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Raum halten

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Raum halten:


Oft machen wir uns selbst, ohne es zu merken, zum Mittelpunkt der Welt. So sehr, dass wir gar

nicht richtig zuhören, wenn uns jemand anderes etwas erzählt. So sehr, dass wir die anderen gar nicht

richtig wahrnehmen, die um mich herum stehen und genau den selben Sonnenuntergang betrachten. Ich

kenne sie nicht persönlich, kenne nicht ihre Namen oder was sie gern in ihrer Freizeit tun. Deswegen sind

sie irgendwie auch nicht so richtiger Teil meiner Realität, sondern stehen nur am Rand, sind Nebenrollen

oder Komparsen, denen ich nicht viel Beachtung schenke, da sie keinen großen Einfluss auf die

Hauptgeschichte und auf die Hauptcharaktere zu haben scheinen. Sind so mit uns selbst und unseren

eigenen Gedanken, unserem heutigen Tag, der nächsten Woche, was wir wohl zum Abend essen usw.

beschäftigt. Und so dreht sich unser Gedankenkarussel Tag für Tag weiter,

manchmal langsam, manchmal schneller, doch meistens dreht es sich und meistens um uns selbst.

Tatsächlich drehen sich durchschnittlich 95% unserer Gedanken, um uns selbst. Klar, unsere Gedanken

drehen sich um viel mehr als das. Wir denken an die Arbeit, Sport, unsere Freunde oder Familie. Aber auch

nur deswegen, weil sie mit uns in Kontakt stehen, Teil unserer Realität sind und uns wichtig sind. Und

demnach Teil unseres Seins und unserer Realität sind. Weißt du, welches das meistgesprochene Wort ist, in

allen Sprachen? Ich. Darauf wäre man gar nicht unbedingt gekommen oder? Hast du dich und deine

Gedanken mal einen ganzen Tag genau beobachtet? Beobachtet, woran du denkst, wie intensiv und wie

lange, wie oft? Tatsächlich ist es doch wirklich so, dass wir so viele unserer täglichen Sätze, egal ob zu uns

selbst oder einer anderen Person mit dem Wort Ich anfangen oder es zumindest irgendwo enthalten ist.

Ich glaube,… ”, “ Ich gehe einkaufen…” , “ Ich habe das so und so gemacht ”. Das Ich schummelt sich

irgendwo immer in jedes Gespräch und in jede Situation, will Aufmerksamkeit, will Teil sein, will gesehen

und gehört werden. Deine Geschichte, deine Person, deine Gefühle, das alles will gehört werden. Ob

bewusst oder unterbewusst, das ist Teil der menschlichen Natur. Auch wenn wir wissen, dass sich die Welt

vermutlich nicht um uns dreht und wir auch in keinem Film die Hauptrolle sind und alle anderen nur

Nebenfiguren, tun wir oft so als wäre dies der Fall. Leben so, als würde

sich alles um uns drehen. Und es ist komisch, das über sich selbst zu sagen oder zu denken, denn das

klingt furchtbar egoistisch und wir sind doch eigentlich ein Gutmensch, wollen selbstlos, emphatisch und

für andere da sein. Zugegebenermaßen, es ist auch schwer, sich nicht zum Mitelpunkt zu machen, wenn

man doch nur seine eigene subjektive Wahrnehmung ist und das nun einmal alles ist, was man täglich

fühlt, hört, sieht, fühlt. Deine Realität durch die Linse deiner eigenen, subjektiven, einzigartigen

Wahrnehmung. Deine Wahrnehmung ist alles, was du hast, wie sollte es anders sein. Die gleiche Realität

kann für den einen Menschen rosarot- kunterbunt und wunderschön sein, während sie für den anderen

langweilig oder trostlos ist. Vielleicht durchlebt der eine gerade eine Scheidung und der andere ist frisch

verliebt. Vielleicht sind sie auch beide mitten im Prozess einer Scheidung und tragen beide ähnlichen

Schmerz mit sich herum. Und trotzdem nimmt die eine Person die Welt so anders wahr, als der andere.

Woran liegt das?

Deine Realität ist eine Projektion deiner Selbst. Die Welt spiegelt das wieder, was du bist. Alles, was du

denkst, fühlst und bist, spiegelt sich in deiner Realität wieder. Alles ist ein Spiegel, du musst nur gut

hinschauen, einen Blick dafür entwickeln, dann siehst du es. Deine romantische Beziehung ist ein Spiegel

deiner Beziehung zu dir selbst. Du erfährst so viel Liebe von außen, wie du dir selbst schenkst. Jeden

Konflikt, den du mit einem deiner Mitmenschen hast, spiegelt eigentlich ein Problem in dir wieder. Zeigt

dir etwas auf, an dem du arbeiten solltest. Manchmal ist die Reflektion nicht eins zu eins diegleiche und

nicht so offensichtlich, sondern eher symbolisch. Ist der Postbote unfreundlich und lächelt nie? Mache es

dir zur Gewohnheit, superfreundlich zu ihm zu sein, wünsch ihm ein schönes Wochenende usw. Stört dich,

dass dein Partner dir nie Komlimente macht? Dann verschenke selbst mehr. Dir selbst, ihm, deiner Mutter,

wem auch immer. Was du gibst, bekommst du zurück. Wenn du mehr Geld haben möchtest, dann gib

mehr Geld. Nicht für Klamotten oder Schuhe, die dann im Endeffekt für dich selbst sind. Spende and

Wohlnützige Organisationen, verschenke etwas an Obdachlose. Nicht mit dem Gedanken, etwas zurück

bekommen zu wollen. Sondern mit der Intention zu geben. Gib mehr Freundlichkeit, Geld, Liebe und du

bekommst es zurück. Es scheint viel zu einfach, um wahr zu sein, dass man es nicht einmal ausprobiert.

Wenn du die Welt anlächelst, lächelt sie zurück. So einfach ist das.

Wenn du allerdings, neidische oder gierige Intentionen hast…. Bekommst du das ebenfalls zurück,

auf einem Wege oder dem anderen. Die Qualität deiner Beziehungen im Leben ist die Qualität der

Beziehung zu dir selbst. Alles ist ein Spiegel, versuche mal darauf zu achten.


Wie bereits erwähnt, haben wir uns selbst so sehr zum Mittelpunkt unserer Realität gemacht, dass wir oft

gar nicht richtig hinhören, wenn andere uns etwas erzählen, gar nicht richtig da sind. Wir unterhalten uns,

hören aber gar nicht richtig hin, sondern denken nur darüber nach, was wir als nächstes sagen könnten,

womit

wir uns identifizieren können, was wir auch schon einmal erlebt haben. Warten darauf, dass wir an der

Reihe sind, zu reden. Sie hören nur zu, um selbst sprechen zu können. Das ist die eine Art, von Zuhörern.

Dann gibt es noch solche, die nur so tun, als würden sie zuhören und ab und zu passende Bemerkungen

machen und hoffen, dass es keiner merkt. Und solche, die aktiv zuhören. Und sich auf nichts anderes, in

dem Moment konzentrieren, als das, was der andere in diesem Moment gerade mit uns teilen möchte. Die

sich währenddessen, gar keine Gedanken darüber machen, was sie wohl als nächstes sagen könnten,

welche Geschichte dazu passen könnte oder das Erzählte irgendwie anders auf sich selbst beziehen. Und

wie in vielen Dingen, fällt es schwer, sich selbst so etwas einzugestehen, passt irgendwie nicht so recht zu

dem Bild, das man von sich selbst hat. Vielleicht ist das mit dem Zuhören auch Tagesform abhängig oder

wir suchen die Gründe in dies oder das.

Also ich persönlich sehe mich darin schon schuldig, nicht immer,

aber ab und zu mit Sicherheit. Ein guter Zuhörer zu sein ist eine so unterschätzte Qualität. Wie fühlst du

dich, wenn du jemandem etwas erzählst, du aber merkst, dass er nur mit halbem Ohr zuhört, nebenbei am

Handy ist oder dich ständig unterbricht, um irgendeine Geschichte über sich selbst zu erzählen, die damit

evtl. etwas zu tun haben könnte. Du möchtest doch auch die volle Aufmerksamkeit deines Gegenübers

haben oder?

Denn das, ist in dem Moment, das größte und wichtigste Geschenk, das du dem anderen

machen kannst und etwas, worüber sich auch jeder immer freut. Deine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Willst du, wenn du etwas zu sagen hast, einen aktiven Zuhörer haben, jemanden, der dir das Gefühl gibt,

wirklich gehört zu werden? Klar, vielleicht ist einem das manchmal egal, wenn man nur irgendjemanden

braucht, bei dem man sich kurz emotional entladen kann, dann spielt das vielleicht nicht so eine große

Rolle. Aber ich bin mir sicher, wir sind alle irgendwann mal in der Lage, in der wir uns einen aktiven

Zuhörer wünschen.

Also sei auch einer. Schenke deinen Mitmenschen dieses wunderbare Geschenk deiner

ungeteilten Aufmerksamkeit. Denn das Einzige, worauf du dich während des Zuhören konzentrieren

solltest, ist, einen komfortablen Ort zu schaffen, in dem der andere sich sicher und wohl fühlt, etwas (evtl.

Sensibles) zu teilen. Einen urteilsfreien, gemütlichen Ort in dem man sich respektiert und gehört fühlt.

Außerdem tendieren wir dazu, uns unbewusst schnell ein Urteil zu schaffen. “ Da hat sie Recht. ”, “ Das

finde ich dumm. ”Etc. Versuch bei Zeiten mal, dich darauf zu konzentrieren, urteilsfrei zuzuhören. Das ist

unsere Aufgabe als Zuhörer, diesen Ort zu kreiiren. Bist du ein guter Zuhörer?


Beobachte dich selbst mal, in den nächsten Gesprächen die du führst oder wenn jemand,

mit einem bestimmten Anliegen zu dir kommt. Fällt es dir schwer, nur zuzuhören und nicht zu

unterbrechen? Hast du wirklich aktiv zugehört? Fühlt dein Gegenüber sich gehört? Dann hast du deinen

Job als Zuhörer gut gemacht. Im Englischen gibt es einen sehr passenden Begriff dafür, der sich leider

weniger passend übersetzen lässt: Holding space for someone/something . Das bedeutet du hältst und

schaffst den Raum für jemanden, um sich auszudrücken, so lange und in der Intensität/ Art und Weise,

wie derjenige benötigt. Du bist nur der Raumhalter in dem Moment, danach kann sich abgewechselt

werden.


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