei, wand mich aus dem hässlichen Frotteeteil und beförderte es über den Rand aus dem Bett.

Beim letzten Mal hatte ich kaum etwas von seinem Körper gesehen. Jetzt zog ich ihn gennussvoll aus und bewunderte jedes Stückchen Haut, das ich freilegte. Er war sehr schlank und gut trainiert. Seine Haut hatte einen tiefen Bronzeton nach dem langen, heißen Sommer. Als ich seine Gürtelschnalle öffnete, stöhnte er leise und wand sich auf mir. „Aua...“

„Oh, entschuldige!“ Er hielt sofort inne und sah besorgt auf mich hinunter. „Meine Beine“, flüsterte ich. „Vorsicht.“ Er rollte sich behutsam von mir und schmiegte sich an mich. „Wir sollten aufhören...“, murmelte er, während ich ihn von seinen Jeans befreite. „Du bist nicht gesund... und überhaupt...“ Sein Körper sprach eine andere Sprache. Durch seine engen schwarzen Boxershorts konnte ich überdeutlich seine Erektion spüren. Ein warmes Ziehen erwachte zwischen meinen Schenkeln. Ich wollte, dass er mich dort berührte, mein Feuer löschte, wollte ihn in mir spüren, sofort!

Ich zog ihm die Boxershorts herunter und umfasste sein Geschlecht mit der Hand. Er stöhnte und drängte mir entgegen, während er ungeschickt versuchte, mir das T-Shirt hochzustreifen. Ich führte ihn dorthin, wo ich ihn haben wollte, und überließ mich seinem Rhythmus. Er küsste meine Brüste, während er sachte in mich stieß. Ich umschlang ihn mit Armen und Beinen und zog ihn ganz nah. Er hätte mich auch härter nehmen können, aber er ließ Vorsicht walten und bemühte sich, die Verletzungen an meinen Beinen nicht zu berühren. Ich hörte mich selbst laut stöhnen, während ich mich vor Lust unter ihm wand. Als ich kam, meinte ich für einen Augenblick, ohnmächtig zu werden. Fast gleichzeitig schoss auch Sam seine heiße Flut in mich und brach keuchend auf mir zusammen.

„Wir dürfen das nicht tun“, flüsterte er. „Wir müssen aufhören damit. Es macht uns alle unglücklich.“ Ich streichelte seine Haare. „Ich weiß. Manchmal ist es besser, unglücklich zu sein, als gar nichts zu fühlen.“ Er stützte sich auf die Ellenbogen und sah zu mir hinunter. „Ich liebe dich, Anna.“

„Ich liebe dich auch, Sam.“

„Aber ich kann nicht...“

„Ich weiß. Du sollst ja auch gar nicht.“ Das war mein Ernst. Natürlich wollte ich ihn gerne für mich haben. Ohne schlechtes Gewissen mit ihm schlafen, Hand in Hand durch den Park gehen, auf Partys eng umschlungen tanzen. Aber mein Leben war in Gefahr. Eine Beziehung konnte ich mir nicht vorstellen. Wo wollten wir Zeit miteinander verbringen? Auf der Flucht? Ich wusste ja nicht einmal, wie es weitergehen sollte.

Davon hatte immerhin Sam eine Idee.

„Ich werde meinen Vater anrufen“, sagte er. „Er muss dir helfen. Er hat bestimmt noch ein paar Kontakte von früher.“

Kuss der Wölfin - Band 1-5 (Spezial eBook Pack über alle Teile. Insgesamt über 1300 Seiten)

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