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Darwins Papagei

Ende 2006 hielt Colombia Es Pasión das ab, was Luís Fernando Saldarriaga seine »Reality-Show« nannte. »Kaderselektion ist in Kolumbien stets eine Sache von Politik und Beziehungen, jemand legt ein gutes Wort ein, solche Dinge«, erzählte mir Saldarriaga. »Ich war noch nie ein Freund davon, daher überlegte sich unsere Arbeitsgruppe ein Verfahren, um alle relevanten Aspekte objektiv zu testen: Kraft und Ausdauer, technisches Können, die Fähigkeit, basierend auf einem Rennprofil Teamanweisungen zu interpretieren, und die psychologische Eignung. Wir vergaben Punkte für jeden Test: zwei Punkte, wenn jemand 5,0 bis 5,2 Watt pro Kilogramm trat, drei Punkte für 5,3 bis 5,4 Watt, zwei Punkte für 60 Meter in 8 bis 9 Sekunden, vier für 7,5 bis 8 Sekunden, und so weiter.«

Eine Gruppe von Fahrern, die bei der Vuelta del Porvenir 2006 ihr Können nachgewiesen hatte, wurde eingeladen, an der Testreihe teilzunehmen. Als die Punkte addiert wurden, waren die auserkorenen Fahrer Camilo Torres, Óscar Sánchez und Jarlinson Pantano. Im Mai 2007 trat Pantano bei der renommierten Ronde de l’Isard in Frankreich an und gewann die Wertung als bester Nachwuchsfahrer. Saldarriaga erinnert sich daran als einen Wendepunkt für das Projekt Colombia Es Pasión: »Es markiert den Zeitpunkt, da wir wirklich anfingen, uns auf die langfristige Entwicklung von U23-Fahrern zu konzentrieren.«

Pantanos Geschichte wird heute davon überschattet, dass er am 26. Februar 2019 bei einer Kontrolle positiv auf EPO getestet wurde. Vier Monate später, Mitte Juni, erzählte er dem Journalisten Jairo Rodríguez: »Ich kann es nicht erklären und ich fühle mich betrogen. Ich habe mich entschieden, nicht bis zum bitteren Ende dagegen anzukämpfen, denn ich möchte nicht das Vermögen meiner Familie darauf verschwenden, erst in zwei Jahren eine Erklärung zu bekommen.«

Pantanos Trainer bei Trek-Segafredo, Josu Larrazabal, erzählte mir: »Wir waren sehr überrascht. Jarlinson war beim Team mehrfach längere Zeit krank gewesen, er wurde somit vielfach getestet und wir hatten ein sehr umfangreiches physiologisches Bild von ihm. Es gab nie ein Fragezeichen oder ein Warnsignal, niemals auch nur einen leisen Verdacht auf unerlaubte Methoden.«

Tatsächlich verbrachte Jarlinson Pantano sechs Jahre bei Colombia Es Pasión und danach sieben Jahre als Profi, in denen seine Integrität nie zur Debatte gestanden hatte.


Es ist ein kurioser Name – und es hätte schlimmer kommen können: Jarlinsons Vater, José Gabriel Pantano, wollte ihn eigentlich Fafier nennen. »Was soll daran komisch sein?«, fragt er mich. »Ich habe einen Freund namens Fafier, der einen Frisörladen betreibt. Aber ich mochte Harley Davidson, also dachte ich: Harley, Harlin, Jarlinson. Am Tag, als er getauft wurde, grummelte der Priester: ›Was? Jarlinson? Unaussprechlich. Ergibt keinen Sinn. Was spricht gegen einen normalen Namen?‹«

Seine Mutter, Olga Sofía, erzählt mir lachend: »José gab ihm den Namen, ich machte einfach mit.«

Wie dem auch sei, er wurde von allen eh nur País genannt – was so viel wie »Landsmann« bedeutet –, denn so nannte Jarlinson alle anderen.

Pantanos Heimatstadt Cali erstreckt sich auf einer Ebene zwischen zwei Gebirgsketten, 450 Kilometer südwestlich der Hauptstadt. Sie ist umgeben von Anstiegen mit imposanten Namen wie Dapa und La Cumbre (»Der Gipfel«) und dem gewaltigen Tenerife – einem 30 Kilometer langen Ritt bis auf die Höhe von Bogotá –, aber auch solchen, die nicht mal einen richtigen Namen haben, wie »Kilometer 18«, der so heißt, weil er so lang ist. Auf nur tausend Metern Höhe gelegen, ist Cali bekannt für Musik und Salsa-Tänzer, Fußball und brütende Hitze.

»Und für noch etwas«, sagt Jarlinson lachend. »Für Faulheit.«

Alles, nur nicht Radsport.

Gleichwohl hat die Stadt in der Vergangenheit einige herausragende Sprinter hervorgebracht. Der in Cali geborene Leonardo Duque wurde 2008, eingekeilt zwischen Oscar Freire und Erik Zabel, Zweiter einer Etappe der Tour de France, während Luís H. Díaz und Jaime Galeano in den 1960er und 1970er Jahren ausgezeichnete Sprinter waren und an der Seite von Cochise Rodríguez für die Caribú-Mannschaft fuhren.

Jarlinson Pantanos Vater José Gabriel war mit zwei passionierten Radfahrern groß geworden. Einer von ihnen, Ricardo Gallego, von allen nur Richard genannt, schaffte es bis zur Vuelta de la Juventud und wurde später Juwelier: Als Sponsor würde er später maßgeblichen Anteil an Jarlinsons Vorstoß bis in die Weltspitze des Radsports haben. Der andere, Camilo Sepúlveda, wurde Bahnradsportler auf nationaler Ebene.

»Camilo lud mich ins Velodrom ein, um den Fitnessraum zu benutzen«, erinnert sich José Gabriel. »Als ich dort war, sagte er: ›Versuch es doch mal auf dem Rad.‹« Wehmütig fügt er hinzu: »Wir träumten den Traum, in einem Radsportteam zu fahren, einen Traum, der unserer Generation von Lucho Herrera und Fabio Parra eingeimpft wurde.«

Er war 15 und unter den Freunden, mit denen er damals mit dem Radsport anfing, war auch William Palacio, der 16. der Tour de France 1990 wurde und eine Etappe bei der Dauphiné Libéré gewann.

Etwa zu der Zeit zog José Gabriels Familie ins Barrio Floralia, einer armen Gegend im Nordosten der Stadt, anfällig für Überschwemmungen und hauptsächlich von Familien bewohnt, die vertrieben worden waren. Dort lernte er Olga Sofia kennen, die ihre ersten beiden Lebensjahre in San Antonio del Prado, Medellín, verbracht hatte, bevor ihre Mutter mit ihr nach Cali ging. Als sie am 3. März 1984 ihren 16. Geburtstag feierte, war sie bereits schwanger. Acht Tage später, am 11. März, wurde ihr Sohn Carlos Andrés geboren. José Gabriel musste seinen Traum vom Radsport aufgeben und sich einen Job suchen.

Jarlinson kam viereinhalb Jahre später zur Welt. Sie waren von Anfang an eine Radsportfamilie. Olga Sofías Schwester Carolina heiratete Dubán Ramírez, den Neffen von Cochise Rodríguez und Vierten im Zeitfahren bei den Weltmeisterschaften von 1995. Unterdessen unterhielt José Gabriel ein offenes Haus. Wer wegen eines Rennens oder Trainingslagers in der Stadt war, fand bei den Pantanos immer eine Unterkunft. Der spätere UnitedHealthcare-Fahrer Carlos Eduardo Alzate reiste regelmäßig aus dem 90 Kilometer entfernten Tuluá an und stieg bei den Pantanos ab. Franklin López kam eines Tages und ging nicht mehr, er wurde Andrés’ und Jarlinsons inoffizieller Adoptivbruder.

»Olga und meine Mutter waren daheim«, sagt José Gabriel, »und ich hatte einen guten Job bei der Stadt, ich verlangte also nie einen Penny von irgendjemandem.« Nur eine Bedingung gab es: »Ich fing um sieben Uhr morgens mit der Arbeit an, wir brachen daher alle zusammen um drei zum Training auf.«

José Gabriel war es gewohnt, früh aufzustehen. Alles andere als ein Stadtkind, wurde er in Sopó nördlich von Bogotá geboren, wo seine Großeltern einen Bauernhof verwalteten und für eine Schar Landarbeiter und hundert Rinder verantwortlich waren, deren Milch an eine Molkerei namens Alpina geliefert wurde, die in den 1940er Jahren von Schweizer Immigranten gegründet wurde, um kolumbianische Varianten von Emmentaler und Gruyère herzustellen.

Als José Gabriels Großvater von einer Leiter fiel und lebenslange körperliche Einschränkungen davontrug, ging die Aufgabe, sich um die Familie zu kümmern, fortan an seinen Sohn – José Gabriels Vater – Ángel Gabriel Pantano über: »Meine Mutter war ab drei oder vier Uhr morgens, wenn es bitterkalt ist, bei den Kühen und Ziegen. Mein Vater fuhr den Milchlaster zum Betrieb.«

Kolumbiens Priorität in den 1960er Jahren war die Industrialisierung: die Substitution von Importen durch Inlandserzeugnisse. Die verarbeitende Industrie, die 1929 nur 8,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachte, weitete ihren Anteil auf 16,5 Prozent im Jahr 1945 und 20,6 Prozent Anfang der 1960er Jahre aus. Ein Besuch bei einem Onkel in Cali überzeugte Ángel Gabriel, auf der Welle des Fortschritts mitzuschwimmen.

Angestellt, eine Dorfschule in der Nähe von Cali zu streichen, erfuhr er, dass die Stahlwerke Sidelpa – Siderúrgica del Pacifico – nach Leuten suchten. Nachdem er sich eine Weile dort verdingt hatte, heuerte er in einem neuen Wasserkraftwerk an. Erst dann holte er seine Familie nach Cali. Sein Sohn José Gabriel war sieben.

Acht Jahre später, als Olga Sofia schwanger war, fing José Gabriel selbst an zu arbeiten, erst auf dem Bau, dann be- und entlud er Lastwagen, dann arbeitete er für einen Sicherheitsdienst. Er nahm bis auf 110 Kilo zu. Schließlich fand er eine Festanstellung als Bauinspektor bei der Stadtverwaltung und begann wieder Rad zu fahren. Er bestritt Seniorenrennen und Landesmeisterschaften für Angestellte im öffentlichen Dienst. Aber Zeit zum Trainieren hatte er nur in den frühen Morgenstunden.

Olga Sofía erzählt mir: »Jarlinson war erst drei, aber er stand auf und bettelte, mitfahren zu dürfen. Er nahm sich die Pumpe und pumpte Josés Reifen auf.«

José ergänzt: »Ich sagte: ›Du bist zu klein, geh wieder ins Bett.‹ Als er zehn war und anfing, ernsthaft zu fahren, sagten die Leute zu mir: ›Sei vorsichtig, du wirst ihn verheizen.‹ Sie hatten keine Ahnung, dass ich ihn all die Jahre zurückgehalten hatte.«

Als er acht war, fand Olga unter Jarlinsons Bett eine Mappe mit einem Schulaufsatz, in dem er über seine Wünsche schrieb.

Dort stand: »Mein Name ist Jarlinson Pantano und ich möchte Provinzmeister im Radsport werden und dann Landesmeister und mein Ziel ist es, an der Tour de France teilzunehmen und eine Etappe zu gewinnen.«

José sagt: »Er besaß den Schlüssel zu einem glücklichen Leben: Leidenschaft. Er fuhr den ganzen Tag auf seinem Kinderrad, vom Hinterhof zur Haustür und zurück.«

Wann immer in Cali ein Rennen stattfand, fuhr Jarlinson hin, um zuzuschauen. Wenn sein Onkel Dubán dabei war, kehrte er mit einer Trinkflasche oder einem Paar Handschuhen als Souvenir heim.

Inzwischen lebte die Familie im Barrio La Independencia in der Comuna 11, Calis elftem Distrikt, der errichtet wurde, um die Überlebenden einer gewaltigen Explosion unterzubringen, die die Stadt im August 1956 erschüttert hatte. Zehn Lastwagen der Armee, die Dynamit geladen hatten, gingen damals vor dem alten Bahnhof in die Luft. Die Explosion machte den Bahnhof und 40 Straßenzüge dem Erdboden gleich, 4.000 Menschen kamen ums Leben.

Jarlinsons älterer Bruder Carlos Andrés wurde entdeckt, als er Fußball für die Comuna spielte, und erhielt ein Angebot von der U15 von América de Cali. Mit 16 trainierte er dann bereits mit der ersten Mannschaft des Clubs. Ihm schien eine große Zukunft bevorzustehen. »Es gab zwei andere Spieler in der gleichen Situation. Einer von ihnen war der Sohn eines früheren América-Spielers. Er wurde immer vor mir aufgestellt«, erzählt er.

»Einmal spielte América gegen die Millonarios [aus Bogotá]. Ich hatte unter der Woche gut trainiert und hoffte, mein Debüt geben zu dürfen. Stattdessen stand der Sohn des Ex-Spielers im Team und ich war außen vor. Ich beschloss: ›Das war’s.‹«

Gewöhnt daran, seinen Vater und seinen Bruder auf ihren Rädern zu sehen, fing auch Andrés mit dem Radsport an. Keinen Monat später wurde er bei den Provinzmeisterschaften Zweiter im Zeitfahren und Dritter im Straßenrennen.

Auch Jarlinson liebte Fußball, war aber nicht so talentiert wie sein Bruder, daher hegte er andere Ambitionen. Er begann, zu trainieren und an Kinderrennen teilzunehmen. Wie sein stolzer Vater es ausdrückt: »Er konnte auf einem Bein gewinnen, entweder im Sprint oder als Ausreißer.«

José Gabriel trainierte ihn – »Es gab keine Pulsuhren, also hieß es nur ›Fahr mit 60 Prozent‹, ›Fahr mit 70 Prozent‹ und so weiter.« – und Ricardo Gallego stellte ein Team auf die Beine, Joyería Richard, um ihn zu unterstützen, und zahlte Jarlinson für Siege kleine Summen aus.

Jarlinsons Tagesablauf begann mit dem Training um drei Uhr morgens. Um 7:30 Uhr musste er in der Schule sein: »Manchmal traf ich erst um acht dort ein, aber später durfte ich nicht kommen. Wenn ich nicht zu müde war, verbrachte ich die Pausen mit Freunden. Ansonsten legte ich mich aufs Ohr.«

José erinnert sich an eine Schlagzeile in der Lokalzeitung El Caleño: »Triunfan los Pantano en Palmira« – »Die Pantanos triumphieren in Palmira.« Andrés und Jarlinson hatten beide ihre Rennen gewonnen, José Gabriel wurde in seinem Zweiter. Im folgenden Jahr schaffte es Andrés in die kolumbianische Auswahl für die Panamerikanischen Spiele.

2001 begann Jarlinson, inzwischen zwölf, auf der berühmten Radrennbahn in Cali unter Hernán Herrón zu trainieren, der an den Olympischen Spielen von 1960 teilgenommen hatte und später Nationaltrainer der Bahnfahrer wurde. Bei den Provinzmeisterschaften 2004 in Yumbo holte Jarlinson Gold in der Einer- sowie in der Mannschaftsverfolgung auf der Bahn, anschließend gewann er das Straßenrennen. Dann, im Juli 2005, brachte ihn Auswahltrainer Luís Fernando Saldarriaga für das Zweier-Mannschaftsfahren bei den Panamerikanischen Radmeisterschaften in Barquisimeto in Venezuela mit einem anderen jungen Star des kolumbianischen Radsports zusammen: Rigoberto Urán Urán. Rigoberto war 18, Jarlinson zwei Jahre jünger.

In Venezuela wurde Urán am Abend vor dem Finale krank, aber er versicherte Jarlinson: »Keine Sorge, País, morgen gewinnen wir.«

Saldarriaga erinnert sich: »Rigo hatte sich eine Grippe eingefangen, aber es spielte keine Rolle. Sie lieferten eine Demonstration ab und holten die Goldmedaille.«

Jarlinson bestritt außerdem die Mannschaftsverfolgung und das Punktefahren, bevor er Urán im Straßenrennen unterstützte, das Rigoberto, der bereits im Einzelzeitfahren triumphiert hatte, standesgemäß gewann. Im August reiste Jarlinson nach Österreich zu den Bahn-Weltmeisterschaften der Junioren. Er gewann seinen Qualifikationslauf für das Scratch-Rennen, belegte im Finale aber nur Platz 17.

2006 wurde Dalivier Ospina, ein Fahrer aus Palmira, gleich nördlich von Cali, nach Aigle in der Schweiz eingeladen, um am Sitz des Radsportweltverbands UCI im World Cycling Centre zu trainieren. Drei Jahre älter als Jarlinson, wurde Ospina gebeten, dem WCC einen weiteren Juniorenfahrer zu empfehlen, und er schlug Pantano vor. Der kolumbianische Verband und die Radsportliga Valle del Cauca kamen für die Spesen auf, Ricardo Gallego und weitere Freunde der Familie steuerten den Rest bei.

Jarlinson erinnert sich: »Ich war drei Monate dort, aber ich war jung und es war hart, denn ich konnte die Sprache nicht. Aufgrund meines Zeitplans bekam ich zwar Frühstück, versäumte aber die anderen Mahlzeiten, sodass ich letztlich bei Brot landete, das ich mit Coca-Cola runterspülte, und zunahm.«

Trotzdem wurden Jarlinson und Dalivier erneut ins World Cycling Centre eingeladen, um für dessen Farben die Tour de l’Avenir zu bestreiten. Zwischen April und September 2007 nahm Jarlinson an der Seite eines anderen Azubis des World Cycling Centre, Chris Froome, an mehreren Rennen in Europa teil. Die Tour de l’Avenir war indes ein hartes Brot für die Kolumbianer. »Es war sehr flach. Ich war es nicht gewohnt, im Wind zu fahren, daher habe ich ziemlich gelitten.« Jarlinson kam nicht über Platz 37 hinaus.

2008 bestritt er seine zweite Tour de l’Avenir, erneut für das Team des World Cycling Centre: »Andrey Amador gewann den Prolog und letztlich arbeitete ich für ihn. Er wurde Fünfter und ich Siebter.«

Während seiner europäischen Abenteuer schrieb Jarlinson regelmäßig nach Hause, wobei er seine Briefe mit Pseudonymen unterschrieb, die er von seinen Lieblingsfahrern übernommen hatte: »Danke. Ich liebe euch. Viele Grüße, Ullrich.« Oder, wenn er sich an einem Sprint beteiligt hatte: »Cipollini.«

Sein Vater hat diese Briefe noch immer.


2008 und 2009 überlegte sich Saldarriaga, dass er mehr aus seinem Team herausholen könnte, wenn er mehr unmittelbaren Kontakt zu den Fahrern hätte. Das hieß, sie aufzufordern, nach Medellín zu ziehen. Jarlinson Pantano verließ seine Familie im urbanen Cali und zog auf die finca – einen Kleinbauernhof – eines Teamkollegen: Sergio Luís Henao. Henao war ein hervorragender Fahrer: 2005 hatte er bei der Vuelta del Porvenir zwei Etappen gewonnen und den zweiten Platz im Gesamtklassement belegt, hinter seinem Teamkollegen Rigoberto Urán. Im Jahr darauf, als 18-Jähriger im Wettstreit mit Elite-Fahrern, gewann er sein erstes Etappenrennen, die Clásica Norte de Santander. Nach einem dritten Platz bei der Vuelta a Antioquia wurde er Fünfter und bester U23-Fahrer beim Clásico RCN. Dieses Resultat war es, das ihm eine Berufung für Colombia Es Pasión einbrachte.

Er erzählte mir: »Ich wuchs auf damit, Landarbeit zu verrichten: Kartoffeln hacken, Bohnen pflücken, bei der Ernte helfen und diverse Jobs für andere Kleinbauern erledigen.« Als ich ihn frage, ob er sich eher dem Land oder der Stadt zugehörig fühlt, sagt er: »Irgendwo dazwischen: Schon auf dem Land, mit ein bisschen Stadt allerdings«, fügt er mit einem Lächeln hinzu, »aber nicht viel.«

Sein Cousin Sebastián scherzte mir gegenüber, sie wären »Hinterwäldler, die es zu was gebracht haben!« – wobei »Hinterwäldler« noch eine wohlwollende Übersetzung von auténticos montañeros ist, eine abschätzige kolumbianische Bezeichnung für diejenigen, die besonders unbeleckt sind von urbanen Einflüssen. »Früher wurden so die Leute in isolierten Regionen ohne Wasser und Strom genannt. Klar, wir kommen vom Land, aber das Leben ist dort heute viel bequemer, als es einmal war.«

Eduardo, der Großvater der Jungs, kam unzweifelhaft vom Lande. Seine erste Frau starb bei der Geburt ihres 15. Kindes. Eduardo heiratete erneut und bekam mit seiner zweiten Frau vier weitere Kinder. Sergio Luís’ Vater Omar war das siebte von 19 Kindern. Er arbeitete als Verwalter einer Privatfinca, bevor er sein eigenes Stück Land erbte und Bohnen, Mais und Kartoffeln anbaute.

Sergio Luís sagt: »Wir legten einen kleinen Teil für zu Hause beiseite und verkauften den Rest. Auf diese Weise versorgte mein Vater eine Frau und fünf Kinder.«

Als junger Mann hatte Omar seine eigenen Ambitionen als Radfahrer, wie mir Sergio Luís verrät. »Nach dem Frühstück aus Brot und aguapanela« – konzentriertem, in Wasser aufgelöstem Rohrzuckersaft, der traditionellen Wegzehrung kolumbianischer Radsportler – »machte er sich um fünf oder sechs auf, um Rad zu fahren. Er trainierte, dann ging es an die Arbeit, was hieß, in der Sonne zu schuften, bis sie unterging. Das Abendessen bestand aus nicht viel mehr als Kartoffelbrühe mit einer Prise Salz. Sie wussten nicht, was es hieß, Fleisch zu essen.«

Omars Bruder Alcides hatte den gleichen Traum und auch sein Sohn Sebastián zeichnet ein ganz ähnliches Bild. »Er hatte nicht genug zu essen, geschweige denn ein gutes Rad, also fuhr er zwar Rennen, aber mit leerem Magen. Er schaffte es nie auf Landesniveau.«

Omar und Alcides hatten erlebt, wie einer ihrer Freunde aus Kindertagen, ein Mann namens Reynel Montoya, es zum Profi brachte und 1987, 1988 und 1989 dreimal hintereinander die Landesmeisterschaften gewann. Beide wollten, dass ihre Söhne einmal die Chance bekämen, die sie selbst nie hatten.

Sergio Luís sagt: »Ich sah die Räder meines Vaters und die Fotos und allmählich reifte in mir der Wunsch, Rad zu fahren. Er gab mir mein erstes Rad, ein grünes Torres mit Alurahmen, und meine erste Radsportmontur.«

Als er aufwuchs, erlebte Sergio Luís aus nächster Nähe die Gewalt, die in Kolumbien grassierte. Der Hof der Familie, Vereda Río Abajo, war anfällig für Übergriffe von Guerillas und Paramilitärs.

»Die Hauptstraße lag nur hundert Meter vom Haus entfernt, und wenn man um zwei Uhr morgens Autos und Laster in hohem Tempo vorbeirasen hörte, wusste man, dass es entweder Guerillas oder Paramilitärs waren. Manchmal dachte ich, sie kämen, um mich oder meine Familie zu holen. Ich machte Phasen voller Angst und Schrecken durch.«

»Wenn damals die Paramilitärs an deine Tür klopften und etwas zu essen verlangten oder Land, auf dem sie ihre Zelte aufschlagen konnten, kooperiertest du oder sie schossen dir eine Kugel in den Kopf«, fuhr er fort. »Das machte dich in den Augen der Guerillas allerdings zu einem Kollaborateur und auch das bedeutete dein Todesurteil.«

Ab einem Alter von elf Jahren fuhr Sergio Luís, das älteste von fünf Geschwistern, mit dem Rad die elf Kilometer auf unbefestigter Straße von der Familienfinca zur Schule in Rionegro. 2001, in dem Jahr, als er 14 wurde und ernsthaft zu trainieren begann, erreichte der territoriale Konflikt zwischen den illegalen bewaffneten Gruppen seinen Höhepunkt. »Ich fuhr morgens um sechs auf meinem Mountainbike los«, erinnerte er sich. »Eines Tages stieß ich auf die Leichen von zwei Menschen, die in ihrer Unterwäsche nach draußen gezerrt und hingerichtet worden waren. Man konnte die Einschusslöcher erkennen. Das Bild hat sich mir bis heute ins Gedächtnis eingebrannt.«

Vereda Río Abajo – río abajo bedeutet »flussabwärts« – gehörte verwaltungstechnisch zur Stadt San Vicente, eine Stunde östlich von Medellín, obwohl es näher an Rionegro lag, einem wichtigen Industriezentrum, in dem eine Reihe der größten Unternehmen des Landes ansässig sind: der Farbenhersteller Pintuca, der Papierproduzent Sancela, der Lebensmittelkonzern Nutresa, das Textilunternehmen Riotex sowie der zweitgrößte Flughafen des Landes, der Aeropuerto International José María Córdova. Die Landschaft rund um Rionegro ist übersät von den riesigen Treibhäusern der kolumbianischen Schnittblumen-Industrie, der weltweit zweitgrößten nach den Niederlanden.

Der Einbruch der Marktpreise in der Landwirtschaft traf Antioquia hart und Sergios Luís’ Vater Omar nahm einen Job als Nachtwächter bei einem Schnittblumenproduzenten zehn Kilometer von zu Hause an. »Er arbeitete von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends, kam nach Hause, um zu schlafen, und ging dann wieder zur Arbeit. Das Leben war hart.«

Einer der Cousins von Sergio Luís, Jhonatan Marín, bestritt bereits Rennen. »Ich war ehrgeizig und ich dachte, ich könnte ihn schlagen, also fuhren wir um die Wette den Anstieg von La Ceja nach La Unión hinauf und ich verlor«, erzählt Sergio Luís mir. »Ich forderte Revanche und, noch in der gleichen Woche, wettete mein Vater mit Jhonatans Vater um ein Mittagessen, dass ich ihn beim nächsten Mal schlagen würde. Das tat ich dann auch. Daraufhin gab er den Radsport auf und ich fing damit an.«

Als die Regierung Uribe im August 2002 an die Macht kam, wurden die Operationen gegen die FARC in der Region verstärkt: »Wenn ich im Haus war, konnte ich manchmal Bomben explodieren und die Salven der Helikopter hören, die die Guerillas in den Bergen angriffen. Ich erinnere mich, wie ich damals dachte: ›So muss sich Krieg anhören.‹«

Nach drei Jahren beim örtlichen Radsportverein, dem Club de Ciclismo CICO Rionegro, wurde Sergio Luís in das Radsportprogramm von Indeportes Antioquia, dem Sportinstitut der Provinz, berufen. Unter dem Namen Orgullo Paisa, »Stolz von Antioquia«, war das Projekt im Jahr 1993 ins Leben gerufen worden und zeichnete sich durch die seltene Tugend der Langlebigkeit aus. Im Sportzentrum Atanasio Girardot in Medellín ansässig, brachte es Fahrer aus ganz Antioquia mit einigen der besten Sportwissenschaftler des Landes zusammen.


Im Großraumbüro von Indeportes Antioquia, neben einem mit säuberlich abgehefteten Akten bedeckten Schreibtisch, umreißt Dr. Luís Eduardo Contreras, der 1993 zum Institut stieß und einer der Architekten des Radsportprogramms war, dessen Geschichte:

Wir waren sehr fortschrittlich im Hinblick auf physiologische und biochemische Evaluation. Wir arbeiteten bereits mit Spiroergometrie mit direkter Messung der maximalen Sauerstoffaufnahme und ermittelten Schwellen und Laktatkurven, schon in den 1990er Jahren, und maßen im Rennen Urea und CPK – Kreatinphosphokinase, ein Indikator der Erschöpfung –, um die Regeneration zu kontrollieren.

Unsere Junioren belegten seinerzeit erste, zweite und dritte Plätze bei der Vuelta del Porvenir, und die U23-Fahrer erreichten das Gleiche bei der Vuelta de la Juventud. 1997 wurde Orgullo Paisa von der Zeitung El Espectador zu »Kolumbiens Sportphänomen des Jahres« gekürt. Ich habe die Ausschnitte aufbewahrt.

Ein Fahrer beklagte sich vor kurzem, er habe nie irgendwelche Unterstützung bekommen. Ich sagte zu ihm: »Du hast sechs Jahre lang in der Villa Deportiva gewohnt und gegessen. Wir haben Trainer bereitgestellt, haben deine Ausbildung und deinen Oberschulabschluss bezahlt und dir einen Platz an der Uni angeboten, den du aber abgelehnt hast. Das sind 500 Millionen Pesos [um die 140.000 Euro]. Dazu kommen all die Termine beim Arzt, beim Physio, beim Psychologen, beim Ernährungsberater, beim Orthopäden und die Tests: Spiroergometrie, EKGs, Bluttests. Alles bezahlt von Indeportes Antioquia.«

In seinen Archiven finden sich physiologische Daten von praktisch jedem Fahrer, der jemals das Programm durchlaufen hat. Er scrollt einen Bildschirm auf seinem Laptop herunter: »Ich habe« – er hält kurz inne – »327 VO2max-Tests, die auf dem Radergometer durchgeführt wurden.« Er springt von Datei zu Datei. »Hier ist Sergio Luís Henao im Jahr 2004. Ah, hier haben wir Dynamometrie und Spiroergometrie für Rigoberto Urán, hier noch mal Rigoberto, Sergio Luís, Nicolas Castro, Julián David Arredondo, Carlos Julián Quintero…«

Es ist eine zeitgenössische Geschichte des Radsports in Antioquia.

Im Zentrum all dieser Expertise entwickelte sich Sergio Luís Henao zu einem der besten jungen Fahrer im Land. 2007 ging er zu Colombia Es Pasión und blieb drei Jahre. 2008 gewann er die Vuelta a Colombia der U23 vor seinem Teamkollegen Fabio Duarte; Cayetano Sarmiento wurde Dritter. Darwin Atapuma, der für Orgullo Paisa (offiziell Indeportes Antioquia-Idea) fuhr, wurde Fünfter, und Jarlinson Pantano, in seinem zweiten Jahr bei Colombia Es Pasión, wurde Neunter.

Ebenso wie Jarlinsons Haus in Cali wurde die Finca der Henaos, wie Sebastián es ausdrückt, zu einer Art »Leistungszentrum«. »Freunde oder Teamkollegen kamen häufig zum Abendessen, blieben über Nacht und machten sich dann mit mir zum Training auf. Wir hatten nicht viel Geld, aber es gab immer einen Teller Reis oder Linsen.«

2008 nahmen die Henaos auch Jarlinson Pantano auf. »Er blieb ein Jahr und wurde zu einem Teil der Familie«, sagt Sergio.

Sergios Cousin Sebastián, damals erst 13, schloss sich an manchen Tagen Sergio und Jarlinson an. Er erzählte mir: »Wir stellten unsere Rennräder in der Wohnung eines Cousins in Rionegro unter, also stand ich um sechs Uhr morgens bei Sergio auf der Matte, mit meinen Klamotten im Rucksack. Wir fuhren auf Mountainbikes die halbe Stunde dorthin. Sergio legte immer ein ziemliches Tempo vor, mit mir und Jarlinson hintendrein, unser Frühstück kam uns fast wieder hoch. Wir zogen uns in Rionegro um und begaben uns dann auf die Straße.«

Sebastián fügt hinzu: »Es gab Tage, da Sergio fünf Stunden fuhr und Pantano nur anderthalb, um zu regenerieren. Ich erinnere mich, dass Pantano sagte: ›Du trainierst zu hart, Sergio!‹«

Sergio erzählt mir: »Als Chaves zu Colombia Es Pasión wechselte, wollte er ebenfalls mit mir trainieren. Saldarriaga hatte ihm die Chance gegeben, sich dem Team anzuschließen, doch er war sehr schmächtig, hatte kaum Muskelmasse, und er hatte Knieprobleme. Aber er kam und wohnte 2009 bei uns im Haus und 2010 kam dann Carlos Betancur, um sich auf die Vuelta de la Juventud vorzubereiten.«

Für die vielen Radrennfahrer, die in der Finca der Henaos wohnten, wurde Cecilia Marín, Sergios Mutter, zu einer wahren Legende, die all die zukünftigen Champions, die den Hof der Familie besuchten, großzügig mit traditionellem Zuckermais aus Antioquia, Bohnen und aguapanela versorgte.


2008 verstärkte sich Colombia Es Pasión mit einem weiteren Fahrer, der im kolumbianischen Juniorenbereich dominiert hatte. Darwin Atapuma und Jarlinson Pantano waren sich erstmals 2001 bei der Vuelta al Cauca begegnet, einem Rennen rund um das reizende Kolonialstädtchen Popayán im Südwesten des Landes, bei dem, soweit sich die beiden erinnern, seinerzeit Darwin gewann.

»Er war immer ein Alptraum für mich!«, erzählt mir Jarlinson, der heute darüber lachen kann.

Fünf Jahre später – zehn Tage vor dem Start der Vuelta del Porvenir 2006 – zogen die sechs Fahrer der Mannschaft aus Valle del Cauca in ein Hotel in Túquerres, um sich auf das Rennen vorzubereiten. Der Kontrast hätte kaum größer sein können.

»Jarlinson kam aus 30 Grad Hitze in Cali zu fünf Grad und strömendem Regen hier bei uns [in Túquerres]«, erinnert sich Darwin. »Er zitterte vor Kälte und ich weiß noch, dass wir uns ansahen und lachen mussten. Jarlinson meinte nur: ›Ist ja ein komplett anderer Sport hier….!‹«


Darwin Atapuma ist 17. Er hat die Finca der Familie schon lange verlassen und lebt zusammen mit seinem älteren Bruder Remigio in Túquerres. Die Kleinstadt liegt auf einer Höhe von 3.100 Metern unterhalb des semi-aktiven Vulkans Azufral in der bäuerlich geprägten Hochgebirgsprovinz Nariño unweit der Grenze zu Ecuador, von wo aus sich die Anden nordwärts quer durch Kolumbien erstrecken.

Daheim auf der elterlichen Finca hat Darwin eine Kuh und ein entwöhntes Kalb stehen. Seine Mutter melkt die Kuh, verkauft die Milch und schickt Darwin die Einnahmen, der damit Miete, Verpflegung und Ausbildung in Túquerres bezahlt. Doch Darwin steht vor einem Dilemma. Er braucht ein leichtes, modernes Rennrad. Ohne ein solches sind seine Chancen, die Vuelta del Porvenir 2005 zu gewinnen, das nationale Etappenrennen für 17- und 18-Jährige, gering. Aber wenn er seine Kuh verkauft, bringt er sich um seine einzige Einnahmequelle.

Darwins Dilemma ist eines, mit dem sich viele kolumbianische Fahrer aus bäuerlichen Familien konfrontiert sehen. Er wog das Für und Wider ab und wagte den Schritt. Aber wie viele junge Talente befinden das Risiko für zu hoch und bringen Kolumbien damit um Soft Power und berauben das Land weiterer sportlicher Repräsentanten in der Welt?

Darwin bereitete sich in Huila, einer anderen vulkanisch geprägten Provinz, auf einem Giant-TCR-Carbonrahmen auf die Vuelta del Porvenir vor. Favorit war der Vorjahressieger Rigoberto Urán, der sich, wie auch sein Teamkollege Sergio Luís Henao, in seinem letzten Jahr in der U19 befand. Auf seinem neuen Rad übernahm Darwin die Führung in der Bergwertung, kämpfte sich bis auf den dritten Platz im Gesamtklassement vor – und stürzte. Er beendete das Rennen auf einem Ersatzrad und verteidigte das Bergtrikot, rutschte in der Gesamtwertung aber auf Platz 19 ab. Schlimmer noch, sein Carbonrahmen war gebrochen.

»Das war’s«, entschied er. »Ich brauche eine Arbeit. Ich gebe den Radsport auf.«

Für viele andere Fahrer wäre der Traum von der Karriere damit erledigt gewesen. Darwin aber, der aus einer dieser vielköpfigen Bauernfamilien stammte, in der Geschwister zum Teil viele Jahre auseinanderlagen, hatte seinen Bruder Remigio, 18 Jahre älter als er, der ihm als Trainer und als Kamerad zur Seite stand.

Insgesamt waren es neun Atapuma-Geschwister: Alirio, Carmen, Remigio, Doris, Pablo, Damaris, Elsa, Alex und Darwin, wobei den Erst- und den Letztgeborenen 22 Jahre trennten. Sie alle hatten auf den Feldern gearbeitet. Remigio erzählt mir: »Auf dem Land musst du, sobald du fünf oder sechs bist, ran und die Kühe oder Pferde von der Weide holen oder Besorgungen machen oder Wasser holen. Was immer dein Vater dir auftrug, du hast es gemacht.«

Der besagte Vater, Ignacio Sigifredo Atapuma, war in Vereda Chambú, 23 Kilometer von Túquerres entfernt, aufgewachsen. Als Sigifredo und María Bersabeth Hurtado, die aus einer benachbarten Vereda namens Guaisés stammte, beschlossen, ein gemeinsames Leben aufzubauen, war Sigifredo nichts weiter als ein Landarbeiter und verdingte sich, wo immer es Geld zu verdienen gab. Doch das Land war fruchtbar und Sigifredo war beharrlich, und als Darwin, das letzte seiner Kinder, 1988 zur Welt kam, beschäftigte Sigifredo 20 Arbeiter auf zwei Fincas, baute seine eigenen Feldfrüchte an und kaufte die seiner Nachbarn an, um sie auf seinen eigenen Packpferden zu den umliegenden Märkten zu bringen.

Es war eine erstaunliche Erfolgsgeschichte für einen Kleinbauern, sie gehörte aber in ihre Zeit: Nach der Öffnung der nationalen Wirtschaft wäre sie undenkbar gewesen. Sigifredo und seine Männer bauten Mais, Bohnen, Kartoffeln, Karotten und Kohl an, aber der Großteil der Einnahmen stammte aus Weizen und Gerste, die sie an eine Mälzerei in Ipiales nahe der Grenze zu Ecuador verkauften. Im Jahr 2000 jedoch schloss die Mälzerei – eine Katastrophe, auch für erfolgreiche Familien wie die Atapumas. Bereits 2006 stammten 75 Prozent des in Kolumbien kommerziell gehandelten Mais, 95 Prozent des Weizens und 100 Prozent der Gerste aus Importen.

In den 1980er Jahren begann der älteste Spross von Sigifredo und María, der 1966 geborene Alirio, Radrennen im Radio zu verfolgen. Während der Vuelta a España und der Tour de France lief ab zwei Uhr morgens das Radio und bevor die Etappe vorbei war, ließ sich Alirio nicht bei der Arbeit blicken. Auch der vier Jahre jüngere Remigio war bald infiziert.

Remigio erzählte mir: »Mein Vater ärgerte sich immer über uns. ›Radio hören, wozu soll das gut sein?‹ Aber wenn wir ihm sagten: ›Lucho Herrera hat heute gewonnen‹ oder ›Fabio Parra hat heute gewonnen‹, strahlte er übers ganze Gesicht.«

Drei Kilometer vom Haus der Atapumas entfernt, entlang der Hauptstraße nach Túquerres, gibt es einen schweren Anstieg. Damals bestand er aus nichts als Geröll und Sand. Alirio setzte sich auf sein Rad, forderte die anderen jungen Männer heraus, die für seinen Vater arbeiteten, und hängte sie in Lucho-Herrera-Manier auf dem Weg zum Gipfel ab. So lief es, bis Remigio seine Ersparnisse nahm, etwas Geld von seinem Vater dazulegte und ein Rennrad der Marke Standard mit Stahlrahmen und Gangschaltung kaufte. Von da an war er der beste Radfahrer der Familie.

Mit 12 oder 13 lernte Remigio eine Gruppe Radfahrer kennen, die ihn einluden, dem Radsportverein aus Túquerres beizutreten. Innerhalb eines Monats bestritt er Rennen auf nationaler Ebene. Er gewann mehrere Rennen im Juniorenbereich und schaffte es bei der Vuelta de la Juventud unter die ersten 30, bevor er mangels Unterstützung seine Karriere beendete, allerdings nicht, bevor er im Fahrrad ein Mittel zur Flucht erkannt hatte. Mit 19 verkaufte Remigio seine Pferde und heuerte ein Team Leiharbeiter an, um eine Ernte anzubauen, einzufahren und zu verkaufen, die sich als überaus reich erwies. Die Einnahmen erlaubten ihm, die Familienvereda zu verlassen, ein Radgeschäft zu eröffnen und seinen Schatz Aida zu heiraten.

Dann machte er sich daran, aus seinem jüngsten Bruder einen Radprofi zu machen.


Die Fensterfront blickt hinauf auf einen weiteren Vulkan. Pasto, die Hauptstadt der Provinz Nariño, liegt unterhalb des Galeras, dessen tagtägliche Bedrohung als Kolumbiens aktivster Vulkan das Leben der halben Million Einwohner der Stadt überschattet.

Darwin Atapuma verliebte sich als Achtjähriger in den Radsport, sagt er, als er Remigio bei einem seiner Rennen zusah: »Ich träumte davon, ihm nachzueifern und zu weit entfernten Orten wie Bogotá zu reisen, die ich nie gesehen hatte. Remigio gab mir mein erstes Rad, als ich acht oder neun war. Ich fuhr die ganze Zeit darauf herum, selbst nach Einbruch der Dunkelheit. Mein Vater wurde manchmal ärgerlich, denn ich war um zehn Uhr abends noch unterwegs.«

Als ein Bauernsohn, der sein Rad und das Land liebte, fand er das Leben in der Stadt, selbst in einer grünen Gemeinde mit 17.000 Einwohnern wie Túquerres, unerträglich. Darwins Bruder Alex erinnert sich: »Als er elf oder zwölf war, wurde er nach Túquerres geschickt, um die Mittelschule zu besuchen. Remigio bezahlte sogar die Schulgebühren, aber Darwin weigerte sich zu gehen.«

Remigios Frau Aida versuchte ihn zu überreden, zur Schule zu gehen, aber Darwin, der seine Mutter schrecklich vermisste, lief davon, zuerst nach Vereda Chambú und dann nach Vereda Guaisés, wo er sich bei seiner Großmutter mütterlicherseits verkroch.

Etwa zu dieser Zeit ging Darwins Vater eines Tages auf den Markt im nahe gelegenen Dorf Piedrancha und kam mit einem kleinen Papagei wieder heim. Don Sigifredo versuchte, das Tier zu domestizieren und ihm das Sprechen beizubringen, aber, unfähig sich an das Leben im Haus zu gewöhnen, ging der Papagei ein. Alex erinnert sich mit einem zärtlichen Lächeln: »Darwin sagte, er fühle sich so traurig in Túquerres, dass er Angst habe, so zu enden wie der Papagei. Er hasste die Schule und verlor ein ganzes Schuljahr.«

Die Familie entschied, dass es das Beste wäre, ihn in Chambú wohnen zu lassen. Darwin verbrachte ein weiteres Jahr dort und kam nur in die Stadt, um an den Rennen für Kinder teilzunehmen, die Remigio organisierte. Für seinen Bruder Alex war Darwins Verstocktheit normal: »Auf dem Land bist du ab einem Alter von zehn oder elf für dich selbst verantwortlich. Darwin schnallte sich einfach eine Tasche auf den Rücken und fuhr in die Stadt, um ein Rennen zu bestreiten, oder er sagte: ›Ich fahre raus, um meine Mutter zu besuchen. Nicht nötig, dass mich einer begleitet‹, und wir hörten nichts mehr von ihm.«

In Vereda Chambú verbrachten Darwin und seine Brüder viele Stunden mit ihrer Schwester Carmen und deren Sohn Jesús, der sie gern mit ausführlichen Zusammenfassungen der Neuigkeiten der Woche unterhielt. Jesús war Darwins Neffe, aber nur neun Monate jünger als er.

»Sie waren eher wie Brüder«, erinnert sich Alex. »Darwin stellte Dinge aus Holz her: Hocker, Stühle, Spielzeugautos. Jesús half ihm. Einmal stahlen sie Bettlatten, um etwas daraus zu bauen. Sie flogen auf, als jemand durch die Lücke fiel. Sie wussten, dass sie Ärger kriegen würden, aber sie wussten auch, dass man ihnen verzeihen würde.«

Als Darwin nach Túquerres gezogen war, fuhren Jesús und seine Freunde regelmäßig auf ihren Rädern in die Stadt, um ihn zu besuchen. An einem Freitag wurden sie von der Dämmerung überrascht. Alex, der mit seinem Motorrad unterwegs war, sagte zu ihnen: »Fahrt voraus und ich leuchte euch von hinten den Weg.«

»Als wir die Abfahrt erreichten, sprinteten sie voraus. Ein Auto kam ihnen auf der falschen Straßenseite entgegen. Es hatte nur einen Scheinwerfer, deswegen dachten sie, es wäre ein Motorrad. Meinen Neffen [Jesús] hatte es am schlimmsten erwischt. Ich legte meine Hand vorsichtig auf seine Schulter. Das Gefühl hat mich nie mehr losgelassen. Es fühlte sich an wie eine Tasche voller Scherben.«

Darwin erzählte mir: »Er lag drei Tage auf der Intensivstation, wachte aber nicht mehr auf. Es war das erste Mal, dass ich einen Menschen verlor, der mir nahestand. Die Vereda war ohne ihn nicht mehr dieselbe. Unsere Besuche wurden immer seltener. Remigio wurde wie ein Vater für mich und Aida wie eine Mutter. Ihre Kinder, Jennifer, Johana und Duván, waren wie Brüder und Schwestern.«

Darwin willigte ein, zur Abendschule zu gehen, die an sich nicht für Zwölfjährige gedacht war, sondern für Arbeiter, die als Kinder nicht die Möglichkeit gehabt hatten, zur Schule zu gehen, und nun ihren Abschluss nachholen wollten: »Ich stand um halb sieben auf, um zu trainieren. Gegen Mittag kam ich nach Hause, aß etwas, dann begab ich mich in das Radgeschäft meines Bruders, um ihm zu helfen bis um fünf. Abends dann lernte ich von sechs bis viertel nach zehn.«

Alex sagt: »Endlich gewöhnte er sich an das Leben im Dorf.«

Darwins Leidenschaft für das Radfahren steckte schließlich auch Alex an. Ebenso wie Darwin von Remigio betreut, wurde er 1999 Siebter bei der Vuelta del Futuro in Fusagasugá, dem Heimatort von Lucho Herrera, und 2000 Dritter bei der Vuelta del Futuro in Yarumal in Antioquia, bei der Robinson Chalapud, einer seiner Teamkameraden aus der Mannschaft von Nariño, den Sieg davontrug.

Bei allem Potenzial war die Provinz Nariño nicht Boyacá. Es gab keine kleinen Unternehmen, die junge Radsportler unterstützten. Was für Nariño sprach, war die Nähe zu Ecuador. Wie Alex erklärt: »Ecuadors Radsportszene spielt sich weitgehend nahe der Grenze, nördlich von Quito, ab. Für uns ist es leichter, ins Nachbarland zu gelangen als ins Landesinnere von Kolumbien, daher fuhren wir Rennen in Ecuador und sie wiederum kamen herüber, um in Nariño zu fahren.«

Bis 2004 war die Vuelta al Ecuador offen für Elite-Fahrer, U23-Fahrer und Junioren. Die Junioren warteten an ihrem eigenen Startpunkt auf das Peloton, schlossen sich ihm an und fuhren dann mit um Bergpunkte, Zwischensprints und Etappensiege.

»Das widersprach internationalen Regularien«, fährt Alex fort, »deswegen beschwerten sich die älteren Fahrer, wenn wir gewannen. Sie taten uns auch leid, denn wir fuhren kürzere Distanzen, aber es war eine gute Lehrzeit. Es gibt Dinge, die man nur lernen kann, indem man Rennen bestreitet. Danach waren Wettkämpfe gegen Gleichaltrige in Kolumbien ein Klacks.«

Chalapud und Alex Atapuma wurden fester Bestandteil der Provinzauswahl, die in ganz Kolumbien gefürchtet war.

»Wenn das Team aus Nariño kam, wussten alle, dass ihnen ein hartes Rennen bevorstand.«

Alex gewann 2000 die Vuelta Juvenil al Ecuador, Chalapud im gleichen Jahr in Kolumbien die Vuelta del Futuro der 15- und 16-Jährigen. Bei der Vuelta del Porvenir 2001 der 17- und 18-Jährigen, die Mauricio Soler gewann, kam Alex bei beiden großen Bergetappen unter die ersten zehn und sein Teamkollege Robinson Chalapud wurde Siebter im Gesamtklassement. Ihre Leistungen brachten ihnen Einladungen von Serafín Bernal ein, dem Teammanager von Chocolate Sol, nach Boyacá zu kommen und dort zu fahren.

»Soler rückte in die U23 auf, deswegen suchte Don Serafin das Land nach Junioren ab, um ihn zu ersetzen«, berichtet mir Alex. »Ich verbrachte mein zweites Jahr als Junioren-Fahrer bei ihnen, darunter auch drei Monate, in denen ich in Tunja lebte.«

Mit Chocolate Sol belegte Alex den 15. Platz bei der Vuelta del Porvenir 2002.

»Ich konnte für Chocolate Sol nicht in die U23 aufrücken, denn ich musste zurück nach Túquerres, um meinen Schulabschluss zu machen. Als ich fertig war, meldete ich mich wieder bei Don Serafín, aber inzwischen war der Kader voll.«

Alex schloss sich einer kleinen Mannschaft aus Valle del Cauca namens Gripofen an, wo er Teamkollege von Jarlinson Pantanos älterem Bruder Carlos Andrés war, aber es war eindeutig ein Rückschritt.

Er gewann die Vuelta al Ecuador im November 2007, trat im Dezember des Geldes wegen bei der Vuelta a Costa Rica an und wurde 17., ging müde in die Saison 2008 und erholte sich nie. 2009 kehrte er heim und fuhr für die Mannschaft von Nariño. Drei Jahre lang schlug er sich mit Antrittsgeldern durch.

»Dann bot man mir einen Posten als Trainer für die Provinz Nariño an. Ich schlug ein, ohne Bedauern, und ich bin immer noch hier.«


Bis zu einem plötzlichen, kurzen Wachstumsschub in seinem 20. Lebensjahr war Darwin Atapuma jungenhaft und sehr schmächtig. Als er 13 war, musste Remigio noch einen normalen Rahmen mit einer Metallsäge bearbeiten und die Teile wieder zusammenschweißen, um ein Rad zu bauen, das ihm passte. Er gab ihm einen Helm, Trikot, Hose und Schuhe, und dermaßen ausgestattet trat Darwin in eine neue Phase seiner Radsportkarriere ein.

2004 gewann er die Carchi-Rundfahrt in der gleichnamigen grenznahen ecuadorianischen Provinz, dann siegte er bei der Vuelta del Futuro der 15- und 16-Jährigen im eigenen Land. 2005 gewann er, wie schon sein Bruder Alex vor ihm, die Vuelta Juvenil al Ecuador, ein Jahr später würde er erneut dort siegen. Danach gewann er die Bergwertung der Vuelta del Porvenir 2005, nachdem er vor jenem Dilemma gestanden hatte: Kuh oder neues Rad? Bauer oder Radrennfahrer?

Es kann keine leichte Entscheidung gewesen sein. Nach dem Rennen, finanziell und emotional am Ende, war er drauf und dran, den Sport aufzugeben: »Ich hatte die Bergwertung für die Mannschaft der Provinz Nariño gewonnen, aber sie wollten nicht für die nötigen Reparaturen aufkommen. Und ich hatte die Kuh nicht mehr. Ich machte mit 17 meinen Schulabschluss, somit war ich mit der Schule fertig und es war an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen.«

Aber Remigio wollte davon nichts hören. Er reparierte das Rad und schickte seinen Bruder zur Vuelta a Venezuela der Junioren. Sein venezolanischer Gastgeber versprach Remigio, sich zu melden, sobald das Rennen gestartet war. Das Telefon blieb still bis zum Abend nach der dritten Etappe.

»Wie macht er sich?«

»Auf der ersten Etappe ist er gestürzt und auf der zweiten büßte er zwei Minuten ein, aber heute hat er die schwerste Etappe gewonnen.«

Die Geschichte von Darwin Atapumas junger Karriere, auf den Punkt gebracht in einem Satz.

Unterdessen sprach Remigio mit Serafín Bernal, der Alex bei Chocolate Sol betreut hatte. Bernal lud Darwin nach Tunja ein. Der Tag, an dem Remigio ihn zum Busbahnhof in Pasto brachte, hat sich in das Gedächtnis der Familie eingebrannt.

Remigio sagt: »Ich war froh, dass er endlich seine Chance erhielt, aber sobald er im Bus saß, wollte ich, dass er bliebe. Er war so klein. Wie würde es ihm ergehen?«

Darwin erinnert sich: »Vom Bus aus sah ich, wie ihm Tränen über das Gesicht liefen, und auch ich fing an zu weinen.«

Die Reise in sein neues Leben dauerte einen Tag und eine Nacht. Serafín Bernal erwartete ihn am Busbahnhof von Tunja. Darwin zog bei seinem Trainer ein und half ihm auf dem Parkplatz, den er betrieb.

»Mein Leben bestand aus trainieren und Rennen fahren. Statt wie bisher auf die Hilfe meines Vaters und meines Bruders angewiesen zu sein, wurde ich nun bezahlt – nicht viel, aber immerhin. Ich hatte einen Platz zum Schlafen, gute Kleidung und fuhr im Auto zu den Rennen. Ich war sehr glücklich und Serafín Bernal half mir, mich zu entwickeln.«

Bei den Landesmeisterschaften im Zeitfahren 2006 in Popayán gewann Darwin Silber. Dann begann er, sich auf sein großes Saisonziel vorzubereiten, die Vuelta del Porvenir. Als erfahrener Veranstalter von lokalen und regionalen Rennen hatte Remigio den Zuschlag erhalten, die Rundfahrt diesmal in Nariño zu organisieren, sodass die Juniorenteams des Landes in jenem November einen seltenen Abstecher in den Süden unternahmen.

Darwin dominierte vom Start weg. Er gewann drei Etappen, die Bergwertung sowie die Mannschaftswertung mit Chocolate Sol. Im Gesamtklassement setzte er sich mit fünf Minuten Vorsprung vor seinem Teamkollegen Gabriel Álvarez durch, Dritter wurde Carlos Betancur aus Antioquia, sechs Minuten und 27 Sekunden dahinter.

2007 zog Darwin auf Empfehlung von Serafín Bernal nach Medellín und schloss sich Orgullo Paisa an. Darwin weiß, dass er viel Glück gehabt hat: »Für einen Fahrer wie mich, der gerade erst anfing, war das eine unglaubliche Chance. Ich verdiente genug, um mir ein besseres Rad zu kaufen, meine Familie zu unterstützen und sogar noch etwas beiseite zu legen. Ich wohnte in der Villa Deportiva und fuhr häufig in einer Mannschaft mit Betancur und Arredondo.«

Im Trikot von Orgullo Paisa wurde Darwin Nachfolger von Sergio Luís Henao als U23-Sieger beim Clásico RCN. Dieses Resultat brachte ihm die Berufung zu Colombia Es Pasión ein, einem Team, das sich nun anschickte, es mit einer imposanten jungen Mannschaft mit dem Rest der Welt aufzunehmen.

Colombia Es Pasión!

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