Читать книгу Das große Buch der Berg-Krimis Dezember 2019 - Peter Haberl - Страница 28

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7. Kapitel


„Wir haben mit Ihrem Sohn gesprochen, Frau Ringer“, gab Hauptkommissar Degenhart zu verstehen.

Aus geröteten, etwas wässrigen Augen starrte ihn Carmen Ringer an. Offensichtlich hatte sie schon wieder ein gewisses Maß an Alkohol konsumiert und sie war nicht mehr ganz nüchtern. Einen Augenblick lang empfand der Kriminalbeamte sogar Mitleid mit ihr.

„Dann wissen Sie wohl jetzt auch, dass er mit dem Tod seiner Großmutter nichts zu tun hatte“, sagte sie mit etwas verschwommener Stimme. „Damit wäre meine Familie wohl aus dem Schneider. Sicher haben Sie in der Firma, in der mein Mann arbeitet, wegen seines Alibis nachgefragt.“

„Ja, man hat mir bestätigt, dass Ihr Mann vorigen Montag um 7:00 Uhr an seinem Arbeitsplatz war. Man konnte mir allerdings nicht mit Sicherheit sagen, ob er in der Zeit zwischen 7:00 Uhr und – sagen wir mal 8:30 Uhr ständig im Betrieb anwesend war. Dort hat nämlich jeder der Beschäftigten seine Aufgabe und keiner achtet so richtig auf den anderen.“

„Sein Alibi ist also nicht wasserfest?“

„So kann man es jederzeit ausdrücken“, bestätigte der Hauptkommissar. „Aber der Grund, weswegen wir noch einmal bei Ihnen vorsprechen, Frau Ringer, ist ein anderer. Ihr Sohn hat gestanden, bei der Getöteten fünftausend Euro Schulden gehabt zu haben, die er nicht zurückzahlen konnte. Es sei deswegen zwischen ihm und seiner Großmutter mehrere Male zum Streit gekommen, sie hat ihn sogar als Betrüger bezeichnet. An dem Freitag vor ihrem Tod hat sie Ihr Sohn ein letztes Mal besucht und die beiden haben sich im Streit getrennt.“

„Ja, das ist richtig. Sebastian hat sich von seiner Oma fünftausend Euro gepumpt, um sich das Auto kaufen zu können. Er hätte ein Ei gelegt, wenn er die Karre nicht bekommen hätte. Wir wollten ihm das Geld nicht geben, weil wir damit unser gesamtes Erspartes riskiert hätten, war uns doch klar, dass Sebastian nicht in der Lage sein würde, das Darlehen zurückzuzahlen.“

„Und warum haben Sie dann nicht verhindert, dass er sich das Geld von seiner Großmutter leiht?“, mischte sich Oberkommissar Kutzer ein. „Es wäre Ihre Aufgabe als verantwortungsvolle Mutter gewesen.“

„Meine Mutter war eine erwachsene Frau, mein Sohn ist ein erwachsener Mann. Wie käme ich dazu, mich in deren Angelegenheiten zu mischen?“

„Weil Sie wussten, dass er eine Schuldentilgung wider besseres Wissen versprochen hat. Das ist Betrug! Und Sie haben Ihren Sohn dabei noch unterstützt.“

„Derlei Unterstellung verbitte ich mir!“, brauste Carmen Ringer auf. „Meine Mutter hat ruhig mal was für Sebastian tun können. Bisher hat sie alles nur den Kindern meines Bruders Erich in den Hintern hineingeschoben.“ Ein gehässiges Glitzern war in die Augen der angetrunkenen Frau getreten. „Und wenn ihr Sebastian das Geld zurückgezahlt hätte, würden es auch wieder nur die drei Bankerten meines Bruders bekommen haben.“

Jetzt zeigt sie ihr wahres Gesicht!, schoss es dem Hauptkommissar durch den Kopf und er fühlte den vielsagenden Blick seines Kollegen geradezu körperlich. „Sie waren also der Meinung, dass Ihr Sohn gegenüber den Kindern Ihres Bruders von Ihrer Mutter benachteiligt wurde?“

„Auf der ganzen Linie! Bei meiner Mutter galt nur Erich etwas, weil er Beamter ist. Seine Kinder sind einundzwanzig, neunzehn und sechzehn Jahre. Der Max studiert im zweiten Semester Volkswirtschaft, die Liesbeth hat irgendwann im Mai oder Juni das Abitur gemacht und will Medizin studieren, der Freddy geht noch aufs Gymnasium. Mein Bub hingegen hat nur einen qualifizierten Hauptschulabschluss und ist Handwerker wie mein Mann – und das war in den Augen meiner Mutter gar nichts.“

„Also war sie doch nicht so eine herzensgute Frau, wie Sie uns das immer glauben machen wollten“, knurrte Degenhart.

Er erntete dafür einen gehässigen Blick der Frau, Sekunden lang mahlte sie mit den Kiefern, dann zischte sie: „Ich finde nicht, dass es irgendeinen Menschen etwas angeht, was ich tief in mir von meiner Mutter gehalten habe. Was glauben Sie, wie enttäuscht und traurig ich oft war, wenn meine Mutter über meinen Mann hergezogen ist und ihn als Versager und Hungerleider hinstellte. Ich konnte das ja meinem Mann gar nicht alles sagen, denn er ist ziemlich sensibel und ich weiß nicht, wie er reagiert hätte. Ich bin – trotz allem – sehr an meine Mutter gehangen und habe immer gehofft, dass sie eines Tages ihre Meinung über meinen Mann revidiert.“

„Nach dem Streit mit seiner Oma am Freitag vor ihrem Tod hat Ihr Sohn mit Ihnen gesprochen“, ergriff wieder der Hauptkommissar das Wort. „Er hat Ihnen von der Auseinandersetzung erzählt und Sie haben ihm zugesagt, mit Ihrer Mutter zu sprechen.“

„Das wollte ich an ihrem Geburtstag tun, denn ich hoffte darauf, dass sie an diesem Tag gut gestimmt wäre. Leider ist es nicht mehr dazu gekommen.“

„Und jetzt, da Ihre Mutter tot ist, dürfte Ihr Sohn seine Schulden auch los sein“, gab Oberkommissar Kutzer zu verstehen. „Es existiert nämlich kein Darlehens- oder Rückzahlungsvertrag.“

„Aber Sie wissen doch jetzt Bescheid“, murmelte Carmen Ringer mit lahmer Stimme. „Damit können Sie bezeugen, dass die Erben meiner Mutter einen Anspruch auf Schuldentilgung gegen meinen Sohn haben. Die Erben sind wir, also ihre vier Kinder. Ich werde natürlich darauf verzichten, von meinem Sohn das Geld zu fordern. Meine Brüder aber werden es ihm auf keinen Fall schenken.“

„Ich vermute, dass nicht Sie und Ihre drei Brüder Anspruch auf die fünftausend Euro erheben können, denn das Geld hat Jakob Trummer Ihrer Mutter geliehen. Und das wissen Sie ganz genau, Frau Ringer. Ich kenne den Grund nicht, aus dem Sie versuchen, uns immer noch Sand in die Augen zu streuen. Sie wollten nämlich nicht nur mit Ihrer Mutter wegen des Geldes sprechen, sondern auch mit Herrn Trummer, für den Sie im Übrigen als Haushaltshilfe arbeiten. Wahrscheinlich hat er sie weder steuerlich noch versicherungsrechtlich angemeldet, weil Sie versuchten, es uns zu verschweigen.“

„Wer sagt Ihnen denn, dass der Jakob mich bezahlt hat?“

„Umsonst ist der Tod – und der kostet das Leben“, versetzte der Hauptkommissar. „Sie selbst verfügen nur über ein geringes Einkommen aus Ihrem Aushilfsjob als Friseurin, das Einkommen Ihres Mannes als Schlosser ist sicher auch nicht so hoch, dass Sie etwas zu verschenken hätten. Sie müssen Miete und Nebenkosten bezahlen, und Sie laufen auch nicht in Lumpen herum. Daher ist es nicht glaubhaft, wenn Sie uns erzählen wollen, dass Sie ohne finanzielle Gegenleistung mehrere Male in der Woche den Haushalt des Herrn Trummer verrichten.“

„Das ist aber so!“, brach es trotzig über ihre Lippen.

„Im Endeffekt interessiert es mich auch nicht“, erklärte Hauptkommissar Degenhart. „Vielmehr interessiert mich, ob Sie mit Herrn Trummer wegen des Geldes gesprochen haben und was er zu sagen hatte. Also erzählen Sie‘s uns.“

„Das alles hat doch nichts mit dem gewaltsamen Tod meiner Mutter zu tun“, ächzte Carmen Ringer. „Weder ich, noch mein Mann, noch Sebastian haben ihren Tod verschuldet. Das mit dem Geld hätten wir schon irgendwie hingekriegt.“

„Bitte, beantworten Sie meine Frage“, forderte sie Degenhart auf.

„Ja, ich hab mit dem Jakob darüber gesprochen. Er ist bereit, mit der Rückzahlung zu warten.“

„Gibt es einen Vertrag zwischen ihm und Ihrer Mutter?“

„Ja. Dass das Geld für meinen Sohn bestimmt war, steht allerdings nicht in dem Papier.“

„Warum haben Sie uns gegenüber das alles verschwiegen? Meinen Sie nicht, dass es für uns wichtig ist, zu wissen, dass Ihr Sohn noch kurz vor dem Tod Ihrer Mutter mit dieser Streit hatte?“

Und Kutzer fügte hinzu: „Irgendwie klingt alles, was Sie uns eben erzählt haben, nicht besonders stimmig. Vor allem glaube ich Ihnen nicht, dass Sie den Haushalt des Herrn Trummer unentgeltlich verrichten. Irgendetwas läuft da, von dem wir nichts wissen sollen. Was, Frau Ringer?“

„Ich hab Ihnen von dem Streit nichts erzählt, weil ich befürchtet habe, dass Sie die falschen Schlüsse ziehen. Mein Sohn hat meine Mutter nicht umgebracht. Alles andere hat mit dem gewaltsamen Tod meiner Mutter nichts zu tun, und darum erschien es mir auch nicht notwendig, Ihnen davon zu erzählen.“

„Es stellt sich ein Problem, Frau Ringer“, kam es von Degenhart. „Soeben haben wir aus Ihrem Mund vernommen, dass Sie es Ihrer Mutter angekreidet haben, dass diese Ihren Sohn benachteiligt hat. Wir nehmen an, dass Sie des Öfteren darüber auch mit Ihrem Mann gesprochen haben. Weder Sie noch Ihr Mann können uns für Montag früh 8:00 Uhr ein Alibi bieten.“

„Aber Franz war doch in der Arbeit“, stieß die Frau hervor und musterte den Hauptkommissar mit flackerndem Blick. „Und ich war hier in der Wohnung.“ Plötzlich blitzte es in ihren Augen auf und sie sagte: „Hat Ihnen mein Sohn denn nicht gesagt, dass mein Bruder Bruno in dem Moment, als Sebastian vor dem Haus, in dem meine Mutter wohnte, aus dem Auto stieg, wutentbrannt aus der Haustür kam. Er wollte auch Geld von meiner Mutter, doch sie hat ihm was gepfiffen. Wahrscheinlich hat er es am Montag in der Früh noch einmal versucht, und als meine Mutter es ablehnte, ihm Geld zu geben ...“

„Wir wissen von seinem zornigen Abgang aus der Wohnung ihrer Mutter am Freitag vor ihrem Tod“, erklärte Degenhart, „und wir werden heute noch mit ihm darüber sprechen. Wir werden uns auch mit Herrn Trummer ein weiteres Mal unterhalten müssen, und auch mit Ihrem Mann.“

„Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht“, stöhnte Carmen Ringer. „Mir kommt das alles langsam vor wie ein schlechter Traum.“

„Es wird Sie sicher nicht überraschen, Frau Ringer, wenn ich Ihnen sage, dass sowohl Sie, als auch Ihr Mann und Ihr Sohn für mich als Täter infrage kommen. Denn auch das Alibi Ihres Sohnes wackelt. Er wurde zwar an seinem Arbeitsplatz gesehen, war aber zeitweise verschwunden. Sebastian behauptet zwar, einmal längere Zeit auf der Toilette gewesen zu sein, aber dabei kann es sich auch um eine Schutzbehauptung handeln.“

„Wir haben mit dem Tod meiner Mutter nichts zu tun!“, keifte sie. „Nehmen Sie meinen Bruder Bruno in die Mangel. Das Verhältnis zwischen ihm und meiner Mutter war seit vielen Jahren angespannt, sie hat ihm nie verziehen, dass er straffällig geworden ist, er hat sie gehasst, weil sie die Schlampe nicht akzeptierte, die er geheiratet hat.“

„Sonst haben Sie uns nichts zu sagen?“ Während er dies fragte, erhob sich Degenhart aus dem Sessel, in dem er Platz genommen hatte.

„Was erwarten Sie denn?“

„Die Wahrheit.“

„Die müssen Sie schon selber herausfinden!“, zischte Carmen Ringer. Sie schien jetzt vollkommen ernüchtert zu sein.

„Das werden wir, mein Wort drauf“, versicherte Hauptkommissar Degenhart. „Ich glaube nämlich, wir sind schon ganz nah an ihr dran.“

Das große Buch der Berg-Krimis Dezember 2019

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