Читать книгу Tiara - Stefanie Worbs - Страница 6

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Im Zelt war es warm, denn ein kleiner Ofen in der Ecke, strahlte eine angenehme Wärme aus. Heras ging zu einem großen Tisch in der Mitte und baute sich davor auf. Tia blieb mit Timar im Rücken neben dem Eingang stehen. Ihr Blick glitt durch das Zelt und erfasste die Lage. Es waren nicht viele Leute da. Zwei Wachen, sie standen links und rechts in den hinteren Ecken. Vor ihnen konnte Tia Männer ausmachen. Ob es die waren, mit denen Heras vorhin schon gesprochen hatte?

Ihr Herz begann wieder zu klopfen, als sie an den Mann mit den Eisaugen dachte. Sie sah ihn nicht. Heras breiter Rücken verdeckte einige der Anwesenden halb. Doch dann drehte er sich zur Seite und winkte sie heran. Sie trat auf ihn zu und plötzlich war die Wärme im Zelt mehr Hitze.

Da stand er, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf leicht gesenkt und musterte sie abermals lächelnd. Der Schatten auf seinem Gesicht, stellte sich nun im Licht als Dreitagebart heraus. Seine Haare waren wieder fast trocken. Oben am Kopf standen sie wirr ab, während die kürzeren Seiten nach hinten gestrichen waren. Tia zwang sich, keine Miene zu verziehen, und nickte jedem zu, den Heras ihr vorstellte.

„Das sind General Utah, er führt dieses Lager.“ Er deutete auf den untersetzten, großen. „Sein erster Offizier Ilkay, er hat die Kavallerie und das erste Bataillon Fußsoldaten unter sich.“ Heras’ Hand schwenkte zu dem Mann mit den Eisaugen. Dann deutete er auf den dritten, hageren, großgewachsenen. „Und dieser Herr ist Ploth, Meister der Kahn.“

Tia, deren Aufmerksamkeit bei Ilkay kurz hängen geblieben war, schaute nun verdutzt zu dem Mann auf den Heras als Letztes gewiesen hatte.

Meister der Kahn? Ihr fragender Blick ging zurück zu Heras und er antwortete darauf.

„Ploth hat dreizehn Kahn unter sich. Sie stammen aus allen Teilen des Landes. Keine Sorge, alle sind uns wohl gesonnen.“

Sonst wären sie nicht hier, dachte Tia. Kahn waren Magier, die mentale Kräfte zum Zaubern nutzten und sie waren wirklich selten. Tia selbst kannte sie nur aus Erzählungen und war nicht gerade angetan von ihnen. Ein Kampf war kein Kampf, wenn er durch herumstehen und anstarren ausgefochten wurde. Trotzdem tolerierte sie deren Existenz. Man wurde als Kahn geboren. Niemand suchte es sich aus. Es war mehr Bürde als Segen, weshalb sie niemand darum beneidete.

Sie musterte den Meister Kahn kurz. Er trug noch immer den Umhang. Seine Augen waren freundlich aber unstet. Als würde etwas vor seinem inneren Auge flackern, dem er zu folgen versuchte. Er lächelte sie freundlich an, was sie erwiderte.

„Diese drei Herren sind die Köpfe dieses Heeres“, sprach Heras weiter. „Meine Herren“, er wandte sich den Männern zu, „Das ist Tiara. Ich zähle sie als unsere beste Bogenschützin. Ihr Vater war erster Unteroffizier der Kavallerie von Lohven. Hauptmann Tann war ihr Ausbilder.“

Anerkennende Blicke trafen sie. Tia nahm sie an, verzog aber wieder keine Miene. Sie wusste, wie gut sie war und woher sie stammte. Und sie war stolz darauf. Die Plane wurde zur Seite geschoben und Tamara trat ein.

Sie baute sich wie Tia zuvor, neben dem Eingang auf. „Hauptmann Heras.“

„Tamara, komm her.“ Er winkte auch sie heran. Sie stellte sich neben Tia und grinste kurz, denn sie hatte Ilkay schon entdeckt. Tia konnte nicht anders und verdrehte die Augen. Dann wurde ihr Gesicht heiß, als ihr Blick erneut auf ihn fiel. Ilkay hatte seinen nicht von ihr abgewandt. Sie konzentrierte sich wieder auf ihren Hauptmann, der nun Tamara vorstellte und die Namen und Ränge der Männer wiederholte.

„Nun gut. Da jetzt alle anwesend sind, denke ich, sollten wir zum Thema kommen,“ meinte der General und nickte Heras zu.

Dieser wandte sich nun an Tia und Tamara. „Ihr wisst, dass es bei uns keine Befehlskette gibt außer uns dreien. Er deutete auf sich, Killian und Timar.“

Die Mädchen nickten.

„Nun, das muss sich jetzt ändern. Wir sind hier nicht mehr unter uns und müssen etwas mehr Klarheit schaffen. Nicht für uns, sondern für die Hauptmänner und Kommandanten dieses Lagers“, fügte er an, als ihn die fragenden Blicke der Mädchen trafen. Bisher hatten sie keine Befehlskette gebraucht.

Er fuhr fort: „Wir werden uns ab sofort etwas klarer definieren müssen. Das heißt, die Schwertkämpfer und Bogenschützen werden getrennt gesehen. Wir bleiben eine Einheit, allerdings wird es ab sofort zwei neue Ränge geben. Zum einen dich Tiara. Du bist von nun an für die Schützen zuständig. Du bildest sie aus und bist ihre Stimme. Tamara, deine Aufgabe werden die Schwertkämpfer sein. Von nun an seid ihr Unteroffiziere des zweiten Ranges. Ihr untersteht damit weiterhin Killian und Timar. Ich werde eure Ernennung morgen früh offiziell machen und ich erwarte eine tadellose Zusammenarbeit der beiden Abteilungen.“

Da war das Ekel wieder, dachte Tia. Als würden sie nicht ohnehin perfekt zusammenarbeiten. Er musste sich einfach aufführen wie ein Gockel.

„Gibt es noch fragen?“, wandte Heras sich nun wieder an die Männer, die die Ansprache schweigend mit angehört hatten.

Der General neigte leicht den Kopf. „Ich brauche eine genaue Aufstellung Eurer Kavallerie. Zwar habe ich einen kleinen Überblick, aber ich brauche Zahlen. Wer hat wie viele Pferde? Welche Ausrüstung liegt vor? Und wenn etwas gebraucht wird, macht bitte eine Liste dafür fertig.“ Er sah die beiden Mädchen an.

„Ja, General“, antworteten sie fast zeitgleich.

„Bitte scheut Euch nicht aufzulisten, was gebraucht wird. Auch wenn es nicht militärischen Zwecken dient. Wir wollen und müssen alle ordnungsgemäß ausstatten.“ Er lächelte und meinte unmissverständlich frauentypische Dinge.

Tamara grinste frech, was Tia mit einem weiteren ungewollten Augenrollen quittierte. Hinter Heras erkannte sie abermals Ilkays Lächeln, als auch er den Kopf leicht schüttelte.

„Ich denke, das war es dann erst mal.“ Mit einem Kopfnicken entließ Heras die Mädchen, die sich leicht zum Abschied verneigten und das Zelt verließen.

Draußen wartete Fin, der ungeduldig von einem Fuß auf den anderen wippte. „Endlich. Ich dachte schon, ihr bleibt da die ganze Nacht drin. Jetzt aber los.“ Er griff Tia bei der Hand und zog sie mit sich. Tamara eilte ihnen nach.

„Tia! Im Licht sieht der ja noch besser aus“, rief Tamara ihr freudestrahlend zu.

Im Lauf drehte Tia sich um und zischte, wohl wissend, wie dünn Zeltwände waren: „Pssst. Schrei doch nicht so.“

Tamara lachte und holte auf. „Oh Tiara. Das kann ja heiter werden.“

Die Schänke war übervoll von Kavalleristen und alle gehörten zu den Westlichen. Sie brüllten und gratulierten Tia in einem Sturm von Stimmen und Gelächter nachträglich noch mal zum Geburtstag. Ein breites Grinsen legte sich auf ihr Gesicht und sofort fühlte sie sich wieder wie zu Hause. Jeder Einzelne nahm sie in den Arm, während sie sich ihren Weg durch den Raum bahnte. Fin führte sie zur Theke und setzte sie auf einen freien Hocker. Ohne bestellt zu haben, schob ihr der Wirt einen Krug Met hin. Er machte an diesem Abend sicherlich das Geschäft seines Lebens.

Die Stimmung war ausgelassener denn je und hob noch an, als Tamara die Beförderung der Mädchen erwähnte. Niemand war neidisch oder missgünstig. Jeder freute sich mit ihnen. Tia wusste, dass es nichts ändern würde. Ihr war zwar auch ein wenig schleierhaft, warum nicht Timar und Killian das taten, was die Mädchen nun an Aufgaben übernahmen, aber wenn Heras es so wollte, würde sie sich fügen. Jetzt gab es eben zwei Unteroffiziere mehr.

Zum ersten Mal, seit einer kleinen Ewigkeit, fühlte Tia sich wieder richtig wohl. Sie wusste, dass ein gemachtes Bett auf sie wartete und ihr Magen knurrte nicht mehr. Das Essen der Schänke war ein Gedicht, genau wie das Bier und der Met. Für ihren Geschmack ging die Nacht viel zu schnell vorbei.

Ihr Kopf schwirrte herrlich, während sie ihre Kameraden beim Tanzen oder anderen eindeutigen Aktivitäten beobachtete. Ihr Blick fiel auf Imar und Tamara. Was die beiden da taten, war genau genommen nicht mehr erlaubt. Doch niemand störte sich daran. Zwar war Tamara jetzt seine Vorgesetzte, doch da dieser Rang nur der Ordnung galt, würde in der Einheit niemand etwas darüber sagen. Nur auf Außenstehende mussten sie achtgeben.

„Ist hier noch frei?“ Eine sanfte Stimme drang an Tias Ohr. Sie drehte sich in die Richtung, aus der sie kam und sofort machte ihr Herz einen Satz. Abrupt richtete sie sich auf. Etwas zu schnell, für ihren alkoholvernebelten Kopf, was ihr einen leichten Dreh versetzte. Sie hielt sich am Tresen fest und starrte den Hauptmann mit den Eisaugen an, bis ihr auffiel, dass sie starrte.

Sofort senkte sie den Blick. „Ehm, nein, also ich meine ja, hier ist gerade frei.“

Kurz suchte sie in der Menge nach Fin, der ja eigentlich eben noch hier gesessen hatte. Sie entdeckte ihn in der anderen Ecke des Raumes. Er hatte offensichtlich viel Spaß mit einer Bedienung. Tia spürte, wie der Hauptmann sie beobachtete, und wandte sich ihm wieder zu. Er lächelte und abermals beschleunigte sich ihr Herzschlag.

Herr Gott, was ist das denn? Sie nippte an ihrem Met, um ihre Nervosität zu verbergen.

„Herzlichen Glückwunsch“, sagte Ilkay, als er sich zu ihr beugte, damit sie ihn durch den Lärm besser verstehen konnte.

Tia verschluckte sich und hustete. Woher weiß er das ich Geburtstag hatte?

Er klopfte ihr sachte auf den Rücken, bis sie wieder Luft bekam. „Alles in Ordnung, Unteroffizierin Tiara?“, fragte er feixend und ihr wurde bewusst, dass er ihre Ernennung, nicht ihren Geburtstag gemeint hatte.

„Ja alles gut, danke“, keuchte sich leicht und atmete tief durch. „Und Tia reicht“, fügte sie an.

„Ist ja ganz schön was los bei euch“, stellte er fest und sie nahm wahr, dass auch er getrunken hatte.

„Tja, so feiern wir halt.“

„Nur gut gibt es nicht jeden Tag solche Beförderungen. Ihr würdet aus dem Feiern nicht rauskommen“, lächelte er.

„Stimmt wohl. Allerdings gibt es die Hälfte des Jahres Geburtstage. Da kommt man aus dem Feiern trotzdem nicht so schnell raus.“ Sie schloss die Augen und verstummte, um nicht noch mehr zu verraten.

„Aha. Und wer hat heute seinen Ehrentag?“, wollte er wissen, doch in dem Moment kam Tamara herüber. Sie grinste breit, als sie Ilkay neben Tia entdeckte. Tia sah sie scharf an, um ihr Einhalt zu gebieten, doch ihre Freundin trat näher und nahm sie bei der Hand. „Komm schon. Es ist Zeit, dass das Geburtstagskind seine Rede hält.“ Sie sagte es lauter als nötig und Tia wusste, sie wollte den Hauptmann darauf aufmerksam machen. Am liebsten hätte Tia ihr eine dafür verpasst, doch schon wurde sie durch die Masse gezogen und auf einen Tisch gestellt. Fin strahlte sie von unter her an und sie lachte, als Beifall entbrannte.

Sie hob ihren Krug und es wurde still. „Also, ihr wisst ja eigentlich, was kommt. Immer dasselbe eben.“

Ihre Kameraden lachten.

„Ich danke euch, dass ihr hier seid. Ihr wisst, ihr seid die Besten. Das muss ich also nicht extra erwähnen.“

Wieder brannte Gelächter und Beifall durch den Raum.

„Ich bin froh einer so dermaßen, extremen, ehm, auffälligen Truppe anzugehören?“

Ein gespieltes Stöhnen ging durch die Reihen und Tia lachte. „Ja ich weiß. Ihr seid die Größten, das wollt ihr hören, oder?“

Die Menge jubelte.

„Tja also, ihr seid es.“ Sie hob abermals ihren Krug und ausnahmslos alle taten es ihr nach. Sogar Ilkay und seine kleine Schar Anhänger prosteten mit.

„Danke Leute!“, rief sie noch mal und schon waren wieder Jubel, Beifall und Pfiffe zu hören. Fin hob sie vom Tisch und setzte sie vor sich ab. Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und grinste breit. Der Hauptmann tauchte hinter ihm auf und Fin trat zur Seite, als er ihn bemerkte.

„So ist das also.“ Ilkay lächelte, wobei ein Funkeln in seine Augen trat. „Dann auch von mir alles Gute zum Geburtstag.“ Er beugte sich vor und nahm sie kurz in den Arm. Sie versteifte sich und war sich sehr sicher, rot angelaufen zu sein.

Nach ihm gratulierten ihr auch seine Männer. Fin stand nah hinter ihr und hatte einen Arm um ihre Hüfte gelegt. Tia bemerkte es und sah ihn fragend an. Er schüttelte nur unschuldig den Kopf.

„Wir werden dann mal wieder gehen und euch feiern lassen“, sagte der Hauptmann schließlich. Er nickte Tia zu und wandte sich ab. Sie sah ihm nach, wie er die Schänke verließ. Morgenlicht schien herein, als die Tür aufschwang.

Schon wenig später schloss der Wirt endgültig den Ausschank, was ihm bitten und betteln einbrachte, doch er ließ sich nicht erweichen. Also machten sich auch die Kavalleristen auf den Weg zurück ins Lager. Die Truppe verstreute sich weit. Tia lief mittig der Schar, schwieg und genoss einfach das Zusammensein mit ihren Leuten.

Da sie am anderen Ende des Lagers ihre Zelte hatten, mussten sie sich arg zusammenreißen, nicht alle anderen zu wecken, während sie die Zeltstadt durchquerten. Doch trotz aller möglichen Zurückhaltung, wurden sie hier und da angepöbelt leiser zu sein. Leises Lachen und Kichern ging ständig von vorn nach hinten und zurück durch die Truppe. Alle waren mehr oder weniger betrunken, was sie bereuen würden. Doch so war es nun mal, wenn die Westlichen feierten.

Eine Bewegung im Augenwinkel ließ Tia den Kopf drehen. Sie liefen gerade an mehreren großen, festen Zelten vorbei und vor einem der hinteren standen zwei Männer. Sie erkannte den Hauptmann und einen seiner Freunde aus der Schänke. Während der Freund auf ihn einredete, schnellte Ilkays Blick zu ihr.

Man, der scheint es zu merken, wenn er angesehen wird, dachte sie, wandte den Blick aber nicht ab. Diesmal lächelte Ilkay nicht. Fin fasste Tias Hand fester. Sie bemerkte, wie auch er zum Hauptmann schaute, dann ließ er ihre Hand los und legte stattdessen den Arm um ihre Schultern. Er zog sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Haare.

Sie drehte sich etwas und machte sich los. „Lass das, Fin“, wies sie ihn zurecht und lief nun einen Schritt schneller als er.

Er holte auf. „Was ist denn los?“

„Das weißt du genau. Hör auf Besitzansprüche zu stellen.“

„Das mache ich doch gar nicht.“

„Und was war das gerade eben? Denkst du, ich bemerke das nicht?“

„Das war doch nichts.“

„Fin, bitte. Lass es einfach.“

Er hielt kurz an, dann schloss er wieder zu ihr auf. „Du kannst mit dem eh nichts anfangen!“

Sie stoppte und Henn, der hinter ihr war, lief in sie hinein.

„Hast du sie noch alle? Wer sagt denn, dass ich was mit dem anfangen will?“

„Das sieht doch ein Blinder.“

„Er ist Hauptmann, Fin. Außerdem kenne ich ihn nicht mal. Was ist dein Problem?“

„Er war auf deiner Feier.“

„Und? Ich habe ihn nicht eingeladen.“

„Der will was von dir.“

„Aha. Und du weißt das weil?“

„Warum sonst sollte er da gewesen sein?“

„Zufall? Wir waren immerhin laut. Vielleicht wollte er nur sehen, wer da Spaß hat.“

„Zufall, ist klar“, schnaubte Fin abwertend und nickte ebenso.

Sie starrte ihn an. Unfähig weitere Argumente zu finden, schüttelte sie nur den Kopf und machte sich auf den Weg zu ihrem Zelt. Diesmal folgte er ihr nicht.

Tiara

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