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Toilettenfragen Teil 1

»Ich habe die Philosophen und die Katzen studiert, doch die Weisheit der Katzen ist letztlich um ein weites größer.«

Hippolyte Taine


„Ihre verdammte Katze hat schon wieder in unseren Garten gekackt.“ Mit dieser überaus frohen Botschaft konfrontieren uns unsere lieben Nachbarn zur Rechten in etwa 14-täglichen Abständen. Jetzt könnten wir leugnen und behaupten: „Das war sicher nicht unser Spikey. So was macht der garantiert nicht. Das muss eine andere Katze gewesen sein.“ Aber das ist leider unmöglich. Spikey wurde bereits mehrfach in flagranti fotografiert. Das wiederum ist nur möglich, weil für unseren Spikey der Toilettengang offensichtlich eine Herzensangelegenheit ist.

Aber vielleicht erst einmal der Reihe nach: Als Freigänger hat Spikey die Qual der Wahl, wo und wann er sein Geschäft verrichten kann. Und genau hier liegt das Problem. Spikey bevorzugt zum Verscharren seiner Hinterlassenschaften einen weichen, leicht mit den Krallen zu bearbeitenden, lockeren Untergrund. Wo kämen wir denn da hin, wenn sich ein Kater von Welt auch noch mit einem brettharten Boden abmühen müsste. Da kommt Spikey das mit viel gärtnerischer Liebe gepflegte Hügelbeet unserer Nachbarn zur Rechten gerade recht. Würde Spikey sein Geschäft, wie sich das für einen anständigen Kater gehört, klammheimlich im Schutze der Dunkelheit verrichten, wäre die Welt wahrscheinlich für alle Beteiligten in Ordnung. Aber nein, so ist Spikey nicht gepolt. Ein heimlicher Toilettengang, für den er sich womöglich auch noch schämen sollte? Nicht mit unserem Spikey. Was Spikey in Toilettenfragen tut, kann jeder, ja soll jeder sehen. Deshalb macht Spikey aus einem simplen Stuhlgang eine regelrechte Zeremonie.

Eine Zeremonie, die es, wenn auch nicht inhaltlich, aber an Komplexität durchaus mit dem spanischen Hofzeremoniell aufnehmen könnte. Von dem wird ja immer behauptet, dass es das strengste der Welt sei. Ich darf hier einmal einen Historiker, Martin Mutschlechner, zitieren: „Jeder Schritt und jede Handbewegung sollte von angemessener Würde durchdrungen sein. Individualität und Spontanität waren nicht erwünscht.“

Genau so läuft es bei Spikey: Zunächst einmal wird ausgiebig und durchaus zeitintensiv das Terrain sondiert. Ist nach einer gefühlten Viertelstunde eine geeignete Stelle gefunden, werden zunächst mehrere sorgfältige Probebohrungen durchgeführt. Welche Kriterien letztendlich für die Entscheidung ausschlaggebend sind, entzieht sich dem geneigten Beobachter. Dann wird ausgiebig „probegesessen“. Danach wird der zukünftige Ort des Geschehens noch mehrmals durch ausgiebiges Schnüffeln überprüft und scharrender Weise werden noch einige Feinjustierungen durchgeführt. Erst jetzt kommt es zum Hauptakt, der aber nicht, wie gesagt, etwa verschämt, sondern stets voller Stolz und aufrechten Hauptes durchgeführt wird. Sind dann die Hinterlassenschaften von Spikey, die es in Größe und Geruch durchaus mit den Stoffwechselendprodukten einer Dänischen Dogge aufnehmen können, endlich verscharrt, wird die Endphase des Zeremoniells eingeleitet: Spikey schaut sich mit einem triumphierenden Glitzern in den Augen beifallsheischend um und wartet offensichtlich auf einen donnernden Applaus der genervt zuschauenden Nachbarschaft. Fehlt nur noch, dass er Eintrittskarten verkauft!

Pünktchen waren dagegen, bevor sie freiwillig zur Wohnungskatze mutierte, solche Toilettenzeremonien fremd. Mehr noch, Pünktchen verscharrte ihre Hinterlassenschaften so gut wie nie. Lediglich, wenn sie sich beobachtet fühlte, führte sie äußerst halbherzig ein paar pro forma angedeutete, schnelle Kratzbewegungen in der Luft durch. So eine Art „Luftgitarre“. Das wars dann aber auch schon. „Arglistige Täuschung nennt man so was!“ Katharina sieht als Rechtsanwältin immer zuerst das Schlechte und dann erst das Gute in einer Katze – wahrscheinlich eine Berufskrankheit. Aber etwas Wahres ist schon dran an dieser Behauptung. Pünktchen wusste offensichtlich, dass es sich für eine anständige Katze gehört und es auch von ihr erwartet wird, die eigenen Hinterlassenschaften zu verscharren, war aber einfach zu faul dazu. Natürlich bevorzugte auch Pünktchen bei ihrem Stuhlgang weiche Beete – erfreulicherweise nur solche, die sich im eigenen Garten befanden.

Die Katzenwissenschaft bietet übrigens für das Verscharren bzw. Nichtverscharren von Kot folgende Erklärung: Im Allgemeinen verscharren Katzen Kot und Urin, um nicht durch den Geruch ihrer Hinterlassenschaften unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das bewahrt sie vor Feinden, aber auch vor ranghöheren Artgenossen. Ranghohe Katzen – sprich die Herrscher des Hinterhofes – vergraben ihr Häufchen nicht. Im Gegenteil, sie setzen es sichtbar ab, präsentieren es regelrecht, um zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Wenn man es genau nimmt, ist das Geschäft mit dem Geschäft also ein Teil der Katzensprache!

Der Nachbargarten als Katzenklo. Um gegen alle Eventualitäten gewappnet zu sein, hat Katharina einmal ein paar maßgebliche Urteile herausgesucht. Diese sehen in den allermeisten Fällen ziemlich katzenfreundlich aus. So muss es nach Ansicht des Amtsgerichts Neu-Ulm (Az. 2 C 47/98) ein Gartenbesitzer (wenn auch zähneknirschend) hinnehmen, dass die Katze des Nachbarn seinen Garten für ihre Toilettenangelegenheiten missbraucht. Das gilt auch dann, wenn von den Beschmutzungen Spielgeräte eines Kindes betroffen sind.

Das Landgericht Darmstadt (Az. 9 O 597/92) entschied sogar, dass ein Grundstückseigentümer den Besuch mehrerer Katzen dulden muss und wies bei der Urteilsbegründung auf das Bedürfnis der Katzen nach einer eigenständigen und autonomen Lebensführung hin. Ähnlich sieht es das Amtsgericht Rheinberg (Az. 10 C 415/91), das in seinem Urteil darauf hinweist, dass „in Wohngegenden, die – wie hier – aus Häusern mit Gärten bestehen, die Katzenhaltung mit freiem Auslauf zur Lebensführung vieler Familien gehört“.

Wie Katzen nach Hause finden

Dieses Rätsel erforscht die Wissenschaft schon seit vielen Jahren. Eindeutig gelöst hat man es aber bis heute noch nicht. Klar belegt ist, dass Katzen in der Regel aus Entfernungen von bis zu zwölf Kilometern sehr gut nach Hause finden. Für diese Kunst macht die Wissenschaft gleich mehrere Fähigkeiten der Katzen verantwortlich. Zum einen ist man sich in Wissenschaftskreisen ziemlich sicher, dass Katzen, wie Zugvögel auch, das Magnetfeld der Erde zur Orientierung nutzen. Zum anderen betreiben unsere Miezen noch Astronavigation. Sie orientieren sich also am Sonnenstand, sprich, sie nutzen die Sonne als Kompass.

Vor einiger Zeit haben Wissenschaftler noch eine weitere, wohl rein katzenspezifische Navigationsart entdeckt: Katzen arbeiten offensichtlich auch mit sogenannten Hörbildern. Nach Meinung der Experten orientieren sich unsere Stubentiger in allererster Linie an bekannten und oft immer wiederkehrenden Geräuschen und kombinieren sie mit den dazugehörigen Bildern ihres Umfeldes.

So verbinden sie beispielsweise mit den Kirchenglocken einen Kirchturm oder ein Zuggeräusch, je nach Lautstärke, mit einer nahen oder weit entfernten Bahnstrecke. Relevant sind auch andere Verkehrsgeräusche, Bachgeplätscher oder Kinderlärm. Diese Eindrücke formen die Katzen zu einem Hörbild, das sie zunächst abspeichern und nach Bedarf abrufen, wenn es darum geht, sicher den Weg nach Hause zu finden.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Katzen bestimmte Tonfrequenzen mithilfe spezieller Nervenzellen im Auge aufnehmen und über den Sehnerv an die zuständigen Nervenzellen in der Großhirnrinde weiterleiten. Stark vereinfacht heißt das, dass die Katze auch mit den Augen hören kann und die entsprechenden Hörbilder im Sehzentrum im Gehirn abspeichern kann. Nach entsprechenden Erkundungsausflügen hat eine Katze dann letztendlich alle „Hörbilder“ ihrer gewohnten Umgebung im Gehirn gespeichert. Setzt man die Mieze dann mehrere Kilometer entfernt auf unbekanntem Territorium aus, stellt das kluge Tier anhand von Lautstärke, Tonmischungen, Einfallswinkel sowie Entfernungen neue Berechnungen an und gelangt auf diese Weise fast immer sicher nach Hause zurück.


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