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II. Buddhismus

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In unserem Yoga ist nirvana der Beginn der höheren Wahrheit, es ist auch ein Übergang von der Unwissenheit zur höheren Wahrheit. Die Unwissenheit muss ausgelöscht werden, damit sich die Wahrheit manifestieren kann.

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Ich glaube nicht, dass ich es geschrieben habe, doch gesagt habe ich einmal, dass Seelen, die in den nirvana-Zustand eingetreten sind, zurückkehren können (nicht „müssen“), um die größere Aufwärtskurve zu vollenden. Ich glaube, ich habe irgendwo geschrieben, dass für diesen Yoga (man könnte hinzufügen, in der natürlichen, vollständigen Ordnung der Manifestation) die Erfahrung von nirvana nur ein Stadium oder Übergang zu einer vollständigen Verwirklichung sein kann. Ich habe ebenfalls gesagt, dass es viele Pforten gibt, durch die man in die Verwirklichung des Absoluten (Parabrahman) eintreten kann, und nirvana eine von ihnen ist, doch unter keinen Umständen die einzige. Du wirst dich an Ramakrishnas Ausspruch erinnern, der besagt, dass der Jivakoti die Stufen emporzusteigen, jedoch nicht zurückzukehren vermag, während der Ishvarakoti nach Belieben auf- und absteigt. Wenn dem so ist, dann wären die Jivakoti jene, die nur die Kurve von der Materie über das Mental in das schweigende Brahman durchlaufen, und die Ishvarakoti jene, die zur integralen Wirklichkeit gelangen und daher den Aufstieg mit dem Abstieg verbinden und die „zwei Enden“ des Daseins in ihrem einen Wesen enthalten können.

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Die Verwirklichung dieses Yoga [des Integralen Yoga] ist nicht geringer, sondern höher als nirvana oder nirvikalpa samadhi.

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Wenn der Buddha tatsächlich alle vedantischen Auffassungen des Selbstes bekämpfte und ablehnte, kann es nicht stimmen, dass er sich aller metaphysischen Spekulationen oder klaren Äußerungen über die Natur der höchsten Wirklichkeit enthielt. Deine Ansicht von seiner Deutung des nirvana scheint mit derjenigen des Mahayana-Buddhismus und dessen Auffassung des Bleibenden, dhruvam, übereinzustimmen; dem könnte man entgegenhalten, dass diese einer späteren Entwicklung angehört, genau wie die gegenteilige nihilistische Auffassung von sunyam [der Leere, die alles enthält]. Die Lehre des Buddha bestand mit ziemlicher Sicherheit darin, dass die Welt das Nicht-Selbst ist und dass die Individualität kein echtes Dasein hat, da das, was in der Welt besteht, ein Bewusstseins-Strom ist, der sich von Augenblick zu Augenblick verändert; die individuelle Person aber wird scheinbar aus einem Bündel von samskaras gebildet und kann durch die Auflösung dieses Bündels aufgelöst werden. Dies stimmt mit der vedantisch-monistischen Ansicht überein, dass es keine wahre, für sich bestehende Individualität gibt. Was die andere vedantische Auffassung des einen Selbstes anbelangt, das unpersönlich, universal und transzendent ist, so scheint der Buddha sich nicht klar und unmissverständlich über abstrakte und metaphysische Fragen geäußert zu haben; doch wenn die Welt oder alles in der Welt Nicht-Selbst, anatman, ist, kann es für ein universales Selbst keinen Platz mehr geben, höchstens für ein transzendentes Wirkliches Wesen. Er fasste nirvana als etwas auf, das über das Universum hinausreicht, doch definierte er nicht, was es sei, da er an abstrakten Spekulationen über die Wirklichkeit nicht interessiert war; er muss diese für überflüssig und unanwendbar gehalten haben und nur dazu geeignet, vom wahren Ziel abzulenken. Seine Erklärung der Dinge war eine psychologische und nicht eine metaphysische, und auch seine Methoden waren alle psychologisch, nämlich das Aufbrechen von falschen Bewusstseins-Assoziationen, die das Fortbestehen von Begehren und Leiden aufrechterhalten, um auf diese Weise vom Strom der Geburt und des Todes in einer bloßen Welt der Erscheinungen frei zu werden (nicht in einer unwirklichen Welt); auch die Methode, durch welche diese Befreiung bewirkt werden sollte, war eine psychologische, nämlich der achtfache Pfad, der das rechte Verstehen und das rechte Tun entwickelt. Sein Ziel war pragmatisch und äußerst zweckmäßig, und genauso waren seine Methoden; metaphysische Spekulationen hätten das Mental nur von der einen notwendigen Sache abgelenkt.

Was die Haltung des Buddha zum Leben anbelangt, so sehe ich nicht ganz ein, wie „Dienst an der Menschheit“ oder irgendein Ideal der Weltverbesserung Teile seines Ziels hätten sein können; sein Ziel war vielmehr, aus dem Leben in eine Transzendenz zu entweichen. Sein achtfacher Pfad war das Mittel zu diesem Zweck und nicht ein Ziel als solches oder überhaupt ein Ziel. Wenn das rechte Verstehen und die rechte Tat zur allgemeinen Regel des Lebens würden, ergäbe dies zweifellos eine große Verbesserung in der Welt, doch für den Zweck des Buddha konnte dies nur ein beiläufiges Ergebnis sein und ganz und gar nicht ein Teil seines eigentlichen Zieles. Du behauptest, der Buddha selbst hätte die Notwendigkeit betont, der Menschheit zu dienen, und sein Ideal sei es gewesen, „ein Bewusstsein der inneren Ewigkeit zu erlangen und dann eine Quelle lichthaften Einflusses und lichthafter Tat zu sein“. Doch wann und wo sagte der Buddha solche Dinge und gebrauchte diese Worte und formulierte derartige Ideen? „Dienst an der Menschheit“ klingt nach einer sehr modernen europäischen Vorstellung; es erinnert mich an einige europäische Auslegungen der Gita als reine Lehre unbeteiligter Pflichterfüllung oder an jene Bemerkung, die ganze Idee der Gita beruhe auf „Dienen“. Die ausschließliche Betonung oder Überbetonung von Menschheit oder Menschlichkeit ist ebenfalls europäisch. Der Mahayana-Buddhismus betont das Mitleid, das Gefühl der Freundschaft mit allen, vasudhaiva kutumbakam, ebenso wie die Gita von dem Gefühl des Einsseins mit allen Wesen spricht und vom Einsatz für das Wohl aller Wesen, sarvabhuta hite ratah; doch dies bezieht sich nicht allein auf die Menschheit, sondern auf alle Wesen, denn vasudha bedeutet das ganze Erden-Leben. Gibt es eine Äußerung des Buddha, welche die Behauptung rechtfertigt, das Ziel oder ein Ziel bei der Erlangung von nirvana sei, eine Quelle lichthaften Einflusses und lichthafter – Tat zu werden? Das Bewusstsein der inneren Ewigkeit mag dieses Ergebnis haben, doch können wir wirklich sagen, dass es das Ideal des Buddha war, das Ziel,welches er im Auge hatte oder für das er gekommen war?

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Es gibt keinen Grund, warum die Stelle über den Buddhismus ausgelassen werden sollte. Sie gibt eine Seite der buddhistischen Lehre wieder, die nicht sehr bekannt ist oder häufig nicht beachtet wird; denn diese Lehre wird meist als die des nirvana (Sunyavada) beschrieben und als humanitäre Spiritualität. Problematisch ist, dass diese Seiten besonders in den modernen Deutungen des Buddhismus betont werden, und irgendwelche kritische Bemerkungen, die ich gemacht haben mag, waren im Hinblick auf diese Auslegung und einseitige Betonung. Ich bin mir natürlich bewusst, dass es entgegengesetzte Richtungen im Mahayana-Buddhismus und im japanischen Kult des Amitabha-Buddha gibt, der ein Kult der bhakti ist. Man behauptet heutzutage sogar von Shankara, dass seine Lehre eine andere Seite hatte, doch seine Anhänger machten ihn zum alleinigen Repräsentanten der Idee der „Großen Illusion“, der Zweitrangigkeit von bhakti,der Nutzlosigkeit von karma – der Weltlüge, jaganmithya.

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Man darf nicht vergessen, dass der Buddha sich immer weigerte, über das, was jenseits der Welt ist, zu sprechen. Doch aus dem wenigen, was er sagte, geht hervor, dass er sich eines Bleibenden im Jenseits bewusst war, das gleichbedeutend mit dem vedischen Para-Brahman ist, doch das zu beschreiben er nicht willens war. Die Ableugnung, dass es irgend etwas jenseits der Welt gäbe außer einem negativen Zustand von nirvana, gehört einer späteren Lehre an, nicht der des Buddha.

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Das nirvana des Buddhisten und das moksa des Advaitin sind dasselbe. Sie stimmen mit einer Verwirklichung überein, in der man sich nicht länger als Individualität mit diesem Namen und in jener Gestalt empfindet, sondern als unendliches, ewiges Selbst, raumlos (selbst im Raum), zeitlos (selbst in der Zeit). Beachte, dass man in diesem Zustand sehr wohl zu handeln vermag und ihn nicht nur über den samadhi-Zustand erreicht.

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Das nirvana des Buddha ist das gleiche wie das brahma nirvana der Gita. Nur beschreibt es die Gita als nirvana in Brahman, während der Buddha es vorzog, dem, worin das nirvana stattfand, keinen Namen zu geben und nichts darüber auszusagen. Einige spätere buddhistische Schulen definierten es als sunya, die Leere, eine Entsprechung des chinesischen Tao, das als ein Nichts, das Alles ist, beschrieben wird.

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Es gibt viele Arten von Buddhismus, und die gänzlich nihilistische ist nur eine davon. Die meisten Buddhisten anerkennen ein Bleibendes jenseits des Bereiches von karma und der samskaras. Selbst das sunya der Sunyapanthis wird wie das Tao des Lao Tse als ein Nichts beschrieben, welches Alles ist. Auch ein dem Mental übergeordneter Zustand wird anerkannt, den man mit Hilfe einer strengen Bewusstseins-Disziplin zu erreichen versucht, die als Spiritualität bezeichnet werden kann.

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Der Eine [der Buddhisten] wird auf verschiedene Weise gedeutet. Ich habe gerade irgendwo gelesen, dass der buddhistische Eine ein Über-Buddha sei, von dem alle Buddhas stammen – doch scheint mir dies ein Wiederaufwärmen des Buddhismus in Ausdrücken des Vedanta zu sein, die einem modernen Geist entstammen. Das Bleibende des Buddhismus wurde immer als überkosmisch und unsagbar angesehen – das ist der Grund, warum der Buddha es nie zu erklären versuchte; denn wie könnte man, logisch betrachtet, über das Unsagbare etwas aussagen? Es hat mit dem Kosmos, der aus samskaras und karma besteht, wirklich nichts zu tun.

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Die Eindrücke, wenn man sich der Unendlichkeit annähert oder darin eingeht, sind nicht immer ganz die gleichen; viel hängt von dem Weg ab, den das Mental wählt. Sie wird von einigen als eine Unendlichkeit über ihnen empfunden, von anderen als umhüllende Unendlichkeit, in welche das Mental (als eine Energie) eintaucht, indem es seine Begrenzungen verliert. Einige empfinden diese Absorption der Mental-Energie im Unendlichen nicht, sondern ein völliges Untätig-Werden; andere empfinden sie als einen Sprung oder ein Verschwinden der Energie in das reine Dasein. Einige fühlen die Unendlichkeit zunächst als ein weites Dasein, in das alles sinkt oder verschwindet, andere – wie du es beschreibst – als einen unendlichen Ozean aus Licht über ihnen, andere wiederum als einen unendlichen Ozean aus Macht über ihnen. Wenn gewisse buddhistische Schulen sie in ihrer Erfahrung als grenzenloses sunya fühlten, so sehen sie wiederum die Vedanta-Anhänger als unbedingtes Selbst-Bestehen, eigenschaftslos und absolut. Kein Zweifel, in den verschiedenen Philosophien wurden verschiedenartige Erfahrungen niedergelegt, und jede hielt ihre Auffassung für die allein gültige; doch hinter jeder Auffassung stand eine Erfahrung. Was du als eine vollkommen leer gewordene Substanz des Mentals beschreibst, ohne Energie oder Licht, vollkommen träge, ist der Zustand eines neutralen Friedens, einer leeren Stille, die ein Stadium der Befreiung sein kann oder ist. Dann jedoch kann man fühlen, wie sie sich mit unendlichem Dasein füllt, mit Bewusstsein (das Energie in sich birgt) und schließlich mit Ananda.

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Die Stelle4 aus „The Yoga and lts Obiects“ ist vom Standpunkt des spiritualisierten Mentals aus geschrieben, das sich der höchsten Wahrheit direkt nähert, ohne die Ebene des Supramentals zu durchqueren oder sich in ihr aufzulösen. Das Mental spiritualisiert sich, indem es sein eigenes Wirken und Gestalten abstreift und alles auf ein reines Dasein zurückführt, sad atman, aus dem alle Dinge und Tätigkeiten hervorgehen und das alles stützt. Wenn es darüber hinausgehen will, geschieht es durch eine weitere Negation, wobei es zu einem asat, Nicht-Sein, gelangt, welches die Verneinung dieses gesamten Daseins ist und dennoch etwas Unbegreifliches für das Mental, die Rede oder die sich ausdrückende Erfahrung bleibt. Es ist das schweigende Unerkennbare, das tuiya oder eigenschaftslose und beziehungslose Absolute des monistischen Vedanta, das sunyam der nihilistischen Buddhisten, das Tao oder allgegenwärtige und transzendente Nichts der Chinesen, das undefinierbare und unsagbare Bleibende des Mahayana-Buddhismus. Auch viele christliche Mystiker sprechen von der Notwendigkeit eines vollkommenen Nichtwissens, um zur höchsten Erfahrung zu gelangen, und sprechen zudem von der göttlichen Finsternis; sie meinen das Ablegen allen mentalen Wissens, das Mental leer zu machen und es in das Nichtmanifeste zu versenken, das param avyaktam. All dies ist der Weg des Mentals, sich dem Höchsten anzunähern, denn jenseits des avyaktam, des Nichtmanifesten, jenseits der Finsternis, tamasah parastat, ist der Höchste, der Purushottama der Gita, der Parapurusha der Upanishaden. Er ist adityavarna – von der Farbe der Sonne –, im Gegensatz zur Finsternis des Nichtmanifesten; dies ist eine Metapher, doch wiederum keine reine Metapher, denn es ist auch ein Symbol, das visuell von der suksma drsti, der inneren Schau, gesehen wird; und es ist wiederum mehr als nur ein Symbol, nämlich eine Tatsache spiritueller Erfahrung. Die Sonne im Yoga ist das Symbol des Supramentals und das Supramental ist die erste Macht des Höchsten, der man jenseits der Grenze begegnet, an der die Erfahrung des spiritualisierten Mentals aufhört und das unmodifizierte göttliche Bewusstsein beginnt, der Bereich der höchsten Natur, para prakriti. Es ist jenes Licht, von dem die vedischen Mystiker eine Ahnung hatten, und es ist das Gegenteil jener dazwischenliegenden Finsternis christlicher Mystiker, denn das Supramental ist nur Licht und keine Finsternis. Für das Mental ist der Höchste avyaktat param avyaktam, doch wenn wir dem Weg zum Supramental folgen, sehen wir, dass er eher aus einer zunehmenden Bejahung als aus einer zunehmenden Verneinung besteht.

Licht wird im Yoga mit dem inneren Auge gesehen, doch auch mit dem äußeren; es gibt aber viele Arten von Licht; nicht alle sind und nicht alle kommen vom höchsten Licht, param jyotih.

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Das Universum ist nur eine teilweise Manifestation, und Brahman als seine Grundlage ist das sat. Doch es gibt auch das Nichtmanifeste, jenseits der Manifestation, was nicht in der Grundlage der Manifestation enthalten ist. Die Buddhisten und andere bildeten daraus ihre Auffassung des asat als dem höchsten Ding.

Eine andere Bedeutung ist: sat = das Ewige, asat = das Vergängliche und Unwirkliche.

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Das Gefühl des Selbstes als einer weiten, friedvollen Leere, einem Freiwerden vom Dasein, wie wir es kennen, ist etwas, das man immer erreichen kann, ob man Buddhist ist oder nicht. Es ist der negative Aspekt von nirvana – für das Mental ist es etwas ganz Natürliches, wenn es der negativen Bewegung des Sich-Zurückziehens folgt, um zuerst dorthin zu gelangen; und wenn du dich daran klammerst und dich weigerst weiterzugehen, wenn du mit diesem befreiten Nicht-Sein zufrieden bist, dann wirst du wie die Buddhisten folgern, dass sunya die ewige Wahrheit ist. Lao Tse war scharfsinniger, als er davon als dem Nichts, das Alles ist, sprach. Natürlich haben viele die positive Erfahrung des atman zuerst, nicht als einer Leere, sondern als reines, beziehungsloses Dasein oder als das eine Seiende.

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Sie [welche die nirvana-Erfahrung erlangen] haben nicht die Empfindung, als hätten sie irgendein Dasein. Im buddhistischen nirvana verliert man die Empfindung davon überhaupt, es gibt nur eine unendliche Null ohne Form. Im Advaita nirvana wird allein ein Weites Dasein gefühlt, und nirgendwo ist ein für sich bestehendes Wesen erkennbar. Es gibt natürlich Formen, doch sind es eben nur Formen, keine getrennten Wesen. Das Mental ist still, das Denken hat aufgehört – Begierden, Leidenschaften, vitale Regungen gibt es nicht. Es gibt ein Bewusstsein, doch nur ein formloses, elementares Bewusstsein ohne Grenzen. Der Körper bewegt sich und handelt, doch man empfindet den Körper nicht. Manchmal ist allein das Bewusstsein des reinen Daseins vorhanden, manchmal nur ein reines Bewusstsein, manchmal ist alles ein grenzenloser Ananda. Ob das Übrige tatsächlich aufgelöst oder nur zugedeckt wird, sei dahingestellt, doch auf jeden Fall ist die Erfahrung die einer Auflösung.

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Das Ego und seine Kontinuität, sagen sie [die Buddhisten], sei eine Illusion, das Ergebnis eines fortgesetzten Fließens von Energien und Ideen in einem vorherbestimmten Strom. Es gibt kein wirkliches Ego. Was die Befreiung anbelangt, so ist es eine Befreiung von duhkha usw., dem leidvollen Fließen von Energien, deren Kontinuität man aufbrechen muss, um sich vom Leid zu befreien. Das ist soweit in Ordnung, doch wie hat es angefangen, wie soll es enden und wie soll die Befreiung jemandem nützen, da es doch niemanden gibt, außer einer Anhäufung von Idee und Tat, – dies sind alles unlösbare Rätsel. Doch hat nicht der Mayavadin die gleiche Schwierigkeit, da es in Wirklichkeit keinen Jiva gibt, sondern nur Brahman, doch Brahman ist aufgrund seiner Natur ewig frei und ungebunden? Wie also entstand die ganze absurde Geschichte von Maya, und wer wird befreit? Das ist es ja auch, was die alten Weisen sagen: „Es gibt keinen, der gebunden ist, keinen, der befreit wird, keinen, der danach sucht, befreit zu werden“. Also war alles ein Irrtum – und zudem ein ziemlich lang anstehender. Die Buddhisten könnten vermutlich das gleiche sagen.

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Gemäß Buddha und Shankara bedeutet Befreiung die Auflösung, laya, der Individualität in einem transzendenten Bleibenden, das nicht individualisiert ist – logisch betrachtet würde also ein Glaube an die individuelle Seele die Befreiung verhindern, während das Gefühl des Elends in dieser Welt zu dem Versuch zu entkommen führen müsste.

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Der Ausdruck „weitergehen“5 zeigt, dass eine Evolution gemeint ist, die nicht auf Erden, sondern irgendwo im Jenseits stattfindet, weiß Gott wo. In diesem Fall wäre nirvana ein Ort oder eine Welt auf dem Weg zu anderen Welten, und die Seele würde sich von einer Welt in eine andere fortentwickeln, zum Beispiel von der Erde in das nirvana und vom nirvana in etwas jenseits davon. Dies ist eine völlig europäische Auffassung, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie von den Buddhisten vertreten wurde. Die indische Vorstellung ist die, dass die Evolution hier stattfindet und selbst die Götter, wenn sie ihre Gottheit überschreiten und die Befreiung erlangen wollen, auf die Erde herabkommen müssen. Es sind die westlichen Spiritualisten und andere, die glauben, dass die Geburt auf Erden ein Stadium des Fortschritts von einem niedrigeren Ort als die Erde sei; und war man einmal auf Erden, kehrt man nicht zurück, sondern geht in eine andere Welt ein und bleibt dort solange, bis man in eine weitere, noch bessere Welt „weitergehen“ kann, usw. usw.... Und auch diese „vollkommene soziale Ordnung auf Erden“ ist zweifellos keine buddhistische Idee – die Buddhas träumten nie von etwas Derartigem –, ihr Anliegen war, den Menschen zum nirvana zu verhelfen, nicht zu einer vollkommenen Ordnung auf Erden. All dies steht in reinem Widerspruch zum Buddhismus.

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Nirvana kann nicht das Ende eines Pfades sein, nach dem es nichts mehr zu erforschen gibt, und gleichzeitig nur ein Aufenthaltsort oder vielmehr der Beginn des Höheren Pfades, bei dem noch alles zu entdecken ist... Die Lösung könnte darin bestehen, dass es das Ende des niederen Pfades durch die niedere Natur und der Beginn der Höheren Evolution ist. In diesem Fall würde dies genau mit der Lehre unseres Yoga im Einklang stehen.

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Auf welche Weise unterscheidet sich dieses Absolute6 vom Absoluten des Vedanta? Oder diese Befreiung von der mukti des Vedanta? Wenn dies der Fall wäre, hätte es den ganzen Streit zwischen Buddhismus und den vedantischen Schulen nie gegeben. Es muss sich um eine neue Version des Buddhismus handeln oder aber um eine spätere Entwicklung, in welcher der Buddhismus sich auf die Advaita-Lehre zurückführte.

Doch ist diese Höhere Evolution wirklich eine buddhistische Idee oder nur eine europäische Version von nirvana?

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Es besteht kein Unterschied zwischen dieser Beschreibung7 und dem, was mit der Seele gemeint ist, außer dass es als „unpersönlich“ bezeichnet wird – doch wird offensichtlich hier das Unpersönliche als Gegenteil von dem verstanden, das von Name, Körper und Form abhängig ist und die Persönlichkeit genannt wird. Besonders Europäer, aber auch Leute ohne philosophische Kenntnisse können leicht diese äußere Persönlichkeit mit der Seele verwechseln und würden dann den Ausdruck Seele nicht der ungeborenen und ewig bestehenden Wesenheit zuerkennen. Würden sie diese dann als Spirit oder Selbst – als atman betrachten? Die Schwierigkeit aber ist, dass die alten Buddhisten die Auffassung vom atman ebenfalls ablehnten. Damit wäre also alles offen. Die nihilistisch-buddhistische Lehre ist einfach und verständlich, nämlich, dass es keine Seele gibt, lediglich ein Bündel oder einen Strom von kontinuierlichen samskaras, der sich ständig erneuert. Doch diese Mahayana-Geschichte scheint eine Art freier und geraffter Kompromiss mit dem Vedanta zu sein.

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In den meisten Yogasystemen gibt es Elemente, die auch in diesem Yoga vorkommen, daher ist es nicht überraschend, wenn wir auch etwas im Buddhismus finden. Doch solche Vorstellungen wie eine Höhere Evolution jenseits von nirvana, scheinen mir nicht buddhistisch zu sein, es sei denn, es handelt sich um eine Seitenlinie des Buddhismus, die etwas entwickelte, das von ihrem Urheber so interpretiert wurde. Ich habe nie von etwas Derartigem als Bestandteil der Lehre des Buddha gehört – er sprach immer von nirvana als dem Ziel und lehnte metaphysische Diskussionen darüber ab.

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Die Jain-Philosophie befasst sich mit der individuellen Vervollkommnung. Unsere Bemühung ist von ganz anderer Art. Wir wollen das Supramental als eine neue Macht herabbringen. So wie das Mental ein dauernder Zustand im Menschheits-Bewusstsein der Gegenwart ist, wollen wir eine Menschheit erschaffen, in welcher das Supramental ein bleibender Bewusstseinszustand sein wird.

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