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Dienstantritt in der Wehrmachtauskunftstelle

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Dienstag, 7. März 1944

In der Nacht war es ruhig geblieben, es hatte lediglich einen Alarm am Abend gegeben. Genau um zwanzig nach neun war das Geheule der Luftwarnung losgegangen – Mara hatte zufällig auf die Uhr geschaut, nachdem sie eingenickt und in einen blöden Traum gefallen war. Sie befand sich an einem fremden Ort und sollte eine Höhle untersuchen. Wer das von ihr verlangte, wusste sie nicht. Sie musste es tun, so viel war klar, trotz schrecklicher Angst. Die Gegend war wüstenhaft. Dann erlöste sie der furchtbare Heulton, zwanzig Minuten später war alles vorbei. Bloß ein Überflug, meldete der Großdeutsche Rundfunk bald von nebenan, wo ihr Vater Radio hörte. Am gestrigen Nachmittag war das anders gewesen, da rummste es kurz in den östlichen Stadtbezirken.

Gestern nach dem Dienst hatte Mara Herrn Darburg das Heft gebracht. Er war nett wie immer, aber wieder in ein Gespräch vertieft, mit einem Offizier von der SS. Der kaufte ein Magazin, das Herr Darburg von hinten geholt hatte. Schnell war es in einem Papierumschlag verschwunden und unsichtbar geblieben. Der alte Mann hatte ihr zugenickt. Sie klemmte die »Woche« bloß in den Ständer und ging nach Hause.

Heute Morgen war sie viel zu früh auf den Beinen. Zur Hohenstaufenstraße konnte sie laufen, aber sie wollte sich Zeit lassen und wartete an der Bushaltestelle. Die Straßen waren nass von dem nächtlichen Regen, mittlerweile waren die Wolken weitergezogen.

Eben im Hausflur hatte sie ein Gespräch angehört zwischen Frau Winkler und der jungen Bibliothekarin Lenore Carius. Die Schrapnelle war vorlaut gewesen wie immer. Der Kukill, das Schwein, sei am Ende, blaffte sie. Der Endsieg nahe. So habe es der Führer befohlen – und so müsse es also auch geschehen. Mara hatte überlegt, dass der englische Führer eigentlich Churchill hieß, aber sie sagte nichts, sondern eilte an den Nachbarinnen vorbei und zur Bushaltestelle. Sie fürchtete sich ein wenig vor der, ihr fühlte sie sich nicht gewachsen. Die Alte redete schnell und scharf und spitz drauflos und war meistens schon drei Ecken weiter, bis Mara eine logische Erwiderung auf irgendeine Anklage einfiel – und mit ebensolcher Münze wollte sie es ihr auch nicht zurückzahlen. Also kümmerte sie sich lieber erst gar nicht um sie. ›Halt dich raus, dann kommste nicht rein‹, sagte ihr Vater immer.

Die Bibliothekarin hatte ebenso geschimpft. Sie mache sich Sorgen um Deutschland, aber Frau Winkler hatte nur gelacht. Der Führer habe doch wahrhaft fantastische Waffen zu entwickeln befohlen. Ingenieur Martens im Haus täte ja den ganzen Tag nichts anderes, als für den Endsieg zu arbeiten. Die Untermieterin solle nur beruhigt sein. Sie jedenfalls wüsste aus sicherer Quelle, dass bald Gefrierbomben zum Einsatz kommen würden. Diese brächten eine unglaubliche Zerstörungskraft über alle Feinde des Reiches.

Als sie auf den Bus wartete, versuchte Mara sich das vorzustellen. Waren Frost und Kälte nicht das Gegenteil von Explosion und Verbrennen? Wie würde das funktionieren? Eine Gefrierbombe? Wenn sie ein Raketenluftschiff steuerte und eine solche Bombe abwürfe, was würde passieren? Während die Winklersche sich dabei in immer tollere Szenarien hineingesteigert hatte, sah Mara an ihrer Haltestelle vor dem inneren Auge bloß einen platzenden Eisblock. Dann kam der Bus in Sicht und trotzdem ging sie zu Fuß. Der wäre doch fast sofort dort. Außerdem musste sie nachdenken, was man sie in ihrem Vorstellungsgespräch fragen könnte und was sie antworten wollte.

Sie lief die leere Straße entlang. Wie sich das Gesicht einer Stadt veränderte, wenn man sich ihr zu Fuß hingab. Die mehrstöckigen Wohnhäuser hatte sie zurückgelassen, hier gab es Geschäfte und Büros. Häuser aus dem letzten Jahrhundert und das Abwasserpumpwerk, das man schon von weitem wittern konnte. Hin und wieder fuhr ein Bus, sonst herrschte kein Verkehr. Sämtliche Fahrzeuge waren für kriegswichtige Aufgaben requiriert. Privatwagen gab es nicht mehr. Außer für Ärzte. Ansonsten war jedes Auto ein Dienstfahrzeug. Interessiert spähte sie in alles hinein, was an ihr vorbeifuhr, aber sie konnte wenig erkennen. Doch, es waren stets Männer. Kaum jemand in Uniform, man trug zivil oder Lederkleidung.

Die Straßen waren fast wie ausgestorben. Die Erhöhung der persönlichen Arbeitsleistung hielt die Menschen an ihren Arbeitsplätzen fest. Jeder musste seinen Mann oder seine Frau stehen an einer der unzähligen Fronten: Der Arbeitsfront, der Versorgungsfront, der Abfallfront … Sie hatte ihre Arbeitskarte dabei und trotz allem ihre Reichsbahnuniform angezogen. Die Jacke konnte sie ja schnell ausziehen, drunter trug sie einen Wollpullover und eine weiße Bluse. Falls es bei der neuen Dienststelle doch nicht klappte, würde sie gleich weiter fahren zu ihrem Bahnhof. Fräulein Hanisch hin oder her. Aber dann sollte Vorsteher Bommel ihr trotzdem die Stunden auf der Karte abzeichnen.

Vor sich erkannte sie das hohe Backsteingebäude der Hausnummer 47/48 mit den kleinen Türmchen an den Seiten. Das musste die Wehrmachtauskunftstelle sein. Aufmerksam musterte sie die Umgebung. Vor der Tür standen zwei Soldaten in Uniform und rauchten. Ein dritter kam mit Akten aus dem Eingang am Fuße eines der Türmchen und lud sie in einen Wagen, einen Horch 830. Er trug eine Brille mit dicken Gläsern und schien etwas älter zu sein als die anderen beiden. Einer der Raucher sprang hinzu und hielt ihm die Tür auf.

Als Mara den Bau erreicht hatte, blieb sie unschlüssig stehen, denn sie erkannte zwei Eingänge – diesen hier und etwa zwanzig Meter entfernt einen weiteren, neben einer hohen Durchfahrt. Wo musste sie hin?

»Guten Morgen, werte Dame«, sagte ein hübscher blonder Kerl. Ein Gefreiter, wie sie unschwer an den Schulterklappen erkennen konnte. Er schnippte die Zigarette weg. »Kann ich behilflich sein?« Er wechselte belustigte Blicke mit den anderen: Ein wunderhübsches junges rothaariges Ding in Reichsbahnuniform … hier?! Man würde ihr schon zu helfen wissen, wenn sie sich verlaufen hatte.

»Ich will zu Kriegsverwaltungsrat Schülke. Wo finde ich ihn?«, bemühte sie sich um einen dienstbeflissenen und neutralen Ton.

»So lobe ich mir die Bahn, wa?«, lachte der Türaufhalter und trat zu ihnen. »Räder müssen rollen für den Sieg! Und wenn keine Gleise da sind, kommt die Bahn höchstpersönlich, wa?«

Der Dritte blieb stehen, jetzt mit leeren Händen.

Mara zog die Stirn in Falten. Sie verstand nicht.

»Vielleicht hat sie die Elektrische verpasst?«, lästerte der Blonde, eher belustigt als zynisch.

»Ah«, dämmerte es ihr. »Ja, die Uniform. Bei der Bahn arbeite ich normalerweise, aber ich soll hier aushelfen.«

»Bei uns? Hier? Ist das auch richtig?«, wunderte sich der ältere Soldat mit den dicken Brillengläsern, er sah die anderen an und die zuckten die Schultern. Ein Obergefreiter! Er hatte hohe Wangenknochen. Mara fand, er sah irgendwie indianisch aus.

»Kriegsverwaltungsrat Schülke … wo finde ich ihn?«, wollte sie das Gespräch beenden. »Muss ich hier rein oder«, sie zeigte die Straße entlang, »da hinten rein?«

»Eigentlich da hinten«, meinte der Brillenträger. »Durch den Durchgang über den Hof. Aber wir können auch die Abkürzung nehmen.« Mit diesen Worten ließ er sie vorausgehen. Sie stieg auf den Absatz hinauf, um das Gebäude zu betreten. Sie spürte, dass die beiden anderen ihr nachsahen.

»Warten Sie, ich gehe vor«, überholte der Soldat mit der Brille sie. »Ich bin Obergefreiter Halber, Manfred. Ich arbeite hier. Die anderen beiden transportieren nur Akten.«

Transportiert haben Sie die selbst, Herr Obergefreiter, dachte sie bei sich, aber ließ es ungesagt.

Er führte sie auf einen langen und schmucklosen Gang im Erdgeschoss, zu dessen Seiten nackte Holztüren abgingen, hinter denen Büros lagen. Gedämpft drang das Geklapper von Schreibmaschinen zu ihnen.

»Ich glaube aber, das muss ein Missverständnis gewesen sein«, sagte der junge Mann. »Kriegsverwaltungsrat Schülke ist gar nicht hier. Sind Sie sicher, dass Sie zu ihm wollen?«

Es war still in dem Gebäude, bis auf das Tippen bimmelte nur hin und wieder ein Telefon.

»Mein Chef, Stationsvorsteher Herbert Bommel, hat mir gesagt, dass ich hierherkommen soll. Und ich soll mich bei ihm melden.«

»Hmm«, machte Manfred nur. Dann nochmal: »Hmmm.« Er bedeutete ihr, zu warten. Alleine lief er ein paar Meter weiter und betrat ein Büro, aus dem er nach wenigen Augenblicken wieder herauskam und zog die Schultern in die Höhe. Als er den überraschten Gesichtsausdruck des Mädchens sah, erklärte er ihr die Situation.

»Hauptmann Parzinger hat gesagt, er wäre informiert. Mit ihm wird Ihr Chef wohl gesprochen haben. Sie sollen zu uns in die Schreibstube kommen und sich dort erst einmal einarbeiten. Hier geht’s entlang.«

»Oh? Ab sofort?« Sie muss entgeistert ausgesehen haben, denn der andere lachte und zog die Schultern hoch. Er ging vor und nahm den nächsten Treppenaufgang.

Oben wartete er, bis sie nachgekommen war. »Unsere Dienststelle befindet sich schon seit Ende August in Thüringen. Wir sind hier nur noch eine Rumpfmannschaft, ein Verbindungsbüro für Unterlagen, die hier weiterhin eintreffen. Über kurz oder lang werden wir hier auch verschwinden.«

»Verstehe ich nicht. Warum?« Ihre Enttäuschung war kaum zu verbergen, denn sie hatte sich schon gefreut, so nahe an ihrer Wohnung arbeiten zu können.

Er hielt ihr eine Tür auf und sie betraten ein geräumiges Büro, in dem einige Schreibtische standen und vor allem aber Aktenschränke. Und Akten, stapelweise Ordner.

Drei Damen blickten nur kurz auf und arbeiteten dann augenblicklich weiter.

»Die Angriffe. Das Risiko ist zu groß. Wenn beschädigt oder zerstört wird, was wir hier tun, wären die Folgen kaum auszudenken.«

Das beeindruckte sie und sie sagte nichts mehr.

»Hier können Sie sitzen.« Er wies ihr einen freien Stuhl zu. Ihre Augen weiteten sich. Auf dem Schreibtisch stand eine Schreibmaschine, nagelneu. Mara fühlte neue Zuversicht. Eine Maschine, nur für sie. Sie hätte sie am liebsten berührt, aber noch traute sie sich nicht. Remington Portable las sie in weißer Schrift oben über der Tastatur auf der schwarzlackierten Oberfläche.

Sie lehnte ihre Tasche vor das Möbelstück, gleich an die hochziehbare Rollade aus Holzlamellen links und rechts neben dem Arbeitsplatz, hinter der sich weitere Fächer verbargen. Vorsteher Bommel hatte auch so einen – aber keine neue Schreibmaschine!

»Kann ich die Jacke ausziehen? Es ist doch sehr warm. Und bestimmt bekomme ich eine andere Uniform?« Mara vermutete, eine Ähnliche wie die Blitzmädels. Andererseits, die Frauen hier trugen bloß schlichte weiße Blusen.

»Für den Innendienst ist das nicht länger üblich. Nur wenn Helferinnen im Ausland arbeiten oder unterwegs sind. Der Rohstoff …«. Mehr sagte Manfred nicht, aber das reichte schon.

»Ich gebe eben Frau Schneiderer Bescheid, sie leitet das Büro. Ich selbst sitze nebenan«, er deutete auf eine offene Tür, hinter deren Durchgang sie eine ebensolche Stube wie diese sah. Dort tippte ein Soldat in Uniform, neben sich ein großer Stapel Papier.

Er verließ das Zimmer und schloss die Tür.

Die Damen schrieben und schienen keine Notiz zu nehmen von ihr.

»Guten Morgen«, sagte Mara freundlich in die Runde, und blieb ohne Antwort. Eine rotblonde Frau neben der Tür brummte, aber das mochte alles bedeuten. Ernüchtert lehnte sie sich zurück, knöpfte die Uniformjacke auf und hängte sie dann scheu an einen Kleiderständer bei der Tür, an dem sonst nichts hing. Mit dem Pullover und der Bluse und dem dunklen Uniformrock lag sie hier immerhin richtig.

Die Heizung gluckerte, die Fenster waren verhangen, so dass sie nicht wusste, ob sie zum Hof oder zur Straße hin saß. Nachdem sie einige Momente den anderen bei der Arbeit zugesehen hatte, beugte sie sich vor und bewunderte die Schreibmaschine. Eine Remington! Die Marke sagte ihr zwar nichts, aber das klang so … nach Welt. Mara erhob sich ein wenig und lehnte sich über den Tisch. Auf der rechten Seite befand sich ein halbrunder Hebel. Auf der Rückseite prangte in großen Lettern wieder der Name des Herstellers und darunter etwas kleiner: ›Made in U.S.A.‹. Das ließ sie staunen. Eine amerikanische Maschine? Die Tastatur war eindeutig deutsch, deutlich waren die Umlaute zu erkennen. Mit einem schnellen Blick sah sie zu den Frauen hin, keine von denen beachtete sie. Langsam, andächtig legte sie ihre Hand darauf, spürte das kühle Metall und darüber den glatten schwarzen Lack. Das Gefühl elektrisierte sie: Eine Schreibmaschine! Sie konnte es kaum erwarten, sie zu benutzen. Mit klopfendem Herzen ließ sie sich wieder auf den schlichten Holzstuhl sinken, dessen Sitzfläche dünn mit grobem Stoff bespannt war.

Zögernd und langsam krochen ihre Finger über die Schreibtischoberfläche, berührten die vordere Kante der Remington und krabbelten auf die breite schwarze schmale Taste, die sogenannte Leertaste. Zu Beginn ihrer Bahnhofstätigkeit hatte sie Maschinenstunden gehabt. Ihr war bekannt, wie sie funktionierte, nur Übung hatte sie keine. Sie nahm sich fest vor, schnell und gut und sicher schreiben zu lernen, damit sie hierbleiben könne und nicht wieder zurück in den Fahrkartenschalter musste. Zu den Rollen mit den Billetts, die nichts anderes von ihr wollten als abgerissen zu werden. Die Taste fühlte sich gut an. Aber noch drückte sie sie nicht. Das würde ein wichtiger Moment sein, den sie sich aufsparen mochte. Das erste Schriftstück zu verfassen mit einer Maschine, die nur für sie alleine da war.

Für eine ziemlich lange Zeit geschah nichts, außer dass die anderen vor sich hin tippten. Auf dem Gang ertönten manchmal Schritte. Maras Blick wanderte von einer Frau zur nächsten, über die Wände, ungeschmückt bis auf das Ölbild eines Sonnenblumenstraußes und zurück auf ihren Schreibtisch, dessen Oberfläche sich bei näherem Hinsehen grünlich ausnahm. Und auf dem die Maschine thronte!

Sie sah kein Papier. Vor ihrem Oberkörper befand sich eine große breite Schublade. Als sie diese aufziehen wollte, öffnete sie sich einen Spalt und verkantete sich. Mara schubste sie und zog wieder, doch sie rührte sich nicht. Ihr brach ein wenig Schweiß aus. Die Heizung bullerte und sie schwitzte, aber vor allem war ihr das unangenehm. Zöge oder stieße sie zu fest, gäbe es sicherlich einen lauten Krach und sie würde die anderen stören. Tat sie nichts, sähe das ebenfalls nicht gut aus.

Gerade als sie einen neuen Versuch starten und die Schublade leicht anheben wollte, flog die Tür auf.

»Heil Hitler!«, rief eine junge Frau, Mitte zwanzig, in tadellos sitzender Uniform.

»Heil Hitler«, antworteten die anderen ohne aufzusehen und mit dem Tippen innezuhalten. Die Frau war rothaarig wie sie selbst und vielleicht war dies der Grund, warum ihr Blick Interesse zeigte. Sie trug ihre Haare zusammengesteckt zu einem Dutt.

»Sie müssen Fräulein Plager sein«, sagte sie laut und kam näher.

Das Mädchen räusperte sich. »Prager, ich heiße Mara Prager.« Das wäre wohl Frau Schneiderer, vermutete sie, aber ihr Gegenüber stellte sich nicht vor.

»Oh«, die andere lachte ernst, ohne groß das Gesicht zu verziehen. Ihr fiel ein breiter goldener Ring an ihrer rechten Hand auf, demnach war sie verheiratet. »Tut mir leid. Fräulein Prager. Folgen Sie mir? Ihren Arbeitsplatz kennen Sie ja schon. Haben Ihre Kolleginnen sich schon vorgestellt?« Sie zeigte nacheinander auf die rotblonde Frau vorne an der Bürotür, eine weitere mit Pferdegebiss und krausen grauen Haaren und eine jüngere Brünette mit gewaltiger Oberweite. »Das sind die Damen Backhaus, Völker und Stucht. Kommen Sie mal mit. Ich erzähle Ihnen, was wir hier so tun.« Mit diesen Worten machte sie kehrt und ging voraus.

Mara erhob sich und eilte hinterher. Die andere lief schnellen Schrittes bis zum Ende des Flures, nicht mehr als fünfzehn Meter, aber ihr kam der Weg deutlich länger vor. Türen reihten sich aneinander. Wandschmuck gab es keinen, abgesehen von dienstlichen Anweisungen, die in unregelmäßigen Abständen angebracht waren.

Vor einer Weiteren blieb sie stehen und öffnete. Mara las: Abteilungsleiter StFw Sauerland, Vorzimmer Fr. Schneiderer.

»Bitte warten Sie hier.« Sie tat wie ihr geheißen und starrte an die getünchte Wand. Der Gang war hier zu Ende. Es gab noch eine Tür, anscheinend führte sie zu einem Raum am Eck des Gebäudes, vermutlich jenes des Abteilungsleiters. Befand sich hier einer der Türme? Das stellte sie sich reizvoll vor – ein rundes Büro. Aber das schien unwahrscheinlich, der erste Turm am Seiteneingang hatte ein Treppenhaus beherbergt.

Plötzlich vernahm sie Stimmen. Da es auf dem Gang leise war, konnte sie einige Worte hören.

»Steht sie fest zum Führer?«, hörte sie eine Männerstimme sagen. Dann Gemurmel. Es verging ein längerer Moment, in dem nicht gesprochen wurde. Wieder wurde geredet, gefolgt von einem schrillen Klingeln. Jemand telefonierte. Mara wagte es nicht, zu horchen, obwohl es sie brennend interessierte, ob sich das Gespräch oder der Anruf um sie selber drehte.

Minuten später öffnete sich die Tür. Frau Schneiderer erschien und bat sie hinein.

Ein aufgeräumtes Büro empfing sie, an den Wänden standen Aktenschränke aus Holz mit lamellenartigen Rolläden. Die Leiterin verfügte über den gleichen Schreibtisch wie sie und eine Schreibmaschine. Diese war größer, die Marke erkannte sie nicht. Zudem ruhte eine schwarze Lampe an der dem Fenster zugewandten Ecke der Schreibplatte. Auch hier waren die Vorhänge zugezogen. Auf einer der beiden breiten Fensterbänke standen Bilderrahmen, deren Inhalt sie nicht erkennen konnte. An der Wand hing ein kleines Bild des Führers in Uniform, ein verbreitetes Motiv.

Frau Schneiderer setzte sich hinter ihren Schreibtisch und bat sie, Platz zu nehmen.

»Sie möchten hier bei uns arbeiten«, stellte sie fest. »Warum?«

Mara holte Luft. Die Frage hatte sie erwartet. »Die Arbeit bei der Bahn reicht mir nicht«, begann sie und die andere nickte.

»Aber unsere Reichsbahn erfüllt doch eine wichtige Aufgabe für ganz Europa im Kampf gegen den Bolschewismus«, sagte Frau Schneiderer ernst.

»Ja, sicherlich«, entgegnete Mara zögerlich. »Sie ist das größte Unternehmen der Welt. vierzigtausend Kilometer Strecke, sechshunderttausend Köpfe, die dort arbeiten, Kraftwerke, Wasserstationen, ein gewaltiger Fahrbestand an Lokomotiven, Reisezugwagen und Güterwagen, mit denen schon im Frieden monatliche viele Millionen Tonnen an Gütern und mehrere hunderttausend Personen befördert werden.« Es sprudelte einfach aus ihr heraus.

Frau Schneiderer nickte anerkennend, als hätte Mara eine Prüfungsfrage beantwortet.

»Wenn aber doch der Eisenbahnbetrieb bereits im Frieden für den Staat mit seiner Wirtschaft, seinem Handel und ganz besonders seiner Industrie von ausschlaggebender Bedeutung ist, gilt das dann nicht besonders für Kriegszeiten?«

Das Mädchen holte Luft. »Auf jeden Fall. Auftretende Schäden oder Störungen im Krieg wirken sich nicht nur auf lokale Gegebenheiten aus, sondern auch über große Entfernungen und lange Strecken.« Sie war in ihrem Element. Wie oft hatte sie mit ihrem Vater gefachsimpelt. Wie sagte Herr Bommel immer? »Nur eine schnelle Umdisposition und Umleitung von Transporten hält die Kriegsfähigkeit aufrecht. Trotz ständiger Fliegerbehinderungen müssen jederzeit betriebliche Höchstleistungen erbracht werden.« Sie sah ihr Gegenüber lächeln. Hatte sie jetzt etwas Gutes gesagt, oder lachte die andere sie aus?

»Aber dort sind Sie jetzt angestellt. Und von da wollen Sie weg?«

Mara überlegte. »Ja, aber …«. Hatte sie sich vergaloppiert? Ihr eigener kleiner Bahnhof war immerhin Sternenweiten entfernt davon, derart wichtig zu sein.

»Sie können mehr?«

Das Mädchen lächelte. Bevor sie etwas sagen konnte, fuhr Frau Schneiderer schon in ernstem Ton fort.

»Dann sind Sie hier aber falsch. Hier geht es nicht ums Können. Hier geht es um Verwaltung. Um das Verwalten von Gefallenen unserer glorreichen Wehrmacht, die im Kampf gegen den Weltfeind steht, der von allen Seiten auf uns einschlägt.« Frau Schneiderer blickte sie an, ohne zu blinzeln. Mara wurde unsicher. Sollte sie darauf reagieren? Was konnte sie sagen? Sie zog es vor, zu schweigen.

»Ihr Chef behauptet, Sie seien fleißig und vertrauenswürdig.«

Sie verstand: Das Telefonat eben hatte sie oder ihr Vorgesetzter mit Vorsteher Bommel geführt. Sie nickte langsam, ohne den Blick von der Frau zu nehmen. Im Nebenzimmer hörte sie Schritte. Sonst geschah nichts weiter.

»Und obwohl Sie vertrauenswürdig sind, wollen Sie die verantwortungsvolle Aufgabe der Fahrscheinausstellung verlassen und in der Wehrverwaltung arbeiten?«

Mara runzelte die Stirn. Fragte die das tatsächlich? Wusste sie, wie ein Arbeitstag am Fahrkartenschalter aussah? Sie nickte langsam.

»Können Sie schreiben?«

Kaum stand die Frage im Raum, da stieß es aus ihr heraus: »Ja, natürlich.«

»Wie viele Anschläge schaffen Sie in der Minute?«

»Oh«, entfuhr es ihr. »Ich kann schreiben. Gut und viel, nur … nicht mit der Maschine?! Mir fehlt die Übung.« Verlegen sah sie zu Boden.

Die Leiterin des Schreibbüros atmete ein und ein Ruck ging durch sie, als wollte sie sich umdrehen in Richtung ihres Vorgesetzten, aber dort stand niemand und dessen Tür war geschlossen.

»Gut Fräulein«, sie wischte sich über die Stirn. »Wir brauchen Personal. Zunächst muss klar sein, was wir hier tun, was Ihre Aufgabe ist und was … nicht Ihre Aufgabe ist.« Sie lehnte sich zurück. Wenn auch Maras aufgerichteter Rücken langsam schmerzte, bewegte sie sich keinen Millimeter.

»Wir sind eine dem Oberkommando der Wehrmacht unmittelbar nachgeordnete Dienststelle und erhalten alle unsere Anweisungen von der Abteilung Wehrmachtverlustwesen des OKW. Der Leiter unserer Behörde, Major Dr. Bourwieg, gehört dem OKW als Gruppenleiter an.«

Mara nickte. Bis hierhin konnte sie sich eine Vorstellung machen. Jede Wochenschau berichtete von der Wehrmacht und den Leistungen der Kommandostäbe.

»Bis zum letzten August waren hier acht Referate angesiedelt mit Beamten der Wehrmachtsverwaltung, Angestellte, Soldaten und Dienstverpflichtete. Haben Sie schon einmal von der Genfer Konvention von 1929 gehört?«

Mara kannte den Begriff und wusste, dass es um die Verhältnisse von Staaten untereinander während eines Kriegszustandes ging. Mehr aber nicht. Frau Schneiderer schien das zu ahnen, denn sie wartete nicht lange auf eine Antwort.

»Die Liste unserer Aufgaben ist umfangreich, dafür dass es uns erst seit dem 26. August 1939 gibt. Als hätte der Führer geahnt, dass die Weltverschwörung uns wenige Tage später mit Krieg überziehen würde. Möchten Sie ein Glas Wasser?« Erneut gab sie keiner Entgegnung Raum, sondern sprach weiter.

»Unsere Aufgaben ergeben sich aus dieser Genfer Konvention. Wir werten Personallisten der Kriegsgefangenenlager aus und führen Listen über Gefangene sowie tot oder verletzt aufgefundene Feindsoldaten. Diese Listen übermitteln wir an die Schutzmächte oder das Rote Kreuz… ›Schutzmacht‹ sagt Ihnen das was?«

»Ja, Schweden, Schweiz …«, murmelte Mara.

Die andere nickte freudig. »Länder die sich uns gegenüber freundlich verhalten. Wir legen Kriegsgefangenenkarteien nach Feindstaaten an und erstellen Sterbefallanzeigen von verstorbenen oder gefallenen Angehörigen fremdländischer Verbände und erteilen Auskunft an die Schutzmächte oder das Rote Kreuz bei entsprechenden Gesuchen.«

»Wenn ich etwas fragen darf…«, meldete sich Mara zu Wort. »Wir sind im Krieg mit England oder Amerika und tauschen Listen aus? Über Tote? Und Gefangene?«

»Natürlich«, nickte Frau Schneiderer. »Die anderen tun das auch. Wir sind keine Untermenschen, nur weil wir im Krieg sind. Die Sowjets liefern uns leider nichts, aber wen wundert das.«

»Aha«, sagte Mara nur.

»Weiterhin sammeln und registrieren wir Nachlassgegenstände und leiten diese weiter. Wenn also ein Feindsoldat tot gefunden wird oder er in unserer Gefangenschaft stirbt, senden wir die Hinterlassenschaft an die Hinterbliebenen. Als letzten Gruß.«

Tatsächlich hatte Mara nie darüber nachgedacht, was nach dem Tod eines Soldaten geschah. Gestorben. Heldentod, Heldenbegräbnis. Brief an die Angehörigen. Sicherlich, soviel wusste sie. In vielen Familien waren Gefallene zu beklagen, aber hier … hier fühlte sie sich erstmals ganz nah dran an Krieg und Tod.

»Und nicht zu vergessen, wir sammeln und werten die Kriegsgefangenenlisten aus, die uns durch die Feindstaaten übermittelt werden.«

Ist es nicht widersinnig, sich umzubringen und sich gleich danach respektvoll zu informieren?, schoss Mara durch den Kopf.

Als hätte die Büroleiterin ihre Gedanken gelesen, sekundierte sie: »Glauben Sie mir, der Führer wollte das alles nicht. Wenn es nach ihm ginge, würde die Weltverschwörung entlarvt und die Völker könnten wieder ohne Hass aufeinander zugehen und in Frieden leben.« Frau Schneiderer stand auf und tat einige Schritte. Vor der Durchgangstür zum Nachbarbüro blieb sie stehen.

»Was tun wir hier nun also? Wir erfassen und werten Verlustmeldungen unserer Truppen aus und forschen nach Vermissten. Wir erstellen Sterbefallanzeigen und, ganz wichtig, wirken bei Toderklärungsverfahren mit. Sie glauben nicht, was sich für Dramen abspielen, wenn Erben oder Mitwirkende in Rechtsverfahren vermisst sind … Weiterhin gibt es wöchentliche Lazarettmeldungen, die gehen direkt an das OKW und wir registrieren Kriegsgräber und erteilen Auskunft über Grablagen. Die Aufbewahrung und Zustellung von Nachlässen und Kriegstestamenten muss nicht gesondert erwähnt werden, oder? Oh, fast habe ich die Führung der Erkennungsmarkenverzeichnisse und Bearbeitung der Personalveränderungsmitteilungen vergessen.«

»Personalveränderungsmitteilungen«, sagte Mara gedehnt mit einer Mischung aus Bewunderung und unterbewusster Ablehnung.

Frau Schneiderer öffnete die Tür und dahinterstehend, als hätte er gewartet, erschien Stabsfeldwebel Sauerland. Er grüßte zackig und stellte sich vor. Er war schlank. Größer als sie selber, und Mara war nicht klein, 1.72 Meter. Er mochte Mitte bis Ende dreißig sein und hatte eine leicht schiefe Nase, als sei er einst Boxer gewesen. Sie machte einen Knicks.

»Gefällt es Ihnen hier?«, fragte er unvermittelt.

»Ehm ...«, brachte sie nur hervor.

»Sie erleben uns in Auflösung. Dieser Standort hier ist längst an zwei Orte in Thüringen verlegt. Prinz-Louis-Kaserne in Saalfeld und Drachenburg-Kaserne in Meiningen. Dort befindet sich die Verwaltungsspitze mit den Referatsleitungen. Wir sind das Nachkommando. Wir räumen hier nur noch auf und empfangen, was fehlgeleitet wurde an Akten oder Personenstandsmappen oder verspätet aufgefunden eintrudelt. Im Herbst werden wir aber auch umgezogen sein.« Er lachte. »Oder der Endsieg kommt früher.«

»Und ich soll hier Schreibarbeiten erledigen?«

»Richtig aufgefasst«, nickte der Abteilungsleiter. »Meldungen empfangen, aufnehmen, Listen führen, Listen weiterleiten und in dringenden Fällen auch mal einen Brief schreiben. Vielleicht nicht schwierig, aber wichtig. Hinter jeder Liste und jedem Brief stecken Menschen. Das dürfen Sie nicht vergessen.«

»Sie fangen sofort an. Die Arbeitszeiten und Pausen erfahren Sie von den Bürokolleginnen.« Frau Schneiderer nickte und Mara verstand. Damit konnte sie fertig werden.

* * *

Müdigkeit und Erregung spielten ineinander und sie wusste nicht, wohin in ihrer Aufregung, als sie um 19 Uhr endlich die Dienststelle verließ. Vater würde schon zuhause sein, aber sie wollte Isolde zuerst davon erzählen. Was für eine Nachricht, die sie zu berichten hatte, wo sonst nie etwas in ihrem Leben passierte! Und die Freundin wohnte in der Regensburger Straße, ein Katzensprung von hier aus! Bloß zweimal ums Eck. Sie lief wieder heimwärts. Nicht die Nachodstraße entlang, sondern nordwärts, die Münchener Straße hoch. Dann an der nächsten Kreuzung links und bald stünde sie bei ihr vor der Tür.

Die Luft ließ einen kühlen Abend erwarten, einige Leute waren unterwegs und sogar ein paar Autos, alles schien normal. In den Wohnungen brannte Licht. Die meisten saßen wohl beim Abendbrot oder waren auf dem Weg dorthin. Umso merkwürdiger erschien ihr der Mann mittleren Alters, der ihr kurz vor der Kreuzung Münchener / Regensburger Straße hastigen Schrittes entgegeneilte und sich sogar den Hut festhielt, als würde es jeden Moment beginnen zu stürmen. Den Blick fest auf die kommende Hausecke gerichtet lief sie weiter und dachte sich nichts dabei, bis die elegante Dame mit dem Kinderwagen auftauchte. Ein klobiger weißer Wagen aus Korb, sicherlich schwer. Sie kannte das Modell von Familienbildern. Die Eltern hatten sie mit einem solchen Wägelchen einst spazieren gefahren. Diese Mutter aber rannte! Die Achsen quietschten, als die Frau mit starrem Blick an ihr vorbei nach Süden jagte.

Das Mädchen sah ihr einen Moment hinterher. Dann bog sie um die Ecke und machte die ersten Schritte in die Regensburger Straße hinein. Nun wurde sie langsamer. Eine Irritation bemächtigte sich ihrer, eine Unsicherheit, ein äußerst ungewöhnliches Gefühl. Eigentlich war alles wie immer. Isolde wohnte schräg gegenüber und so trat sie auf die Straße hinaus. Es kam kein Auto, so musste sie nicht vorsichtig sein. Doch sie sah auch keinen Menschen. Gar niemanden. Weder straßauf noch straßab. Und sollten nicht wenigstens manche Fenster erleuchtet sein? Aber nichts, als wäre nicht einer zuhause, nirgendwo. Nur ein Auto parkte in einiger Entfernung. Unbelebt, ohne Licht. Eine Szene wie in einer dieser phantastischen Geschichten, wo alle Erdlinge vom Antlitz der Welt verschwunden sind.

Kaum ein Dutzend Meter und sie stünde bei Isolde vor der Tür. Aber dieses Gefühl der Einsamkeit war besonders, so außerweltlich. Wurde intensiv wie dichter Nebel – die Füße setzten sich immer langsamer voreinander, mitten auf der Straße. Etwas kratzte auf der gegenüberliegenden Seite und ein Mann bewegte sich im Schatten der Häuser. Anscheinend normal, gemessenen Schrittes, aber irgendwie leicht geduckt, als folge er der Silhouette der Gebäude, deren Umrisse sich auf das Straßenpflaster malten. Auf der Höhe einer Litfaßsäule verharrte er und betrat dann entschlossen die Straße. Etwas klirrte in seiner Hand. Ein Hausschlüssel. Es existierte also doch noch jemand außer ihr und das Gefühl des besonderen Momentes schmolz wie Zuckerwatte auf der Zunge. Zögerlich ging sie weiter. Sie fühlte schon den Treppenabsatz unter ihren Füßen und den Klingelknopf von Isoldes Familienwohnung, als nahezu zeitgleich Autotüren schlugen, Männerstimmen riefen und Schuhsohlen auf die Pflastersteine trampelten.

»Zugriff. Stehenbleiben. Halt!« Mehrere Stimmen bellten durcheinander und plötzlich schrie jemand um Hilfe. Einmal, zweimal. Bis Mara sich umgedreht hatte, war alles vorbei. Zwei groß gewachsene Männer nahmen einen älteren Herrn in ihre Mitte, der ein wenig zappelte und sich wand, dann aber erschlaffte wie eine führerlose Marionette. Als wenn nichts wäre, schleppten sie ihn mit. Er verlor einen Schuh dabei, niemand kehrte um, den zu holen. Es war egal. Erst jetzt begann ihr Herz zu rasen, der Atem ging schneller, als man den zusammengesackten Herrn widerstandslos auf die Rückbank verfrachtete. Als das Auto an ihr vorüberfuhr, weiter geradeaus in Richtung Mitte und ohne jede Eile, waren kaum drei Minuten vergangen. Regungslos blickte sie den Schuh an. Er schien elegant, wenn auch sicher nicht neu. Sie spürte nicht, wie ihre Hand den rauen Putz der Hauswand rauf und runter glitt. Sie dachte nur an diesen einzelnen Schuh. Ein persönlicher Gegenstand, vielleicht einmal freudig ausgesucht und gekauft. Heute früh angezogen und niemand würde wohl vermutet haben, dass er am Abend des gleichen Tages alleine auf der Regensburger Straße liegen bliebe. Ohne das Gegenstück.

Ein Licht ging an in dem Haus gegenüber. Wenige Sekunden später ein weiteres in der Wohnung darüber. Dann hier und dort.

Beinahe gleichzeitig senkte sich eine Hand auf ihre linke Schulter und schmale, lange Finger legten sich über ihre Augen.

»Wer bin ich?«, flüsterte eine Stimme dunkel und Mara erschrak. Hastig sah sie sich um. Vor ihr stand Isolde, in einem bequemen Hauskleid. Sie lächelte neugierig. »Was treibt dich denn hierher? Das ist ja ne Wolke.«

Das Mädchen quietschte verschreckt und atmete schwer. Dann löste sie sich aus dem Hauseingang und rannte nach Hause. Isolde sah ihr irritiert hinterher.

Kleine Frau im Mond

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