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3 Bildungsrechtliche Aspekte des Familienrechts

Fragen der Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen sind in zahlreichen Gesetzen des privaten und öffentlichen Rechts geregelt; zu Letzteren siehe Kap. 4 bis 11 sowie zunächst die Übersicht 14:

Übersicht 14

Gesetze des öffentlichen Familienrechts

1. Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)

2. Einkommensteuergesetz (EStG)

3. Bundeskindergeldgesetz (BKGG)

4. Unterhaltsvorschussgesetz (UVG)

5. SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe)

6. Adoptionsvermittlungsgesetz

7. Internationale Abkommen wie die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) (Kap. 14) oder das Haager Minderjährigenschutzabkommen

Die wichtigsten privatrechtlichen Regelungen für das Eltern-Kind-Verhältnis sind im 4. Buch des BGB (Familienrecht) enthalten, insbesondere in dessen Abschnitt 2: Verwandtschaft (§§ 1589 ff bis 1698b BGB).

3.1 Bildung im Eltern-Kind-Verhältnis

3.1.1 Allgemeine Vorschriften und Kindeswohl

Das „Kindeswohl“ (und nicht etwa das „Elternwohl“!) ist der zentrale Maßstab für das Eltern-Kind-Verhältnis, die Ausübung des elterlichen Sorgerechts und ggf. mit Blick auf familiengerichtliche Eingriffe in dieses. Das „Kindeswohlprinzip“ wird in § 1697a BGB in allgemeiner Form wie folgt umschrieben: Das Familiengericht trifft „diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht“ (Kap. 3.3.2 sowie bei Wabnitz 2014b, Kap. 10).

3.1.2 Bildung und Verwandtenunterhalt

Eltern schulden ihren Kindern Verwandtenunterhalt bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1601 ff. BGB (dies sind insbesondere: Verwandtschaftsverhältnis in gerader Linie, Bedürftigkeit des Kindes und Leistungsfähigkeit der Eltern/des jeweiligen Elternteils; Näheres bei Wabnitz 2014b, Kap. 5; Münder et al. 2013b, § 7 I).

Bestandteile des nach § 1610 Abs. 2 BGB geschuldeten Unterhalts sind auch die „Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf“, ggf. auch bis ins Erwachsenenalter hinein. Während dieser Zeit wird Auszubildenden die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht zugemutet.

Die jeweilige Ausbildung soll den Neigungen und Fähigkeiten des jungen Menschen entsprechen und zügig (vgl. BGH FamRZ 1984, 777; 1998, 671) betrieben werden (bei Berücksichtigung individueller Umstände). Eine nachhaltige Vernachlässigung des Studiums, die nicht auf Krankheit oder anderen gewichtigen Gründen beruht, führt zum Verlust des Anspruchs auf Ausbildungsfinanzierung, ebenso eine lange Verzögerung des möglichen Ausbildungsbeginns (Schwab 2014, Rz. 887, 888; BGH FamRZ 2000, 420; 2011, 1560). Ggf. ist ein Fachwechsel zu akzeptieren, wenn die begonnene und abgebrochene Ausbildung auf einer Fehleinschätzung der Begabungen und Neigungen beruhte (BGH FamRZ 1991, 322; 1993, 1057; 2000, 420). Die Ausbildung ist für eine angemessene Dauer durch die Unterhaltsverpflichteten in den Grenzen des für sie wirtschaftlich Zumutbaren zu gewährleisten. Geschuldet ist von diesen die Übernahme der Kosten einer (!) angemessenen Vorbildung zu einem Beruf.

Grundsätzlich nicht geschuldet sind darüber hinaus die Kosten einer eventuellen Zweitausbildung, mit bislang nur sehr wenigen von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen (BGHZ 107, 376; NJW 1989, 2253; FamRZ 1989, 853; 1991, 322; 1992, 502; FamRZ 1992, 1407: kein Jurastudium für Speditionskaufmann!; FuR 2006, 361; FamRZ 2001, 1601; NJW 2006, 2984 – kein Abitur-Lehre-Studium-Fall). Dazu die Übersicht 15 zur Rechtsprechung des BGH:

Übersicht 15

Ausbildungskosten nach § 1610 Abs. 2 BGB

1. Grundsatz: geschuldet ist die Finanzierung einer Ausbildung, die mit Blick auf Begabung, Neigung und Leistungswillen angemessen ist.

2. Ausnahme (dann: auch „Zweitausbildung“), wenn:

– Ausbildungsgang Abitur-Lehre-Studium (in dieser Reihenfolge),

– enger sachlicher Zusammenhang (Abi, Bauzeichner, Architekturstudium) und enger zeitlicher Zusammenhang

– und wenn dies den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist.

3. Weitere Ausnahme (sehr selten), wenn:

– Ausbildungsgang Realschule, Lehre, Fachoberschule, Fachhochschule

– und wenn bereits zu Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar ein Studium angestrebt wurde (!)

– und wenn dies den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist.

3.1.3 Religiöse Kindererziehung

Eines der ältesten bildungsrelevanten deutschen Gesetze ist das Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15.07.1921 (Reichsgesetzblatt I S. 939 – mit späteren Änderungen). Dieses Gesetz aus der Zeit der Weimarer Republik enthält Vorschriften des öffentlichen wie des privaten Rechts. Bei Minderjährigen tritt danach die „Religionsmündigkeit“ wesentlich früher ein als die Volljährigkeit nach dem BGB: nach der Vollendung des 14. Lebensjahres steht dem Kinde die Entscheidung (allein) darüber zu, „zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will“; hat es das 12. Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden (§ 5 des genannten Gesetzes).

3.2 Elterliche Sorge (Teil I)

3.2.1 Begriff und Erwerb der elterlichen Sorge

Elterliche Sorge ist ein Sammelbegriff für die wichtigsten privatrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern nach den §§ 1626 bis 1698b BGB (Wabnitz 2014b, Kap. 7 bis 10; Fröschle 2013; Heiß/Castellanos 2013; Hoffmann 2013; Völker/Clausius 2011). Die elterliche Sorge beinhaltet zugleich die wichtigsten Funktionen der elterlichen Verantwortung im Zusammenhang mit ihrem verfassungsrechtlich geschützten, Pflichten gebundenen Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Kap. 2.3.2).

Der frühere Rechtsbegriff „Elterliche Gewalt“ wurde erst 1980 durch den seitdem gültigen Begriff der „elterlichen Sorge“ abgelöst und 1998 mit der Einfügung partnerschaftlicher Beziehungsmerkmale in § 1626 Abs. 2 BGB in die derzeit gültige, modernen Anschauungen entsprechende Gesetzesform gebracht.

Grundtypen der elterlichen Sorge sind die gemeinsame elterliche Sorge durch beide Eltern und die Alleinsorge durch einen Elternteil.

Elterliche Sorge umfasst gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB die Sorge für die Person (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Daran knüpft gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB jeweils die gesetzliche Vertretung an, sodass die elterliche Sorge die in Übersicht 16 aufgeführten Elemente beinhaltet:

Übersicht 16

Elterliche Sorge

• Personensorge § 1626 Abs. 1 sowie § 1629 (gesetzliche Vertretung)

• Vermögenssorge § 1626 Abs. 1 sowie § 1629 (gesetzliche Vertretung)

Man muss also unterscheiden zwischen:

1. Personensorge in tatsächlicher Hinsicht

2. Gesetzlicher Vertretung in Personensorge-Angelegenheiten

3. Vermögenssorge in tatsächlicher Hinsicht

4. Gesetzlicher Vertretung in Vermögenssorge-Angelegenheiten

Der Erwerb der elterlichen Sorge setzt zunächst voraus, dass es sich um eine Mutter bzw. einen Vater im Rechtssinne gemäß §§ 1591, 1592 Nr. 1, 2 oder 3 BGB handelt. Sodann muss einer der 5 Erwerbstatbestände der elterlichen Sorge gemäß § 1626a BGB erfüllt ist (siehe dazu Übersicht 17; Wabnitz 2014b, Kap. 7; Münder et al. 2013b, § 10 II):

Übersicht 17

Die fünf Erwerbstatbestände der elterlichen Sorge gemäß § 1626a BGB

1. gemeinsame Sorge beider, bereits bei der Geburt des Kindes miteinander verheirateter Eltern; dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 1626a Abs. 1 („Sind die Eltern nicht …“)

2. gemeinsame Sorge beider, nicht miteinander verheirateter Eltern aufgrund von Sorgeerklärungen beider Eltern (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1)

3. gemeinsame Sorge beider Eltern ab dem Zeitpunkt der Heirat nach der Geburt des Kindes (§ 1626a Abs. 1 Nr. 2)

4. gemeinsame Sorge beider Eltern aufgrund einer Entscheidung des Familiengerichts (§ 1626a Abs. 1 Nr. 3)

5. alleinige Sorge der Mutter (§ 1626a Abs. 3: „Im Übrigen“)

Haben beide Eltern die gemeinsame Sorge oder hat ein Elternteil die Alleinsorge inne, so ändert sich daran auch aufgrund einer Trennung oder Scheidung grundsätzlich nichts, es sei denn, einem Antrag eines Elterteils auf Übertragung der Alleinsorge wird durch das Familiengericht stattgegeben (siehe die differenzierten Regelungen des § 1671 BGB; Wabnitz 2014b, Kap. 9; Münder et al. 2013b, § 13).

3.2.2 Inhalte und Ausübung der elterlichen Sorge

Die Personensorge betrifft umfassend alle Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsaufgaben, die sich auf die Person (und nicht auf das Vermögen) des Kindes beziehen. Die Vermögenssorge ist die Sorge für das Vermögen des Kindes mit dem Ziel der Erhaltung, Vermehrung oder gegebenenfalls wirtschaftlichen Verwertung desselben (vgl. §§ 1638 bis 1649 BGB) (zur Personensorge siehe die Übersicht 18; Wabnitz 2014b, Kap. 7):

Übersicht 18

Personensorge (insbesondere nach §§ 1631 ff. BGB) Wesentliche Inhalte:

1. Erziehung und Pflege (§ 1631, § 1633)

2. Namensgebung (§§ 1616 ff.)

3. Beaufsichtigung, Aufenthaltsbestimmung, Verlangen der Herausgabe des Kindes (§ 1631, § 1632)

4. Persönlicher Umgang (§§ 1626 Abs. 3, 1684, 1685)

5. Ausbildung und Beruf (§ 1631a)

6. Ausnahmsweise: Unterbringung mit Freiheitsentziehung (§ 1631b)

7. Gesundheit (§ 1631, § 1631c, § 1631d)

8. Zustimmung zur Eheschließung (§ 1303 Abs. 3)

Haben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam inne, so üben sie diese auch gemeinsam aus, und zwar gemäß § 1627 Satz 1 BGB in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen (Satz 2). Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge für das Kind nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen – also im Ergebnis faktisch entscheiden (§ 1628 Satz 1 BGB); dies allerdings nur bei Angelegenheiten „von erheblicher Bedeutung“, wie z. B. die Entscheidung über den Besuch einer weiterführenden Schule, die Verlegung des Wohnsitzes an einen entfernten Ort oder die Berufswahl etc.

3.2.3 Bildung und elterliche Sorge

Die Wahrnehmung der Verantwortung für die Bildung ihrer Kinder gehört zum Kernbereich der elterlichen Sorge. Eltern müssen unter anderem dafür sorgen, dass die Schulpflicht der Kinder erfüllt wird (Kap. 9.1), dass sie auch mit Blick auf Bildungsangelegenheiten ihre Unterhaltsverpflichtungen nach §§ 1601 ff., 1610 BGB erfüllen (Kap. 3.1.2) und gemäß § 1631a BGB in Angelegenheiten von Ausbildung und Beruf auf die Eignung und Neigung ihres Kindes Rücksicht nehmen und dabei im Zweifel den Rat von Lehrern oder anderen geeigneten Personen einholen.

3.3 Elterliche Sorge (Teil II)

3.3.1 Gesetzliche Vertretung

Gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst die elterliche Sorge die gesetzliche Vertretung des Kindes (Kap. 3.2.1). Minderjährige benötigen für die Vornahme wirksamer rechtsgeschäftlicher Handlungen – insbesondere zum Abschluss von Verträgen – grundsätzlich einen gesetzlichen Vertreter. Das gilt ausnahmslos für das geschäftsunfähige Kind (§ 104 Nr. 1 BGB), das das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und zumeist auch für beschränkt geschäftsfähige Minderjährige im Alter von sieben bis unter 18 Jahren (§§ 106, 107 BGB – mit wenigen Ausnahmen nach §§ 110 bis 113 BGB); Wabnitz 2014b, Kap. 8; Münder et al. 2013b, § 10 IV).

Die gesetzliche Vertretung des Kindes wird grundsätzlich von der elterlichen Sorge (sowohl von der Personen- als auch der Vermögenssorge) mit umfasst (§ 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die gesetzliche Vertretungsmacht korrespondiert also grundsätzlich mit dem Sorgerecht beider Eltern bzw. der/des allein Sorgeberechtigten (siehe Übersicht 19):

Übersicht 19

Gesetzliche Vertretung des Kindes (§ 1629 BGB)

1. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge vertreten beide Eltern das Kind gemeinschaftlich (§ 1629 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz). Beim Abschluss von Verträgen müssen deshalb grundsätzlich beide Eltern zustimmen. Ausnahmen:

1.1 bei Entscheidungsübertragung auf einen Elternteil nach § 1628 bei Nichteinigung der Eltern (§ 1629 Abs. 1 Satz 3),

1.2 bei Gefahr im Verzug (§ 1629 Abs. 1 Satz 4), z. B. bei dringend notwendig werdender Operation,

1.3 bei Unterhaltsfragen (vgl. § 1629 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3); diese Sonderregelung soll Gefährdungen des Kindesunterhalts vorbeugen.

2. Bei Alleinsorge vertritt derjenige Elternteil das Kind, der die elterliche Sorge allein ausübt (§ 1629 Abs. 1 Satz 3).

Obwohl die gesetzliche Vertretung des/der Sorgeberechtigten bei Vorliegen der oben dargestellten Voraussetzungen (und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der/des Minderjährigen) grundsätzlich unbeschränkt ist, gibt es von diesem Grundsatz jedoch eine Reihe von Ausnahmen in Form von gesetzlichen Beschränkungen, Modifizierungen und Ausschlussgründen; siehe dazu Übersicht 20 (Wabnitz 2014b, Kap. 8.2):

Übersicht 20

Grenzen der gesetzlichen Vertretung aufgrund von Sonderbestimmungen des BGB

1. §§ 110, 112, 113 (Kind ist „teil-selbstständig“)

2. § 1630 (bei Bestellung eines Pflegers)

3. §§ 181, 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 (keine gesetzliche Vertretung des Kindes bei bestimmten Fällen möglicher Interessenkollision)

4. § 1643 i. V. m. §§ 1821, 1822 (Genehmigung des Familiengerichts erforderlich)

3.3.2 Eltern, Kinder und Familiengericht

Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG „wacht“ die staatliche Gemeinschaft über das Wohl von Kindern und Jugendlichen („staatliches Wächteramt“; Kap. 2.3 sowie Wabnitz 2014b, Kap. 1.2 und 10). Der Staat muss also einschreiten, wenn das Wohl von Kindern und Jugendlichen gefährdet ist.

Insoweit zuständige Stellen sind für vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen das Jugendamt nach §§ 8a, 42 SGB VIII und für Eingriffe in das elterliche Sorgerecht das (unabhängige) Familiengericht (als Teil des Amtsgerichts). Maßnahmen des Familiengerichts sind geboten, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 BGB erfüllt sind, wobei von jeder der in der folgenden Übersicht genannten beiden Gruppen von Tatbestandsmerkmalen zumindest jeweils ein Merkmal erfüllt sein muss (siehe Übersicht 21; Wabnitz 2014b, Kap. 10.1).

Übersicht 21

Voraussetzungen für Maßnahmen des Familiengerichts nach § 1666 Abs. 1 BGB

1. Es liegt vor

1.1 eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls, und zwar entweder des

– körperlichen,

– geistigen oder

– seelischen Wohls des Kindes,

1.2 oder seines Vermögens.

2. Zugleich sind die Eltern

2.1 nicht gewillt oder

2.2 nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden (z. B. durch Zustimmung zu Maßnahmen nach §§ 27 ff. SGB VIII/Kinder- und Jugendhilfe).

Das Familiengericht muss (!) hier also bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen tätig werden und die im Einzelfall jeweils gebotene Anordnung treffen. Dabei kommt – gerade auch mit Blick auf Bildungsfragen oder die Vernachlässigung der Schulpflicht – ein breites Spektrum von Maßnahmen in Betracht, insbesondere nach § 1666 Abs. 3 Nr. 2 oder 6; Wabnitz 2014b, 10.2; Münder et al. 2013b, § 12. III). Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern ist gemäß Art. 6 Abs. 3 GG nur zulässig, „wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn das Kind aus anderen Gründen zu verwahrlosen droht“. Dabei müssen das Fehlverhalten der Eltern und die Kindeswohlgefährdung ein solches Ausmaß erreichen, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei einer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BVerfG E 19, 295, 301; ZKJ 2014, 281, 282).

3.3.3 Umgangsrechte

Umgang bedeutet: Recht und Pflicht, mit dem Kind zusammen zu sein, mit ihm Zeit zu verbringen etc. Das Umgangsrecht ist regelmäßig Bestandteil des elterlichen Sorgerechts. Bereits in § 1626 Abs. 3 BGB hat der Gesetzgeber die besondere Bedeutung des Umgangs mit beiden Eltern in allgemeiner Form unterstrichen und in § 1684 BGB näher geregelt.

Das Umgangsrecht kann jedoch auch Eltern zustehen, die nicht Inhaber des Sorgerechtes sind, und darüber hinaus gegebenenfalls weiteren Bezugspersonen gemäß §§ 1685 und 1686a BGB (Wabnitz 2014b, Kap. 7.4; Münder et al. 2013b, § 14).

Literatur

Dettenborn, H. (2014): Kindeswohl und Kindeswille. Psychologische und rechtliche Aspekte. 4. Aufl.

Fröschle, T. (2013): Sorge und Umgang – Elternverantwortung in der Rechtspraxis

Heiß, H., Castellanos, H. A. (2013): Die gemeinsame Sorge und das Kindeswohl

Hoffmann, B. (2013): Personensorge. 2. Aufl.

Löhnig, M. (2010): Das Recht des Kindes nicht verheirateter Eltern. 3. Aufl.

Münder, J., Ernst, R., Behlert, W. (2013b): Familienrecht. Eine sozialwissenschaftlich orientierte Darstellung. 7. Aufl.

Prenzlow, R. (2013): Handbuch Elterliche Sorge und Umgang

Schleicher, H. (2014): Jugend- und Familienrecht. Ein Studienbuch. 14. Aufl.

Schwab, D. (2014): Familienrecht. 22. Aufl.

Völker, M., Clausius, M. (2011): Sorge- und Umgangsrecht

Wabnitz, R. J. (2014b): Grundkurs Familienrecht für die soziale Arbeit. 4. Aufl.

3.4 Fall: Eltern und Kinder in der Ausbildung

1. Vater V und Mutter M sind verheiratet und haben zwei Kinder: den zehnjährigen Sohn S und die 14-jährige Tochter T. S besucht die vierte Grundschulklasse und hat in der letzten Zeit mehrfach die Note „mangelhaft“ in Deutsch und Mathematik erhalten. V und M machen sich deshalb Sorgen, weil S im nächsten Jahr auf das Gymnasium wechseln soll. Sie „verhängen“ deshalb eine mehrtägige „Ausgangssperre“ für S, weil er jetzt intensiver als bislang für die nächsten Klassenarbeiten lernen soll. Ist dies zulässig?

2. In der Folgezeit werden die Schulleistungen von S wieder besser und bewegen sich jetzt zumeist zwischen den Noten gut und befriedigend. Nunmehr streiten V und M darüber, ob das Gymnasium wirklich für S die geeignete Schulart ist oder ob es mit Blick auf die praktischen Begabungen von S nicht besser die Realschule sei, wie M meint. Was jetzt?

3. Zusatzfrage: Wie wäre es, wenn V und M geschieden wären und S jetzt bei M lebt, während V in eine 200 km entfernte Stadt gezogen wäre?

4. V und M verlangen von T, die die achte Klasse des Gymnasiums besucht, dass sie täglich eine halbe Stunde im Haushalt mithilft (Geschirr abräumen und spülen, fegen, Rasen mähen etc.). T meint, dass sie als Schülerin dazu nicht verpflichtet sei und zudem regelmäßig Hausaufgaben zu erledigen habe. Wie ist die Rechtslage?

5. T hat jetzt das Abitur bestanden und absolviert eine Banklehre. Nachdem sie auch diese erfolgreich beendet hat, möchte sie noch ein Jurastudium anschließen und von ihren Eltern finanziert bekommen. Diese weigern sich jedoch, weil sie schon genug für T getan hätten und auch noch durch S finanziell belastet seien. Wird T ihren Wunsch durchsetzen können?

Grundkurs Bildungsrecht für Pädagogik und Soziale Arbeit

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