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Fragestunde

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, nahm ich als Erstes ein weiteres Schmerzmittel. Ich war schon Expertin in der Wahl der Dosierung. Kein Wunder. Mühsam ging ich mit steifen Muskeln in die Küche. Ich wusste, dass ich allein sein würde und genoss die Stille im Haus. Er war ein Frühaufsteher und musste in seiner Firma der Erste sein: Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle.

Das Weißbrot bruzzelte mit nussigem Aroma zwischen den Heizstäben des Toasters, die Kaffeemaschine gluckste zufrieden vor sich hin und durch das leicht geöffnete Fenster mischte sich eine Vogelstimme ein. Mein kleines Paradies. Nein, meldete sich die andere Stimme in meinem Kopf: dein Gefängnis. Mach´ dir nichts vor.

Während beide Stimmen leise vor sich hin stritten, kaute ich das getoastete Weißbrot und genoss den buttrigen Honiggeschmack. Ich beschloss, der kritischen Stimme zu folgen. Viel zu lange schon hatte ich mich belogen und war in die Stumpfsinnigkeit abgesunken. Damit musste jetzt endlich Schluss sein, sonst konnte ich meinem Leben gleich ein Ende bereiten.

Im Schlafzimmer löste ich das Seidennachthemd und betrachtete mich im Spiegel. Eine gebrochene und aufgequollene Frau sah mich deprimiert und vorwurfsvoll an. Früher hübsch. Andere sagten sogar schön. Lange Haare. Wellig. Unbestimmbare Farbe. Im Licht schimmernd. Gut duftend, sagte mal ein Junge, der mir beim Tanzen sehr nahe kam. Die Augen. Mein Gott. Meine Augen. Ich weiß noch, wie ich früher meine Augen geliebt habe. Die viel zu spät wachsenden Brüste. Noch nicht Frau, aber auch nicht mehr Junge. Ambivalent. Chimäre. Aber die Augen waren Frau! Schon immer. Und jetzt? Der Tod blickte mich an. Dunkle Schreie.

Ich riss mich von diesem unappetitlichen Spiegelbild los und wählte ein dezentes, aber elegantes Kostüm. Es sollte mir Selbstvertrauen geben und mich an bessere Zeiten erinnern. Damals, als Karl noch um mich warb und zumindest in dieser Phase liebevoll mit mir umging. Wir verbrachten eine Woche im Schwarzwald, wanderten viel, aßen noch mehr und liebten uns noch viel mehr. An einem Tag plünderten wir die Boutiquen in Freiburg. Dieses Kostüm hatte ich viele Jahre nicht mehr angezogen. Als ich den Rock hochziehen wollte, spürte ich sofort, wie viele Jahre. Ich passte nicht mehr hinein! Was war das für ein Gefühl? Wut, Resignation, Selbstaufgabe? Ein bitterer Cocktail.

Also die zweite Wahl, ein maßgeschneiderter Hosenanzug, papageienblau und eine Bluse in safrangelb, dazu eine dünne Lederkrawatte. Ja, ich hörte Lisa, meine beste Freundin, aufschreien: Wie läufst du denn wieder rum? Oder ein anderer Vorwurf von ihr: Wieso läufst du ihm nicht einfach weg?

Das Weglaufen war mir nicht möglich. Nach den Shopping-Touren und unendlich vielen schönen Stunden mit ihm kam dann die Hochzeitsnacht. Wir hatten kirchlich geheiratet. Ich spürte den schweren Platinring an meinem Finger. Ungewohnt. Fesselnd. Viel später nach dem Abendessen im trauten Kreis von wenigen Freunden im Sternerestaurant des Frankfurter Hofs gingen wir dort im Hotel auf unser Zimmer. Ich zog mich aus und legte mich aufs Bett. Er kam aus dem Bad, warf sich auf mich und fesselte mich dann ans Bett. Verwundert ließ ich es geschehen. Vielleicht hatte er eine ganz besondere Zeremonie vor?

Schon nach wenigen Minuten merkte ich: Ja, aber anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Keine Verführung á la 9½ Wochen. Sondern härteste Brutalität. Meine erste Vergewaltigung. Ich versuchte, mich aufzubäumen. Die Fesseln schnitten in meine Haut. Ich blutete. Ich schrie. Er stopfte mir ein Tuch in den Mund. Dann bekam ich keine Luft mehr. Mein Widerstand erlahmte. Nachdem er mich vergewaltigt hatte und selbst schweißgetränkt auf mir lag, hörte ich ihn sein Mantra flüstern. Wenn du mich verlässt, bringe ich dich um. Er sagte es so lange, bis ich vor Erschöpfung einschlief.

Trotzig reckte ich das Kinn nach oben. Ich brauchte jetzt einen verrückten Kick, sonst würde ich es nie schaffen, mich aus meinem Elend zu befreien. Die Adresse des Therapeuten in Frankfurt, die ich von Lisa hatte, holte ich aus dem Versteck zwischen meinen Büchern, die Karl nie anfassen würde. Frauenscheiße, so sein derbes Etikett für meine Lesestaffel.

Lisas Etikett für den Therapeuten: unglaublich, wie klar und weitsichtig er denkt. Ein sehr guter Zuhörer. Stell' dir vor: Er stellt dir ein paar Fragen und du bist fassungslos, wie viel er von dir weiß. Und was du alles von dir nicht weißt. Du merkst es daran, dass du seine Fragen nicht mehr beantworten kannst.

Schon damals hatte ich den Kopf geschüttelt. Meine kleine Freundin Lisa. Sie war so schnell zu beeindrucken! Ich hatte alle Antworten auf jede Frage, nur wusste ich nicht, wie ich aus meiner Falle herausfinden sollte. Dafür war schließlich ein Therapeut zuständig.

Meine kritische Stimme meldete sich leise: Wenn du diese entscheidende Antwort weißt, dann findest du hier auch raus! Ja, ich war bereit, Lisa einen kleinen Erfolg zuzugestehen. Aber so beeindruckend konnte kein Therapeut dieser Welt sein, zumal ein Mann. In der Garage stieg ich in meinen kleinen schicken Roadster, ein Geschenk von Karl zur Hochzeit. Tiefzeit. Triefzeit. Mein Gott, wie dämlich war ich damals, so auf ihn und seine coolen Machosprüche hereingefallen zu sein. Verärgert über mich selbst gab ich zu viel Gas, was der Roadster mit einem Schlenker des Hecks quittierte. Ernüchtert nahm ich meinen Fuß vom Gaspedal und war dankbar, dass der Wagen sich stabilisierte.

Die weitere Fahrt verlief wie in Trance, von einigen Hinweisen des Navigationssystems begleitet. Wie würde ich ihm meine Geschichte erzählen? Wie konnte ich mein Gesicht wahren? Wie die Wahrheit so erzählen, dass mich meine ganze Schmach und Schande nicht in meinem winzigen Rest an Selbstwertgefühl beschädigen würde?

Ich begann zu spüren, dass es nicht einfach werden würde. Mein Navi fand die Tiefgarage in Frankfurt unter dem Goetheplatz, meine hochhackigen Schuhe den Weg in die Goethestraße, sonst immer der Weg für edelste Einkäufe, nein, Prostitutionsgelder, schalt mich die kritische Stimme in meinem Kopf. Paralysiert stand ich auf einmal vor der Tür seiner Praxis. Mir war eiskalt. Eine meiner inneren Stimmen rief mir zu: Geh sofort wieder! Ich drehte mich schon um und war im Begriff, erneut vor mir selber wegzulaufen. Ich brauchte das Flüstern der zweiten Stimme gar nicht zu hören. Der Fall war klar.

Mein Mittelfinger machte sich selbstständig und übernahm die Verantwortung. Er drückte zitternd auf den Klingelknopf, während ich darüber nachdachte, wann und wieso ich mir das angewöhnt hatte. Mittelfinger statt Zeigefinger. Eine Ahnung umschlich mich. Der Türschnapper summte und lud mich ein, die Tür aufzustoßen. Ich verfiel in eine völlige Bewegungslosigkeit. Starr starrte ich auf die Tür. Der schmutzig graue Anstrich fing an, zu verschwimmen, Bilder tauchten auf und verwirrten mich, bis sich die Tür plötzlich öffnete. Ein großer Mann stand vor mir.

"Dr. Bring." Er lächelte mich ganz ruhig an. "Klemmt die Tür mal wieder? Das passiert des Öfteren. Kommen Sie herein. Sie sind doch sicherlich Frau Röder."

Ich konnte nur noch nicken und ließ mich von ihm in seine Praxis führen. Willenlos. Ein Schaf. Völlig hypnotisiert.

"Meine Assistentin hat heute einen Tag Urlaub genommen, weil sie ihre Wohnung neu möbliert. Sie hat nämlich einen neuen Freund, der demnächst bei ihr einzieht. Vorher schafft sie noch Ordnung. Heute muss ich also den Kaffee oder Tee selber kochen. Was möchten Sie denn trinken?" Er drehte sich zu mir um und schaute mich aus seinen tiefblauen Augen durchdringend an.

"Ein Glas Wasser", murmelte ich leise. Er nickte und verschwand in der Küche, mich einfach im Flur stehen lassend.

Ich schaute mich um. Ein langer weißer Gang. Rechts und links Türen. Einige Bilder, schwarz-weiße Fotos, symmetrisch genau aufgehängt. In welches Zimmer sollte ich gehen?

"Bitte gehen Sie in das zweite Zimmer auf der linken Seite, hinter dem Bild mit der Birke."

Konnte er meine Gedanken lesen? Das Bild mit der Birke: Gebannt blieb ich stehen. Wie schön dieses Foto war! Eine Komposition in Weiß und Schwarz. Das zebragefleckte Muster der Birke zog sich über das ganze Bild hinweg. Auch der Hintergrund zeigte diese Struktur. Ich ging näher, um zu ergründen, was es war und was die Natur dort komponiert hatte.

"Ein wunderschönes Bild, nicht wahr?"

Seine tiefe und klare Stimme war so nah an meinem Ohr, dass ich seinen Atem spüren konnte. Ich hatte ihn nicht kommen gehört.

"Sie fragen sich, wie dieses Bild entstanden ist." Nach einer Pause des Schweigens fuhr er fort. "Tja, da müssen wir Thea fragen, meine Assistentin. Sie hat das Bild geschossen und verweigert mir bis heute die Antwort. Bitte kommen Sie doch in mein Sprechzimmer."

Einladend zeigte er mir den Weg, ließ mich in einem tiefen Sessel Platz nehmen, in dem ich fast versank und stellte mir das Glas Wasser auf einen Beistelltisch.

"Was führt Sie zu mir? Was ist Ihr Anliegen?" Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute mich an. Sein Blick: ruhig, gelassen, weise. Ich wurde wieder starr vor Angst.

Er lächelte. "Entspannen Sie sich. Trinken Sie erst einen Schluck." Zögernd gehorchte ich und führte das Glas an meine Lippen. Der erste Schluck löste meinen Staudamm. "Mein Mann schlägt mich. Er vergewaltigt mich. Er tötet mich, auf Raten." Tonlos brach es aus mir heraus.

Schweigend schaute er mich aus seinen gütigen Augen an. In seinem Blick lag alles. Verständnis. Anteilnahme. Tiefe. Die Stille zwischen uns war eine magnetische Form der Verbindung, ein eigenes Universum. Proton und Elektron. Stabilität. Schwingungen. Schon jetzt hatte ich das Gefühl, dass meine Wunden zu heilen begannen. Ich hätte gehen können. Aber eine andere innere Stimme sagte mir: Nutze diese Gelegenheit. Spreche dich aus. Nimm alles mit, was du brauchst. Es wird nur diesen einen Termin geben.

Also holte ich tief Luft und begann zu sprechen. "Das erste Mal schlug er mich in der Hochzeitsnacht. Davor war er der charmanteste Liebhaber, den man sich nur vorstellen konnte. Er erfüllte mir jeden Wunsch. Einkäufe. Reisen. Konzerte. Im Hotel Atlantic in Hamburg trank er einmal Udo Lindenberg unter den Tisch, den wir dort zu später Nacht zufällig an der Bar trafen, bis sich dieser bereit erklärte, mir ein Autogramm zu geben. Ich war ganz überrascht: Udo malte mir ein kleines Bild. Es ist wunderschön geworden. Und er schieb ein paar Zeilen darunter: Pass auf dich auf. Udo."

Dr. Bring runzelte die Stirn. Ich nickte. "Ja, damals erschloss sich mir der Sinn nicht. Aber vermutlich hatte er meinen Mann verstanden und wollte mich warnen."

Ich machte eine Pause und dachte nach. Dr. Bring ließ es geschehen. "Wirklich schlimm wurde es erst dann, als er sich sein Traumhaus im Spessart baute, wie er es nannte. Es liegt im Jossgrund, der Region mit den wenigsten Verbrechen im Rhein-Main-Gebiet, wie kürzlich eine Statistik auswies.“

Ein verunglücktes Geräusch kam aus meiner Kehle. Es war wohl der Ansatz eines Lachens, der in sich selbst zusammenfiel.

„Jetzt weiß ich auch, wieso. Als er mich das erste Mal so richtig grün und blau geschlagen hatte, rief ich in meiner Verzweiflung die Polizei an. Sie kam auch. Aber anstatt meine Anzeige aufzunehmen und ihn in Gewahrsam zu nehmen, nahmen sie mich mit. Sie fuhren mich zu einem Arzt. Ein Schulfreund meines Mannes, genau wie der Chef der örtlichen Polizeibehörde. Ich musste mir im Auto noch dreckige Witze anhören, was Männer mit ihren Frauen anstellen dürfen. Das war noch demütigender als die Schläge, die ich zuvor von meinem Mann bekommen hatte."

Dr. Bring sah mich ausdruckslos an. Nur seine Augen strahlten etwas aus: Verständnis, Mitgefühl, Weisheit. Sie schienen zu sagen: Es ist furchtbar, wie schrecklich Menschen sein können und was sie anderen Menschen antun. Ich nickte. Ja, für ihn als Therapeuten und Arzt waren das sicherlich keine Neuigkeiten, sondern viel zu oft Gehörtes.

Er lächelte, als ob er meine Gedanken lesen konnte. "Soll ich Ihnen einen Tee kochen?" Er schien meine Antwort zu ahnen und machte sich bereits auf den Weg, fragte auch nicht, welche Sorte ich gern trinken würde.

Ich hörte einige Geräusche, in die ich mich vertiefte und verlor. Ein Zischen und Klappern, Metall auf Porzellan. Wenig später kam er wieder.

"Ich weiß nicht, wie Sie Ihren Tee trinken. Am besten nehmen Sie eine kleine Dosis Milch, wenn Sie keine Eiweißallergie haben."

Schon jetzt konnte ich einen Hauch von einem Duft wahrnehmen. Ich folgte seinem Rat und schnüffelte ganz neugierig. "Was ist das für eine Sorte? Es riecht so... süßlich, würzig?"

"Es ist ein spezieller Kräutertee, den ich mit einigen besonderen Gewürzen mische. Zum Beispiel Kardamom. Ingwer. Sehr gesund und sehr wohlschmeckend." Und fast übergangslos: "Erzählen Sie weiter!"

Seine ruhige Art hatte mich in Bann gezogen. Es erschien mir fast unmöglich, weiter zu erzählen. Er wusste doch sowieso schon alles.

Ein hoffnungsvoller Gedanke machte sich leise bemerkbar. Ich wollte etwas verändern. Aber was? Am liebsten würde ich meinem Mann weglaufen. Doch gleich meldete sich die skeptisch-warnende Stimme: Das würde nicht gehen. Er würde sehr viel Geld investieren, um mich zu finden. Und dann würde er mich endgültig vernichten.

Im Streit dieser beiden Stimmen verlor ich mich erneut. Ich überlegte.

Dr. Bring ließ mir die Zeit und schaue mich ausdruckslos an. Unter seinem Blick lösten sich einige Verknotungen in meinen Gehirnwindungen. Was beschäftigte mich? Ich musste es ihm erzählen.

"Wissen Sie, Dr. Bring, ich habe mich in den letzten Jahren gehen lassen. Von Konsumtempel zu Konzerthalle zum Edelrestaurant, das waren die längsten Schritte, die ich gegangen bin. Das Ergebnis: den Kopf in den Sand gesteckt, mich betäubt, zu viel gegessen, 17 Kilogramm zugenommen, meine Ehre und meine Achtung vor mir selbst verloren. Damit soll nun Schluss sein."

"Was ist ihr Ziel?" Und wieder wartete er geduldig, bis ich meine Antwort gefunden hatte.

Ich brauchte nicht lange zu überlegen. "Ich möchte zuerst meine Selbstachtung wiedergewinnen. Ja, ich glaube, so muss ich anfangen. Der Rest wird sich dann ergeben. Mein letztes Ziel ist: Ich möchte meinen Mann loswerden."

Dr. Bring nickte. "Ich habe die Lösung für Sie. Milton Erickson, ein sehr fähiger Therapeut, der in den USA lebte und am 25. März 1980 verstorben ist, hatte mal einen Klienten, der abnehmen wollte. Es war ein ehemaliger Polizist, der früh in den Ruhestand gegangen ist und sich dann zu wenig bewegte und zu viel aß. So nahm er zu. Er klagte Dr. Erickson sein Leid. Erickson fragte ihn, wie sein typischer Tag aussah. Der Klient berichtete, dass sein Leben einfach sei. Er wohne in der Großstadt und rund um seinen Wohnblock herum gab es an jeder Ecke eine Möglichkeit, alle seine Bedarfe zu befriedigen. Round the block war ein Geschäft, in dem er Lebensmittel kaufen konnte, round the block sein Friseur, round the block seine Kneipe, in der er sein Bier trank. Der Rat von Erickson war ganz einfach.“

Nach einer längeren Pause, in der er mir tief in die Augen schaute und sich vielleicht fragte, ob ich die Lösung selbst finden würde? Nein, er fragte sich nicht, sondern er wusste, dass ich die Antwort nicht kannte. Also fuhr er fort. „Er sagte: Sie machen alles genau wie bisher.“

Dr. Brings Stimme wurde auf einmal sehr streng. „Nur verbiete ich Ihnen, in all den Geschäften einzukaufen, die Sie bisher aufgesucht haben. Sie suchen sich ein neues Geschäft, einen Block weiter.“

Offensichtlich musste es Dr. Erickson auch so gemacht haben. Wieder eine lange Pause. Dann fuhr Dr. Bring fort.

„Der ehemalige Polizist stutzte einen Moment und ging dann sehr plötzlich, noch die unhöflichen Worte ausstoßend: verdammter Psychiater!"

Ich runzelte die Stirn. Die Botschaft hatte ich nicht verstanden.

Dr. Bring fuhr seelenruhig fort, als hätte er nichts anderes erwartet. "Einige Wochen später kam ein neuer Klient zu Dr. Erickson auf Empfehlung dieses Polizisten. Zur Begrüßung sagte er: Ich soll Ihnen einen Gruß ausrichten und sagen, dass Sie genial sind."

Ich schmunzelte. "Ich soll mich mehr bewegen?"

"Nicht nur bewegen, ich weiß genau, wie Sie Ihre Ziele erreichen.“

Nach einer bedeutungsvollen Pause, die sich mir nicht wirklich erschloss, die ich aber registrierte, fuhr er fort. „Sie werden ein Lauftraining absolvieren und für den Frankfurt-Marathon trainieren. Hier haben Sie eine Adresse eines Lauftrainers, der sehr gute Arbeit leistet. Melden Sie sich bei ihm an. Und genau heute in zwei Monaten können Sie zu einem weiteren Termin kommen."

Er gab mir eine Visitenkarte und hatte handschriftlich mit Füller auf der Rückseite den nächsten Termin notiert. Dann schwieg er. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es noch irgendetwas zu besprechen gab. Die Botschaft war so endgültig. Meine Zweifel meldeten sich. Hatte ich die Geschichte mit dem Polizisten doch nicht richtig kapiert? Konnte die Lösung so einfach sein? Hatte ich mich von meiner Freundin einlullen lassen? War dieser Dr. Bring wirklich ein guter Therapeut?

Etwas verwirrt und verstört stand ich auf und verabschiedete mich.

Der stille Schrei

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