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Es gehört immer etwas guter Wille dazu, selbst das Einfachste zu begreifen, selbst das Klarste zu verstehen.

Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

2. SIND GESTEN FÜR JEDEN VERSTÄNDLICH?

Gesten und insbesondere selbstverständliche Alltagsgesten, also Embleme, können in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen verschiedene Bedeutungen haben. Das kann zu Missverständnissen in der Kommunikation führen. Verstärkt wird die Gefahr der Fehlinterpretation einer Botschaft dadurch, dass kulturspezifische Deutungen sich unterscheiden, dass Genderaspekte nicht berücksichtigt werden, dass der Kontext falsch eingeschätzt wird oder dass die Geste gar nicht als solche wahrgenommen wird und damit die Botschaft nicht ankommt.

Dazu gibt es zahlreiche Untersuchungen. Bei einer in Israel 1988 durchgeführten Untersuchung (vgl. Apeltauer 1997: 27) wurden 46 Collegestudenten aus vierzehn verschiedenen Herkunftsländern äthiopische Embleme auf Video gezeigt. Die spannende Frage lautete, was als Geste ankommt und wie sie gedeutet wird. Ein Teil der Embleme wurde nicht als Geste wahrgenommen, sondern als Verhalten ohne Mitteilungsabsicht. Von den als Emblem erkannten Handzeichen wurden nur 23,3 % richtig dekodiert. Auch wenn es sich um eine ältere Studie handelt, wird deutlich, dass durch Gesten vermittelte Botschaften nicht immer ankommen oder allgemein verständlich sind.

In Kapitel 3 werden dazu Unterschiede in Begrüßungssituationen vorgestellt. Aber auch deiktische Gesten können missverstanden oder nicht wahrgenommen werden.

Viele Menschen erwarten den Fingerzeig bei einer Hinweisgeste, diese kann aber auch durch einen Blick, durch ein Heben des Kinns oder durch gespitzte Lippen ausgeführt werden. Da redebegleitende Gesten einen kurzen Moment vor der verbalen Formulierung produziert werden, lösen sie eine Erwartung aus, die die Deutung der Worte beeinflusst. Die Geste bestimmt also in manchen Fällen – wenn sie als solche erkannt wird –, wie die Rede zu interpretieren ist.

Ein einfaches Beispiel dafür ist der Fingerzeig nach vorne. Bei einer Unterhaltung zwischen einer Person aus Zimbabwe und einer Person aus Deutschland ging es um den Austausch von Erfahrungen und der zukünftigen Gestaltung der Städtepartnerschaft zwischen München und Harare. Das Deuten nach vorne wurde von der deutschen Person als Hinweisgeste in die Zukunft verstanden, von der Person aus Harare war aber die Vergangenheit gemeint. Die mit der Geste verbundene Vorstellung ist in unterschiedlichen Zeitkonzepten verankert. Während in Europa die Zukunft vor einem liegt, planbar und gestaltbar erscheint, ist in vielen afrikanischen Kulturen die Vergangenheit das, was man überblicken kann, das Erlernte, die eigenen Erfahrungen, die eigene kulturelle Entwicklung und die von den Vorfahren zur Verfügung gestellten Ressourcen zur Lebensbewältigung. Dass Geste und verbale Äußerung nicht zusammenpassten, führte zu einer Irritation, die erst durch Metakommunikation beseitigt werden konnte.

Gesten werden nicht isoliert eingesetzt. In Gesprächssituationen sind sie nicht nur in den Gesprächskontext eingebunden, sondern in viele weitere Ebenen nonverbaler Signale, die durch die Körperhaltung, die Mimik, die Stimmführung, den Blickkontakt oder die Körperdistanz bewusst oder unbewusst gesendet werden. Eine Geste kommt anders an, je nachdem, ob sie mit einem freundlichen Lächeln oder durch einen finsteren Blick begleitet wird. Das erleichtert einerseits das Verstehen, andererseits unterscheiden sich aber auch andere Aspekte kultureller Konventionen der nonverbalen Kommunikation – und das zum Teil erheblich.

Dennoch gelingt interkulturelle Verständigung in der Regel, wenn Verständigungsbereitschaft, Vorsicht bei der Interpretation und der Wunsch, sein Gegenüber richtig zu verstehen bei den Kommunizierenden gleichermaßen vorhanden sind. Hilfreich sind dabei interkulturelle Kompetenzen wie die Fähigkeit, die eigene Interpretationsfolie zu reflektieren, die Bereitschaft zum Perspektivenwechsel, Ambiguitätstoleranz, also das Aushalten von Uneindeutigkeiten, das Wissen um unterschiedliche Konventionen, eine Haltung des Respektes; und durch Metakommunikation Irritationen anzusprechen, nachzufragen und zu erläutern – wenn dazu die Möglichkeit besteht und das Interesse vorhanden ist.

Zeig mal: Gesten

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