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Kapitel 3

»Rikkert wil je meteen in zijn kantoor zien, Marijke!«, ließ Neeltje, die immer einen glänzenden roten Latex-Catsuit mit Katzenohren und aufregende Schaftstiefel mit mörderischen Absätzen trug, sie wissen. »Hij wacht daar met een belangrijke klant.[3]«

Sie warf ihr einen verwirrten Blick zu. »Weet je zeker dat hij me nu wil zien?[4]«, fragte sie zurück – schließlich hatte sie keinen Kontakt zum Klientel des ›Birdcage‹, abgesehen vom Servieren und Abräumen der Getränke. Auch hatte sie noch nie jemand wegen eines Spieles angesprochen, und sie war froh, dass es dabei geblieben war.

»Hij zei dat[5]«, nickte Neeltje. »Die beiden warten auf dich. Du solltest dich also beeilen ... Ich nehme dir das ab.« Sie griff nach dem Tablett mit den leeren Gläsern und nahm es Marijke aus den Händen. Sie war die Sicherheitschefin im Club und befehligte vier muskelbepackte Männer, die für Ordnung sorgten, falls tatsächlich mal ein Eingreifen erforderlich wurde. In dieser Funktion war sie viel zu beschäftigt, um als Servicekraft zu arbeiten, aber sie wusste, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war, dass Marijke ihr Tablett jetzt einfach auf einem Tische an der Bühne abstellte und dort beließ. Insbesondere wo sich dort gerade eine an Händen und Füßen gefesselte Sklavin krümmte, deren Körper ihr Meister in transparente, reißfeste Frischhaltefolie gewickelt und zur allgemeinen Benutzung freigegeben hatte.

In regelmäßigen Abständen betrat ein Kunde das Podium, verging sich an ihr für einige Minuten und neckte sie, bis sie sich kurz vor einem Orgasmus befand, ehe er sich wieder auf seinen Platz begab. Ihr Herr und Meister hatte alle laut wissen lassen, dass es ihr verboten war vor vier Uhr in der Früh zum Höhepunkt zu kommen. Die zwei Stunden, in denen sie sich nun inzwischen in dieser Lage auf der erhöhten Spielfläche befand, hatte sie bereits zutiefst frustriert, weshalb sie laufend stöhnte, keuchte, wimmerte und unter Tränen, nach Luft japsend darum flehte, endlich von ihrer nicht mehr auszuhaltenden Wollust erlöst zu werden.

»Bedankt, Neeltje. Würdest du Doortje bitten, für ein paar Minuten meinen Bereich abzudecken?«

Als Neeltje nickte und am zweiten ›Showroom‹ vorbei in die Küche ging, nahm sie sich einen Moment Zeit, um das Mädchen auf der Bühne zu beobachten. Es lag jetzt mit den Schultern unmittelbar an der Bühnenkante auf dem Rücken und sein Kopf ragte darüber hinaus. Sie verharrte dort völlig regungslos mit geöffnetem Mund, als ihr ein Mann in einem gut geschnittenen dunkelgrauen Anzug sein erigiertes Glied gegen ihre Lippen drückte und seine Eichel an ihren Zähnen rieb. Er neckte sie, weigerte sich, es ihr ganz in den Mund zu schieben, und bewegte seinen langen, dicken Schaft stattdessen nur leicht hin und her, wobei er ihre feuchten Lippen und Zunge streifte, ehe er ihre Wangen mit der Eichel streichelte. Eine Hand stützte ihren Hinterkopf, während seine andere in ihrem Schritt ruhte und ihr den Kitzler bespielte, der zu einer enormen Größe angeschwollen war – immer darauf bedacht, sie nur an die Grenze zu bringen, um ihren Lippen ein lautstarkes Aufkeuchen zu entlocken; ein beschwörendes Flehen, sie endlich über die Klippe, in die tosenden Wellen eines Höhepunktes zu schicken.

Marijke seufzte, wissend, dass dieses Bild nun gegen ihren Willen in ihrem Kopfkino auftauchen würde, wenn sie das nächste Mal mit sich selbst spielte. Sie musste sich eingestehen, dass viele der weniger gewalttätigen Akte der letzten drei Monate ihre Fantasie angeregt hatten – was sie oft beunruhigte. Vor ihrer Arbeit im ›Birdcage‹ waren ihren Fantasien immer in völlig normalen Bahnen verlaufen – Vanille eben, wie es Rikkert ausgedrückt hatte. Immer waren es muskulöse gut aussehende Männer gewesen, die sie zärtlich nahmen und sie gekonnt bespielten. Starke Liebhaber, die es verstanden, sie virtuos zu einem Orgasmus zu bringen. Sie gestand sich ein, dass Rikkert recht hatte – in ihrem Kopf lief das ab, von dem sie immer angenommen hatte, dass es wohl den meisten Frauen gefiel – und ja, das Wort allein klang sehr viel exotischer als dieser simple Sex ohne jeden Schnickschnack war. Es war schlichter Blümchensex, wobei ›Doggystyle‹ in ihrem Kopf bereits eine der gewagteren Vorstellung war. Nie fand dabei irgendein Kontrollaustausch statt, niemals wurde sie in ihrer Fantasie erniedrigt oder sexuell bestraft. Inzwischen wusste sie, dass die Liebhaber der Spielarten, die sie hier jede Nacht zu Gesicht bekam, den Begriff abwertend meinten und sie jede Form von ›Mainstream-Sex‹ langweilte. Wer deren Ansicht nach mit seinem Partner im Bett keinerlei Experimente wagte und nicht einmal über seine sexuellen Gelüste sprach, galt für sie als prüde. Für sie trugen ›Sextoys‹, Rollenspiele und andere Dinge dazu bei, dass ihr Sex so ›versaut‹ wie gewünscht wurde.

Meistens wiederholten sich in Marijkes Kopf bestimmte Erinnerungen aus dem Club, wenn sie masturbierte. Dann sah sie sich in ihrer Latexuniform mit einem hautengen Rock, der so knapp bemessen war, dass je nach Blickwinkel ein Hauch von ihrer blank rasierten Spalte hervorblitzte, kombiniert mit einem engen Korsett, dass ihre nackten Brüste fest umschloss und einem einfachen schwarzen Lederhalsband, das sich schmeichelnd um ihren schlanken Hals legte. In ihrer Vorstellung griffen unsichtbare Hände nach ihr, während sie durch die Räume des Clubs lief. Dabei zerrten Finger an ihrem Kostüm, drängten sie dazu auf die Knie zu gehen und die Körper der Männer, die sie festhielten, beugten sich über sie, während sie mit ihm spielten und in ihn eindrangen. Zwangsweise öffnete sie ihre Lippen und bot ihnen ihren Mund an. In ihrer Illusion widersetzte sie sich nie dem, was ihre Fänger von ihr verlangten und mit ihr anstellten. In ihrem Kopfkino lieferte sie sich voll uns ganz der Gnade der Männer aus, und nie zuvor war sie so erregt gewesen. Anfangs waren diese Fantasien nur vereinzelt aufgetreten, doch inzwischen hatten sie überhand genommen und nur vereinzelt kam es beim Onanieren noch zu ›Vanillaschüben‹, wie sie das nun lächelnd bezeichnete.

Sie schüttelte den Kopf und versuchte, das Bild beiseite zu schieben – schließlich liebte es Rikkert nicht warten zu müssen. Zügig schob sie sich ihren Rock zurecht. Plötzlich war sie sich seiner Kürze bewusst geworden und fühlte sich unbehaglich, weil sie der Anblick des Mädchens erregt hatte und sie die Feuchte zwischen ihren Beinen spürte. Mit schnellen Schritten stieg sie auf ihren High Heels die Treppe zu Rikkerts Büro empor und klopfte an dessen Tür, ehe sie zögernd öffnete.

»Ah, Marijke, kom binnen![6]«, forderte Rikkert sie auf. »Na, komm', beeil' dich!« Er saß hinter seinem ausladenden Mahagonischreibtisch, den er so sehr liebte, und der Raum war angefüllt vom dichten Rauch und übelriechenden Gestank seiner kubanischen Zigarren.

Sie trat durch die Tür in das große Arbeitszimmer und erblickte sofort den Klienten, den Neeltje erwähnt hatte. Der Mann hatte sich in die hinterste Ecke des Raumes zurückgezogen, möglichst weit vom scharfen, beißenden Rauch entfernt. Sie wagte es nicht, ihren Kopf in seine Richtung zu drehen – selbst als Servicekraft, so war es ihr von Rikkert eingeschärft worden, sollte sie den Kunden gegenüber devot auftreten. Aber sie wusste, dass sie ihn noch nie zuvor im ›Birdcage‹ gesehen hatte. Alles, was sie aus ihren Augenwinkeln heraus sehen konnte, war, dass er ein junger, eher durchschnittlicher Kunde war – vielleicht Anfang der Dreißig, mit kurzen, dunklen Haaren, und dass er einen einfachen, aber offensichtlich exzellent geschnittenen dunklen dreiteiligen Anzug trug.

Kaum, dass sie vor Rikkerts Schreibtisch stand, vernahm sie, wie der Mann sich hinter ihr bewegte.

»Ja«, sagte er mit tiefer, aber sanfter Stimme. »Nicht schlecht.«

Marijke drehte sich nicht zu ihm um, hörte aber, wie sich die Tür schloss und spürte, dass er nicht mehr im Raum war.

»Ga zitten, mijn meisje. Wil je wat drinken?[7]« Rikkert wartete nicht auf ihre Antwort und füllte zwei Gläser halb voll mit Bourbon aus einer Karaffe auf seinem Schreibtisch.

»Sie haben mich rufen lassen?« Sie mochte es nicht sehr, wenn er sie ansah und sich an ihrer auffälligen Latexuniform ergötzte. Deshalb war es ihr lieber direkt zur Sache und auf den Punkt zu kommen. Sie setzte sich zaghaft und überschlug sofort ihre Beine, sodass er gar nicht erst dazu kam, ihr zwischen die Schenkel zu glotzen, um sich an ihrer Scham aufzugeilen.

»Heb ik«, antwortete er nickend und nahm einen Schluck vom ›Tennessee Whiskey‹. »Kijk, Marijke, ik heb een klein probleempje, en ik denk, dat je misschien kunt helpen met de oplossing.[8]«

Verwundert blickte sie ihn an. »Habe ich etwas falsch gemacht?«

Rikkert schüttelte den Kopf. »Nein.« Er deutete auf die geschlossene Tür. »Der Mann, der gerade hinausgegangen ist, scheint mir eine mögliche, äußerst interessante Geldquelle zu sein. Ich bin ganz knapp davor, ihn aus einem Club in Rotterdam abzuwerben, wo er normalerweise seine Zeit verbringt ...« Er seufzte und nahm einen weiteren Schluck. »Das bleibt natürlich unter uns, Marijke! ... Aber der Mann ist ein echter ›High Roller‹!« An ihrem Blick bemerkte er, dass sie nicht verstand, was er ihr damit sagen wollte. »Ein ›High Limit Gambler‹, wenn du es in Casino-Sprache möchtest, jemand, der ausschließlich hohe Beträge, extrem hohe Summen, setzt, um zu bekommen, was er möchte.«

»Ähm ...«, reagierte sie unverbindlich. Sie hatte keine Ahnung was das mit ihr zu tun hatte, geschweige denn, worauf Rikkert gerade hinauswollte. Alles was sie wusste war, dass derartig finanziell hochpotente Klienten sehr bevorzugt behandelt wurden. Diejenigen, die dem Club das meiste Geld einbrachten, erhielten immer die besten privaten Suiten und die teuersten und feinsten Getränke. Jeder Wunsch wurde ihnen förmlich von den Lippen abgelesen. Alles was Rikkert tat, war sie und ihre Kolleginnen auf einen solchen Kunden aufmerksam zu machen, um sicherstellen, dass er jederzeit bestens umsorgt wurde. »Nun, ich weiß nicht, inwieweit ich helfen könnte ... Soll ich ihm vielleicht eine gute Sub heraussuchen?«

Rikkert gluckste verlegen und drehte das Glas leicht zwischen seinen Fingern.

Marijke bekam den Eindruck, dass es ihm nicht ganz leicht fiel fortzufahren.

»Nun«, setzte er nach einer geraumen Weile des Schweigens neu an, »es ist in gewisser Weise schon ein bisschen komplizierter.« Er schaute sie durchdringend an, als würde er etwas in ihr suchen. »Wie fange ich am besten an ...«

»In het begin[9]«, forderte sie ihn auf.

»Nun, dieser Kunde hat ein paar recht spezielle Vorlieben, und wenn wir ihn in unseren Club kriegen wollen, dann müssen wir ihm beweisen, dass wir auch entsprechend liefern können.« Er war bewusst vom ›Ich‹ ins ›Wir‹ gewechselt, um sie auf diese Weise auf seine Seite zu ziehen. »Er ...«

»Zeg wat u wilt[10]«, mahnte sie ihn.

»Ich bin bereits dabei, Marijke«, erwiderte er und leerte sein Glas mit einem Schluck. »Er verlangt nach einer neuen Sub.«

Sie runzelte leicht die Stirn. »Sorry, ik begrijp het niet helemaal.[11]«

»Was ich meine, Marijke, ist, dass er nach einem völlig unerfahrenen Mädchen sucht, eines, dass nicht perfekt ist ... Er möchte mit einem spielen, aus dem er erst eine richtige Sub machen muss.« Rikkert blickte sie jetzt unverhohlen an. Ein geldgieriges Lächeln umspielte die Lippen seines Rattengesichts. Dann ließ er die Katze aus dem Sack. »Er will dich, Marijke!«

Sie stellte ihr Glas leise, aber mit Nachdruck auf den Schreibtisch und stand auf. »Oh, nein, Rikkert! Wir haben darüber gesprochen, als sie mich engagierten. Ich serviere Getränke, nicht mehr, nicht weniger. Dat is alles wat ik te zeggen heb![12] Ich bin in diese Scheiße nicht verknallt! Meine Antwort lautet: Nein!« Sie wandte sich von ihm ab, und war so wütend über das unglaubliche, ja unverschämte Angebot, wie sie es noch nie über etwas gewesen war. Sie hatte ihre Hand bereits auf den Türknauf gelegt, als sich Rikkert aus seinem Sessel erhob.

»Wacht, wacht! Alsjeblieft, Marijke, luister naar me voordat je wegloopt![13]«, rief er. »Hör' mir bitte zu, dann kannst du immer noch aufgebracht losstürmen, eine Voodoo-Puppe basteln und solange mit einer Nadel hineinstechen, bis ich blutend am Boden liege!« Er machte eine einladende Geste in Richtung des Stuhls von dem sie gerade aufgestanden war. »Bitte, setz' dich.«

Sie blieb stehen und ließ den Knauf los.

»Schau', ...«, flehte Rikkert, dessen Gesicht vor lauter Verlegenheit rot angelaufen war, »ich weiß, was du damals gesagt und dass du das vehement ausgeschlossen hast. Ich habe kein Wort davon vergessen, dass du in nichts davon involviert werden wolltest ... Aber sei mal ehrlich mir gegenüber: Wieviel Schulden hast du für dein Studium aufgenommen?«

Marijke wirbelte herum und strotzte vor Wut. »Glauben Sie allen Ernstes, es ginge dabei um Geld? Mein Gott, Rikkert, was ist los mit Ihnen? Wenn mein Vater noch am Leben wäre, er würde Ihnen dafür die Eier abschneiden!«

Rikkert hob beschwichtigend seine Hände. »Bitte, du verstehst das gerade völlig falsch! ... Ich versuche dir doch nur klar zu machen, dass du in deiner finanziellen Lage, ja, selbst mit dem guten Gehalt hier, noch Jahre brauchst, deine Schulden zu tilgen.« Er setzte sich wieder. »Es geht nicht einfach um Geld, Marijke. Es geht um ein kleines Vermögen, hörst du?! ... Der Kunde kann uns in den nächsten Jahren über eine Million in die Kasse spülen!« Er schenkte sich aus der Karaffe nach und schaute sie offen an. »Jetzt reg' dich nicht gleich wieder auf. Bitte! Und hör' mir aufmerksam zu. Wenn du dich einverstanden erklärst, ein wenig Zeit mit ihm zu verbringen ... Zur Hölle, nur eine Nacht, wenn das alles ist, zudem du bereit wärst, sind deine Schulden gestrichen ... bezahlt ... Dann bist du finanziell jeden Druck los. Und dein monatliches Entgelt wird verdoppelt ... Hörst du, was ich dir anbiete?«

Marijke war kaum in der Lage sich zu bewegen, um darauf zu reagieren. Ihr stockte der Atem in der Kehle. Der Gedanke daran, sich auf einen Schlag von ihren Schulden zu befreien, war zu viel für sie. Schon während ihres Studiums an der alt ehrwürdigen ›University of California‹ in Berkley hatte sie allzu viele, lange und bedrückende Nächte damit verbracht, herauszufinden, wie viele Jahre es dauern würde, bis sie ihr Studiendarlehen zurückzahlen konnte. Dabei hatte sie sich eingestehen müssen, dass es noch mindestens zehn Jahre dauern würde, bis sie überhaupt daran denken konnte, eine Eigentumswohnung zu erwerben oder gar eine Familie zu gründen. Die Vorstellung, sich von ihrer Schuldenlast allein in einer einzigen Nacht befreien zu können, war viel zu verrückt, um es sich überhaupt ausmalen zu können.

Rikkert spürte ihren Schock und als sie sich daran erinnerte, Luft zu holen, bemerkte sie sein verstecktes Lächeln in den Mundwinkeln. Er wusste, dass er sie damit am Haken hatte. »Ich biete dir einhunderttausend Euro, Marijke! Denk' darüber nach. Deine Schulden dürften um die fünfundzwanzig bis dreißigtausend liegen, nicht wahr? ... Nun, da bleibt noch reichlich für dich übrig. Du könntest den Job hier kündigen und deine Karriere beginnen. Eine Wohnung kaufen, ein Auto ... Vielleicht findest du auch einen Freund und hast einfach Spaß am Leben ... Ich biete dir deine Freiheit, mijn meisje! Alles was ich von dir möchte, ist nur diese eine Nacht ... Eine einzige Nacht als Gegenleistung für deine Freiheit.«

Alles um sie herum kreiste. Sie war kaum in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Gott, ob ich das wirklich durchstehe?, hallte es wie in einer Echokammer in ihrem Kopf.

***

Marijke - Honiglippen

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