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Alles in allem

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Es war wie ein Schlag mit dem Baseballschläger gegen die Brust, nur eben von innen. Helle blaue Flecken blitzten am Rand meines Blickfeldes auf. Es war ein jäher, unblutiger, lautloser, gewaltiger Punch. Nicht dass ich sichtbar verletzt gewesen wäre, mit bloßem Auge war nichts zu erkennen, aber der Schmerz hatte meine Welt zum Stillstand gebracht. Ich spielte weiter; ich brachte den Song zu Ende. Das Publikum hatte nichts davon mitbekommen, dass mein Herz kurz vor dem Solo einen Salto geschlagen hatte. Mein Körper hatte mir seine Quittung präsentiert und mich auf der Bühne daran erinnert, wie oft ich ihm ganz absichtlich ähnliche Achterbahnfahrten zugemutet hatte.

Im Handumdrehen war der Schlag einem dumpfen Schmerz gewichen, der fast schon wieder angenehm war. Jedenfalls fühlte ich mich lebendiger als noch einen Augenblick zuvor, weil ich lebendiger war. Der Apparat in meinem Herzen hatte mich daran erinnert, wie kostbar das Leben ist. Sein Timing war tadellos: Vor ausverkauftem Haus, die Gitarre in der Hand, erreichte mich die Nachricht laut und deutlich. Und das gleich mehrmals an diesem Abend. Und dann bei jedem Auftritt für den Rest der Tour, wobei ich nie wusste, wann es so weit war.

Ich war fünfunddreißig, als mir ein Kardioverter-Defibrillator implantiert wurde, ein knapp acht Zentimeter langes, batteriebetriebenes Gerät, das über einen Einschnitt in der Achselhöhle eingesetzt wurde. Er überwacht meine Herzfrequenz und gibt einen Stromstoß ab, wenn mein Herz gefährlich schnell oder langsam zu schlagen beginnt. Fünfzehn Jahre Alkohol- und Drogenmissbrauch hatten es anschwellen lassen, es stand kurz vor der Explosion. Als ich schließlich ins Krankenhaus kam, sagte man mir, ich hätte noch sechs Wochen zu leben. Das ist jetzt sechs Jahre her, und der kleine Apparat hat mir so einige Male das Leben gerettet. Er hat auch eine praktische Nebenwirkung, die vom Arzt so nicht beabsichtigt war: Wenn ich es wieder mal so arg getrieben habe, dass sich mein Herzschlag bedrohlich verlangsamt, funkt mein Defibrillator dazwischen und verschafft mir einen weiteren Tag. Außerdem bekommt mein Herz eins drauf, wenn es so schnell wird, dass es einen Stillstand heraufbeschwört.

Zum Glück habe ich das Ding vor der Velvet-Revolver-Tour nachstellen lassen. Die habe ich größtenteils nüchtern absolviert oder immerhin so nüchtern, dass mich die Aufregung darüber, mit einer Band, an die ich glaubte, vor Fans zu spielen, die an uns glaubten, bis ins Innerste rührte. Seit Jahren hatte ich keinen solchen Schwung mehr verspürt. Ich nutzte die Bühne voll aus; ich aalte mich in unserer kollektiven Energie. Mein Herz raste vor Aufregung, sodass es bei jedem Auftritt den Apparat in mir auslöste. Angenehm war das nicht, aber ich begann, mich auf die Denkzettel zu freuen. Ich nahm sie als das, was sie waren: merkwürdig klare Augenblicke der Entfremdung, Augenblicke außerhalb der Zeit, von denen jeder einzelne die mühsam erworbene Weisheit eines ganzen Lebens enthielt.



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