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vier

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ich erinnere mich an die worte meines sesselnachbarn auf der fähre. leider kamen wir erst in den letzten minuten vor der ankunft in olbia ins gespräch. er wohnt und arbeitet in köln, besucht seine mutter in nuoro, seiner heimatstadt, zu ihrem siebzigsten geburtstag.

im scherz frage ich ihn, ob es in der barbagia, noch immer banditen gäbe? „schon“, sagt er, „ein paar hühnerdiebe.“ wir lachen beide, und ohne dass ich ihn ermuntern muss, beschreibt er mir seine heimat mit liebevollen worten.

jetzt, da ich auf dem weg dorthin bin, erinnere ich mich, dass er sinngemäß sagte: die barbagia sei das felsige herz der insel. ein steiniges relief voll verborgener höhlen, kahler steilhänge, dichter eichen- und kastanienwälder. als terrain unüberschaubar und unkontrollierbar für damalige eroberer und heutige carabinieri. es gäbe nur wenige kurvenreiche straßen. karstland macchiaverfilzt, undurchdringlich. er müsse zugeben, auch das land der banditen, entführer und viehdiebe. von jeher hätte man sich dort von außen auferlegten gesetzen nur widerwillig gebeugt.

ich nehme den bus nach nuoro. er hält im zentrum. dort steige ich um und fahre weiter nach orune, eine kleine stadt ein paar kilometer nördlich gelegen. die besichtigung dieses ortes spare ich mir für das ende meines aufenthaltes auf. stattdessen mache ich mich sogleich auf den weg. mein rucksackinhalt erlaubt es mir, zwei tage autark zu sein. frisches wasser erhoffe ich mir in den bergen zu finden. mithilfe meines smartphones kann ich jederzeit meinen standort bestimmen, kann mich also kaum verlaufen.

ich wende mich nach osten, straßen beabsichtige ich zu meiden. bald befinde ich mich in einem wald aus knorrigen kork- und steineichen. dichtes unterholz wechselt mit grasbewachsenen lichtungen. ich habe glück, muss mir keinen eigenen weg bahnen. ein schmaler pfad der in meine richtung führt erlaubt es mir, die einzigartige landschaft zu genießen und sie mit allen sinnen in mich aufzunehmen. wenn ich mich auf meinen geruchssinn konzentriere, atme ich mit der luft die verschiedensten pflanzlichen geruchsstoffe ein, deren ursprung ich nicht zu deuten weis. kein zivilisatorisches geräusch erreicht meine ohren, nur das rauschen des windes in den wipfeln der bäume und ein paar vogelstimmen.

dann plötzlich, auf einer kleinen lichtung, vernehme ich das plätschern eines baches, bevor ich ihn zusehen bekomme. ich beschließe, den rest des tages und die nacht hier zu verbringen.

einen ast mache ich zur harke, mit dem ich den boden auf etwa einem quadratmeter freikratze und mit granitbrocken eingrenze. als es zu dunkeln beginnt, entzünde ich dort einen teil des gesammelten holzes. der temperatur wegen bräuchte ich das feuer nicht, allein dazu, um die insekten aller art zu verscheuchen. die müdigkeit, die mich bald überkommt, lässt alle bedenken, im freien zu übernachten, in den hintergrund treten.

monique

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