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Das Buch gliedert sich in sieben weitgehend voneinander unabhängige Kapitel, die auch einzeln gelesen werden können. Es ergänzt in wesentlichen Punkten mein Handbuch Ethik für Pädagogen. Trotz der lockeren Anlage folgt es einem roten Faden:

Kapitel 1 geht vom Ist-Zustand unserer Erziehungs- und Ausbildungsinstitutionen aus und thematisiert einige ihrer zentralen Herausforderungen: Unsere Schulen müssen gegensätzliche, ja widersprüchliche öffentliche Erwartungen bedienen und können schon deswegen kaum mit allseitiger Zustimmung rechnen. Sie sind aber auch mit ethischen Fragen konfrontiert: Wie weit operiert die Schule wirklich kindgerecht? Wie hält sie es mit der Werteerziehung? Inwieweit realisiert sie Chancengleichheit?

Kapitel 2 kreist um die pädagogische Beziehung. Bekanntlich sollen sich beide, Erzieherin oder Erzieher und Kind, mit Achtung begegnen. Was ist damit genau gemeint? Wie wirkt sich die Machtasymmetrie zwischen ihnen auf ihre Beziehung aus? Der letzte Teil des Kapitels gilt dem Ethikunterricht: Was erwarten wir in einer Gesellschaft mit Wertepluralismus von ihm? Welche didaktischen Optionen bieten sich? Darf eine Lehrkraft ihren Schülern Werte aufdrängen? Kann sie es überhaupt? Wie sieht ein Ethikunterricht aus, der die Jugendlichen bei ihren Anliegen, Interessen und Nöten abholt?

Die anschließenden fünf Kapitel bieten dem Leser eine Einführung in die Ethik und in die Entwicklung des kindlichen Ethik-Verständnisses.

Kapitel 3 erörtert Fragen rund um eines der wichtigsten Ziele der modernen Pädagogik – Selbstbestimmung. Sie ist dem Menschen nicht angeboren, sondern resultiert aus Lernprozessen. Eine Orientierung an Werten ist dabei unerlässlich. Doch was sind Werte, und wie vergewissern wir uns eines Wertes? Welche Rolle spielen Werte bei der Planung komplexer Handlungen? Wie verhalten wir uns zu übergeordneten Werten – etwa Glück und Lebenssinn? Können wir unser Leben selbst bestimmen? Es geht nicht darum, auf diese Fragen letzte Antworten zu finden. Schon wenn wir klar unterscheiden zwischen dem, was wir klar sehen, und dem, was uns unklar geblieben ist, bringt uns das weiter und stärkt unsere Selbstsicherheit als Erzieherinnen und Erzieher.

Wir treffen unsere Entscheidungen immer im Medium der menschlichen Gesellschaft. Das erklärt, wieso wir früher oder später auf ethische Fragen stoßen. Sie entstehen an den Reibungsflächen zwischen Selbstbestimmung und Rücksichtnahme auf andere. – Das 4. Kapitel führt in die Ethik ein und wirft anhand von vier „klassischen“ Texte ein paar Streiflichter auf ihre Geschichte. Die vier Texte sind zu unterschiedlichen Zeiten und unter differenten sozialen Bedingungen entstanden, fügen sich aber dennoch zu einem kohärenten Bild zusammen – einem Bild der „ethischen Feinmechanik“, die dem zwischenmenschlichen Umgang im Idealfall zugrunde liegt. Zu dieser „Feinmechanik“ gehören (a) eine Ethik der Haltungen oder „Tugenden“ (deren Bedeutung häufig unterschätzt wird); (b) eine Ethik, die von der Einfühlung oder Empathie ausgeht und auf die Rolle der Gefühle im zwischenmenschlichen Umgang reflektiert; und (c) die normative Ethik der Gegenwart, in der es vor allem um Rechte, Grundrechte, Normen, Regeln und Prinzipien geht. Der Ahnherr dieser modernen Ethik ist Immanuel Kant – derselbe, der auch das Verhältnis zwischen Autonomie und Achtung in seiner ganzen Tiefe durchdacht und erläutert hat. Die drei Ethiken sind von zunehmender Komplexität, sie verbinden sich aber zu einer stimmigen Einheit. Für eine ethische Erziehung ist die Vergegenwärtigung unserer Emotionen und unserer Haltungen unabdingbar.

Kapitel 5 ist einer jüngeren Ethiktradition gewidmet – der Diskursethik. Es gibt zwei Gründe, auf sie einzugehen: Erstens ist eine Orientierung am Dialog oder Diskurs die beste Voraussetzung für eine Entwicklung zur autonomen Persönlichkeit – dem versucht das „Philosophieren mit Kindern“ gerecht zu werden. Zweitens hat die Diskursethik die Sozialwissenschaften im deutschen Sprachraum beeinflusst – auch die Pädagogik. Dabei ist es allerdings zu Missverständnissen gekommen, die dieses Kapitel entwirren helfen möchte: Der Diskurs dient der gemeinsamen Wahrheitssuche und folgt den Prinzipien der Kooperation. Anders die Debatte, die den Wettbewerb abbildet. Die Verhandlung, der Aushandlungsprozess, ist eine dritte Kommunikationsfigur und orientiert sich am Tausch. Beim Diskurs ist der Bezug zur Ethik am engsten, weil er, wie diese, dem Geist der Kooperation verpflichtet ist. Das kann man heute kaum genug betonen, denn immer wenn wir uns nach den Imperativen der Wirtschaft richten, orientieren wir uns stärker am Wettbewerb als an der Kooperation. Das Kapitel schließt deshalb mit der Skizze einer Begründung der Ethik, die ihre Verwurzelung in der Kooperation aufzeigt (die Abschnitte 5.5 bis 5.7 sind die abstraktesten des Buches; auf ihre Lektüre können eilige Leser verzichten).

Kapitel 6 führt in den Utilitarismus ein – eine Ethik-Tradition, die aus dem angelsächsischen Raum stammt. Sie steht dem an Effizienz orientierten Denken der Ökonomie nahe und gerät mitunter, wie diese, zu den Menschenrechten in Konflikt. Obwohl mit den Ethiktradtionen aus Kapitel 4 zum Teil inkompatibel, bietet der Utilitarismus dazu eine wichtige Ergänzung. In seinen Ansätzen zur Tierethik geht er sogar deutlich über sie hinaus. Die Hauptthesen des Utilitarismus eignen sich für Diskussionen an Gymnasien besonders gut, weil sich mit ihrer Hilfe eine Vielzahl ethischer Dilemmata aus dem Alltag aufdecken lassen.

Kapitel 7 beleuchtet die Voraussetzungen des Ethik-Verständnisses von Kindern und Jugendlichen: die Entwicklung ihres moralischen Urteilens und Verhaltens einerseits und des sozialen Verstehens, des Selbstkonzepts (Ich-Verständnisses) sowie des emotionalen Erlebens andererseits. Die engen Beziehungen zwischen diesen Entwicklungsbereichen verdeutlichen einmal mehr das Wechselspiel zwischen Autonomie und Achtung – das das ganze Buch leitmotivisch durchzieht.

Ethik und Erziehung

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