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1.2.2„Korrespondenz“- Kreis

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Ein weiterer wichtiger Wegbereiter für die spätere Gründung des AKH war die sogenannte „Korrespondenz.“143 Diese Gruppe wurde in der zeitgeschichtlichen Diskussion um postkonziliare Aufbruchsbewegungen in der DDR bislang kaum gewürdigt.144 Dies verwundert angesichts ihrer brisanten und provokativen Forderungen im Hinblick auf eine theologisch-politische Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit dem SED-Staat.145

Auf Anregung des Hallenser Studentenpfarrers Adolf Brockhoff bemühten sich seit Anfang des Jahres 1966 etwa zehn Akademiker und Studenten durch Briefsendungen um Möglichkeiten der innerkirchlichen Meinungsbildung.146 Die Korrespondenz-Gruppe, der Name ergab sich aus der angestrebten Aufgabe, war keine geschlossene Gemeinschaft und besaß aufgrund der Vielfalt der Fachrichtungen ihrer Mitglieder ein durchaus heterogenes Meinungsbild.147 Allen gemeinsam war das Bemühen, angesichts einer stagnierenden Situation nach dem Aufbruch des Konzils und der zunehmenden „Ratlosigkeit und Resignation“148 über das Verhältnis zum sozialistischen Staat, Veränderungen in der kirchlichen Situationsbewertung in Gang zu setzen.

Geprägt vom Modell eines innerkirchlichen Pluralismus und der konziliaren Erneuerung verpflichtet, verstand sich die Gruppe als „eine Gemeinde neuen Typs […die] unmittelbar als Sauerteig eines neuen Kirchenbewusstseins wirken“149 wollte. Ihre Intention bestand vor allem darin, „eine Gemeinschaft von kritisch Gesinnten zu stiften, die im offenen Dialog miteinander umgehen. Gemeinsam die Angst vor Repressalien des DDR Staates zu überwinden. Kritische Texte, vor allem zu Fragen des innerkirchlichen Dialoges zu verbreiten und zur Diskussion zu stellen.“150 Doch nicht nur das Versenden von Briefen sollte das Wirken der Korrespondenz bestimmen. Mit der „theoretischen Arbeit müsste in stärkerem Maße eine praktische Einflussnahme verbunden werden“151, zu der es aber letztlich nicht kam. Ihr Credo - „Brecht euren Acker von Grund auf um und sät nicht auf Dornen“ (Jeremias 4,3) - das alle Briefsendungen kennzeichnete, stand paradigmatisch für ihren Anspruch: Kritik zu üben und Anfrage an das kirchliche Selbstverständnis in einem sozialistischen Staat zu sein, um einen Bewusstseinswandel im offiziellen und privaten Verhältnis von Staat und Kirche zu implementieren. Die Korrespondenz kann daher als eine der ersten Gruppierungen im DDR-Katholizismus gelten, die sich für Formen innerkirchlicher Demokratisierung und für die Anerkennung des Sozialismus einsetzte.152

Durch mehr als zehn offene Briefe versuchten die zum Teil noch aktiven Mitglieder der Thomas-Morus-Studentengemeinde „ihre Meinung zu verschiedenen Fragen des kirchlichen Lebens, insbesondere zu Problemen des Christen und seiner Kirchen in der DDR, einer größeren Öffentlichkeit vorzutragen.“153 Ausdrücklich wurde in den Briefen um Rückantwort gebeten, um die „Korrespondenz“ zu einer Gesprächs- und Informationsplattform zu entwickeln.154 Dieser Versuch scheiterte an der zu geringen Zahl von schriftlichen Rückmeldungen auf die mit einer Auflage von bis zu 200 Exemplaren an einen weiten Kreis von Empfängern in Ost- und Westdeutschland verschickten Briefsendungen.155 Das mangelnde oder zögerliche Interesse dürfte sich aus verschiedenen Quellen gespeist haben. Dem vielfach konstatierbaren Informationsbedürfnis vieler Katholiken dürften das freimütige Auftreten der Gruppe mit Nennung von Namen und Adressen der jeweiligen Autoren sowie die Intention der Aussagen und die teils radikal formulierten Forderungen entgegengestanden haben. Der latente Verdacht kirchlicher Stellen, dass die „Korrespondenz“ mit staatlichen Stellen kooperiere, und die kirchenamtliche Kritik an den Aussagen des Kreises dürften zur mangelnden Rezeption nicht unwesentlich beigetragen haben.156 Auslöser für das Ende der „Korrespondenz“ war nach der Niederschlagung des Prager Frühlings ein Zerwürfnis über die Opportunität eines Beitrages zur Volksabstimmung über die DDR-Verfassung und das Bekenntnis eines Mitgliedes zu seiner Stasi-Mitarbeit.157 Da die Auffassungen der Korrespondenz-Gruppe der offiziellen Kirchenpolitik diametral widersprachen, zeichneten sich ihre Beiträge durch einen „den Verhältnissen entsprechend, relativ negativ-kritisch[en]“158 Ton aus, verfolgten aber nach eigenem Bekunden im Grunde eine „positive Absicht.“159 Trotz verschiedener Beziehungen zur „Berliner Konferenz“ und den Herausgebern der Zeitschrift „Begegnung“ war die „Korrespondenz“ insgesamt um Distanz zu diesen Organisationen bemüht.160 Die Frustration über die ausbleibende Resonanz dürfte die Auflösungserscheinungen noch begünstigt haben. So stellten die Herausgeber 1968, nach nur zweijähriger Tätigkeit, das Erscheinen auf eigenen Entschluss hin ein. Das Potential der Mitglieder kanalisierte sich teilweise im späteren AKH.

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