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Antonio blutete heftig aus der Schulterwunde. Er presste sein Halstuch darauf und biss die Zähne zusammen, dass sie knirschten. Er hatte höllische Schmerzen. Schwarze und rote Punkte kreisten vor seinen Augen.

Noch schlimmer war die Scham, die ihn in heißen Wellen durchflutete. Er hatte versagt. Er hatte eine klare Anweisung missachtet und postwendend die Quittung dafür bekommen.

Trotzdem musste er auf der Hazienda Meldung erstatten. Selbst wenn es das letzte war, was er in seinem Leben tat.

Antonio nahm die Sporen nicht mehr von den Weichen seines Pferds. Verzweifelt klammerte er sich fest, hüpfte im Sattel auf und ab wie beim Zureiten. Er hatte keine Kraft mehr in den Beinen. In seiner ganzen linken Seite tobte der Schmerz. Mit jedem Herzschlag pumpten die Adern seinen Lebenssaft aus der Wunde.

Das Halstuch war nass und klebrig. Süßlicher Geruch stieg ihm in die Nase. Ihm war speiübel.

Noch mindestens acht Meilen waren zur Hazienda zurückzulegen.

Er wusste später nicht zu sagen, wie er es schaffte. Jedenfalls tauchten irgendwann die Gebäude auf. Sein Pferd trabte in den quadratischen Innenhof. Hinter den Fenstern im Arkadengang des Erdgeschosses brannte noch Licht. Ein Zeichen dafür, dass Saltillo möglicherweise noch wach war.

Vor der Freitreppe verließen den jungen Vaquero die Kräfte endgültig. Er sah noch das Pflaster auf sich zukommen. Dann verlor er das Bewusstsein.

Er kam mit einem Brennen in Mund und Magen wieder zu sich. Der Gaumen fühlte sich pelzig an, aber er registrierte noch den weichen Geschmack eines milden Cognacs. Nur widerwillig öffneten sich die Augen.

Antonio bemerkte, dass er auf der breiten Ledercouch des Herrenhauses lag. Das Toben in seiner linken Schulter hatte nachgelassen. Die Wunde war verbunden.

»Da kommt er ja wieder zu sich.«

Das war die Stimme von Tortilla-Buck, Saltillos Vormann. Er war ein Haudegen, den so leicht nichts erschüttern konnte. Doch nun war spürbar, dass die Verletzung des Jungen ihm nahe ging. Es schlug eben ein weiches Herz unter der rauen Schale. Buck Mercer beugte sich über die Couch. Ein Grienen lag über seinem stoppelbärtigen Gesicht.

»Na, Compadre? Ich dachte schon, du gehst über den Jordan. War wohl nichts, eh?«

Das war Buck Mercers Art, seiner Erleichterung Ausdruck zu geben. Jeder auf der Hazienda mochte Antonio.

Und dann rückte Saltillo in das Gesichtsfeld des jungen Vaqueros. Aus seiner Miene war Besorgnis zu lesen.

»Dir geht es wieder besser, Antonio?«

Der Vaquero nickte schwach.

»Wo ist die Gitarre?«, flüsterte er.

»Der ist nichts passiert«, antwortete Saltillo. »Sie lehnt neben dir an der Wand. Aber hast du uns nicht mehr zu sagen?«

»Entschuldige, Jefe.« Antonio nickte. »Ich hab einen Fehler gemacht.«

»Das ist uns auch schon aufgefallen«, mischte Buck Mercer sich ein. Er kratzte sich am Schädel. »Dein Glück, dass ich ein Ass im Herausholen von Kugeln bin. So, wie‘s aussieht, stammte sie aus ‘ner Volcanic Rifle. Ein Steckschuss.«

Saltillo drängte Buck beiseite.

»Was ist denn nun wirklich geschehen?«

Der junge Vaquero beschönigte nichts.

»Es waren ganz bestimmt die Mädchenhändler«, schloss er seinen Bericht. »Ich hab ganz deutlich die Schreie von mehreren Frauen gehört.«

Saltillo war immer nachdenklicher geworden. Er kannte die Praktiken gewissenloser Geldverdiener, blutjunge Mexikanerinnen und auch Indianermädchen in die meist frauenarmen Städte des Westens zu verschleppen, wo sie den Männern dann zu Willen sein mussten. Niemand fragte die Mädchen, ob sie das auch wollten. Sie wurden ihren Eltern »abgekauft«, aus Bodegas abgeworben und aus den Tabernas, wo sie bedienten. Über ihre Zukunft blieben sie meist wohlweislich im Unklaren.

Der Haziendero ballte unwillkürlich die Fäuste. Sein Sinn für Gerechtigkeit rebellierte. Er durfte das nicht zulassen. Schon gar nicht, wenn sein Land dazu missbraucht wurde, diesen Schuften den Weg in den Norden zu öffnen.

Antonio war fürs Erste versorgt. Er würde bald genesen. Außerdem hatte er Saltillo alles mitgeteilt, was der Haziendero wissen musste.

Allzu weit konnten die Mädchenhändler noch nicht gekommen sein, denn an dieser Stelle des Nordufers des Rio Bravo wurde das Gelände hügelig und für einen Wagen schwer passierbar. Wege oder Straßen gab es nicht. Mit Pferden kam man wesentlich schneller voran.

Saltillo reckte sich zu seiner vollen imposanten Größe. Er trug bequeme Lederkleidung und Mokassins. Comanchenblut floss in seinen Adern. Der Vater, ein waschechter Ire, hatte nichts dabei gefunden, die Tochter eines Penateka-Häuptlings zur Frau zu nehmen. Er war glücklich mit ihr geworden, hatte ihr sogar seinen Namen gegeben – O'Hara.

So hieß auch Saltillo. Sam O'Hara, doch kaum jemand benutzte diesen Namen.

Abgesehen von Layla, seiner Freundin. Das Verhältnis mit der rassigen Kreolin hatte bisher freilich keines Trauscheins bedurft.

Layla Sheen befand sich derzeit nicht auf der Hazienda. Sie wollte erst am Morgen aus Nuevo herüberkommen.

Saltillo schaute zur Wanduhr hinüber, die zwischen zwei spanischen Rüstungen stand, die noch aus der Zeit der Conquistadores stammten.

»Gerade Mitternacht vorbei«, murmelte er. »Wir können sie noch abfangen.« Und laut fuhr er fort:. »Buck, trommle unsere Männer zusammen. Zehn sollten genügen. Ich möchte diese verdammten Mädchenhändler endlich mal kennenlernen.«

Tortilla-Buck zog sich die Hosen hoch.

»Sehr gut. Ich kann diese Hundsfotte nicht ausstehen.« Buck Mercer trat ein paar Schritte zur Seite. An der Wand lehnte seine »Betsy«. Er war unschlagbar mit dieser Harpers-Ferry-Rifle. »Wenn sie uns krumm kommen, werd ich ihnen ein paar zusätzliche Knopflöcher stanzen. Zehn Mann, hast du gesagt? Besorge ich auf der Stelle. Hey, das wird ein Fest.«

Tortilla-Buck stapfte aus der riesigen Eingangshalle. Seine »Betsy« trug er wie ein Baby liebevoll in der Armbeuge.

Saltillo hörte ihn draußen herumbrüllen. Buck war nicht unbedingt ein Freund der leisen Töne. Wo er auftauchte, gab es Gepolter, flogen die Fetzen.

Auch der Haziendero machte sich fertig. Aus dem Waffenschrank holte er den Gurt mit dem Paterson-Colt. Mit dieser Waffe konnte er ähnlich gut umgehen wie Buck Mercer mit seinem Gewehr. Zusammen bildeten die beiden ungleichen Männer ein Duo, das selbst dem Satan noch die Hölle heiß machen konnte.

Der Haziendero hatte nicht vor, die Banditen schonend zu behandeln. Mädchenhändler und ihre Helfershelfer waren ihm zuwider. Er achtete die Freiheit eines Menschen als dessen höchstes Gut.

Vor dem Haupthaus wurde es noch lauter. Lederzeug knarrte, Buck Mercer bellte Befehle. Bald darauf ritten sie los. Einer der Bluthunde rannte voraus. Saltillo hatte ihn aus dem Zwinger geholt, weil er sich eine langwierige Fährtensuche ersparen wollte.

Marshal ohne Erbarmen: Glorreiche Western Sammelband 7 Romane

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