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Die Silvesterakten als „Gründungsdokumente“

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Zu den künftigen Legitimationshilfen gehörte auch eine Erzählung, die in dieser Zeit, in Ansätzen schon im 4., vor allem aber im 5. Jahrhundert aufgezeichnet wurde. Sie bedeutete eine zweite Rückbesinnung auf die Anfänge, in diesem Falle auf die Neuausrichtung der römischen Kirche nach der Konstantinischen Wende. Der unbekannte Autor hob den Anteil Papst Silvesters I. bei der Bekehrung Konstantins und deren Folgen besonders hervor. Die Entwicklung dieser Erzählung illustriert gut, wie sich die Vorstellungen vom Papsttum und von der beanspruchten und wahrgenommenen Herrschaft in Rom entfalteten, bis sie schließlich im seit dem 8./9. Jahrhundert belegten Constitutum Constantini (vgl. unten Kapitel IV, S. 71) gipfelten. In methodischer Sicht stellt eine Aufarbeitung dieser Traditionen ein eindrückliches Lehrstück dar, denn wegen der mehrfachen Änderungen lässt sich kaum eine verbindliche Fassung der Erzählung bieten, die eindeutig und ausschließlich auf konkrete Interessen und Verwendungszusammenhänge verweist.

Die Grundidee blieb jedoch in den verschiedenen Fassungen gleich:13 Die Geschichte schilderte die Bekehrung Konstantins und wollte unter anderem zeigen, wie Konstantinopel zur Hauptstadt des Reiches avancierte. Papst Silvester I. wurde dabei in die Handlung eingebaut. Insbesondere gehörten zu diesen Actus Silvestri Jugendgeschichten, eine Sequenz zu Taufe und Bekehrung, ein Glaubensdisput sowie manchmal der Bericht über eine Drachenzähmung. Überliefert sind diese „Akten“ in mehr als 350 mittelalterlichen Handschriften, die sich grob in drei unterschiedliche Traditionsstränge einteilen lassen. Diese drei Hauptfassungen nahmen schwerpunktmäßig im 4., im 5./6. und im 8./9. Jahrhundert Gestalt an. Die Forschung hat gezeigt, wie beispielsweise eine mittlere Fassung bei den Erzählungen zum Glaubensdisput Konstantins die theologiegeschichtliche Entwicklung (nach dem Konzil von Chalzedon 451) berücksichtigte. Andere Mischfassungen runden die Erzählungen durch einen Bericht über den Tod und die translatio (Übertragung) Silvesters ab, denn ab 772 sollen dessen sterbliche Reste in Nonantola verehrt worden sein.

An den verschiedenen Ausformungen der Silvesterlegende während des in diesem Kapitel interessierenden Zeitraumes lassen sich die Entwicklungen päpstlicher Ansprüche indirekt ablesen, denn schon die frühesten Fassungen wollten offensichtlich den Eindruck vermitteln, dass eigentlich das Papsttum den hervorragenden Rang Konstantinopels gefördert habe. Im 8./9. Jahrhundert wurde diese Geschichte wie gesagt zu einer der berühmtesten Fälschungen des Mittelalters weiterentwickelt, der „Konstantinischen Schenkung“ (Constitutum Constantini), einem Schriftstück, das angeblich Kaiser Konstantin für Papst Silvester I. ausgestellt hatte. Dessen erster Teil folgt in groben Zügen der Silvesterlegende.


Fresko mit der Darstellung der konstantinischen Schenkung, nach der Kaiser Konstantin Papst Silvester I. die kaiserlichen Herrschaftszeichen Phrygium und Baldachin übergibt. Rom, SS. Quattro Coronati, 1246.

Geschichte des Papsttums im Mittelalter

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