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2. Ziel, Wille, Bedacht! Am Apparier-Kurs teilnehmen

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In diesem Kapitel erfahren Sie, …


– dass für das Erreichen eines Zieles eine genaue Zielvorstellung unerlässlich ist

– dass kleine und große Ziele nicht in Widerspruch stehen sollten

– dass ein Wunsch kein Ziel ist

– was das mit dem Apparierkurs zu tun hat und wie wir den Raum der Wünsche und den Spiegel Nerhegeb nützen können

Der Weg ist das Ziel.

Konfuzius


Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.

Lao-Tse


Sobald der Geist auf ein Ziel gerichtet ist, kommt ihm vieles entgegen.

Johann Wolfgang von Goethe


So viele kluge Worte über Ziele! Und in jedem Ratgeber wird man es ebenso finden: das Ziel, das es zu erreichen gilt. Und man wird lesen können, dass man das mit der X- oder Y-Methode auch schafft. Dass man sich die Ziele stecken und dann „nur“ hartnäckig verfolgen müsse.

Die Wenigsten gehen der Frage nach, wie man überhaupt zu einem Ziel kommt. Nein, das ist kein Verschreiber, wir meinen nicht: ans Ziel! Wir meinen: ZU einem Ziel. Zu einem ganz persönlichen Ziel. Nicht eines, das sich ein Diätberater, Jobberater, Typberater ausgedacht hat. Das eigene. Oder die eigenen.


Ziele sollten Klarheit bringen. Das ist aber oft nicht so, wenn etwa vorgegaukelt wird, man könnte jedes Ziel erreichen, wenn man nur wirklich wolle. Die Euro-Million in einem Jahr? Glauben Sie fest daran, und sie gehört Ihnen. Der Partner/die Partnerin Ihrer Träume? Sie müssen es nur ganz fest wollen, und schon steht er oder sie vor der Tür. So einfach, so Lebensratgeber. Was bei diesem Strecken nach den Sternen zusätzlich schnell verloren geht, ist die Wertschätzung der kleinen Meilensteine und Etappenziele. Auch kleine Ziele sind Ziele.


Die AutorInnen wissen aus leidvoller Erfahrung, dass gerade jene Coaching-Sitzungen Gefahr laufen, ergebnislos zu enden, in denen wir der Erarbeitung exakter Ziele zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Und ein österreichischer Kolumnist bemerkte unlängst, die Politiker würden heute so farblos wirken, weil sie sich nicht für ein großes, klares politisches Ziel einsetzten[12]. Ja, es ist verdammt wichtig zu wissen, wo man hin will. Aber das Wollen muss aus einem selbst kommen. Und wenn das Ziel vom eigenen Herzenswunsch zu weit entfernt ist, kann man es zwar durchaus erreichen, aber Verluste sind vorprogrammiert.


Joanne K. Rowling weiß all das natürlich. Und ihr Wissen um die Bedeutung von Zielen, Wünschen und Werten fließt in ihre Bücher ein: Die magische Welt ist voll von Metaphern, die mit Zielerreichung zu tun haben. Einiges ist auch für uns Muggel nützlich und auf das Hier und Jetzt übertragbar.


Reisen wir dazu doch einmal gemeinsam nach Hogwarts. Ein Samstagmorgen im Februar. In der Großen Halle haben sich die aufgeregten Sechstklässler zur ersten Stunde des zwölfwöchigen Apparier-Kurses versammelt. Jetzt endlich dürfen sie lernen, wie man sich nur mit Hilfe eines Zauberstabs an einen anderen Ort „beamt“. Nur mit Hilfe eines Zauberstabs? Es braucht schon etwas mehr. Der Ministeriumszauberer Wilkie Twycross, ein „merkwürdig farbloser“ Mann, trichtert den gebannten ZuhörerInnen die „Goldene Dreierregel“ des Apparierens ein: „Ziel, Wille, Bedacht!“[13] Außer Hermine gelingt es niemandem. Susan Bones zersplintert gar und es braucht fremde Hilfe, um sie wieder mit ihrem Bein zu vereinen. Auch Ron wird später noch diesen Preis für die Unachtsamkeit zahlen. Denn das Apparieren hat seine Tücken, wenn man nicht ganz genau artikuliert, wohin man möchte oder sich den Ort, an den man reisen will, nicht verinnerlicht und genau vorstellt. Dasselbe gilt übrigens auch für das Reisen mit Flohpulver: So landet Harry bei seinem ersten Flohpulverreiseversuch in der trüben Nokturngasse, weil er in seiner Aufregung statt Diagon Alley (Winkelgasse) „diagonally“ (diagonal) nuschelt[14].


Worauf Zauberer beim Reisen achten müssen, ist dem Verfolgen von Zielen in unserer Muggel-Welt erstaunlich ähnlich. „Denken Sie immer daran, dass es wesentlich einfacher ist, ein Ziel zu erreichen, das klar definiert und deutlich sichtbar ist“, liest man zum Beispiel im populären Buch „NLP für Dummies“. Und konkret raten dessen Autoren Ready und Burton:


„1. Seien Sie sich Ihrer Zielvorgabe bewusst. Es ist besonders wichtig, präzise festzulegen, was man will.

2. Ergreifen Sie Maßnahmen.

3. Benutzen Sie Ihre Sinne.

4. Verhalten Sie sich flexibel.“[15]


Der chilenische Coach Julio Olalla wiederum zählt drei relevante Faktoren auf, die maßgeblich daran beteiligt sind, ob ein gewünschtes Vorhaben erreicht wird:


„- die Attraktivität der Zielvorstellung und deren Auswirkungen

- die Zuversicht in die Machbarkeit des eigenen Unterfangens

- die Klarheit über konkrete nächste Schritte“[16]


Erinnern diese Dinge nicht frappant an die Goldene Dreierregel? Nochmals zur Erinnerung: Ziel (Destination), Wille (Determination) und Bedacht (Deliberation). Man muss sich also ganz genau darauf konzentrieren, wo man hin will, man muss den Ort vor Augen haben und die Konzentration beibehalten. Man muss den gesamten Körper mit diesem Willen erfüllen. Und man muss, zusätzlich zu einer bestimmten Körperbewegung, mit Bedacht vorgehen. Sprich: Der Wunsch, der Wille allein, zählt nicht. Er muss bis in den Körper vordringen, idealerweise sogar mit möglichst vielen Sinnen wahrnehmbar sein.


Etappenziele und Fixsterne

Nun, beim Apparierkurs wird das Ziel vorgegeben: zu Beginn das Innere eines Reifens. Schwieriger ist es jedoch, seine eigenen Ziele zu finden. Und noch einmal: Schön, wenn Sie das eine große Ziel haben/finden, den Fixstern, der Ihnen Orientierung bietet. Aber selbst Harry Potter, der wie kaum einer von einer Mission getrieben ist, muss sich zusätzlich kleine Ziele setzen, wie etwa die nächste Prüfung zu bestehen oder die Hausaufgaben alle fertig zu kriegen.

Wenn Ihnen die nächsten Schritte vielleicht gar nicht so klar sind, schlagen wir vor, den Raum der Wünsche einzusetzen. Dieser Raum in Hogwarts öffnet sich nach einem bestimmten, aber nur Wenigen bekannten Ritual jedem, der einen klaren Wunsch äußert. Siehe „Accio Lösungen!“ am Ende dieses Kapitels.


Nerhegebs Weisheit und Grenzen

Zunächst sieht er aus wie ein normaler prunkvoller Spiegel: zwei Klauenfüße, ein reich verzierter Goldrahmen, und oben kann man eine Inschrift lesen: „NERHEGEB Z REH NIE DREBAZ TILT NANIEDTH CIN“ – Nicht dein Antlitz aber dein Herzbegehren. Es ist eben doch kein normaler Spiegel, sondern Nerhegeb, der Spiegel des Begehrens, den Harry da eines Tages zufällig findet und der ihn sofort fesselt. Der Zauberspiegel zeigt nicht das gewöhnliche Spiegelbild, sondern, laut Albus Dumbledore „nicht mehr und nicht weniger als unseren tiefsten verzweifeltsten Herzenswunsch“[17]. Das ist sehr klug. Ein normaler Spiegel gibt einfach seitenverkehrt eine Person wieder. Nerhegeb zeigt, was die Person ausmacht, in ihrem Inneren. Denn der Herzenswunsch ist das, was man fühlt, was aber schon da ist. Solche Wünsche sind der Antrieb, um vielleicht Ziele zu erreichen. Aber natürlich sind das noch keine Ziele.


Obwohl vermutlich in allen Menschen im Grunde der Wunsch nach bedingungslosem Angenommensein schlummert, äußert er sich doch bei jedem Menschen in unterschiedlichen Bildern. Harry sieht sich in Nerhegeb im Kreis seiner Familie, Ron erblickt sich selbst als Schulsprecher und Kapitän des Gryffindor-Quidditchteams mit Quidditch- und Hauspokal in der Hand. Sein innerster Wunsch ist der nach Anerkennung, der, etwas Besonderes zu sein.

Natürlich gibt der Herzenswunsch auch Aufschluss über die Ziele, aber direkt danach handeln lässt sich meist nicht. So sagt auch Dumbledore, manche Zauberer wären schon verrückt geworden, weil sie sich von diesem Bild nicht lösen konnten, denn „es ist nicht gut, wenn wir unseren Träumen nachhängen und vergessen zu leben“.[18]

Das bedeutet nicht, dass man seine Herzenswünsche ignorieren muss!

Ein Beispiel: Harry sieht im Spiegel sich mit seinen Eltern. Beide sind lange tot, und die Sehnsucht nach genau diesem Bild wird bleiben. Aber sein Herzenswunsch gibt ihm Aufschluss über sein Inneres, seine Potenziale und vielleicht auch über die Möglichkeiten, wie er ihn anders stillen kann. Die Sehnsucht nach Familie bekommt er etwa bei den Aufenthalten bei Rons Familie Weasley gestillt. Und er kann erkennen, dass die Liebe seiner Eltern auch seine größte Ressource ist, dieses Wissen um ihre Liebe. Daraus bezieht er Kraft. Es ist genau die Kraft, die Voldemort nicht hat und die er ihm entgegensetzen kann. Auch die Auseinandersetzung mit dem Tod, die aus diesem Bild folgt, ist das, was Harry letztlich bei seiner Zielerreichung hilft.


Was können wir daraus lernen? Unser innerster Herzenswunsch weist uns den Weg zu unseren Ressourcen und zu dem Gefühl, wo wir ganz bei uns sind. „Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen. Vorboten desjenigen, was wir zu leisten im Stande sein werden“, schreibt Goethe in seinen Autobiographischen Schriften „Dichtung und Wahrheit“.[19]


Der Spiegel Nerhegeb als Metapher zeigt, wie wichtig es ist, unsere eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und anzuerkennen. Und vielleicht auch verständnisvoll zuzugestehen, dass der Herzenswunsch so möglicherweise nicht erfüllbar ist. Harry wird seine Eltern nicht lebendig machen. Aber der Blick zum Herzenswunsch führt uns zur innersten Kraft, zum größten Antrieb. Und dann gilt es, diese Erkenntnisse zu nutzen, damit weiterzuleben und mit diesem Gefühl im Hintergrund die kleinen Ziele zu erfüllen.


Accio Lösungen!


Ein Blick in den Spiegel des Begehrens

Stellen nun Sie sich gedanklich vor den Spiegel Nerhegeb. Visualisieren Sie ihn ganz fest: Es ist der Spiegel, der Ihren Herzenswunsch sichtbar macht. Was zeigt er? Was können Sie erkennen? Nehmen Sie das erste, was kommt und versuchen Sie, es zu deuten.

Und wichtig: Sehen Sie die Übung als Spiel. Probieren Sie es aus, wenn es klappt, fein, wenn nicht, lassen Sie es wieder.


Der Raum der Wünsche

Für die Uneingeweihten: Der Raum der Wünsche ist in einem bestimmten Gang von Hogwarts zu finden und tut sich nur auf, wenn man drei Mal daran vorbeigeht und einen Wunsch ganz klar (bei sich) äußert. So finden manche Magier hier einen Ort, um sich selbst, magische unerwünschte Objekte oder leere Sherryflaschen zu verstecken oder aber einen Übungsraum, um mit anderen Schülern Verteidigung gegen die dunklen Künste zu üben – worauf sich der Raum mit allem füllt, was man dazu braucht.


Auch hier gilt zuerst: Man findet diesen magischen Raum nur, wenn man seinen Wunsch klar artikuliert. Interessant ist, was man will, nicht, was man nicht will. Stellen Sie sich also vor, Sie gehen in dem Gang vor der besagten Steinmauer auf und ab und wünschen sich einen Raum, der mit allem, was Sie für Ihr nächstes Vorhaben brauchen, gefüllt ist. Was wäre da drin, was Sie jetzt brauchen könnten? Stellen Sie sich genau vor, was Sie finden, schreiben Sie es am besten auf. Dann verlassen Sie den Raum der Wünsche wieder und überlegen Sie, ob es nicht einen Teil gibt, der vielleicht schon vorhanden ist? Und was könnten Sie jetzt schon tun, um auch nur einen kleinen Teil dessen, was Sie im Raum der Wünsche gesehen haben, zu bekommen oder zu erreichen?


Zielrahmen – der Blick nach vorn

Bei der Lösung von Problemen ist der so genannte Zielrahmen hilfreich, ein variabler Katalog von nach vorne gerichteten Fragen. Natürlich kann auch die Klärung von Ursachen und Verantwortungen hilfreich sein, allerdings ist das meist der zeitaufwändigere und sackgassenreichere Weg. Zamyat Klein[20] bittet ihre LeserInnen und SeminarbesucherInnen, ein ungelöstes Problem herzunehmen und dann zwei Blöcke von Fragen zu beantworten. Probieren Sie es aus! Suchen Sie sich ein offenes Problem, nehmen Sie Block und Schreibgerät zur Hand und beantworten Sie die beiden Listen von Fragen.


Fragen Teil 1: Problem beschreiben

Was ist nicht in Ordnung, was stimmt nicht?

Wie lange haben Sie dieses Problem schon?

Woher kommt dieses Problem?

Inwieweit erlegt Ihnen dieses Problem Beschränkungen auf?

Was wird geschehen, wenn das Problem ungelöst bleibt?

Wer ist verantwortlich für dieses Problem?

Was war das schlimmste Beispiel für dieses Problem?


Fragen Teil 2: Zielrahmen definieren

Was genau wollen Sie?

Woran erkennen Sie, dass Sie es erreicht haben?

Unter welchen Umständen, wann, wo und mit wem wollen Sie es erreichen?

Was wird noch besser, wenn Sie es erreichen?

Welche der Ressourcen, über die Sie bereits verfügen, kann Ihnen beim Erreichen des Ziels helfen?

Welcher ist der erste Schritt dazu, den Sie jetzt tun sollten?


Sehen Sie sich Ihre Antworten an und bewerten Sie: Wohin haben die Antworten geführt? Was haben die Fragen in Ihnen ausgelöst? Und wie haben die Fragearten auf Sie gewirkt? Welche Fragen haben mehr zum Verständnis beigetragen? Welche haben eher in Richtung einer Lösung geführt?


Möglicherweise haben Sie festgestellt, dass die Fragen in Teil 1 das Problem und seine Ursachen genauer erklären, die Fragen in Teil 2 sich jedoch mit der Lösung beschäftigen. Wichtig ist, dass es sich dabei um unterschiedliche Perspektiven handelt. Die Ursachen eines Problems zu kennen, führt nicht automatisch zu einer Lösung, kann aber zum Verständnis beitragen. Auf der anderen Seite hilft die Beschäftigung mit den Fragen im Zielrahmen, einer Lösung näher zu kommen, kommt aber dem Ursprung eines Problems nicht unbedingt näher, der z. B. für die Beschäftigung mit dem Kontext oder der Sichtweisen anderer interessant wäre. Beobachten Sie, welche Fragen in welchen Situationen hilfreich sein können und wenden Sie sie bewusst an.

Ziele und Zaubersprüche

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