Читать книгу Der Glockenturm - Lukas Kohn - Страница 4

2.

Оглавление

Die Abiturprüfungen standen an. Ich hatte jene Nervosität wie sie Schulabgängern zu eigen ist und genug gelernt.

Wieder traf ich mich mit Constantin zu einem Spaziergang.

Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, die Prüfungen zu bestehen.

„Beten Engel auch?“, fragte Constantin und sah mich schief an. Constantin hatte blonde Haare und im Sonnenlicht damals schimmerten sie gold. Ich kann euch nicht verheimlichen, dass ich mich in Constantin über die Jahre hinweg verliebt hatte, doch ich traute mich nicht es zu sagen, es war meine erste Liebe.

Engel, das war der Spitzname den er mir gegeben hatte. Vermutlich war ich wie ein Engel für ihn, denn seit er gestürzt war, machten seine ehemaligen Freunde weniger mit ihm, teils mieden sie ihn sogar.

„Mit einem Rollstuhl lassen sich leider keine krassen Stunts machen.“, hatte er einmal gesagt.

Er liebte es sich mit seinem Rollstuhl auf die Hinterräder zu stellen. Doch er hatte Recht, richtig krasse Stunts gingen nicht.

Ich schob ihn über die Wiesen am Stadtrand, wie immer weit weg von dem Hügel, der ihn noch immer fast zum Weinen brachte und wir beobachteten wie Mutter Natur ihren Tanz aufführte. Wie der Wind die Gräser bewegte und der Mond die Dämmerung verkündete.

Ein Hase huschte übers Feld. Ich dachte an die kommenden Prüfungen und fragte Constantin:

„Hast du genug gelernt?“

„Du kennst mich.“, antwortete er. „Ich muss nicht lernen.“

Ich wusste dass Constantin nur im geheimen lernt, zugeben würde er das nie, dass sein Rollstuhl kaum andere Hobbies zuließ.

Er spielte gerne Klavier. Dort am Flügel vergaß er , so zu sein wie er ist und schwang sich mit den Melodien in ungeahnte Höhen. Er beherrschte es perfekt, als ich ihn einmal spielen hörte, glaubte ich, die Sonne geht am Tage auf. Ich vergaß alles um mich herum und ließ mich von der Musik in ferne Welten tragen.

Wenn Constantin so am Flügel saß, wirkte er beinahe wie ein Astronaut. Aber nur selten konnte ich lauschen. Seine Eltern waren sehr streng und duldeten keinen Damenbesuch. Ein paar Mal, da hatte er sturmfrei und er spielte mir vor. Ich wollte ihn dann gerne küssen, aber ich war so jung und mir fehlte der Mut.

Wir gingen um die Kurve und damit wieder auf die Hochhausblocks zu, die dort in der Ferne grau die Herrschaft des Asphalts verteidigten.

Doch plötzlich lagen wir die Kurve wieder zurück und ich sah noch einmal den Hasen, wie er übers Feld huschte. Hatte ich taggeträumt? War die Strecke, die wir gerade vermeintlich gegangen waren, ein Trugschluss der Sinne in meinem Kopf? Ich wusste es nicht, da sagte Constantin:

„Ich habe gerade so eine Art Deja-Vu.“

„Ich auch.“, sagte ich und spürte ein Zucken in meinem rechten Flügel.

Gemeinsam sahen wir uns an.

„Mir kommt es so vor, als seien wir das gerade eben schon einmal gelaufen.“, sagte er.

Ich sagte nichts. Ich wollte so etwas fragen wie: Und jetzt? Verkniff es mir aber und ging weiter.

Nach einiger Zeit erreichten wir die Siedlung. Ich schob Constantin zu sich nach Hause und er sagte:

„Komm morgen pünktlich zum Test.“

„Aber klar doch.“, sagte ich, lachte und winkte. Seine Mutter holte ihn an der Tür ab.

Als ich nach Hause ging spürte ich ein zweites Mal dieses Zucken im rechten Flügel, wie ich es noch nie zuvor gespürt hatte. Aufgeregt legte ich mich schlafen.

Der Glockenturm

Подняться наверх