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3. Kapitel

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Das unnachgiebig laute und nervtötende Geräusch des Weckers, riss mich aus meinen schönen Träumen. Mit einer Hand zur Faust geballt schlug ich auf den Schalter zum ausmachen ein. Als das Geräusch verstummte, versuchte ich mühevoll ein Stöhnen zu unterdrücken. Doch leider gelang es mir nicht. Schnell stand ich auf, bevor ich wieder einschlafen konnte, betätigte den Toaster und schenkte mir gleichzeitig etwas kaltes zu trinken ein. Danach ging ich ins Badezimmer, machte mich frisch, schnappte mir meine bereits fertigen Toasts und eine Marmelade und begann mein Frühstück fertig zu stellen. Ich aß die beiden Toasts auf und zog mich an. Dann nahm ich den Autoschlüssel in die Hand und betrachtete noch einmal das Schwert, dass ich auf den Wohnzimmertisch gelegt hatte. Wie zum Abschied strich ich noch einmal darüber und machte mich anschließend auf den Weg zur Arbeit. Diesmal stand niemand am Strand und beobachtete mich. Ich suchte ihn nach Fußspuren ab, aber die Fußspuren des Mannes von gestern waren nicht mehr da. Das Meer hatte sie sich wieder zurückgeholt. Wie unheimlich, dachte ich. Als ob ich mir das gestern alles bloß ein gebildet hatte. Vielleicht war es doch einfach nur ein Mann gewesen der am Meer entlang gelaufen ist.

„Wie war dein Wochenende?“, fragte mich Davina, während ich den Raum mit den großen Regalen betrachtete. Die Bücher quetschten sich schon förmlich zu mir nach unten. Eine Menge Arbeit wartete auf mich. Die alten und kaputten Bücher mussten aussortiert und im Computer gespeichert werden. Danach musste entschieden werden, ob es notwendig war sie noch einmal zu kaufen oder ob das Interesse daran von den Kunden schon erloschen war.

„Ich habe Amber in ihrem Laden geholfen. Ansonsten war mein Wochenende ganz akzeptabel. Und wie war deins?“

„Traumhaft“, erwiderte sie und fing an zu grinsen. „Ich denke ich bin auf einem guten Weg, um Finn Manieren bei zu bringen.“

Nach einer kurzen Pause sagte sie unerwartet: „Ist es eigentlich in Ordnung für dich, wenn Finn und ich drei Wochen weg fahren? Meine Schwester würde dir ab und zu über die Schulter schauen und dir helfen, falls du Fragen hast.“

Sie biss sich auf ihre Lippe. „Ich weiß es ist ziemlich kurzfristig. Es soll schon nächste Woche stattfinden.“

„Das ist kein Problem“, meinte ich. Was blieb mir auch anderes übrig? Ich konnte einfach nicht nein sagen.

„Ich schaffe das schon. Und wenn ich Hilfe brauche, dann werde ich deine Schwester um Rat fragen.“

„Ich danke dir, du bist mir eine sehr große Hilfe!“, rief sie erleichtert. „Ich weiß das es eine ziemlich große Verantwortung ist, dich mit all den Büchern alleine zu lassen...aber ich verlasse mich da auf dich und ich bin mir sicher, dass du das schaffen wirst.“

Dann zückte sie ihr Handy und ich hörte Finns Stimme auf der anderen Leitung. Während Davina ihm die frohe Nachricht überbrachte, widmete ich mich einer Reihen von Gedichts-Büchern und legte sie auf einen großen Stapel. Nach einer Weile, war ich mit meiner Arbeit fertig und viele Bücher fielen leider dem Mülleimer zum Opfer.

„Das sind wirklich einige. Schade drum. Aber immerhin haben wir dann wieder Platz für neue Exemplare. Gut gemacht, Moira“, lobte mich Davina, als sie vom telefonieren zurückkam.

Ich arbeitete noch eine Zeit lang, dann schloss Davina die Tür der Bibliothek ab. „Ich liebe den Montag. Um vierzehn Uhr schon Feierabend machen, das können leider nicht viele.“

Ihr Blick schweifte hinüber zu Amber die gerade mit einer Statue beschäftigt war.

„Was hast du heute noch vor?“, fragte sie mich und fing meinen Blick auf den ich Amber zuwarf.

„Ich werde Amber ein bisschen unter die Arme greifen. Sag Finn einen Gruß von mir, wenn du zu ihm gehst.“

Davina zwinkerte mir zu. „Das werde ich. Frohes schaffen euch beiden.“

Nachdem Davina außerhalb meines Sichtfeldes war, lief ich den Bürgersteig entlang und Amber warf mir ein strahlendes Lächeln zu, als sie mich vor ihrem Laden stehen sah.

„Moira!“, stieß sie grinsend aus. „Du kommst genau richtig. Kannst du mir bitte mit der Statue helfen?“

Ich betrachtete die lächelnde, nackte Frau und ihre Beine die zu einer Schwanzflosse gemeißelt worden waren. Ihre langen Haare wellten sich bis hinunter zu ihrer Hüfte. Eine Krone aus Blüten war um ihren Kopf geschlungen. Die rechte Hand lag an ihrem schmalen Kinn, so als würde sie überlegen. In ihrer linken Hand hielt sie eine große Muschel.

„Eine Meerjungfrau? Oder eher eine böse Sirene?“, fragte ich und legte die Stirn in Falten.

Ein skeptisches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Wenn sie vor meinem Laden steht, dann sollte sie eher eine nette Meerjungfrau darstellen. Aber sicher bin ich mir nicht.“

„Ist sie gerade angekommen?“, fragte ich weiter und half ihr, sie ins Innere des Ladens zu schleppen. Amber nickte, ohne mir zu antworten. Dort wo das Glasfenster zum Ausstellen der Waren war, platzierten wir sie. Amber hatte die anderen Figuren und Vitrinen die dort gestanden hatten, bereits weggeräumt. Sie zog die Figur noch in die Mitte, dann schien sie zu überlegen.

„Etwas fehlt noch“, begann sie.

„Hast du vielleicht ein blaues Tuch? Das könnte das Meer darstellen.“

Amber warf mir einen anerkennenden Blick zu. „Eine wunderbare Idee. Einen Moment.“

Sie verschwand hinter der Tür des Lagers und kam sofort wieder mit zwei blauen Tüchern und einer Schale riesiger Muscheln zurück. Mit wenigen Handgriffen hatte sie die Tücher platziert und um die Meerjungfrau geschlungen. Dann verteilte sie die Muscheln auf den Tüchern.

„Ich sehe es mir mal von draußen an“, sagte ich und trat auf den Bürgersteig.

Es sah perfekt aus. Die Meerjungfrau war jetzt so gut in Szene gesetzt, dass ich sie nur bewundernd anstarren konnte. Amber warf mir einen fragenden Blick zu und ich gab ihr einen Daumen nach oben und lächelte. Amber stieß einen Freudenschrei aus, den ich bis nach draußen hören konnte.

„Das wird die Touristen magisch anziehen!“, jubelte sie.

„Sie ist perfekt geworden. Ein richtiger Blickfang“, grinste ich und betrachtete danach den unordentlichen Laden. „Jetzt müssen wir nur noch das alles in Ordnung bringen.“

„Oh ja. Ich wollte mit den Stühlen und Tischen weitermachen. Von dem Kleinkram den wir gestern in die Kisten gepackt haben ist auch noch genügend da. Aber ich will hier drinnen endlich mal wieder Platz zum Laufen haben.“

„Wie ist das eigentlich passiert? War der Laden schon vorher so gewesen?“

Amber nickte. „Leider ja. So wie du bin ich von der Stadt hier her gezogen. Meine Eltern waren nicht begeistert gewesen und ich habe mit ihnen seit einer Weile auch keinen Kontakt mehr. Der Vorbesitzer dieses Ladens war schon ein älterer Herr und er hatte nicht mehr die Kraft gehabt weiter zu machen. Also hat er mir den Laden und die Wohnung oben verkauft und ist weggezogen. Hinterlassen hat er mir eine Menge Unordnung. Und ich muss sagen, ohne Hilfe geht es nur sehr langsam voran. Aber teilweise bin ich auch selber an der Unordnung schuld. Ich hätte mich viel früher darum kümmern müssen als immer neue Waren zu kaufen. Naja, jetzt habe ich ja daraus gelernt.“

„Und jetzt hast du endlich die Hilfe bekommen, die du so dringend gebraucht hast. Aber es leben hier doch noch mehr Einwohner. Haben die keine Zeit um dir mal unter die Arme zu greifen? Davina könnte dich doch auch ein bisschen unterstützen.“

Traurig schüttelte Amber den Kopf. „Viele haben mit ihren eigenen Sachen zu tun. Davina ist mit ihrer Bibliothek und jetzt auch mit ihrem neuen Freund beschäftigt. Caja kann mich nicht ausstehen und die meisten hier denken ich sei verrückt. Schon als ich diesen Laden gekauft habe.“

„Du bist nicht verrückt“, erwiderte ich ernst. „Lass die anderen doch denken was sie wollen. Und wenn dir keiner hilft, dann tue ich es eben.“

„Danke Moira“, sagte sie erleichtert. „Und...“

Plötzlich ertönte die Klingel des Ladens und unterbrach Amber. Ein junger Mann lief auf uns zu. Die Badehose die er trug war schwarz und sein verblichenes, weißes Shirt mit einer Palme darauf, erinnerte ihn an einen Surfer. Seine strahlend, blonden Haare standen ihm wirr in seinem hübschen Gesicht und eine Sonnenbrille benetzte seine Augen. Als er sie herunter zog, blickten mich olivgrüne Augen an. Sie waren nicht so hell wie meine, aber trotzdem waren sie wunderschön. Ein breites Grinsen stahl sich in sein Gesicht, als er merkte das ich ihn musterte.

„Ich bin Archie. Du musst Moira sein. Hab gehört du treibst dich öfter bei Amber im Laden herum.“

Kurz sah er hinüber zu ihr und ich folgte seinem Blick. Mir kam es vor, als würde sie unter seinem Blick hinter der Theke immer weiter versinken. Ihr eigener Blick richtete sich zu Boden. Es war offensichtlich, dass sie etwas für ihn empfand.

„Wie reizend das mittlerweile jeder hier meinen Namen kennt“, sagte ich.

„Jeder hier weiß über jeden Bescheid. Gewöhn dich schon mal daran“, sagte er lachend.

Ich stimmte in sein Lachen mit ein und mir fiel auf, dass Amber nicht mit uns mit lachte.

„Hast du Lust mit an den Strand zu fahren? Finn wollte auch kommen. Ach, und Davina wahrscheinlich auch.“

Die Art wie er Davinas Namen aussprach machte mich stutzig. Auch das er so tat, als sei Amber überhaupt nicht anwesend. Bis auf den Blick den er ihr vorhin kurz zugeworfen hatte, lagen seine Augen nur auf mir. Das fand ich überhaupt nicht in Ordnung. Anscheinend müssen sich ja einige Gerüchte um Amber drehen, dass alle so wenig von ihr hielten. Nicht mal Davina hatte sie vorhin kurz begrüßt. Und das alles nur weil sie ein paar Legenden erzählte und daran glaubte? Anscheinend waren die Menschen hier doch nur an der Oberfläche herzlich. In ihrem Inneren waren sie alle kalt.

„Ehrlich gesagt, nein. Amber und ich haben noch eine Menge zu tun und ich werde sie jetzt hier nicht alleine lassen und mit dir an den Strand zu fahren, um mich zu vergnügen.“

Archies Lächeln verschwand schlagartig aus seinem Gesicht. Man konnte ihm ansehen wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er war es nicht gewöhnt ein nein zu hören.

Genau diese Reaktion hatte ich von ihm erwarten. Ganz der Playboy...wie ich es schon geahnt habe.

„Dann wünsche ich euch viel Spaß beim Arbeiten“, sagte er und der Unterton in seiner Stimme war kaum zu überhören.

„Dir auch, viel Spaß am Strand!“, rief ich ihm fröhlich hinterher. Ärgerlich musterte er mich noch einen Moment lang, dann verließ er den Laden.

„Der ist meine Aufmerksamkeit ja überhaupt nicht wert. Was war das denn für einer?“, fragte ich mit hoch gezogenen Brauen und Amber schien erleichtert zu sein. Sie antwortete mir nicht, also fragte ich weiter. „Jetzt sag schon, Amber. Du empfindest was für ihn, nicht wahr?“

Langsam nickte sie, dann schlug sie die Augen nieder. „Ist das so offensichtlich?“

Sie seufzte als ich nickte. „Ich habe mich sofort als er meinen Laden das erste Mal betreten hatte in ihn verliebt. Und leider ist es über die Jahre nicht besser geworden. Ich weiß, dass er nicht der Richtige für mich ist, aber er will einfach nicht aus meinen Gedanken verschwinden. Er ist so ein Arsch und trotzdem fängt mein Herz an zu Hämmern wenn er in der Nähe ist. Wie kann ich nur jemanden Lieben der mich noch nicht einmal richtig beachtet? Und der wöchentlich eine andere ander Angel hat.“

„Du kannst nichts für deine Gefühle, Amber. Aber versuche dich nicht von ihm unterkriegen zu lassen. Es gibt Männer die sind eben einfach so.“

„Leider. Und genau wie Archie bekommt Davina auch immer das was sie will. Immerhin war sie auch schon mit ihm zusammen.“

„Das habe ich mir schon gedacht, als er ihren Namen ausgesprochen hatte. Weißt du was ich glaube? Er hat ein ziemlich kleines Selbstwertgefühl und fühlt sich nur etwas Wert wenn er jedem zeigt was für ein toller Hecht er ist. Eigentlich ist er ziemlich arm dran.“

Ich lächelte sie aufmunternd an. „Und du wirst noch jemanden finden der zu dir passt. Da bin ich mir ganz sicher. Außerdem, hast du sein Gesicht gerade gesehen? Als hätte ich ihm gerade eine Backpfeife verpasst.“

Amber fing an zu Lachen. „Das habe ich bei ihm noch nie gesehen. Er war vollkommen aus der Fassung und wusste nicht was er sagen sollte.“

Ich zwinkerte ihr zu. „So und jetzt weiter mit der Arbeit, bevor hier noch jemand rein platzt und uns stört.“

Hüte dich vor den Stimmen des Meeres

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