Читать книгу Die Kichererbsen und die Entführer - Marianne Christmann Fuhr - Страница 10

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Kapitel 7

In der Innenstadt, in Laubheims kleinem Hotel, saßen an diesem heißen Morgen zwei Männer beim Frühstück. Sie aßen langsam, bedächtig und mit großem Appetit.

"Hast du alles verstanden?", fragte Anton Wagenbach und sah seinen Kumpel an.

"Natürlich", antwortete dieser.

Die beiden waren ein ungleiches Paar. Anton war groß und hager, seine Augen standen eng beisammen, was ihm einen stechenden Blick verlieh. Er war ein einschlägig vorbestrafter Verbrecher, der schon öfter wegen Einbruchs und Körperverletzung im Gefängnis gesessen hatte. Er war 42 Jahre alt, dafür bekannt, sehr skrupellos zu sein und schnell von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Er träumte vom schnellen Geld und dem ganz großen Coup, nach dem er sich dann zur Ruhe setzen konnte — irgendwo weit weg, auf den Bahamas oder Seychellen, wo ihn niemand finden konnte. Für diesen Traum tat er alles, um ihn so schnell wie möglich in Erfüllung gehen zu lassen.

Während seiner Gefängniszeit hatte er die Idee gehabt, eine reiche Person zu entführen und Lösegeld zu verlangen. Mit seinem Zellengenossen Robert Neumann, der ihm in Vielem ähnlich war und mit dem er sich während seiner Haft anfreundete, hatte er einen detaillierten Plan ausgearbeitet. Sie hatten den Zeitpunkt und den Ort des Geschehens festgelegt. Nun brauchten sie nur noch ein geeignetes Versteck und natürlich jemanden, den sie entführen konnten.

Sie hatten sich auf Laubheim als Ort geeinigt. Zum einen, weil er überschaubar war und zum anderen, weil er zentral lag und man schnell über die Landstraße zur Autobahn gelangen konnte. Anton hatte die letzten zwei Monate, seit er entlassen worden war, dazu genutzt, ein Versteck ausfindig zu machen. Bei seinen Streifzügen durch den Ort und die Umgebung war er zufällig auf das alte Fabrikgelände gestoßen. Am Grad der Verwilderung konnte er erkennen, wie lange das Gebäude schon nicht mehr benutzt wurde. Er hatte sich alles angesehen und es als idealen Ort empfunden, um jemanden zu verstecken.

Auch die Fluchtmöglichkeiten hatte er sich genau angesehen. Mit seinem Kumpel Roland hatte er dann alles durchgesprochen. Nun brauchten sie nur noch ein Opfer, das über genügend Geld verfügte, um eine hübsche Summe bezahlen zu können. Anton und Roland waren durch die Villengegend gefahren und hatten sich die Häuser angesehen. Da die Reuterwerke die einzige große Firma war, die es in Laubheim gab, waren sie übereingekommen, jemanden aus der Familie Reuter zu entführen. Am besten wäre natürlich einer der Inhaber selber gewesen, aber weder an Hermann noch an Ulrich Reuter war leicht heranzukommen. Außerdem waren beide sehr sportlich und kräftig und hätten sich wohl heftig gewehrt. Dieses Risiko wollte Anton nicht eingehen. So untersuchten sie das Umfeld der Brüder. Ulrich Reuter war nicht verheiratet, hatte aber eine Freundin. Er kam nicht infrage. Nun konzentrierten sie sich auf Hermann Reuter. Vielleicht konnten sie seine Frau entführen.

Dann fanden sie heraus, dass er eine Tochter hatte, Sara, das einzige Kind. Da sagte Anton: "Bingo. Die schnappen wir uns." Mit einem Kind könnten sie auch leichter fertig werden.

So hatten sie alles sorgfältig geplant und den Tag festgelegt, an dem das Ganze stattfinden sollte. Sie hatten zwar Sara noch nie gesehen aber da sie das einzige Kind war, war es wohl sehr einfach, sie zu entführen — dachten die beiden jedenfalls.

Dass Anton gerade erst aus der Haft entlassen worden war, sah man ihm nicht an. Er trug sportlich-legere Kleidung, war glatt rasiert und machte einen sehr gepflegten Eindruck. Sein Gegenüber, Hubert Neumann, den alle aber nur Hubs nannten, trug auch sportliche Kleidung. Er hatte ein rundes Gesicht mit leichten Pausbacken und große, runde Knopfaugen, die ihm ein ständig erstauntes Aussehen verliehen. Auch er war glatt rasiert und hatte seine Haare, die ihm wie eine Kappe am Kopf lagen, sorgfältig gekämmt und sogar einen Scheitel gezogen. Er verspeiste gerade die letzten Reste seines Frühstücks.

"Dann können wir ja jetzt gehen", meinte Anton und erhob sich.

Die beiden verließen den Frühstücksraum und gingen an die Rezeption, wo sie ihre Rechnung bezahlten.

Anton sah auf seine Uhr. "Es ist zehn, wir müssen los. Weißt du noch den Weg zur Villa?"

"Klar, ich bin doch nicht blöd." Hubs sah ihn entrüstet an.

"Halt hier keine Vorträge, sondern sieh zu, dass wir hier endlich wegkommen", knurrte Anton. Eigentlich hatte er die Entführung mit seinem ehemaligen Zellengenossen durchführen wollen, aber dieser war beim Überqueren einer Straße von einem Auto angefahren worden und lag nun im Krankenhaus. Aber er hatte Anton seinen Cousin empfohlen, der angeblich für diese Sache bestens geeignet war. Nun,das empfand Anton nicht so. Hubs war ziemlich naiv — aber vielleicht war er gerade deswegen gut für diese Sache geeignet.

Hubs startete den Motor und das Auto setzte sich ein wenig hoppelnd in Bewegung. Ein paar Minuten später hatten sie die von ihnen auserkorene Villa erreicht und bogen in die Auffahrt ein. Sie parkten das Auto direkt vor dem Haus. Dann stiegen sie aus. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass sie nichtbeobachtet wurden, wandten sie sich der Haustür zu. Anton öffnete sie mit einem Dietrich und die beiden Männer betraten das Haus. Der Flur war leer, ebenso die angrenzenden Räume. Auch im Obergeschoss war niemand.

"Wo sind denn alle?", wollte Hubs wissen.

"Nicht da", antwortete Anton kurz angebunden.

"Und die Kleine?", fragte Hubs noch.

"Kommt gleich."

„Woher weißt du das?"

Anton reichte ihm einen Zettel, den er auf dem Küchentisch gefunden hatte. Darauf stand: Bringe nur einen Brief zur Post. Bin gleich zurück. Sara.

"Aha", meinte Hubs nur, "in wessen Haus sind wir eigentlich?"

"Die Leute heißen Reuter. Der Mann ist der Inhaber der Reuterwerke. Sie haben eine Tochter, nämlich diese Sara", er deutete auf den Zettel. "Wir schnappen sie uns, bringen sie in das Versteck und verlangen ein Lösegeld von den Eltern. Kapiert?"

Hubs nickte. Er hatte die Sandwiches entdeckt. "Oh, lecker", meinte er und wollte nach einem greifen, aber Anton klopfte ihm auf die Hand.

"Lass das, du hast doch eben erst gefrühstückt. Komm, wir gehen ins Wohnzimmer und verstecken uns. Die Kleine muss jeden Moment wieder auftauchen. Wir wollen keine Zeit verlieren."

Hubs machte ein enttäuschtes Gesicht.

Die beiden begaben sich ins Wohnzimmer. Dort fanden sie eine Nische, in der sie sich verbergen konnten. Anton zog ein Taschentuch hervor und eine kleine Flasche mit Chloroform. So warteten die beiden auf Saras Rückkehr.

Die Kichererbsen und die Entführer

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