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Ausbildungszeit

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. . . . , den 16. November 1914.

Was für eine große Freude Du mir mit dem letzten Paket gemacht hast, das ahnst Du gar nicht! Unter den vielen schönen Sachen, für die ich Dir herzlich danke, war auch die Beantwortung eines Gesuches dabei, das ich vor mehr als drei Monaten geschrieben hatte. Damit Du völlig im Bilde bist, muss ich auf die ersten Kriegstage zurückgreifen: In den aufgeregten Augusttagen war es mir schrecklich, noch als Zivilist herumlaufen zu müssen. Die Tatsache, in den nächsten Tagen von meinem alten Regiment einberufen zu werden, war für mich durchaus nicht feststehend, denn für eine „Betriebskompagnie“ war ich ohne weiteres ungeeignet, für eine „Baukompagnie“ hatte ich nicht annähernd das Verständnis, das nötig ist, um erfolgreich tätig zu sein.

In dieser Lage befand ich mich, als ich am 10. August gelegentlich eines Spazierganges eine Bekanntmachung las, die von der I. d. Flieg. (Inspektion der Fliegertruppen) unterzeichnet war. In dieser Bekanntmachung war gesagt, dass junge Leute, die Lust haben, als Flugzeugführer ausgebildet zu werden, sich an der unterzeichneten Stelle melden, und technisch vorgebildete bevorzugt werden sollten. Sofort fasste ich, und ebenso auch Franz , ein entsprechendes Gesuch ab und schickte es an die I. d. Flieg. Leider blieb es unbeantwortet; soviel ich hörte, soll der Andrang zur Fliegertruppe ganz ungeheuer gewesen sein. Ich wurde dann am 20. 8. zu meinem alten Regiment befohlen und hörte nichts mehr von meinem Gesuch.

Da schicktest Du es mir bei Deiner letzten Sendung mit. Die Inspektion hatte darauf geschrieben: „Legt der Antragsteller noch Wert auf Ausbildung?“ Ich ging mit diesem Gesuch sofort zum Adjutanten bei der Inspektion und sagte, dass ich auch jetzt nach drei Monaten auf nichts mehr Wert legte als darauf, Flieger zu werden.

Dieser mein größter Wunsch erfüllte sich: am 12. Nov. 14 wurde ich zur F. E. A. . . . kommandiert. Tags darauf, an einem Freitag, traf ich dort ein: und nun sitze ich hier als Flugschüler Ich weiß genau, dass Du mit meinem Schritt nicht einverstanden bist, dass ich nicht in Deinem Sinne gehandelt habe, wenn ich für ein wenig gefahrloses ein Leben voller Gefahren gewählt habe. Aber schließlich überlebe ich als Flieger den Krieg ebenso gut wie als Eisenbahner, wenn ich einmal von der Vorsehung dazu bestimmt bin. Außerdem hat dieser Unterschied in den Ansichten einer Mutter und eines Sohnes schon immer bestanden, wie die Sage über den alten Achilles berichtet. Also am Freitag erhielt ich Deinen Brief, und schon am Donnerstag darauf war ich Flieger. Ich war wie trunken vor Freude, endlich mein Ziel erreicht zu haben. Am Freitag meldete ich mich bei der F. E. A und wurde überall außerordentlich freundlich aufgenommen. Leider wird die Ausbildung ziemlich lange dauern, da erfahrungsgemäß die Monate November bis Februar für Schulflüge ungünstig sind.

Hier bei der Fea findet ein Kursus für Beobachtungsoffiziere und einer für Flugzeugführer statt. An Flugzeugführern kommen jedoch nur solche in Frage, die bereits die erste und zweite Prüfung hinter sich haben.

Gegenüber der Fea liegt die Militärfliegerschule. Die Schüler sind hier auf die Fabriken L. V. G., Albatros, Rumpler und Jeanin verteilt. L. V. G. und Albatros stehen an erster Stelle.

Ich bin der L. V. G.-Schule zugeteilt und bin sehr froh darüber, L. V. G. baut sehr schöne Doppeldecker, die wohl z. Z. das Beste leisten, was Tragfähigkeit, Schnelligkeit und Steigfähigkeit betrifft.

Die zwei Tage, die ich hier bin, habe ich zwar immer beim Schulfliegen zugesehen, bin aber selbst noch nicht mitgeflogen. Herr Kempter, mein Lehrer, meint, es müsste zum ersten Schulflug noch ruhiger sein.

Heute überschlug sich ein Flugschüler beim Landen, so dass die Maschine mit den Rädern nach oben zeigte. Ich war entsetzt ob des Anblicks; kurz darauf stieg der Führer unverletzt unter der bös mitgenommenen „Kiste“ hervor. Ältere Flugschüler sagten, das käme fast täglich vor.

Also werde ich es Dir in Zukunft nicht jedes Mal als besonderes Ereignis berichten. Scheinbar ist eine derartige Bruchlandung nicht annähernd so gefährlich wie sie aussieht.

Der ganze Ton, die Stimmung, die mich hier umgeben, erfüllen mich mit Befriedigung. Unablässig das Surren und Knattern der Motore; wo man hinsieht, nur Motore, Autos, Krafträder, Flugzeuge aller Systeme, Luftschiffe — kurz man steht richtig im Betrieb drin.

Ich wohne in einem prächtigen Privatquartier bei einem jungen Ehepaar.

Die Frau ist außerordentlich lieb mit Tyras, meinem großen Schoßhündchen. Ist eigentlich Franzens kleines Auto in Ordnung? Das könnte ich hier gut gebrauchen, weil ich täglich weit zu laufen habe, denn zum Flugdienst muss ich nach . . . Allen andern Unterricht: Motorbau, Flugzeugbau, Kompensieren und Wetterkunde erhalte ich in . . .

Die Ausbildung wird nach Aussagen meines Lehrers in etwa drei Monaten beendet sein. Also ein Vierteljahr lebe ich noch in tiefstem Frieden! Bis dahin ist der ganze Krieg vielleicht schon aus, und ich komme zu spät!

. . ., 20. November 1914.

Heute habe ich meine Aufstiege mit Lehrer gemacht. Es waren vier an der Zahl. Das Fliegen ist doch eine eigenartige Sache. Der schönste Augenblick ist, glaube ich, der, in dem man sich vom Boden abhebt.

Da hört plötzlich jede Erschütterung auf: weniger schön ist das Ansetzen zum Gleitflug: wie im Fahrstuhl, Hoch fliegt der Lehrer beim Schulen nicht. Etwa 50 bis 80 Meter.

Es war heute ein herrlicher Herbsttag und deshalb ein sehr lebhafter Betrieb. Plötzlich durfte kein Flugzeug mehr starten.

Der Zeppelin wurde aus der Halle gezogen und stieg nach etwa zwanzig Minuten auf. Noch nie sah ich ein Z-Schiff in solcher Nähe.

Es herrscht hier immer tüchtiges Leben dem Flugplatz; manchmal sind 10 oder mehr Apparate in der Luft, dazu noch der Schütte-Lanz und ein Zeppelin. Man sieht kaum noch nach den Dingern hin. –

* * *

. . ., 2. Dezember 1914.

Ist es ein Wunder, wenn mir als Flieger die Zeit wie im Fluge vergeht? Oder ist es noch gar nicht so lange her, seit Du mir zum letzten Mal? Geschrieben hast? Mir scheint es eine Ewigkeit zu sein.

Und in der Tat sind es neun Tage her; und wenn das gesetzte Alter neun Tage lang nicht schreibt, so ist das mindestens ebenso schlimm, als wenn die leichtfertige Jugend neun Wochen lang nicht zur Feder greift. Übrigens, Du brauchst Dich wirklich nicht zu sorgen, wenn einmal längere Zeit hindurch Nachricht von mir ausbleibt, denn erstens: ist keine Nachricht grundsätzlich gute Nachricht, und zweitens: würdest Du „im Falle eines Falles“ sofort durch meine Dienststelle benachrichtigt werden.

Du brauchst Dich aber nicht zu sorgen, man ist mindestens so sicher wie in einem Klubsessel zu ebener Erde, dabei zehnmal wohliger.

Dank dem guten Wetter der letzten Tage ging das Schulen munter vorwärts. Zwanzigmal bin ich nun schon in die Luft gestiegen. Ein Wachsen meines Könnens verspüre ich leider noch nicht.

Du fragst, warum wir beim Schulen so tief, nur 50 Meter hoch, fliegen? Ich glaube, der Hauptgrund ist, durch langes Steigen in mehreren Runden nicht unnötig Zeit zu verlieren, sondern möglichst oft Gelegenheit zu nehmen, das Landen zu üben, weil dies das Schwierigste ist.

Höher als zu Anfang fliegen wir beim Schulfliegen nie. Das hat auch gar keinen Zweck, denn es ist ganz Wurscht, ob Du in 50 Meter oder in 50 Meter rumgondelst: es ist im Gegenteil in größerer Höhe manchmal besser, denn wenn der Apparat in 500 Meter Höhe einmal abrutscht, so hat man genügend Zeit, ihn wieder gerade zu richten, bevor man stürzt, aber aus 50 Meter Höhe ist die Zeit so kurz, dass zum Handeln wenig Zeit bleibt. Ein Fall aus 500 Meter Höhe dauert aber 10 Sekunden, also hat man völlig Zeit genug, um einmal „Heil Dir im Siegerkranz“ zu singen und ein „Hoch auf S. M.“ auszubringen.

Die Leute bleiben meistens in den Apparaten sitzen, wenn diese futsch gehen, und steigen aus, wenn sie futsch gegangen sind, kommen zur Fabrik und melden: „hin ist hin, weg ist weg, futsch ist futsch“. Dann singen sie das schöne Lied: Einmal hin, einmal her (auf dem Platz), rings herum das ist nicht schwer (über den Platz), und wenn sie abgestürzt sind, so singen sie weiter: „Noch einmal das schöne Spiel, das uns gar so gut gefiel“.

Ganz glatt wickelt sich der Schulbetrieb doch nicht immer ab. Gestern sind zwei zu Tode gestürzt, Du wirst es wohl in der Zeitung gelesen haben. Augenzeugen sagen, der Führer habe den Fehler gemacht, den Apparat in der Kurve steigen zu lassen, dadurch soll die Maschine abgerutscht sein.

Bei den meisten sonstigen Bruchlandungen gehen die Maschinen gewöhnlich verhältnismäßig wenig entzwei. Immerhin wird man schon von einem kleinen Bruch im Lernen mehr aufgehalten als einem lieb ist. Selbstverständlich dürfen Apparate, die nicht einwandfrei in Ordnung sind, nicht geflogen werden.

Du fragst an, was mir besser gefällt, ob Fliegen oder Autofahren? Nun, schön ist beides, beim Fliegen ist das besonders schön, dass man von keinem Schutzmann belästigt wird.

Am Schlusse meines langen Briefes will ich nicht vergessen, Dir für Deine Sendung meinen herzlichen Dank zu sagen. Die Schokolade war vortrefflich, der Honigkuchen mundet ausgezeichnet zu einem Schälchen „Heeßen“, der graue Schal ist schöner als der blaue. Den soll ich verschenken? Das dauert mich, denn er hat mir doch schon bei unsern herrlichen Autofahrten so vortreffliche Dienste geleistet.

Frage nur alles, was Du wissen willst, oder besser: komme her, das viele Schreiben hält so auf.

* * *

. . ., den 14. Februar 1915.

Nachdem ich Dir zu Weihnachten in Dresden viel erzählt habe, komme ich heute erst wieder dazu, Dir Neues zu berichten.

Nach einer Zeit schrecklich schlechten Wetters von Mitte Dezember bis Mitte Januar hatte endlich eine Reihe schöner Tage begonnen, so dass ich wieder einige kleine Fortschritte machen konnte.

Nach einer ziemlich großen Anzahl von Schulflügen (54 im Ganzen) ließ mich mein Lehrer am 31. Januar zum ersten Mal allein fliegen.

Der erste Alleinflug klappte gut, und somit war das Vertrauen auf weiteres Gelingen meiner künftigen Flüge wesentlich gestärkt.

In rascher Folge erfüllte ich die nötigen Bedingungen und legte am 9. Februar die Pilotenprüfung ab, die darin besteht, dass der Flugschüler zehnmal die Form einer 8 fliegen und zweimal an einer bestimmten Stelle landen muss, d. h. Ziellandungen macht.

Außerdem muss ein Gleitflug aus 100 Meter Höhe dabei sein. Schon am 11. Februar — (ich hatte die Erledigung der Zwischenbedingungen sehr beschleunigt) — konnte ich mich an die zweite Prüfung, die sogenannte Feldpilotenprüfung, wagen, in der verlangt wird, dass man kriegsmäßige Höhe aufsucht, eine Stunde über 2000 Meter Höhe bleibt und schließlich in einem Gleitflug aus mindestens 800 Meter Höhe landet.

Nach Erledigung dieser beiden Prüfungen wurde ich von der Fliegerschule entlassen und am 12. Februar zur weiteren Ausbildung der Fea in . . . , überwiesen.

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