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Prolog - Sartres Hölle

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„And as your last breath begins,

you’ll find your demons your best friends.“

– In the End, Scott Matthew

Unsere Geschichte begann, als der erste Sonnenstrahl an einem Januarmorgen langsam durch die, in einer Großstadt liegenden, Vierzig-Quadratmeter-großen Wohnung streifte und seinen Weg über den kleinen Holztisch fand, der die Überbleibsel der letzten Nacht, eine leere Flasche Rotwein, die Reste eines Abendessens und ein paar halbvolle Gläser offenbarte. Ein Frauenfuß, der leicht aus einem schlichten Bett baumelte, war das Nächste, das von Licht erfasst wurde, bevor er das modern möblierte Zimmer und die zwei Körper in den Kissen in Morgendämmerung goss. Seine Hand streichelte leicht über die Waagschalen und den Körper der Justitia, die sie sich auf ihr Schulterblatt hat tätowieren lassen, während er mit nachdenklichem Blick, die sich verändernden Farbverläufe der Gebäude vor dem Fenster betrachtete.

Es war ihre erste Wohnung und es sprach ihr rebellischer Geist daraus. Bücher stapelten sich in einer Ecke auf dem Boden, eine Akustikgitarre lag daran angelehnt und die Gemälde in Ölfarben an den Wänden sowie die Staffelei und sowohl fertige als auch unfertige Bilder, die das Zimmer säumten, sprachen eine deutliche Sprache: „Meine Wohnung ist Ausdruck meiner Persönlichkeit. Hier herrsche ich.“

Als sich die Wachheit in ihrem Körper rührte und die ersten müden Bewegungen ihren Arm und den, aus dem Bett hängenden Fuß zum Zucken brachten, beugte er sich zu ihrem Ohr herunter und flüsterte: „Ich werde jetzt gehen.“ Langsam griff ihre Hand nach einer Packung Kaugummis, die auf dem kleinen Schrank neben dem Bett stand, und schob sich einen davon in den Mund, bevor sie sich umdrehte und ihn mit einem vielsagenden, sanften Lächeln ansah. „Ich bring dich zur Tür.“ Sie streckte sich, um die Wachheit endgültig in ihren Körper fahren zu lassen, während er sich Hose, Socken und Shirt überstreifte.

Als sie ihn zum Ausgang geleitete, küsste sie seinen Mund weit weniger leidenschaftlich als noch die Nacht zuvor. Die Tür fiel ins Schloss und nun fanden sich zwei unterschiedliche Personen durch die Barriere getrennt und mit ihren Gedanken allein diesem Tag ausgesetzt. Sie, mit dem Gefühl wieder eine Nacht nicht allein verbracht zu haben und er, während er sich eine Zigarette in der kühlen Morgenluft anzündete, ob es das wert war, ob es das war, was er wirklich wollte.

Der Name der Frau war Masha und der Name des Mannes Samuel. Beide wurden kurz vor der letzten Jahrtausendwende an unterschiedlichen Orten des Landes geboren. Sie in einer ländlichen Provinz irgendwo im Süden des Landes, während er sein ganzes Leben lang schon in dieser Stadt wohnte. Und dennoch haben beide diese Nacht gemeinsam verbracht.

So wie Sartre „die Anderen“ als die Hölle beschreibt, so fühlten sich sowohl Masha als auch Samuel in diese Welt geworfen. Die Hölle sind die Anderen, da sie uns zusehen und wir unter den wachen Augen derer, die uns betrachten, versuchen, das, was uns ausmacht, das was uns zum Menschen macht, in Schuld und Unzulänglichkeit zu verwandeln.

Durch das Auge des Anderen, in dem sich unsere eigenen moralischen Werte und Normen spiegeln, denen wir selbst nicht gerecht werden, blicken wir auf uns selbst – ohne Vergebung.

Die zwei ewigen Lügen im Leben

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