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13 Die Polizeiwache

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Auf der Polizeiwache von Marylebone herrschte viel weniger Betrieb, als ich erwartet hatte, nur eine zerlumpte Familie hockte grimmig auf einer Bank. Um die Betrunkenen und Raufbolde der letzten Nacht habe man sich bereits gekümmert, erklärte Sidney Grice, und die meisten Polizisten seien entweder auf Streife unterwegs oder in den Hotelküchen, um sich einen Happen zu schnorren.

Der diensthabende Wachtmeister ließ seinen Stift fallen und sah uns mit feuchten Augen an.

»Hotele sind wertvolle Informierungsquellen, Mr Grice«, sagte er. »Und selbst ein Amateur, wo Sie einer sind, dürfte die Nötigkeit davon einsehen.«

»Wenn es ein Verbrechen wäre, unsere Sprache zu vergewaltigen, würden Sie längst in Australien Ocker abbauen«, blaffte Sidney Grice ihn an. »Ich bin hier, um einen gewissen William Ashby zu vernehmen.«

»Und mit wem seiner Bevollermächtigung?« Er tauchte seinen Federhalter ins Tintenfass und wischte den Griff sauber.

»Mit meiner.« Ich wandte mich um und sah den Sprecher dieser Worte hereinkommen. Der Mann war groß gewachsen, Anfang dreißig, schätzte ich, schlank, und hatte sein dunkles Haar so akkurat gekämmt, dass der Scheitel wie mit dem Lineal gezogen schien. Er trug einen adrett gestutzten Schnauzbart und einen eleganten anthrazitfarbenen Anzug. »Guten Tag, Mr Grice.«

Die beiden Männer gaben sich die Hand.

»Inspektor Pound«, sagte mein Vormund. »Darf ich Ihnen Miss Middleton vorstellen, meine Assistentin.«

Inspektor Pound vergrub seine Daumen in den Westentaschen. »Seit wann sind Sie auf den Beistand eines Mädchens angewiesen?« Seine taubenblauen Augen funkelten spöttisch.

»Ich bilde sie aus, damit sie mir bei den heikleren, das schöne Geschlecht betreffenden Angelegenheiten behilflich ist«, entgegnete Sidney Grice.

Das war mir neu. Ich erwiderte Inspektor Pounds kühlen Blick und sagte: »Es freut mich außerordentlich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Inspektor Pound, besonders, nachdem ich schon so viel über Ihre Arbeit in der Zeitung gelesen habe.«

In Wahrheit hatte ich noch nie von ihm gehört, aber mir schien, als würde das Eis in seinen Augen ein wenig zu tauen beginnen, derweil er seine Krawatte richtete und sagte: »Meinetwegen, solange sie mir nicht beim ersten Schimpfwort in Ohnmacht fällt.«

»Wenn Sie’s nicht tun, schaff ich’s auch«, erwiderte ich, und der Inspektor rümpfte die Nase.

»Ich bürge für ihre Contenance.« Sidney Grice klemmte sich seinen Stock unter den Arm, und wir folgten dem Inspektor durch einen langen Gang.

»Sie kommen genau richtig. Wir wollten den Gefangenen gerade abermals verhören.«

»Hat er denn schon etwas gesagt?«, wollte Sidney Grice wissen.

»Das Übliche.« Der Inspektor stiefelte mit großen Schritten voran, und ich musste mich sputen, um nicht zurückzubleiben. »Er hat seine Frau geliebt. Er hat geschlafen. Er weiß von nichts.«

»Und was halten Sie von ihm?« Sehr bemüht, das Tempo des Inspektors zu halten, trat Sidney Grice’ Hinken deutlich zutage.

»Ich weiß nicht«, erwiderte der Inspektor über die Schulter hinweg. Der Gang endete an einer Tür, und wir hielten an. Der Inspektor schien bekümmert. »Das Schlimme daran ist, Mr Grice – er kommt mir wie ein netter Kerl vor, äußerst sanftmütig und bescheiden.«

»Denken Sie an Libby Jacobs.« Sidney Grice verschnaufte. »Sah man je ein süßeres Mädchen auf dieser Erde? Und dennoch hat sie ihre vier Schwestern mit einem Käsedraht erdrosselt, um ein Bett für sich allein zu haben.«

»Wie dem auch sei«, wandte Inspektor Pound ein, »mit der Zeit bekommt man ein Gespür für solche Dinge, und meines sagt mir, der Mann ist unschuldig.«

»Ihr Gespür in allen Ehren« – Sidney Grice warf sein Haar zurück – »aber ich höre mir erst einmal an, was der Mann vorzubringen hat, bevor ich mir ein Urteil erlaube.«

»Spotten Sie nur. Aber mein Gespür lässt mich nur selten im Stich.«

»Noch eine Sache, bevor wir hineingehen.« Sidney Grice zog einen Bogen Papier und einen Umschlag aus seinem Ranzen. »Kennen Sie das hier?«

Der Inspektor überflog das Schreiben.

»Das ist der Brief, den Ashby geschrieben hat, um Ihre Hilfe zu erbitten.«

»Haben Sie gesehen, wie er ihn verfasste?«

»Ja, und ich habe gesehen, wie er ihn in den Umschlag steckte, etwas darauf schrieb und ihn seiner Schwiegermutter aushändigte.«

»Und in welcher Verfassung befand sie sich?«

»Sie war tief bestürzt, schluchzte, fiel gar einmal in Ohnmacht.«

»Wie fiel sie denn?«, fragte ich.

»Zu Boden natürlich.« Der Inspektor rollte die Augen.

»Nein, ich meinte …«

»Auf mich wirkte sie viel zu beherrscht für so etwas«, unterbrach mich Sidney Grice, und Inspektor Pound hob die Augenbrauen.

»Sie hatte gerade ihre Tochter verloren und erfahren, dass man ihren Schwiegersohn des Mordes bezichtigte.«

»Gleichwohl hat sie seine Partei ergriffen. Oder etwa nicht?«

»Aber ja doch. Sie beschwor ihn, er solle sich keine Sorgen machen. Sie werde die bestmögliche Hilfe holen.«

»Und hier bin ich«, sagte Sidney Grice, während sich die Tür langsam öffnete.

Mord in der Mangle Street

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