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Die Sportschau am Samstag

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Aber samstags zur Sportschauzeit ändert sich diese Freundschaft meist schlagartig – zumindest könnte man das meinen, wenn man die beiden Männer nicht kennen würde. Denn dann ziehen beide immer zum Kiosk der Frau von Thünen, die in ihrem kleinen Kiosk einen großen Fernseher stehen hat und von der man weiß, dass sie als größter Fußballfan kein Spiel jemals verpassen würde, das man im Fernsehen zeigt. Nur – Bäcker Kornmehl ist Fan des FC Bayern München, Paul Gramberg ist Schalke-Fan und Frau von Thünen liebt ihre Borussia Dortmund. Wer sich also mit Fußball und der Bundesliga auskennt weiß, dass es hier eine Menge Spannungen geben dürfte, wenn diese doch sehr unterschiedlichen Fans aufeinander treffen. Und so ist es dann auch. Also jeden Samstag sieht man Paul mit seiner Fahne des FC Schalke 04 durchs Dorf ziehen. Er ist – wie gesagt – Lehrer. Aber samstags ist er eben nur noch Fußballfan und Bewohner von Zwillebroek. Er trägt dann immer seinen blau-weißen Schal, eine Baseball-Cap ebenfalls in blau weiß und seine mächtig laute Fanfare tönt dann immer durchs Dorf. Seine Frau Lisa muss für diese Samstage auch immer die blau-weiße Unterwäsche raus legen. Also auch Lehrer können manchmal etwas komisch sein. Aber niedlich komisch. Während Paul also aus nördlicher Richtung zum Kiosk zieht kommt er immer auch an der Bäckerei von Herrn Kornmehl vorbei. Und pünktlich mit Erreichen des Bäckereieingangs kommt dann auch Bäcker Kornmehl dazu. Die Tür zur Bäckerei öffnet sich und zum Vorschein kommt erst mal eine überdimensionale, rot-weiße Fahne, dann folgt ein Bollerwagen, auf dem ein regelrechtes Ungetüm von Radio steht, aus dem dann in der Lautstärke eines startenden Düsenflugzeugs die typisch bayerische Folklore ertönt. Das ganze Szenario wird durch die rot-weiße Brille und die rot-weiß karierte Jacke des Bäckers noch lustiger. So ziehen dann die beiden Männer mit geräuschvoller Kulisse zum Kiosk. Meist liegen die anderen Bewohner Zwillebroeks dann in ihren Fenstern und schauen den beiden lächelnd zu. Die beiden haben dann noch nicht ganz den Kiosk erreicht, als auch Frau


"Ich liebe diese Samstage an meinem Kiosk. Mein Name ist Gerda von Thünen. Mir gehört der Kiosk."

von Thünen dazu kommt. Sie ist, wie könnte es anders sein, komplett in gelb-schwarze Kleidung gehüllt und hat ihr Gesicht in ebensolchen Farben geschminkt. Dazu trägt sie eine gelb-schwarze Zipfelmütze und sieht fast aus wie ein Kobold, der aus der Geschichte von Harry Potter entsprungen ist. Ihre Lesebrille, ohne die Frau von Thünen ziemlich hilflos ist, ist dabei immer über die Zipfelmütze geschoben. Und bevor sie den Fernseher einschaltet, gehen die Diskussionen mit Paul Gramberg und Bäcker Kornmehl auch schon los. Es wird lauthals über Fußballstrategien und Tabellenplätze diskutiert. Und jeder für sich schimpft meist auf die Trainer der Mannschaften, wenn die Aufstellung der Profis dann doch anders ausschaut als die von ihnen bevorzugte. Mit Anpfiff der Spiele wird’s dann richtig laut am Kiosk. Jeder Fan feuert seine Lieblingsmannschaft lautstark an. Und jeder im Ort weiß, dass man in diesen nächsten neunzig Minuten besser nicht die Tageszeitung bei Frau von Thünen am Kiosk kaufen sollte, denn verkauft wird außer leckeren Limonaden für die Fußballfans hier für diese Zeit gar nichts. Selbst zum Fernsehen braucht Frau von Thünen ihre Brille. Wenn sie sie nicht aufgesetzt hat, kann sie nur verschwommene Gestalten auf dem Bildschirm erkennen und würde nicht mitbekommen, wenn eine Mannschaft ein Tor schießt. Und da Frau von Thünen zu allem Überfluss auch noch sehr vergesslich ist, findet sie ihre Brille, die sie ja, wie gesagt, über ihre Zipfelmütze geschoben hat, meist erst kurz bevor der Bundesliga-Spieltag endet. Auf diese Art und Weise hat sie schon ganz viele Tore verpasst, was sie aber auch nicht wirklich stört. Denn im Grunde geht es ihr ja viel mehr um die Atmosphäre am Kiosk und nicht so sehr um die Spielergebnisse. Und im Winter freut sich Frau von Thünen dann vor allem, wenn Flippo auch zu den Samstagsspielen an den Kiosk kommt. Denn Flippo legt sich dann immer auf ihre andauernd kalten Füße und übernimmt die Rolle der lebenden Fußheizung. Natürlich tut Flippo das nicht ganz uneigennützig, denn er weiß ganz genau, dass es bei Frau von Thünen immer was Leckeres zwischendurch gibt.

Während der Fußballübertragung beschimpfen sich die drei Freunde schon manchmal. Wenn Bäcker Kornmehl ab und zu einen Kommentar raus lässt, kontert Paul dann meist, dass dieser ja überhaupt keine Ahnung vom Fußball habe und besser beim Schach spielen bleiben solle. Und auch Frau von Thünen mischt sich dann lautstark ein. Nur ihre Mannschaft der Borussen sei sowieso bundesligatauglich. Alle anderen Mannschaften gehören ihrer Meinung nach eher in die Kreisklasse als in die Bundesliga.

Und so gibt es jeden Samstag einen erbitterten, 90 Minuten andauernden Schlagabtausch der drei Kontrahenten. Bis zum Schlusspfiff. Denn unmittelbar danach fallen sich die drei liebenswerten Menschen meist in die Arme und freuen sich, einen schönen Nachmittag gemeinsam verbracht zu haben. Also bleibt hier mal festzustellen, dass der Samstagnachmittag schon ein wenig außer der Norm in Zwillebroek verläuft. Aber genau das macht das Leben in diesem beschaulichen Ort eben aus. Die Menschen hier sind eben glückliche Menschen.

Flippo & Tango

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