Читать книгу Samuel und der Tarnmantel - Solveig Schuster - Страница 5

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Versteckspiel auf dem Dachboden

Die Tür ist kaum ins Schloss gefallen, da kriecht Samuel unter sein Bett und zieht seinen Mantel hervor. Das ist wohl kein gutes Versteck, denkt er sich. Am Mantel hängen lauter kleine graue Staubflocken. Samuel klopft den Mantel ab und zieht ihn an. Dann legt er den Zeigefinger auf die Lippen und zwinkert Bolle zu. „Psst.“ Samuel deutet an, dass Bolle schweigen soll. Natürlich weiß er, dass sein Schmusebär Bolle noch nie ein Wort über seine Lippen gebracht hat und gar nicht petzen kann. Aber er kennt die Szene aus einem Hörspiel und findet es unglaublich gut, dass er jetzt unsichtbar in eine Art Detektiv-Rolle schlüpfen kann.

Was Samantha jetzt wohl gerade macht? Jetzt, wo Mama aus dem Haus ist, könnte er ja schnell noch einmal nachsehen, ob noch etwas Interessantes in der Truhe steckt, sagt sich Samuel. Er geht zu Samanthas Zimmer und schaut durchs Schlüsselloch. Samuel kann nichts sehen. Alles ist stockdunkel. Das einzige, was er erkennen kann, ist eine Ecke vom Schreibtisch. Und ein paar Bücher, die darauf liegen. Plötzlich geht in der Toilette die Spüle an. Aha, denkt sich Samuel, da ist sie also. Da Samantha auf dem Klo ist, kann sie nicht in ihrem Zimmer und auch nicht auf dem Dachboden sein, überlegt Samuel. Dann flitzt er blitzschnell die Treppe zum Boden hinauf. Gerade will er den Deckel der Truhe anheben, da knarrt hinter ihm die Tür. Samantha! Schnell, unters Bett. Neben der Truhe steht ein altes schwarzes Metallbett mit einer alten Matratze und einer breiten Decke darüber, die fast bis zum Boden reicht. Eine richtige Höhle. Samuel hat vergessen, dass er ja seinen Zaubermantel angezogen hat und überhaupt nicht zu sehen ist. Trotzdem krabbelt er erst einmal unter das Bett und bleibt ruhig liegen. Sicher ist sicher, denkt er sich. Samantha setzt sich ausgerechnet auf das Bett und Samuel spürt, wie die dicken Federn auf seinen Rücken drücken. Jetzt nichts wie raus hier, bevor sie sich noch ganz hinlegt und es noch enger wird hier unten. Samuel zwängt sich unter dem Bett hervor.

Samantha hat ihr Handy in der Hand und tippt einige Nummern hinein. „Ja, hi, hier ist Sammy.“ Sammy? Samuel fängt laut an zu lachen. Zum Glück kann seine Schwester ihn ja nicht hören. „Ich habe eine gute Nachricht. Meine Eltern gehen heute Abend aus, aber meine Tante kommt nicht.“ Aha, und was ist daran die gute Nachricht, fragt sich Samuel, der sich jetzt seitlich an den Bettrand gesetzt hat und dem Gespräch lauscht. Und mit wem spricht Samantha da überhaupt. Mit ihrer besten Freundin Trixie jedenfalls nicht, denn die nennt sie nicht Sammy, sondern Thatha. Und wen könnte das sonst noch interessieren? „Ja, aber ich muss auf meinen kleinen Bruder aufpassen, voll doof!“ Na toll, jetzt ist Samuel aber ein bisschen beleidigt. Was ist denn daran doof? Er dachte immer, Samantha ist gern mit ihm zusammen und besonders stolz seine große Schwester zu sein und so viel Verantwortung zu haben. Samantha fängt an zu kichern.

„Ja, der ist wirklich süß“, sagt sie dann. Samuel versteht jetzt gar nichts mehr. Erst doof, dann süß. Na was denn nun? Zu gern hätte er gewusst, mit wem Samantha telefoniert und was da gerade besprochen wird. Samantha hat aufgehört zu kichern. „Es ist nur“, sagt sie leise und auch etwas verunsichert, „dass er immer sehr lange aufbleibt, wenn unsere Eltern nicht da sind. Und er soll dich ja nicht sehen!“ Samuel horcht auf. Wen soll er nicht sehen? Das wird ja immer spannender. Die große Schwester hat also Geheimnisse. Jetzt wird's interessant, denkt sich Samuel und richtet sich etwas auf. Auch Samantha hat sich inzwischen vom Bett erhoben und ist offenbar dabei, das Gespräch zu beenden. „Ok, dann komm' um 8 Uhr und versteck' dich erst einmal auf dem Dachboden“, sagt sie, „hier darf Samuel sowieso nicht hoch.“ Ach, so ist das also. Von wegen in Ruhe Musik hören. Samuel ist empört. Samantha hat den Dachboden also als gutes Versteck entdeckt und nutzt ihn für heimliche Verabredungen. Samuel traut seinen Ohren nicht. Während er noch weiter über das eben Gehörte nachdenkt, verabschiedet sich Samantha. „Ja, bis dann.“ - „Ich mich auch.“ - „Tschüss, Luca“, flüstert sie ins Telefon und legt auf.

Luca? Hat Samuel das gerade richtig gehört? Nicht Rebecca, Leni oder Trixie, sondern Luca! Samuel hat es die Sprache verschlagen. Das hat er nicht erwartet. Noch nie hat Samantha gut über Jungs gesprochen. Außer über ihren kleinen Bruder natürlich. In der Klasse sind alle total blöd. Sagt Samantha immer. Luca geht auch in ihre Klasse. Samuel hat ihn schon öfter mit einigen anderen Jungs aus seiner Klasse auf dem Fußballplatz getroffen und mit ihm gespielt. Er wohnt nur zwei Straßen weiter. Samuel findet Luca ganz in Ordnung. Und je länger er darüber nachdenkt, desto besser findet er, dass Luca seine Schwester heute Abend besucht. Denn, wenn Samantha abgelenkt ist, denkt Samuel, kann er ungestört seine Pläne umsetzen.

Jetzt aber schnell zurück ins Zimmer. So lange Mama beim Einkaufen ist, muss Samantha auf Samuel aufpassen und da sie das Telefongespräch beendet hat, wird sie den Dachboden sicher gleich verlassen und nach ihm sehen. Und tatsächlich. Samantha geht zur Tür und ist vor ihm auf der Treppe. Samuel hat keine Chance mehr, sie zu überholen und in sein Zimmer zu verschwinden. Wo also hin? Links ist Samuels Zimmer, rechts Küche, Kammer und Toilette. Samuel entscheidet sich für die Toilette. Während Samantha auf sein Zimmer zusteuert, schleicht er sich auf Zehenspitzen zum Klo und spült. Samantha bleibt stehen und dreht sich um. Im selben Moment kommt Samuel aus der Toilette. „Ach, da bist du?“ Sie guckt ein bisschen erschrocken. „Ich hab' gedacht, du bist in deinem Zimmer und spielst“, sagt sie. Samuel nickt. „War ich ja auch!“ flunkert er. Samantha folgt ihm in sein Zimmer. „Hat Mama schon mit dir gesprochen?“ fragt sie schließlich. Samuel tut so, als wüsste er nicht, was Samantha meint. „Nö, worüber?“ fragt er. „Na wegen heute Abend, Tante Margit kann nicht kommen. Sie ist krank“, erklärt ihm Samantha. Sie will wissen, was Samuel darüber denkt. „Ach so, ja, das hat sie schon gesagt“, antwortet Samuel beiläufig, „Ist aber kein Problem!“ Das war es, was Samantha hören wollte. Sie ist beruhigt. „Gut“, sagt sie, „aber es wird heute nicht so lange!“ Samantha will ihren kleinen Bruder rechtzeitig darauf vorbereiten, dass er heute früher als sonst ins Bett muss. Sie hat ja noch Großes vor. Dass auch Samuel für den Abend noch so seine Pläne hat, weiß sie ja nicht. „Ist schon in Ordnung“, sagt Samuel. „Ich bin sowieso müde vom ganzen Auspacken und Einsortieren“, fügt er an. Das hat Mama neulich auch gesagt, als sie den ganzen Tag Umzugkisten ausgepackt hat. Samuel findet, dass das heute für ihn auch ganz gut passt. Und irgendwie muss er seine vorgeschobene Müdigkeit ja erklären. Samantha schüttelt nur den Kopf.

Samuel und der Tarnmantel

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