Читать книгу Evolution 5.0 - Selektion - Roy O'Finnigan - Страница 9

6. Wegelagerer

Оглавление

Sam riecht Ärger. Zusammen mit Vilca marschierten sie eine verlassene Landstraße entlang. Sie kurvt in einer großzügigen Linkskurve einen kleinen Hügel hoch. Kurz vor der Kuppe tauchten plötzlich diese vier Kerle vor ihnen auf. Sie lauerten in dem Gebüsch neben der Straße. Das Versteck ist strategisch bestens gelegen. Von hier aus hat man über mehrere Kilometer freien Blick und erspäht schon von Weitem, wer kommt. Man sieht den Typen an, dass sie ihren Lebensunterhalt mit Wegelagerei auf den umliegenden Landstraßen ergaunern.

Alle vier stürmten blitzschnell auf die Straße und verteilten sich quer über die Fahrbahn, um ihnen den Weg zu versperren. Richtig verwegen sehen sie aus. Ungewaschen, ungepflegt, die Kleidung heruntergekommen. Einer von ihnen hat sich sogar so was Ähnliches wie einen Mantel aus dem Fell einer braun-weiß gefleckten Kuh gemacht. Sie sind mit Knüppeln, Ketten und Messern bewaffnet und machen den Eindruck, damit umgehen zu können.

Die beiden ungleichen Parteien mustern sich gegenseitig. Sam kann nicht umhin zu bemerken, dass die Musterung ihrer Seite im Wesentlichen daraus besteht, dass alle Augenpaare auf Vilca gerichtet sind. Man braucht keine Gedanken lesen zu können, um sich vorstellen zu können, was in den Köpfen der Kerle vorgeht. Bestimmt haben sie schon Pläne geschmiedet, wie das Ganze ablaufen soll. Zeit genug hatten sie ja. Sam schätzt, dass für ihn eher eine unbedeutende Nebenrolle vorgesehen ist. Vermutlich haben sie vor, ihn möglichst schnell zu erledigen, um dann mehr Zeit zu haben, um sich mit Vilca zu beschäftigen. Er beabsichtigt, ihnen den Spaß gründlich zu verderben. Schließlich bricht der Riese rechts gegenüber von Sam das Schweigen.

»Na, wen haben wir denn da?«, sagt er, ohne Sam eines Blickes zu würdigen. »Heute ist dein Glückstag. Für das Mädchen und deinen Rucksack lassen wir dich sogar unbehelligt weiterziehen. Aber beeil dich, bevor ich es mir anders überlege.«

Der Typ, der sie angesprochen hat, ist einen ganzen Kopf größer als die anderen. Außerdem ist der Kerl mindestens doppelt so breit. Sam tut sich schwer einzuschätzen, wie viel Muskelmasse sich unter dem Fett verbirgt. Auf jeden Fall wirkt der Baseballschläger, mit dem er beiläufig spielt, eher wie ein Zahnstocher. Jedes Mal, wenn er den Schläger mit seiner linken Hand auffängt, hört man ein sattes Klatschen.

Sam glaubt nicht, dass es etwas nützt, aber er versucht trotzdem, eine friedliche Einigung mit den Wegelagerern zu erreichen. Er hebt die Hände zur Beschwichtigung.

»Wir wollen keinen Streit mich euch. Wir geben euch von unseren Lebensmittelvorräten so viel wir entbehren können, dann lasst ihr uns einfach weitergehen und es wird keinem etwas passieren.«

Der Dicke bleckt die Zähne.

»Ha, für wie blöd hältst du uns eigentlich? Sehen wir vielleicht aus wie die Heilsarmee? Wir nehmen uns, was wir wollen. Lass deine Sachen hier und hau ab. Das Mädchen bleibt. Die ist sowieso scharf auf mich. Wenn wir mit ihr fertig sind, kann sie ja nachkommen, wenn sie dich dann noch will.«

Die letzte Bemerkung trägt zur allgemeinen Erheiterung der Wegelagerer bei. Vilca verzichtet darauf, etwas zu sagen, aber der leicht hochgezogene Mundwinkel und die schiefen Augenbrauen bringen deutlich ihre Verachtung zum Ausdruck.

»Hör endlich auf zu quatschen, Smasher.«, ruft der Kerl mit der Glatze, der ganz rechts von ihnen steht. »Verpass Häuptling Lahmer Coyote eine mit deiner Vorhand, damit wir endlich zum vergnüglichen Teil des Tages übergehen können.«

Sam macht sich breit, spannt seine Muskeln an und hebt die Stimme.

»Ihr macht einen großen Fehler. Lasst uns einfach weitergehen, bevor ihr es noch bereut.«, sagt er mit seiner ganzen Autorität.

Smasher wirbelt den Baseballschläger demonstrativ durch die Luft.

»Zum letzten Mal. Verpiss dich und vergiss die Schlampe. Oder möchtest du zusehen, wie sie sich mit uns amüsiert? Das kannst du gerne haben.«

Sam lässt sich Zeit mit einer Antwort. Stattdessen betrachtet er den etwas schmächtig gebauten Burschen mit den langen, fettigen Haaren und dem verschmutzten Gesicht links von ihm. Bestimmt ist das ihr Anführer. Er ist sich sicher, dass er den Hünen nur vorgeschickt hat, um sie einzuschüchtern.

Offensichtlich geht es noch darum sie einzuschätzen. Wenn sich die Wegelagerer sicher wären, dass sie Vilca und ihn ohne Risiko überwältigen könnten, hätten sie schon längst angegriffen. Sam befürchtet, dass nicht mehr viel Zeit bleibt. In ein paar Sekunden werden die Straßenräuber eine Entscheidung treffen. Es gibt für ihn keinen Zweifel, wie die ausfallen wird. Am besten ist, ihre Gegner zu überraschen. Obwohl es zwei zu eins gegen sie steht, hegt Sam große Zuversicht den Kampf zu gewinnen.

Trotzdem darf der Anführer nicht unterschätzt werden. Er sieht zwar schmächtig aus, aber irgendetwas muss an ihm dran sein. Sonst hätte er sich in dieser Gruppe nicht behaupten können. Sam ist sich sicher, dass er hier das Sagen hat.

Heimlich zwinkert er Vilca zu. Das ist das Zeichen, auf das sie schon die ganze Zeit gewartet hat. Sam spürt, wie sich ihre Haltung verändert. Langsam nimmt er den Rucksack herunter und hält ihn so vor der Brust, als ob er ihn gleich vor sich abstellen wollte. Vilca nimmt ihren ebenso ab.

Mit einem Ruck und aller Kraft wirft er das Gepäckstück in Richtung des Anführers, um ihn abzulenken. Blitzschnell setzt Sam nach und ist schnell genug, um ihm einen satten Tritt in die Kronjuwelen zu verpassen.

Obwohl der Kick ein Volltreffer ist, verfehlt er seine Wirkung. Erst jetzt erkennt Sam, dass er einer Frau zwischen die Beine trat. Sam ist so überrascht, dass er zu langsam reagiert. Die Frau bedankt sich bei ihm mit einem harten Schlag in die Magengrube. Das Geräusch das ihre Faust beim Aufprall macht, übertönt sie mit einem spitzen Kampfschrei. Noch vor ein paar Monaten hätte ihn dieser Schlag nach Luft schnappend zu Boden geschickt. Doch dank des Kampfsporttrainings von Urs und Vilca verpufft der größte Teil davon an seinen Bauchmuskeln. Das wiederum überrascht die Frau.

Sam hätte sie in diesem Moment locker mit einem Schlag gegen die Schläfe außer Gefecht setzen können, aber jetzt wird er von dem Kerl mit dem Kuhfellmantel angegriffen. Der schwingt eine Metallkette mit zwei-fingerbreit dicken Gliedern. Augenscheinlich hat er damit einige Übung. Sam hat Mühe, der wirbelnden Kette auszuweichen. Immer, wenn sie auf dem Asphalt der Straße aufschlägt, klirrt sie unheilverkündend. Manchmal zieht sie auch einen Schauer von Funken hinter sich her. Er hat keine Zeit nachzusehen, wie es Vilca ergeht. Es bleibt ihm nur zu hoffen, dass sie sich den Riesen und den Glatzkopf vom Leibe halten kann, bis er mit seinem Problem fertig ist.

Der Typ braucht so viel Platz für seine Kette, dass die Frau sich langsam zurückzieht und sich dem Riesen und dem Glatzkopf anschließt. Na, großartig. Jetzt steht es drei zu eins gegen Vilca. Irgendwie muss ich den Kettenschwinger schnellstens loswerden, um ihr helfen zu können.

Schnell durchschaut Sam die Taktik seines Gegners. Jedes Mal, wenn er die Kette schräg von unten nach oben schwingt, gibt es für einen kurzen Moment eine Lücke in seiner Verteidigung. Sam wartet den geeigneten Moment ab und verpasst ihm dann einen Tritt in die Nieren. Der Schlag ist ein Volltreffer. Der Kuhmantelmann erstarrt regelrecht und Sam beendet die Sache mit einem wohldosierten Schlag gegen den Kopf, der von einem trockenen Tock begleitet wird.

Noch bevor die Kuhhaut den Boden berührt, eilt er seiner Freundin zur Hilfe. Die Frau, Smasher und der Glatzkopf hatten Vilca eingekreist, waren aber nicht schnell genug, sie zu treffen. Geschickt und geschmeidig wie eine Katze weicht sie ihren Schlägen, Knüppeln und Messern immer wieder aus. Allerdings halten sie sie so in Schach, dass Vilca ihrerseits auch keinen Treffer landen kann.

Der Zufall will es, dass die Frau Sam am nächsten steht. Zu ihrem Pech ist sie so sehr auf Vilca fixiert, dass sie Sam zu spät bemerkt. Sie versucht noch den Angriff abzuwehren, aber Sam ist so in Schwung, dass er sie mit einem einzigen Kick auf den Solarplexus, außer Gefecht setzt.

Jetzt stehen nur noch zwei der Wegelagerer. Einer davon ist der Hüne. Zusammen mit dem Glatzkopf attackieren sie unverdrossen Vilca. Zu zweit sind die Kräfte äußerst unfair verteilt. Die beiden sind gegen die Sängerin chancenlos. Sie ist viel schneller und gelenkiger. Obwohl das Paar sie gleichzeitig mit Baseballschlägern angreift, hat sie keine Probleme auszuweichen. Sie ist so geschickt dabei, dass sie sich gelegentlich selbst treffen.

Kurze Zeit später trifft Vilca den Glatzkopf mit einem Side-Kick an der Schläfe, worauf dieser wie vom Blitz gefällt zu Boden geht. Danach ist nur noch der Hüne übrig. Blitzschnell weicht sie seinen plumpen Schlägen aus und versetzt ihm jedes Mal einen Tritt oder Hieb auf eine empfindliche Stelle. Der ungleiche Zweikampf wirkt, als wolle ein behäbiger Elefant ein Wiesel fangen.

Sam bemerkt, dass sie den Kampf schon längst hätte beenden können, aber der Hüne hatte sie wohl so gereizt, dass sie ihm nun eine gehörige Lektion erteilen will. Und das tut sie dann auch. Sie verprügelt ihn nach Strich und Faden. Zum Schluss kann er gar nicht mehr angreifen und beschränkt sich nur noch darauf, ihre Tritte und Schläge so gut es geht abzuwehren. Sam staunt, wie viel der Typ einstecken kann. Vilca ist zwar eine Frau, aber mit ihren Ein-Meter-Vierundachtzig Körpergröße und jahrelangem Kampfsporttraining zeigen ihre Schläge selbst bei so einem Koloss Wirkung.

Endlich findet Vilca, dass sie genug schlagende Argumente gegen sexuelle Belästigung vorgebracht hat und beendet das Ganze mit einem Kick zwischen seine Beine. Bei dem Geräusch, das der Tritt verursacht, zuckt Sam unwillkürlich zusammen. Er wusste schon immer, dass seine Freundin sich zu wehren weiß, aber erst jetzt wird ihm klar, wie gut ihre Kampfsporttechnik wirklich ist. Vor allem die Bereitschaft, ihre Fähigkeiten kompromisslos einzusetzen, wenn es darauf ankommt, macht sie doppelt gefährlich.

Mit Genugtuung sieht Vilca zu, wie der Riese mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden sinkt. Dann dreht sie sich zu Sam um.

»Na, wie war der Flirt mit der Kleinen?«, fragt sie mit einem Funkeln in den Augen, bei dem Sam sich nicht sicher ist, ob sie es ernst meint oder nur Spaß macht.

»Enttäuschend. Ich bin unangenehm überrascht worden. Und wie war dein Date? Ich hätte dir nicht zugetraut, dass du zu einem Dreier auch noch eine Frau einlädst.«

»Tja, mein lieber Sturmwind. Mittlerweile solltest du mich besser kennen. Du brauchst dich nicht zu wundern, wenn du mich wegen einer anderen Frau stehen lässt. Da muss ich halt dann selbst schauen, dass meine Bedürfnisse befriedigt werden.«

Sam sieht Vilca mit gespielter Überraschung an.

»Sternchen, bist du etwa eifersüchtig gewesen?«

Evolution 5.0 - Selektion

Подняться наверх