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a) Der jüngere Schöpfungstext

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Nach dem priesterschriftlichen, ersten Schöpfungstext (Gen 12,4a) geht das schöpferische Handeln Gottes von einer durch und durch ungeordneten, chaotischen Wasserwüste aus.10 Gott „schafft“, indem er das Chaos zum Kosmos ordnet und die lebensfördernden Elemente von den lebensgefährdenden trennt. Das geschieht – im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen orientalischen Schöpfungsmythen – völlig kampflos: Gott ist der souveräne Herrscher, der es nicht nötig hat, am Anfang des Kosmos einen Kampf gegen die Mächte des Chaos, gegen Finsternis und Wasserfluten zu führen. Kunstvoll wird, den Interessen der priesterschaftlichen Verfasser am Kult und an der Heilighaltung des Sabbat folgend, das Sieben-Tage-Schema in die Kosmogenese eingearbeitet: ein einleitendes Wort vom Schaffen Gottes und vom Schweben des Geistes über der Urflut (Gen 1,1.2) und ein feierliches Schlusswort vom Ruhen Gottes am siebten Tag (Gen 2,1–4a) umrahmen das göttliche Sechstagewerk, das seinerseits wieder in ein streng parallel geführtes Dreier-Schema gegliedert ist:

I. Einleitende Worte

II. Werke der Trennung und Ordnung Werke der Ausschmückung
1. Licht/Finsternis 4. Die Leuchten am Himmel:Sonne, Mond, Sterne
2. Obere/untere Wasser 5. Wassertiere, Vögel
3. Trockenes Land/Meer 6. Landtiere, Mensch

III. Schlusswort: Gottes Ruhen am 7. Tag (Sabbat) und Schlusssatz

Von besonderer Bedeutung ist die Erschaffung des Menschen am 6. Tag (Gen 1,26–28). Der Mensch wird von Gott als „unser Abbild, uns ähnlich“ geschaffen. Er soll also das tun, was Gott getan hat: die lebensfördernden Elemente von den lebensgefährdenden trennen; er soll Leben und nicht Chaos schaffen; er soll ordnen und nicht zerstreuen. Den biblischen Schriftstellern geht es nicht um irgendwelche Aussagen über eine metaphysische Qualität des Menschen, sondern um seine Funktion, die er im Hinblick auf die Schöpfung wahrzunehmen hat: „Tretet auf die Erde und beherrscht sie“ (Gen 1,28; in der Einheitsübersetzung leider missverständlich mit „unterwerfen“ wiedergegeben). Herrschaft im biblischen Sinn besagt: Verantwortung übernehmen, Sorge für das umfassende Wohlergehen der „Beherrschten“ tragen, sich um das Anvertraute hegend und pflegend kümmern. Keinesfalls versteht die Bibel unter dem „Beherrschen“ eine Ausbeutung der lebensdienlichen Elemente dieser Erde, eine Vergewaltigung der Tierwelt oder eine Herrschaft von Menschen über Menschen.

Die großen Themen des christlichen Glaubens

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