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Kapitel 3

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»Du bist also Steuerprüfer«, versuchte ich das Gespräch am Laufen zu halten, während mir bereits der Schweiß auf der Stirn stand. Noch ehe mein Gegenüber etwas antworten konnte, wusste ich, wie tiefgründig seine Antwort ausfallen würde.

»Ja.«

So ging das jetzt bereits seit einigen Minuten. Ich stellte fleißig Fragen und bemühte mich händeringend um etwas Konversation, während mein Date mir lediglich bruchstückhafte Häppchen hinwarf, die nicht über ein Ja oder Nein hinausgingen.

Dave hatte mir vor einigen Tagen über die Datingseite geschrieben, bei der ich mich angemeldet hatte, und mich um eine Verabredung gebeten. Sein Profilbild gefiel mir, sodass ich mich nun zum vierten Mal in dieser Woche mit einem mir unbekannten Mann zum Essen traf.

Bereits beim Betreten des Restaurants musste ich feststellen, dass keiner der Anwesenden mit dem virtuellen Dave kompatibel war. Die winkende Hand, die mir den Weg wies, offenbarte eine Persönlichkeit, die nicht im Geringsten Ähnlichkeit mit dem im Netz verwendeten Foto aufwies.

So hatte der Dave in der wirklichen Welt mindestens zwanzig Kilo mehr auf den Rippen, beginnende Geheimratsecken und eine zentimeterdicke Nickelbrille. Die strahlend blauen Augen waren einem ausdruckslosen Braun gewichen und obwohl er saß, konnte ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behaupten, dass er alles andere als ein Hüne war.

Allein aufgrund der Tatsache, dass er mich so unverschämt getäuscht hatte, hätte ich auf dem Absatz kehrtmachen und das Restaurant verlassen sollen. Jedoch rückte der Termin für den Wohltätigkeitsball immer näher und ich war nicht gewillt, von meiner persönlichen Zielsetzung – einen angenehmen Begleiter zu finden – abzukommen.

Verbissen kämpfte ich gegen meine innere Stimme an, die mir unter den gegebenen Umständen dringend von einem Festhalten an meinem Vorsatz abriet. Fieberhaft überlegte ich, wie ich Dave dazu bewegen konnte, etwas mehr von sich preiszugeben.

Diese Verzweiflungstat war den vorangegangenen drei Dates geschuldet, die allesamt katastrophal geendet hatten. Date Nummer eins war bis zu dem Moment, als der Bewährungshelfer auf dem Handy anrief, eigentlich ziemlich gut verlaufen. Bei kleineren Delikten wäre ich sogar bereit gewesen, darüber hinwegzusehen, doch bei einem Drogendealer hört der Spaß auf.

Date Nummer zwei war an und für sich ganz nett gewesen, bis er begonnen hatte, von seiner Mutter zu erzählen. Der tiefgreifende Ödipuskomplex war überdeutlich ausgeprägt und für mich in keinem Fall vertretbar.

Date Nummer drei rülpste und gab andere undefinierbare Laute von sich, sodass alle anderen Gäste im negativen Sinne auf uns aufmerksam wurden. Während mir sein Verhalten die Schamesröte ins Gesicht trieb, schoss der Kerl den Vogel ab, als er begann, in der Nase zu popeln. Widerlich!

»Was machst du so in deiner Freizeit?«, versuchte ich es zur Abwechslung mit einer offenen Frage, in der Hoffnung, er würde mehr als eine Silbe erwidern.

»Fachbücher lesen, meine Mom besuchen oder Angeln gehen«, entgegnete er wenig euphorisch. Bei dem Wort Mom schrillten bei mir sämtliche Alarmglocken. Wenn ich bis jetzt noch geglaubt hatte, den Abend zu einem guten Ende bringen zu können, musste ich mir langsam eingestehen, dass ich in einer Sackgasse gelandet war.

Was stimmte nicht mit mir? Warum war ich nicht in der Lage, einen netten Kerl kennenzulernen? Was machte ich bloß falsch? Ging ich die Sache zu verbissen an? Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, jemanden über das Internet zu suchen.

»Was ist jetzt? Gehen wir zu dir oder zu mir? Das Frage- und Antwortspiel langweilt mich und wir sollten dringend zusehen, dass du mich bei der Stange hältst. Wenn du verstehst, was ich meine …«

Ich weiß nicht, was mich mehr schockierte: Daves unverschämte Äußerung und wie er mir dabei lüstern auf das Dekolleté starrte oder die Tatsache, dass er ungefragt mehr als einen Satz von sich gegeben hatte.

»Ähm, also …, ich dachte … wir sollten …«, stotterte ich verlegen, während Daves Blick sich tief in meine Augen grub.

Jetzt war ich es, der die Sprache abhandengekommen war. Aber mal ehrlich, wer hätte bei dem untersetzten Kerl im graugestreiften Pullunder ahnen können, dass er einzig und allein auf das Eine aus war? Stille Wasser waren ja bekanntlich tief, doch dass sich gleich solche Abgründe auftun würden, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.

»Also, was ist jetzt, Schätzchen?«, unterbrach mich Dave bei meinem Gedankengang. Dabei deutete er selbstsicher auf seine Armbanduhr und leckte sich lasziv über die Lippen.

Angewidert versteifte ich mich auf meinem Stuhl, unfähig etwas zu sagen oder mich zu rühren. Woher nahm dieser Kerl nur die Zuversicht, er hätte eine Chance bei mir? In meinem Bestreben, den Abend zu einem Erfolg zu führen, hatte ich ihm wohl schlichtweg Hoffnungen gemacht, die ich in diesem Maße auf keinen Fall erfüllen konnte. Was sollte ich nun tun?

»Entschuldige mich bitte, ich müsste kurz zu den Restrooms«, war alles, was mir auf die Schnelle einfiel, während ich versuchte, die Bilder in meinem Kopf beiseitezuschieben. In meiner Vorstellung entledigte sich Dave gerade seiner grauen Anzughose, strich sie glatt, ehe er sie auf dem Sofa in meinem Schlafzimmer ablegte, und stand in weißen Feinrippunterhosen vor mir, während ihm der Sabber nur so aus dem Mund lief.

Als ich bereits im Begriff war, mir meinen Weg durch das Restaurant zu bahnen, hörte ich Dave noch lautstark hinter mir her schreien: »Baby, lass dir Zeit.«

Ich beschleunigte meine Schritte, wandte mich nicht mehr um und sah keinem der anderen Gäste oder Kellner ins Gesicht. Mein Blick war wie gebannt auf das Schild gerichtet, das mir den Weg zu den Restrooms zeigte. Als ich die Tür zu den Toiletten schließlich erreichte, stieß ich diese ungestüm auf und verbarrikadierte mich in der erstbesten Kabine. Puh, erst mal durchatmen und wieder zur Besinnung kommen.

Was sollte ich nur machen? Ich konnte mich ja schlecht den Rest des Abends hier verstecken. Einfach abhauen, war auch keine Option, da wir die Rechnung noch nicht beglichen hatten und ich diesem schleimigen Widerling nichts schuldig bleiben wollte. Man wusste nie, wann man sich das nächste Mal traf, denn meist sah man sich wirklich zweimal im Leben.

Sollte ich Stacy anrufen und sie um Hilfe bitten? Nein, ich wollte ihr und mir nicht eingestehen müssen, dass sie mit der Datingsache recht gehabt hatte, und entschied mich dagegen. So saß ich also auf dem heruntergeklappten Klodeckel, hörte ein ums andere Mal wie Türen klapperten, die Spülung betätigt wurde und Papiertücher raschelten, als plötzlich eine Stimme nach mir fragte: »Drew, bist du hier drinnen?«

»Was erlauben Sie sich? Das ist hier die Damentoilette, Sie Flegel!«, hörte ich die Stimme einer älteren Dame schimpfen. Durch den Türschlitz konnte ich sehen, wie sie mahnend ihren Zeigefinger erhob und Dave kräftig die Leviten las: »Wenn Sie nicht sofort das Weite suchen, schreie ich so laut, dass man mich noch in Oklahoma hören kann. Haben Sie mich verstanden?«

Anscheinend reagierte Dave für ihre Verhältnisse nicht schnell genug, denn noch ehe er wusste, wie ihm geschah, pfefferte ihm die rüstige Rentnerin ihre Handtasche um die Ohren.

Wäre ich nicht unmittelbar in die Sache involviert gewesen, hätte ich mit Sicherheit schallend zu lachen begonnen. Es war einfach zu komisch, wie sich die kleine gebrechliche Gestalt mit dem Dutt und den spitzen Marry-Poppins-Stiefeln vor Dave aufbäumte und ihn allen Ernstes fragte, ob er nun genug habe oder sie ihn mit weiteren Argumenten davon überzeugen müsse, die Tür nebenan zu benützen.

Während er schützend die Arme vors Gesicht nahm und damit versuchte, die nächsten Schläge abzuwehren, sah ich meine Chance gekommen. Ich schickte mich an, den Riegel meiner Tür zu entsperren, rüttelte heftig daran, als sie sich nicht gleich öffnen lassen wollte, und sprang schließlich mit einem Satz aus der Kabine. Dave schien von dem Ganzen nichts mitzubekommen. Vielmehr wartete er noch immer auf den nächsten Hieb und hielt dabei die Augen fest verschlossen.

Ohne etwas zu sagen, verließ ich den Raum, stürmte zu einem der Kellner und bat um die Rechnung. Schließlich überreichte ich diesem meine Kreditkarte, wartete geduldig darauf, dass er die Getränke auf dieser belastete – zur Bestellung der Speisen waren wir glücklicherweise noch gar nicht gekommen – und machte mich schließlich auf, das Restaurant zu verlassen.

Wenige Schritte vor dem Ausgang fiel mein Blick in den Korridor, in dem sich die Restrooms befanden. Neben Dave stand eine hübsche Brünette, die sich offensichtlich um ihn kümmerte. Ungläubig hielt ich bei dem Anblick inne und lauschte den Stimmen.

»Kann ich noch etwas für Sie tun? Geht es Ihrem Kreislauf etwas besser? Meinen Sie, Sie können aufstehen?«, piepste eine besorgte weibliche Stimme, nachdem Dave die Gunst der Stunde genutzt hatte und sich nach der Attacke der alten Lady vor Schmerzen krümmte.

Dave räusperte sich, während sein Kopf weiter auf dem Schoß der jungen Frau verharrte und entgegnete in mitleiderregendem Tonfall: »Sie haben mir das Leben gerettet. Ohne Sie wäre ich bestimmt nicht mehr hier.«

»Oh, mein Gott, soll ich einen Arzt rufen? Brauchen Sie irgendwelche Medikamente?«

»Nein, mit Ihnen an meiner Seite geht es mir bereits viel besser. Sie sind mein Schutzengel. Wie heißen Sie? Wie kann ich mich für meine Rettung nur erkenntlich zeigen?«, wisperte Dave, während er ihr gegenüber eindeutige Avancen machte.

Ich verließ das Restaurant ohne ein Wort des Abschieds. Doch ich war mir ziemlich sicher, dass Dave mich nicht vermissen würde.

Vom Glück geküsst

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