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Adieu, altes Europa

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Glich die Fahrt über das Meer einer Herausforderung, einem Abenteuer, wie niemand von uns es je zuvor aufregender erlebt hatte, die Reise von der wilden Küste in New Orleans bis hinauf nach St. Louis war es nicht. Im Gegenteil. Sie war Ernüchterung, Schikane, eine Tortur! Die wilden Herbststürme schüttelten die Barke derart durch und es regnete so stark, dass wir uns nicht nach draußen ans Oberdeck wagen konnten, und wir alle litten an der Seekrankheit, Carmen, die Arme, am meisten. In St. Louis verbrachten wir unsere erste längere Etappe und dort bestätigten sich die Aussagen des Mannes in Paris prompt. Ich war eines Abends alleine losgezogen und hatte es mir in einer überfüllten Pinte gemütlich gemacht. An diesem schrecklichen Ort stank es penetrant nach Tabak, Bier und Schweiß. An der Bar lehnten bewaffnete, ungepflegte bärtige Männer, während in der mir gegenüber liegenden Ecke ein Mann mit Zylinder vergeblich versuchte, einem alten Piano ein paar Töne zu entlocken. Draußen in den schlammgefüllten Straßen fiel irgendwo ein Schuss. Laute Stimmen drangen zu uns herein. Ein zweiter Schuss beendete das Tohuwabohu. Mir gegenüber am Tisch saß ein alter und recht redseliger Mann.

»Ja, ja! Nördlich von Fort Benton irgendwo an den Quellen des Missouri liegt ein Paradies. Wenn Sie reich und berühmt werden wollen, dann gehen Sie dorthin ... nach Fort Benton!«

Solche oder ähnliche Sprüche hörten wir in St. Louis an jeder Straßenecke, doch der Mann, aus dessen Mund diese Worte nun kamen, machte einen ernsten und aufrichtigen Eindruck auf mich. Ich rückte näher an ihn heran, um mir bloß kein Wort von dem, was er zu sagen hatte, entgehen zu lassen. Die Neugier hatte mich gepackt. Bevor er weitersprach, drehte sich der Alte um und sah vorsichtig über seine Schulter hinweg. Fast ängstlich fügte er leise hinzu:

»Da oben in Montana gibt es Gold, das hat mir ein alter Blackfeet Indianer vor kurzem erzählt. Derselben Meinung sind auch der eine oder andere Trapper, die meinen Weg dieser Tage kreuzten.«

Gold! Es stimmte also. In mir brodelte es.

»Und?«, fragte ich wie beiläufig. »Was hat dein Indianer-Freund noch erzählt? Gold, musst du wissen, interessiert mich nicht so doll.«

Ich musste nicht mal lügen, doch der Alte sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren.

»Nun, er sagte auch, dass es viele Stromschnellen gibt am oberen Missouri, und einen großen Wasserfall, vielleicht größer als der Niagara!«

Mein Herz tobte in der Brust. Größer als der Niagara, das hieß bekannter und berühmter als dieser Blondin, das hieß ...! Ich spann diesen Gedanken nicht zu Ende, lächelte stattdessen dem Alten ermunternd zu, doch aus irgendeinem Grund wollte er nicht mehr preisgeben.

»So, und nun sag ich besser gar nichts mehr«, bemerkte er hustend. Er zog an seinem fettigen, vom Nikotin gelben Zigarettenstummel und schwieg beharrlich. Erst jetzt bemerkte ich, dass ihm beide Beine fehlten. Nach einer Weile zahlte und verabschiedete er sich von mir. Auf seinen Wink hin erschien ein großer und kräftiger Junge, beugte sich zu ihm hinab und nahm ihn in seine Arme. Kurz darauf waren beide aus meinem Blickfeld verschwunden.

Je schneller die Tage vergingen, und je intensiver wir die rüde Welt um uns herum beobachteten, desto klarer wurde uns eine Sache: Keiner von uns war auf das, was uns erwarten würde, vorbereitet. Niemand hatte auch nur ein einziges Mal den Winter im Freien verbracht oder gar gelernt, wie man ein einfaches Feuer macht, in einer eisigen Nacht Wache steht oder ein Gewehr abfeuert und es danach ölt, Dinge, die, wenn man hier überleben wollte, unverzichtbar, wenn nicht sogar lebensnotwendig waren. Wir waren uns also alle einig, dass wir jemanden brauchten, der uns führte. Doch hier in St. Louis war es noch zu früh, nach diesem Jemand Ausschau zu halten. Von St. Louis aus fuhren wir also mit dem nächsten Dampfschiff erst nördlich den Mississippi und dann Richtung Westen den Missouri stromaufwärts. Das Wetter war günstig und unsere Stimmung beschwingt. Dieser Enthusiasmus hielt auch dann noch an, als wir die Lichter von Kansas City am Horizont erblickten. Vom Westen her zog ein Gewitter auf. Riesige Wolken hingen wie Trauben dunkelgrau über der Stadt. In Kansas City angekommen regnete es in Strömen. Die Straßen waren ein Gräuel aus knöcheltiefem Matsch, der Ort selbst trist, kurz, es war der erbärmlichste Flecken Erde, den wir jemals gesehen hatten! Wir quartierten uns in einem Zeltlager ein, welches weder Intimität gewährte noch unser Bedürfnis nach etwas Ruhe und Erholung auch nur annähernd stillte. Unter den Paletten, auf denen unsere Feldbetten standen, floss stinkendes Wasser durch die glitschigen Lattenroste aus Holz, es war laut und Ratten huschten sogar tagsüber ungeniert an einem vorbei. Jedes dritte Gebäude war entweder ein Saloon oder ein Store, in dem man Waffen, Munition, Lebensmittel, Biberfelle oder sonst was erstehen konnte. Da jedermann gezwungen war hier zu kaufen, waren die Preise entsprechend gesalzen, und die Händler und Saloon-Besitzer rieben sich kräftig die speckigen Hände. An jeder Häuserecke boten sich Frauen schamlos an. Frauen schien es überhaupt nur zwei Sorten zu geben: leichte Mädchen, zierlich und graziös, aber allesamt raffinierte Biester, oder derbe Siedlerinnen, Abenteuerinnen mit sehr männlichen Zügen. Man sah viele Auswanderer, vornehmlich Deutsche, Franzosen wie wir und Spanier. Es gab Trapper, Pelzhändler, Soldaten, Spieler, Scouts, Indianer und Neger, Banditen aller Art, und alle, die Siedler und die Indianer mal ausgenommen, waren nur aus einem Grund hierhergekommen. Sie suchten Fortuna, den schnellen Profit! Auf eine Frau kamen im Schnitt fünfzig Männer und am liebsten hätte ich Carmen, die seit Tagen seltsam still war, irgendwo versteckt. Um sie bei Laune zu halten, schenkte ich ihr den silbernen Armreif meiner Mutter und ich muss sagen, er stand ihr ausgesprochen gut. Im Gegenzug küsste sie mich flüchtig. Von den viertausend Dollar, die uns blieben, nachdem wir unsere Passage bis hierher bezahlt hatten, sollte der Großteil genügen bis nach Fort Benton zu kommen, um dort einige Ochsenkarren, zwei oder drei Pferde und genügend Trockenfutter für die Tiere zu erstehen. Die Liste der Dinge, die wir für den langen Trip benötigen würden, war ellenlang: stählerne Äxte, einige kleine Holzfässer, Seile, Schnur und Riemen, Medikamente, ein kleiner Vorrat Whiskey, Zündhölzer, Zelte, Töpfe und Kannen, ausreichend Proviant, Tabak, genügend Munition und, und, und. Damit wollten wir nach Norden zu den neuen Siedlungen aufbrechen, von denen jeder sprach, doch nach wie vor fehlte uns jemand, der uns den Weg weisen würde.

Dog Soldiers

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