Читать книгу Philosophische Anthropologie - Michael Bordt - Страница 7

Anthropologie

Оглавление

Aber lassen Sie mich damit beginnen, dass ich Ihnen die philosophische Fragestellung deutlich mache, die Fragestellung, mit der wir uns als Philosophen beschäftigen, wenn wir über den Menschen nachdenken. Ich möchte zunächst etwas zum Wort Anthropologie sagen, dann die philosophische Anthropologie von anderen Anthropologien in der heutigen Wissenschaft abgrenzen und mich in einem dritten Schritt etwas ausführlicher mit der Frage auseinandersetzen, was denn eigentlich charakteristisch für eine philosophische Anthropologie sein sollte.

Zunächst zum Wort Anthropologie: Das Wort Anthropologie kommt aus dem Griechischen, es ist zusammengesetzt aus dem Wort anthropos für Mensch und legein für sagen oder reden. Eine Anthropologie ist also einfach, wenn man über den Menschen redet. Wenn wir uns anschauen würden, wie dieses Wort in der griechischen Umgangssprache verwendet wird, dann würden wir sehen, dass das Wort Anthropologie noch nicht die Bedeutung hat, wie es sie heute hat. Anthropolegein heißt einfach, über andere Menschen zu reden und ein anthropologos ist jemand, der sehr gerne sehr viel über andere Menschen redet, oft auch hinter deren Rücken, jemand, der gerne ‚ratscht’, wie wir heute sagen würden.

Dieser Sprachgebrauch ändert sich in der Patristik und im Mittelalter vor allem dadurch, dass die christliche Theologie und die Diskussion innerhalb des Christentums beginnen, ihre Wirkung in der Umgangssprache zu entfalten. Anthropolegein heißt nun nicht mehr, über andere Menschen zu reden, sondern, auf eine menschliche Art und Weise über Gott zu reden, z. B. von Gott zu sagen, dass er sieht oder hört oder versteht Gefühle hat, dass er liebt. Diese Art und Weise, eigentlich typisch menschliche Eigenschaften auf Gott oder die Götter zu übertragen, ist natürlich problematisch und für diese Art und Weise, über Gott zu reden hat sich der Terminus anthropolegein in der Patristik und im Mittelalter eingebürgert.

Das ändert sich interessanterweise noch einmal im 16. Jahrhundert und diesen Wechsel des Sprachgebrauchs müssen wir uns ein bisschen genauer anschauen. Im 16. Jahrhundert bürgert sich ein anderes Wort für die menschliche Art und Weise über Gott zu sprechen ein, nämlich das Wort Anthropomorphismus. Jemand, der menschlich über Gott redet und menschliche Eigenschaften auf Gott überträgt, begeht einen Fehler und dieser Fehler wird Anthropomorphismus genannt. Ab dem Moment, ab dem man diese Rede über Gott aber Anthropomorphismus nennt, ist man frei, dem Reden über den Menschen und dem Wort anthropolegein eine andere Bedeutung zu geben. Und es sind vor allem zwei Autoren im 16. Jahrhundert, einer ganz am Anfang, einer am Ende, die dem Wort Anthropologie die Bedeutung gegeben haben, die es bis heute hat: ein philosophisch-wissenschaftliches Sprechen über den Menschen.

Der erste Autor, 1449 in Magdeburg geboren, hieß Magnus Hundt und veröffentlichte im Jahr 1501 ein Werk mit dem Titel: ‚Antropologium de hominis dignitate, natura et proprietatibus, de elementis, partibus et membris humani corporis’. Übersetzt: ‚Anthropologium’ – also die Lehre vom Menschen – ‚über die Würde des Menschen, die Natur und seine Besonderheit, über die Elemente, Teile und Gliedmaßen des menschlichen Körpers’. Hundt will in seinem Werk einen Gesamtüberblick über den Menschen geben. Er will den Menschen dabei zwar auch aus naturwissenschaftlicher Perspektive betrachten. So macht er ja bereits im Buchtitel deutlich, dass seine Lehre auch von den Elementen, Teilen und Gliedmaßen des Menschen handeln wird. Aber er möchte auch etwas darüber sagen, was den Menschen als Wesen eigentlich charakterisiert. Und da finden sich zwei Worte: zum einen das Wort dignitas, also die Würde des Menschen, und zum anderen das Wort proprium, also die Sonderstellung des Menschen. Hundt war Christ. Und als Christ war er der Überzeugung, dass die Würde des Menschen in der Gottesebenbildlichkeit des Menschen gegeben ist. Weil der Mensch Ebenbild Gottes ist, kommt ihm diese besondere Würde zu. Die Gottesebenbildlichkeit zeigt sich für Hundt darin, dass der Mensch eine Seele hat. Hundt ist Dualist. Er sieht den Menschen so, dass er ein zusammengesetztes Wesen ist, zusammengesetzt aus einem materiellen Körper und einer immateriellen Seele und es ist diese immaterielle Seele in der sich die Gottesebenbildlichkeit für den Menschen zeigt und die seine Würde ausmacht.

Von Hundt grenzt sich am Ende des 16. Jahrhunderts ein anderer Philosoph ab, Otto Casmann. In einer großen zweibändigen Schrift, die in den Jahren 1594 und 1596 herausgegeben worden ist, bringt er eine Anthropologie als Lehre von der menschlichen Natur heraus und hat damit dem Fach philosophische Anthropologie eine Bestimmung gegeben, die dieses Fach heute noch hat. Anthropologie ist die Lehre von der menschlichen Natur, ist die Lehre davon, wer wir und was wir als Menschen sind. Der Mensch hat eine doppelte Natur; darin stimmt Casmann mit Hundt überein. Er besteht aus einem materiellen Körper und einer immateriellen Seele. Nur besteht bei Casmann die Sonderstellung des Menschen darin, dass der materielle Körper und die immaterielle Seele zusammen eine unauflösliche Einheit bilden. Um den Menschen zu verstehen müssen wir also nicht seine Seele verstehen, wie das noch Hundt behauptet hatte, sondern wir müssen verstehen, was für ein merkwürdiges Wesen wir sind, in welchem Seele und Körper eine unauflösliche Einheit bilden.

Sowohl Hundt als auch Casmann grenzen sich in ihren Anthropologien gegenüber anderen Versuchen, Anthropologie zu betreiben ab. Es ist ja nicht so, dass erst mit dem 16. Jahrhundert die Reflektion über den Menschen beginnt. Aberesistaufschlussreich, dass Hundtund Casmann mit der Tradition brechen, einer Tradition die etwas über den Menschen sagen möchte, den Menschen dabei aber in ein viel größeres Ganzes einbettet. Hundt und Casmann wenden sich in ihren Entwürfen vor allem dagegen, den Menschen von anderen Wissenschaften her zu verstehen. Dabei sind es vor allem zwei Wissenschaften, gegen die sie sich richten: Zum einen gegen die Naturwissenschaften, also den Versuch, den Menschen vollständig dadurch zu verstehen, dass wir ihn von unserer, wie wir heute sagen würden, biologischen, physikalischen oder biochemischen Struktur her verstehen. Zum anderen richten sie sich, das ist bei Casmann besonders deutlich, gegen den Versuch, den Menschen ganz von der Metaphysik, oder wie wir heute sagen würden, von der Theologie her zu verstehen, also von einer übergeordneten anderen Wissenschaft.

Casmann versucht, die Besonderheit des Menschen deutlich zu machen. Und an diesen Versuch von Casmann werde auch ich in meiner Anthropologie anknüpfen. Deswegen stelle ich Fragen, wie wir menschliche Beziehungen, Freundschaft und Liebe verstehen können, oder was die Arbeit für uns Mensch bedeutet; Fragen also die unmittelbar für unser Leben relevant sind und, dafür werde ich argumentieren, auf die uns die Naturwissenschaft oder die Metaphysik allein keine Antwort geben kann.

Philosophische Anthropologie

Подняться наверх