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IV

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„Setzen Sie sich morgen mit der Columbus Film in Verbindung und prüfen Sie Mrs. Simpsons Angaben nach!“, bat O'Keene Smith, der am zweiten Hörer mitgehört hatte.

Der Sergeant fuhr sich verzweifelt durchs Haar. „Ich finde alles so unklar und verworren, Sir. Wenn ich den Brief richtig deute, dann gibt es in Andersons Leben einen dunklen Punkt.“

„Das dürfte feststehen“, nickte der Leutnant. „Umsonst verkriecht sich ein Mann nicht in ein Elendsquartier, umsonst schleppt er nicht ein beachtliches Vermögen im Koffer mit sich herum, statt sich ein Bankkonto zu nehmen. Wir werden mehr erfahren, sobald sich die Kameraden in New York geäußert haben.“

„Mag sein, Sir. Ich habe so das Gefühl, dass wir noch eine Menge Überraschungen erleben werden. Andersons Tochter scheint eine ziemlich pompöse Frau zu sein …“

„Schluss jetzt!“, schlug O'Keene mit der Faust auf den Tisch. „Gefühle darf sich ein Kriminalist bestenfalls nach Feierabend leisten, für den Hausgebrauch.“

„… oder dann“, hielt der unerschütterliche Sergeant Widerpart, „wenn er zu seinem Vorgesetzten befohlen wird und eine kapitale Zigarre in Empfang nehmen muss.“

„Malen Sie den Teufel nicht an die Wand“, fuhr der Leutnant erschrocken auf. „Wollen an die Arbeit gehen. Der Fall Anderson ist erst dann gelöst, wenn wir den Geschworenen alle Beweise gegen die Proctors vorlegen können.“

*

Am späten Samstagvormittag hatte Leutnant O'Keene den Besuch eines Mannes, den er lieber von hinten als von vorn sah.

Schon als ihm Sergeant Boudy die Karte des Besuchers brachte, runzelte der Polizeioffizier die Stirn. „Rechtsanwalt Van Hoofstraaten? Den schickt mir vermutlich der Teufel, der in der Hölle das Ressort Kriminalbeamte bearbeitet. Was will er denn von mir?“

Boudy kannte die – berechtigte – Aversion seines Vorgesetzten gegen den Anwalt und lächelte flüchtig. „Ich habe den Eindruck, dass Van Hoofstraaten die Verteidigung der Proctors übernehmen möchte!“

O'Keene konnte nichts mehr erwidern, weil sich in diesem Augenblick erneut die Tür öffnete und ein hocheleganter schlanker Mann bescheiden eintrat.

Der Leutnant musterte das diabolisch-schöne Gesicht des schwarzhaarigen Juristen unbewegt.

Dieser ging mit ausgestreckten Händen auf ihn zu. „O'Keene, welche Freude! Ist lange her, dass wir dienstlich miteinander zu tun hatten. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich Ihnen damals im Fall Volk und Genossen die Unschuld meiner Mandanten nachgewiesen habe, die Sie an den Strang bringen wollten.“

„Erstens“, erwiderte der Polizeioffizier verweisend, „will ich niemanden an den Strang bringen, wie Sie sich auszudrücken belieben, sondern ich möchte dem Recht dienen; zweitens nehme ich es Ihnen nicht übel, wenn Sie einen Unschuldigen vor den Geschworenen herauspauken; und drittens: setzen Sie sich!“

Van Hoofstraaten setzte sich und zog die Bügelfalten seiner Hose so sorgfältig hoch, dass O'Keene unwillkürlich seine auf die Farbe der Krawatte genau abgestimmten Socken bewundern musste.

Der Leutnant schob seinem unwillkommenen Besucher die Zigarettendose hin. „Bedienen Sie sich. Fassen Sie sich kurz, ich bin sehr beschäftigt!“

„Ich auch“, erwiderte der Anwalt. Er legte eine Prozessvollmacht auf den Tisch. „Ich erlaube mir, Sie darüber zu unterrichten, dass ich ab sofort das Ehepaar Proctor anwaltschaftlich vertrete und dass ich Ihnen verbiete, die beiden noch einmal ohne meine Anwesenheit zu verhören.“

O'Keene lachte kurz auf. „Das hätten Sie ruhig etwas höflicher sagen können. Ich habe nicht die Absicht, Sie an der Ausübung Ihrer Pflichten zu hindern.“

„Natürlich nicht! – Well, ich habe mit meinen Klienten bereits gesprochen. Ich bin überzeugt, Proctor hat in seinem gestern abgelegten Geständnis die reine Wahrheit gesagt. Das heißt, er hat George Anderson gesetzwidrig beerbt, aber er hat ihn nicht getötet. Ich werde versuchen, das Alibi der Eheleute nachzuweisen.“

„Ich werde versuchen, den beiden den Mord nachzuweisen.“

Van Hoofstraatens und O'Keenes Blicke kreuzten sich wie die Klingen zweiter Florette.

Der Anwalt erhob sich geschmeidig. „Well, Leutnant, Sie werden von mir hören!“

*

„Fernschreiben! SSD!

An Stadtpolizei Cleveland, Ohio, Leutnant O'Keene.

Uebermittelte Fingerabdruecke stammen von George Anderson, geb. 21.12.03 New York. Angefragter Anderson ist von Beruf Mechanikermeister. Nach Verbuessung mehrerer Freiheitsstrafen in den zwanziger und dreißiger Jahren trat er 1939 als fuehrendes Mitglied in die Bronx-Gang in New York ein. 1943 wurde die Verbrecherbande unschaedlich gemacht. Der Bandenfuehrer entkam; ueber seine Identitaet ist bis heute nichts bekanntgeworden, weil es keine Spuren gab und die Unteranfuehrer, eben George Anderson und seine Komplicen David Young, Bill McLaine und Ebenezer Brown, ueber diesen Punkt beharrlich schwiegen.

Diese vier wurden in einem nachfolgenden Prozess zu langjaehrigen Zuchthausstrafen verurteilt; George Anderson wurde im Juli 1934 vorzeitig wegen eines chronischen Leberleidens im Paroleverfahren entlassen. Er entzog sich der Aufsicht und verschwand.

Ueber Familienangehoerige und Verwandte Andersons ist nichts bekannt.

Haltet uns über die weitere Entwicklung des Mordfalles auf dem Laufenden!

Stadtpolizei New York Abt. für Kapitalverbrechen Burkeley, Major“

O'Keene informierte seine beiden Mitarbeiter Boudy und Smith über den Inhalt des Fernschreibens und entwickelte Ihnen seine Gedanken. „Jetzt kann ich verstehen, warum sich Anderson bei Donald Proctor verborgen hielt. Wäre er aufgefallen, dann wäre er sofort verhaftet worden!“

„… nachdem er sich vierundfünfzig der Bewachung durch den Bewährungshelfer entzogen hatte“, bekräftigte Smith. „Vermutlich war in Anderson der Freiheitsdrang größer als die Vernunft.“

„Unsinn!“, widersprach Boudy. „Sein Handeln hatte ganz andere Gründe. Anderson hatte irgendwo eine große Geldsumme verborgen, vermutlich seinen Anteil aus einem von der Bronx-Gang verübten Verbrechen. Um das Geld in Ruhe verleben zu können, musste er verschwinden. Das ist so klar, wie drei mal drei neun ist.“

„Ich neige auch zu Ihrer Ansicht“, gab der Polizeioffizier zu. „Unter Umständen hatte Anderson das Geld gar nicht vor seiner Verhaftung verborgen gehabt, sondern bekam es erst im Juli vierundfünfzig, als er wieder in Freiheit gesetzt wurde, und zwar von dem unbekannt gebliebenen Chef der Bande als Preis für sein Schweigen.“

Smith dachte lange nach und wagte erst dann einen bescheidenen Einwand. „Es fragt sich nur, ob sich unsere Annahme, Proctor habe Anderson aus Habgier ermordet, nun noch aufrechterhalten lässt.“

„Das frage ich mich selbst“, hieb O'Keene stirnrunzelnd in die gleiche Kerbe. „Gibt es bei Ihnen beiden etwas Neues?“

Die beiden Sergeanten schüttelten stumm den Kopf.

„Bei mir auch nicht“, beendete der Leutnant das Gespräch. „Aber schließlich bin ich Kriminalist und kein Hellseher.“

*

Zwei Tage später.

O'Keene hatte Gelegenheit, die Bronzelöwen zu bewundern, die im Vorzimmer des Polizeipräsidenten als Bücherstützen dienten und leicht angestaubt waren. Leicht angestaubt, wie fast alles im Vorzimmer des hohen Vorgesetzten.

Der Leutnant zog bedächtig an seiner Zigarette und fühlte sich ziemlich unbehaglich in seiner Haut.

Er konnte sich denken, weshalb man ihn zu einer Audienz befohlen hatte …

HÄRTER DURCHGREIFEN, HERR POLIZEIPRÄSIDENT!

DIE KLEINEN HÄNGT MAN DIE GROSSEN LÄSST MAN LAUFEN!

WER STÜRZTE GEORGE ANDERSON IN DIE TIEFE?

DAS GEHEIMNIS VON NUMMER 65 IMMER NOCH UNGELÖST!

Der Polizeioffizier konnte die Schlagzeilen der Mittagsausgaben aus dem Kopf hersagen. Zu dumm, dass der Fall Anderson-Proctor eine so fatale Wendung genommen hatte!

O'Keene schrak zusammen, weil die ältliche Sekretärin ins Zimmer getreten war und sich nun mahnend räusperte. „Der Chef wartet!“

Der Leutnant erhob sich und betrat das Allerheiligste, in dem nicht viel mehr zu sehen war als Rauch.

Der Präsident rauchte wie der Schornstein einer Eisengießerei, und O'Keene nahm das ahnungsvoll als schlechtes Zeichen.

„Schweinerei das im Fall Anderson!“, sagte der Präsident schlicht.

„Ich habe Proctor nicht auf eigene Faust verhaftet, sondern auf Grund eines richterlichen Haftbefehls!“, verteidigte sich der Polizeioffizier.

„Alles kalter Kaffee!“, räsonierte der Boss. „Befehl war durch Sie veranlasst. Sie griffen zu, ohne exakten Beweis zu haben. Schweinerei das!“

„Gerade Sie, Sir, drängten auf eine rasche Klärung!“

„Auf rasche Klärung, nicht auf Blamage! Der verdammte Van Hoofstraaten hat im Haftprüfungstermin Bomben-Alibi für die Proctors konstruiert. Sie konnten nichts gegenhalten. Also Proctor an Mord unschuldig. Klar?“

„Sofern das dem Richter vorgelegte Alibi nicht in verbrecherischer Absicht konstruiert war, Sir.“

Der Präsident hob die Hand. „Ausspreche Missbilligung! Sie machen sich lächerlich. Van Hoofstraaten hat Spaß daran, uns Knüppel zwischen Beine zu werfen, ist aber weder Lump noch Verbrecher. – Die Ermittlungen über den Mord werden sofort wieder aufgegriffen …“

„Jawohl, Sir!“

„Ausreden lassen! – Nicht von Ihnen!“

O'Keene musste dreimal trocken schlucken, ehe er gekränkt antwortete: „Wie Sie befehlen, Sir! – Wem darf ich die Akten übergeben?“

Der Chef lächelte dünn. „Habe keine Lust, mich noch mal zu blamieren, O'Keene! – Der Ermordete war ein Schwerverbrecher?“

Worauf will er hinaus?, dachte der Leutnant unbehaglich.

„Seine Bande flog neunzehn-dreiundvierzig auf, der Bandenführer wurde nie ermittelt. Es handelt sich also um einen Fall, der nach menschlichem Ermessen nicht nur die Interessen unseres Staates, sondern die mehrerer Bundesstaaten berührt. Nach der Vorschrift ist also das Federal Bureau of Investigation zuständig.

Ich habe bereits dort zwei Beamte angefordert. Sie werden mit diesen zusammenarbeiten …“

O'Keene musste noch volle zwanzig Minuten im Amtszimmer des Präsidenten ausharren. Als er es verließ, wirkte sein Lächeln ziemlich gequält.

*

Gegen neunzehn Uhr landete eine zweimotorige Dienstmaschine auf dem Flugplatz von Cleveland, rollte aus, wendete und stoppte am Rand der Piste.

Zuerst stieg ein hocheleganter Zivilist von zwei Meter Lebensgröße aus. Hinter ihm kletterte ein kleiner Bursche ins Freie, der fast so dick wie lang war.

O'Keene ging unwillig auf die beiden zu. „Major Dolan, wenn ich nicht irre? Bill O'Keene mein Name.“

Der FBI-Spezialagent deutete auf seinen dicken Begleiter. „Das ist Captain Kennegan.“ Er reichte dem Leutnant die Hand. „Freue mich, Sie kennenzulernen, Bill. Sie freuen sich weniger. Werden aber schon zurechtkommen. Haben Sie für uns Quartier gemacht?“

„Jawohl, Sir, im Hotel Majestic, Sir!“

„Fahren zuerst ins Büro. Will mir die Akten erst mal ansehen. Das Hotel kann warten. Übrigens, lassen Sie den Sir. Zum Major wurde ich erst kürzlich befördert. Wir vom FBI legen auf den Rang keinen Wert, sondern auf die Persönlichkeit, die dahintersteckt. Nennen Sie mich einfach Mac und meinen Freund Jimmy. Sie sind für mich Bill. Verstanden?“

O'Keene stutzte; dann lächelte er breit. Diese beiden FBI-Leute schienen alles andere als arrogante Burschen zu sein. Sah ganz so aus, als werde man mit ihnen arbeiten können.

Der Leutnant verfrachtete die beiden Spezialagenten in seinen Wagen und fuhr mit ihnen zum Hauptquartier.

Da der Präsident nicht mehr im Amt war, verschob Dolan seine Absicht, sich bei ihm zu melden, auf den Dienstag, und stürzte sich mit Jimmy auf die Akten.

Die beiden studierten die spärlichen Unterlagen fast eine Stunde und stellten während dieser Zeit nur hin und wieder kurze Zwischenfragen.

Als er sich endlich durchgearbeitet hatte, legte Dolan die Akte seufzend aus der Hand und lächelte O'Keene gewinnend an.

„Okay“, sagte er, „ich verstehe, dass Sie unser Erscheinen als Kränkung betrachten müssen. Ich habe mir jetzt ein Bild gemacht und die Überzeugung gewonnen, dass Sie keinen Fehler begangen haben. Ich an Ihrer Stelle hätte auch das Ehepaar Proctor verhaftet …“

O'Keene sprang erregt auf. „Meinen Sie wirklich, Sir, pardon: Mac?“

Jimmy warf anstelle seines Freundes ein.

„Aber das ist doch ganz klar. Es musste doch so aussehen, als hätten die Proctors Anderson aus Habgier in die Falle gelockt und umgebracht. Schließlich konnte doch niemand annehmen, dass die Proctors in einer Mischung aus Skrupellosigkeit und grenzenloser Naivität nur die Lage ausgenutzt hatten, die von einem anderen, nämlich dem Mörder, geschaffen worden war.“

„So ist es“, pflichtete ihm Mac bei. „Ich werde morgen in meinem Gespräch mit dem Polizeipräsidenten mit meiner Meinung nicht hinterm Berg halten. Und falls Sie, Bill, wegen Ihres Misserfolges bei ihm schlecht angeschrieben sein sollten, stecke ich ihm ein Licht auf!“

Leutnant O'Keene verstand. Er verzog seinen Mund zu einem breiten Grinsen.

Die beiden FBI-Agenten wurden ihm immer sympathischer.

*

Dolan ließ sein Zigarettenpäckchen reihum gehen. Jimmy befestigte lässig seinen Kaugummi an der Unterseite der Schreibtischplatte.

Mac blickte in sein aufgeschlagenes Taschenbuch, konzentrierte sich und wandte sich dann wieder an O'Keene.

„Heute können wir ja doch nicht mehr viel unternehmen“, meinte er. „Andererseits brennt uns die Sache auf den Nägeln. George Anderson wurde vor etwa fünfunddreißig Tagen ermordet. Mit jedem Tag, der verstreicht, wird die Chance geringer, dass wir dem Mörder auf die Spur kommen.“

Er krauste die Stirn und strich sich übers Haar. „Well, Bill, soweit ich Ihre Darlegungen und die Akten begriffen habe, scheiden die Proctors mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Mörder aus.“

O'Keene nickte bestätigend. „Nachdem es ihrem Anwalt gelungen ist, ein wirklich unerschütterliches Alibi zu rekonstruieren, neige ich auch zu dieser Auffassung.“

„Dann bleibt nur übrig, Grundlagenforschung zu betreiben!“, warf Jimmy Kennegan ein.

„Und was verstehen Sie unter Grundlagenforschung?“, fragte der Leutnant verwundert.

„Das ist schnell erklärt“, nahm Mac wieder das Wort. „In jedem Mordfall spielen drei Faktoren eine Hauptrolle, der Ermordete, der Täter, das Motiv zur Tat.

Der Täter ist in unserem Fall unbekannt. Das Motiv ebenso. Hingegen ist der Ermordete eine interessante Erscheinung. Es handelt sich da um einen zu Zuchthaus verurteilten Gewaltverbrecher, der vor vier Jahren vorzeitig entlassen wurde, sich aber der dauernden Kontrolle durch den Bewährungshelfer geschickt entzog. Schon in der Person eines solchen Mannes kann ein Mordmotiv begründet liegen.“

„Aber wir kennen es nicht“, sagte O'Keene nachdenklich. „Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als uns zunächst an die Leute zu halten, die auf Grund ihrer Kenntnis der besonderen Verhältnisse im Hause fünfundsechzig Park Avenue Gelegenheit hatten, dort einen Mord vorzubereiten.“

„Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, Bill, dann scheiden sowohl der Makler als auch Rechtsanwalt Coleman als eventuelle Täter aus.“

„Für beide würde ich meine Hand ins Feuer legen. Ebenfalls für das Personal der Maklerfirma und der Anwaltspraxis.“

„Dann kommen nur mehr die wenigen Personen in Betracht, die das Haus besichtigt haben.“

„Sehr richtig“, nickte der Leutnant eifrig und blätterte in einer Akte. „Das war auch meine Idee. Diese Leute sind: der Fabrikant Maurice Harell, der Reverend Miles Flas, der Privatmann Markus Niven und der Nachtklubbesitzer Tom Flanagan.“

„Haben Sie mit diesen Leuten schon gesprochen?“, wollte Kennegan wissen.

O'Keene schüttelte den Kopf. „Da ich in den Proctors die Täter zu haben glaubte, noch nicht.“

„Gut, das werden wir nachholen.“

„Das heißt“, bemerkte Kennegan nachdenklich, „die Person des Geistlichen können wir sofort streichen.“

„Warum?“, fragte Mac erstaunt.

„Ja, sag mal, willst du etwa einen Geistlichen verdächtigen?“, wunderte sich Jimmy.

„Natürlich nicht“, wehrte Mac ab. „Aber ich habe während meiner Laufbahn schon so manchen Geistlichen getroffen, der bei näherer Untersuchung gar kein Geistlicher war. Ich will mich lediglich davon überzeugen, dass Reverend Flas echt ist. Dann interessiert er mich nicht mehr.“

„Es gäbe noch eine andere Lesart“, meinte Leutnant O'Keene gedehnt. „Ich denke an die früheren Freunde des Ermordeten, die mit ihm zusammen führende Mitglieder der Bronx-Gang in New York waren.“

„Ganz meine Meinung!“, hieb Dolan in die gleiche Kerbe. „Wie hießen die Leute doch gleich?“

Er schlug eine Seite der Akte auf und las vor: „David Young, Bill McLaine und Ebenezer Brown.“

Mac sah auf. „Sagten Sie nicht, Bill, Sie hätten in Andersons Zimmer eine Fotografie aus dem Jahr einundvierzig gefunden?“

O'Keene zog seine Schreibtischschublade auf und holte das Bild heraus.

Drei Köpfe beugten sich über das vergilbte Foto hinter Glas und Rahmen.

„Anderson ist neununddreißig der Bronx-Gang beigetreten“, murmelte Jimmy. „Das Bild hier wurde einundvierzig aufgenommen. Es könnte sein, dass es Anderson und seine drei Freunde darstellt.“

„Auf dem Foto hier sind aber fünf Personen abgebildet“, wandte der Leutnant ein.

„Dann ist der Fünfte vielleicht der geheimnisvolle Chef der Bande, der damals, dreiundvierzig, weder verhaftet noch ermittelt werden konnte“, meinte Dolan triumphierend.

„So kann es gewesen sein“, stimmte der Leutnant sofort zu. „Ich glaube auch, Ihre Gedanken zu erraten, Mac. Sie glauben, einer der früheren Freunde habe aus Gründen, die wir noch nicht kennen, Anderson umgelegt?“

„Einer der drei Freunde oder der Boss. Ich glaube, wir werden uns um Young, McLaine und Brown eingehend kümmern müssen.“

„Das würde heißen“, brummte Jimmy, „dass Harell, Niven und Flas nicht mehr in Betracht kommen?“

Dolan zuckte die Achseln. „Nein. Eines schließt das andere nicht aus. Wer garantiert schließlich dafür, dass sich hinter einem der drei Interessenten für das Haus nicht ein alter Freund Andersons unter einem neuen Namen verbirgt?“

Dieses Argument machte auf seine beiden Zuhörer Eindruck.

Mac Dolan erhob sich und gähnte unverhohlen.

„Wir teilen uns die Arbeit. Ich werde mich um die Hausinteressenten kümmern, du, Jimmy, versuchst herauszubekommen, was aus Young, McLaine und Brown geworden ist.“

Er wandte sich an den Leutnant. „Sorgen Sie dafür, dass man uns hier im Stadthaus ein Büro zur Verfügung stellt. Und noch eins, besorgen Sie uns bitte einen unauffälligen Privatwagen! – So, und jetzt möchte ich ins Majestic fahren und mich ins Bett legen.“

Die beiden FBI-Agenten verließen das Polizeihauptquartier, sie wurden von Leutnant O'Keene ins Hotel gefahren.

In der Halle verabschiedete sich der Polizeioffizier und segnete im Stillen den Zufall, der ihm die Zusammenarbeit mit zwei so sympathischen und vor allen Dingen auch bescheidenen FBI-Spezialisten beschert hatte.

Schattenparade: Kriminalroman

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