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Kapitel 4

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Ich hasste Montage. Nicht nur, weil diese den Auftakt der Arbeitswoche darstellen, sondern auch, weil jeder meinte, sich an diesem Tag über sein ach so tolles Wochenende austauschen zu müssen. Erträglich war das Ganze nur, solange man auch etwas an interessantem und aufregendem Gesprächsstoff beisteuern konnte.

Nach der Pleite mit der Datingseite – wobei diese noch am allerwenigsten dafür konnte, dass meine, über sie arrangierten Verabredungen allesamt zu einem Fiasko geführt hatten – hatte ich mich entschieden, am Wochenende einfach gar nichts zu unternehmen.

So verkrümelte ich mich mit einem Buch auf die Couch, kuschelte mit meinem Kater Brownie und aß tonnenweise Oreokekse. Das Highlight der beiden vergangenen Tage, wenn man es denn überhaupt so nennen konnte, hatte darin bestanden, dass Estelle anrief und mir Instruktionen für den Ball übermittelte.

Auf gar keinen Fall durfte mein Ballkleid rosa oder türkis sein, denn das waren bereits die Farben, die ihre Lieblinge Ashley und Madison ausgewählt hatten. Wenn überhaupt sollte ich mir ein passendes Exemplar in Flieder oder Ocker aussuchen, wobei Letzteres nicht zu kräftig ausfallen dürfe. Schwarz oder Weiß war natürlich tabu, die passende Erklärung dazu hatte ich vergessen.

In der Teeküche begann mein ganz eigener Spießrutenlauf, als ich Miranda über den Weg lief. Der perfekten Miranda, sollte ich an dieser Stelle vielleicht noch ergänzen, denn an ihr war kein Gramm zu viel, die Frisur war wie immer top, von ihrem Teint gar nicht erst zu sprechen.

»Guten Morgen, Drew. Na, wie war dein Wochenende?«

Und da war sie auch schon: die unausweichliche Frage nach dem wahren Sinn des Lebens. Was sollte ich tun? Ehrlich antworten oder mir eine Geschichte von Mr. Right und seinen Fähigkeiten als Liebhaber und Romantiker aus den Fingern saugen? Ehe mir jedoch die ersten Schweißperlen auf die Stirn treten konnten, kam Stacy mir zu Hilfe.

»Guten Morgen, meine Lieben. Ich hab furchtbar geschlafen und brauche dringend einen Kaffee«, hörte ich sie hinter mir sagen.

»In der Schwangerschaft sollte man auf Koffein verzichten. Wie wäre es ersatzweise mit einem Tee oder einem Kakao?«, flötete Miranda und auch ohne Stacy direkt ins Gesicht zu sehen, wusste ich, dass sie einmal tief ausatmen würde, um schließlich Folgendes zu erwidern:

»Liebe Miranda, ein bis zwei Kaffee am Tag sind in der Schwangerschaft vollkommen in Ordnung. Wusste gar nicht, dass du in diesem Bereich bereits so viel Erfahrung gesammelt hast. Wenn ich mich recht erinnere, bist du Single und deinem makellosen Körper nach zu urteilen auch noch keine Mutter.«

Oh, der saß richtig. Das war der eine Punkt, den sie in ihrem bisherigen Leben, trotz perfekter Figur, perfektem Haar und perfektem Teint, nicht hinbekommen hatte: eine Familie. Tief getroffen nahm sie ihre Tasse, drängte an mir vorbei aus dem kleinen Raum und ließ uns beide ohne ein Wort zurück.

»Was?«, forderte mich Stacy auf zu sprechen, nachdem ich sie einige Sekunden sprachlos angestarrt hatte.

»Fandest du nicht, das war etwas zu hart?«, gab ich schließlich zu bedenken.

»Meinst du? Wahrscheinlich hast du recht. Dieser Schlafentzug macht einen Zombie aus mir und wenn mir dann auch noch meine tägliche Ration Koffein versagt wird, kann ich unausstehlich werden. War es denn wirklich so schlimm?«

»Naja, ich finde schon, dass du dich bei ihr entschuldigen solltest. Versteh mich nicht falsch. Ich bin kein Fan von Miranda, allerdings solltest du sie dir nicht zur Feindin machen. Soviel ich weiß, sind ihre Eltern mit die größten Förderer des Museums.«

»Du hast ja recht. Ich werde zu ihr gehen und mich bei ihr entschuldigen. Aber erzähl erst mal, wie dein Wochenende war. Du hast mir doch sicher nur abgesagt, weil du ein heißes Date hattest. Komm schon, ich will alle Einzelheiten hören.« Fordernd zwinkerte sie mir zu, während ein schelmisches Lächeln ihre Lippen umspielte.

»Ich muss dich leider enttäuschen. Am Wochenende lag ich nur faul auf der Couch rum und hab gelesen. Mein Traummann ist dabei nicht aufgetaucht«, erwiderte ich schulterzuckend, während ich mir darüber bewusst wurde, dass der Spießrutenlauf erst begonnen hatte. Plötzlich erschien mir die Vorstellung, von Miranda ausgefragt zu werden, wesentlich angenehmer, als meiner Freundin Rede und Antwort stehen zu müssen.

»Tatsächlich? Trifft sich ja gut, dass Brian heute Abend endlich kommt. Ich hab ihm übrigens gesagt, dass du zum Dinner da sein wirst. Er freut sich schon sehr darauf, dich endlich kennenzulernen. Das wird bestimmt ein schöner Abend. Mitch kommt sogar etwas früher aus der Kanzlei, um Brian vom Flughafen abzuholen. Am besten nehm ich dich nach der Shoppingtour gleich mit zu uns nach Hause. Ich könnte noch Hilfe in der Küche brauchen«, plapperte meine Freundin ohne Punkt und Komma.

»Was hast du Brian von mir erzählt?«, versuchte ich die Flut an Informationen Stück für Stück zu hinterfragen.

»Nichts Schlimmes. Keine Sorge. Nur, dass sein Cityguide heute Abend beim Essen dabei sein wird und er bereits heute die Möglichkeit hat, dich zu sehen. Weiter nichts«, erwiderte Stacy seelenruhig, während es in mir brodelte.

Stacys Absichten waren sicherlich die besten und wäre die letzte Woche datingtechnisch nicht ganz so katastrophal ausgefallen, dann wäre ich ihr unter Umständen für ihren Verkupplungsversuch sogar dankbar gewesen. Nachdem allerdings immer noch damit zu rechnen war, dass sich Amor, Hermes und Aphrodite weit weg im kollektiven Sommerurlaub tummelten, fiel es mir nun äußerst schwer, dem bevorstehenden Treffen mit Brian etwas Gutes abzugewinnen.

»Ich weiß nicht … Eigentlich bin ich gar nicht in der Stimmung … Vielleicht verschieben wir es auf ein andermal?«, bemühte ich mich, das drohende Unheil von mir abzuwenden.

»Ach, papperlapapp. Du wirst sehen, der Abend wird toll und Brian ist ein ganz Lieber.«

Ich wusste, dass ich keine Chance hatte, dem Dinner fernzubleiben. Wenn Stacy sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann fand sie Mittel und Wege, um an ihr Ziel zu gelangen. Noch während ich mich meinem Schicksal zu fügen begann, hörte ich Stacy sagen: »Übrigens hatten wir einen kleinen Wasserschaden bei uns im Haus. Nichts Tragisches, allerdings betrifft es das angrenzende Bad des Gästezimmers und die Handwerker können erst in zwei bis drei Tagen die Reparatur in Angriff nehmen. Bis dahin müssten wir uns zu dritt ein Bad teilen und da dachte ich…«

»Nur über meine Leiche. Stacy, das kannst du vergessen. Ich werde keinen Fremden in meiner Wohnung übernachten lassen.«

»Na, dafür lernt ihr euch doch später bei uns kennen. Außerdem legt Mitch seine Hand für Brian ins Feuer. Das macht er nicht für jeden. Das weißt du. Es wären doch nur zwei Nächte, in denen du ihn beherbergen müsstest. Zum Essen kommt ihr einfach immer zu uns. Du wirst sehen, das wird lustig. Komm schon, Drew, wann bitte ich dich schon mal um einen Gefallen?«

In letzter Zeit häufiger, aber das konnte ich einer Schwangeren auf Koffeinentzug nicht sagen, ohne Gefahr zu laufen, einen Tränenausbruch oder einen Tobsuchtsanfall zu provozieren. Alles war möglich, das wusste ich nicht erst seit dem Szenario eben mit Miranda ziemlich genau.

»Ich schau mir den Kerl heute Abend mal an und …«

»Oh, Drew, ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Du bist wirklich meine allerbeste Freundin.« Mit einem Blick auf ihre Armbanduhr ergänzte sie: »Jetzt muss ich mich aber sputen. Meine erste Führung steht gleich an. Wir sehen uns später und besprechen alles Weitere.«

Und weg war sie. Stacy war eine Naturgewalt, die einen schlimmer aus der Fassung brachte, als ein Tornado, ein Hurrikan und eine Sintflut zusammen je in der Lage wären. Wieder einmal ließ sie mich perplex zurück und ich verpasste die Gelegenheit, ihr klarzumachen, dass ich mir Brian erst mal ansehen wollte, bevor ich ihm Obdach gewährte.

Drei Stunden später war Stacys Überfallkommando vergeben und vergessen, nachdem sie mir in der Mall geholfen hatte, ein passendes Kleid für den Ball zu finden, und wir schon im zweiten Geschäft fündig geworden waren. Wie machte sie das nur? Das Kleid sah aus wie ein teures Designerstück, roch sogar danach und dennoch kostete es keine zweihundert Dollar.

In Gedanken schwebte ich in diesem bereits über das Parkett, bis mein Traum wie eine Seifenblase zerplatzte. Ja, ich schwebte über die Tanzfläche, allerdings mutterseelenallein. Da war niemand an meiner Seite, weil ich es immer noch nicht zuwege gebracht hatte, einen lieben, netten Mann aufzutreiben, der sich unter Kontrolle hatte, Nein zu Drogen sagte, mich seiner Mutter vorzog und nicht nur eine schnelle Nummer suchte.

Wo waren die Männer, die man lieben konnte? Wo waren die Männer, ohne die ein Leben nicht lebenswert war? Es konnte doch nicht sein, dass alle Exemplare aus der Kategorie ›Must-have‹ vergeben waren. Oder etwa doch? Handelte es sich bei dieser Art von Mann um sogenannte Bückware, die heimlich, still und leise unter dem Ladentisch ausgegeben wurde? Warum hatte ich davon nichts mitbekommen? Wo war meine Einladung geblieben?

»Drew? Hörst du mich?« Wie aus weiter Ferne drang Stacys Stimme an mein Ohr.

»Hm …, was? Ja, ich kann dich klar und deutlich hören«, antwortete ich schnell, nachdem mir bewusst geworden war, dass ich ziemlich weit mit meinen Gedanken abgedriftet war. Noch immer schmiegte ich mich innig an mein fliederfarbenes Taftkleid. Der obere Teil war über und über mit schillernden Pailletten bestickt, die sicherlich ein interessantes Muster auf meine Wange gezaubert hatten.

Als mich die übrigen Kunden fragend anblickten und schon über mich zu tuscheln begannen, eilte ich zur Kasse. Verlegen streckte ich der Verkäuferin meine Kreditkarte hin und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass das Limit noch nicht überschritten sein möge.

»Schau mal, Drew. Die hab ich gerade gefunden. Würden die Sandalen nicht perfekt zu deinem Kleid passen?«

Ich steckte die Karte zurück in mein Portmonee und griff dankend nach der Tasche, die mir die Verkäuferin lustlos entgegenstreckte.

»Danke, Stacy, aber mein Budget gibt diesen Monat nicht mehr her. Ich werde wohl warten müssen, bis der nächste Gehaltsscheck eintrudelt«, gab ich schulterzuckend zu bedenken.

»Ach, Quatsch, die kauf ich dir.« Noch ehe ich etwas erwidern konnte, setzte Stacy hinzu: »Wir wollen doch, dass dich Prinz Charming vom Fleck weg umwerfend findet und der ganze Zauber nicht endet, bevor er beginnen kann.«

»Welcher Prinz Charming? Da gibt es nicht einmal den Hauch einer Chance auf ein Date für den Ball. Stacy, du kannst dir gar nicht ausmalen, wie furchtbar die Blinddates verlaufen sind, die ich die letzte Woche hatte. Singlesein in Chicago ist allemal besser, als sich an diese gestörten und hoffnungslosen Gestalten zu binden. Glaube mir, die Welt da draußen hat sich verändert, seit du in den glücklichen Hafen der Ehe eingelaufen bist. Prinzen gibt es nicht mehr. Diese aussterbende Rasse ist entweder vergeben oder schwul.«

»Na, wer wird denn den Kopf gleich in den Sand stecken? Bisher haben wir doch noch alles hinbekommen. Lass mich nur machen«, entgegnete Stacy zuversichtlich.

»Gute Fee, wenn du schon dabei bist, dann organisier mir doch gleich noch eine Kutsche. Betsy ist demnächst wieder fällig und müsste in die Werkstatt. Beim letzten Mal hat mir der Mechaniker wenig Hoffnung gemacht. Mit den Worten: Zum Ausschlachten könnte Ihr Wagen unter Umständen noch taugen, fahren würde ich mit dieser Rostlaube an Ihrer Stelle keinen Meter mehr hat er Betsys Schicksal besiegelt. Eigentlich müsste ich mich langsam um ein neues Auto kümmern. Ich hätte auf das Kleid verzichten sollen. Jetzt weiß ich nicht …«

»Drew, dein Vater hat dir doch bestimmt etwas hinterlassen, als er starb. Versteh mich nicht falsch, aber er war doch ein wohlhabender Unternehmer. Warum gibst du davon nicht etwas aus? Du verschleuderst es ja nicht für irgendeinen Schnickschnack. Ein sicheres Auto ist sehr wichtig.«

»Tja, ich hab zwar geerbt, allerdings ist Dads letzter Wille klar und deutlich: Ehe ich nicht verheiratet bin, bekomme ich keinen Penny. Bis zu diesem Zeitpunkt fungiert Estelle als Treuhänder über mein Erbe.«

»Wieso denn das?«

»Daddy war zwar in vielerlei Hinsicht sehr fortschrittlich und weltgewandt, nicht aber, was mich anging. Da wünschte er sich einen vertrauenswürdigen Ehemann, der das Vermögen, das ich einmal erben sollte, verwaltet und, wenn möglich, noch mehrt. So war mein Vater. Im Grunde wollte er nur das Beste für mich.«

»Bestimmt wollte er das. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass du auch alleine in der Lage wärst, dich um das Erbe zu kümmern. Wo leben wir denn? Schließlich ist das hier, das 21. Jahrhundert und nicht das tiefste Mittelalter. Dennoch kann es ja nicht schaden, wenn wir einen Mann für dich finden. Vorzugsweise einen, der dich in vielerlei anderen Dingen glücklich macht. Wenn du verstehst, was ich meine? Ich hab da auch schon einen Plan.« Stacy grinste und tat geheimnisvoll.

»Wie sieht der denn aus, dein Plan?«

»Lass mich mal machen«, erwiderte sie, ohne etwas preiszugeben, und zwinkerte mir zu. Gerade noch war ihr jeder Schritt zu viel gewesen, darüber hatte sie nicht sprechen müssen, das sah man ihr ganz deutlich an. Nun lief sie beschwingten Schrittes vor mir her, sodass ich große Mühe hatte, ihr zu folgen.

Auch wenn ich es mir in diesem Moment nicht eingestehen wollte, wusste ich doch nur zu gut, was Stacy vorhatte. Dennoch gab ich mich dem Irrglauben hin, sie würde nicht so weit gehen. Falsch gedacht.

Vom Glück geküsst

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