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4. Ausweichklauseln

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a) Ausweichklauseln sind Anknüpfungsnormen, die alternativ neben die Grundsatzanknüpfung treten, jedoch im Gegensatz zu alternativen Anknüpfungen die Anwendung einer anderen als der grundsätzlich verwiesenen Rechtsordnung nur für Ausnahmefälle erlauben. Solche Kollisionsnormen sind rechtspolitisch umstritten. Sie ermöglichen es zwar dem Gericht, in besonderen Fällen ein kollisionsrechtlich gerechteres (oder gerechter scheinendes) Ergebnis zu erzielen; andererseits werden die Autorität und die Verlässlichkeit der vom Gesetzgeber normierten Kollisionsnorm untergraben. Dies stört empfindlich die Rechtssicherheit.

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b) Im geltenden deutschen IPR finden sich dennoch einige Ausweichklauseln.

Art. 23 S. 2 erlaubt, statt der Zustimmungserfordernisse nach dem Heimatrecht des Kindes jene nach deutschem Recht anzuwenden, soweit es zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Die Bestimmung soll Adoptionen und Abstammungsfeststellungen beschleunigen, die sich durch die Feststellung des Heimatrechts des Kindes verzögern würden; die Voraussetzung der Erforderlichkeit zum Wohl des Kindes ist jedoch eng auszulegen, um ein willkürliches Abgehen vom eigentlich anwendbaren Recht zu vermeiden.

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Nach Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO gelten die objektiven Kriterien gemäß Art. 4 Abs. 1, 2 Rom I-VO nicht, wenn der Vertrag eine engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweist. Diese Regelung macht deutlich, dass die objektiv formulierten Anknüpfungskriterien eher weiterhin widerlegbare Indizien in einer Schwerpunktbestimmung (vgl Rn 309) darstellen. Die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts ist hier schon durch die atypische Gewichtung der dem Vertrag anhaftenden Umstände, nicht aber durch zu weites richterliches Ermessen in Frage gestellt.

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Erst recht spricht Vorhersehbarkeit nicht gegen die Ausweichklausel im außervertraglichen Schuldrecht (Art. 41 Abs. 1 bzw Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 2 Rom II-VO), weil dort schon das Ereignis selbst meist unvorhersehbar ist und in Fällen der Vorhersehbarkeit (zB Delikt innerhalb einer Rechtsbeziehung) erst die Ausweichklausel die Anwendung des von den Parteien erwarteten Rechts erlaubt (Art. 41 Abs. 2 Nr 1 bzw Art. 4 Abs. 3 S. 2, Art. 5 Abs. 2 S. 2 Rom II-VO).

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Rechtspolitisch höchst umstritten war eine Ausweichklausel zur Durchsetzung von Eingriffsnormen eines Staates, dessen Rechtsordnung zu einem Vertrag Bezug hat, jedoch weder das Vertragsstatut stellt, noch die lex fori des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts. Art. 7 Abs. 1 EVÜ erlaubte, den Eingriffsnormen des Rechts eines solchen anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung zu verleihen. Diese Regelung wollte dem Gericht im Einzelfall die Durchsetzung einer fallnahen Eingriffsnorm erlauben; Deutschland hatte hiergegen wegen der durch Art. 7 Abs. 1 des Übk. ausgelösten Ungebundenheit des richterlichen Ermessens einen – zugelassenen – Vorbehalt (Art. 22 Abs. 1 lit. a des Übereinkommens) erklärt und nur Art. 7 Abs. 2 EVÜ (Durchsetzung von Eingriffsnormen der lex fori) in Art. 34 aF umgesetzt. Ein inhaltlicher Kompromiss musste hingegen in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO gefunden werden, da der taktische Kompromiss eines Vorbehalts für eine unmittelbar geltende EU-Rechtsnorm nicht in Betracht kam: Einerseits blieb es bei der Ausweichklausel zugunsten von Eingriffsnormen, andererseits wurden die Voraussetzungen der Ausweichklausel stärker konkretisiert.

Teil II Allgemeine Lehren des IPR§ 3 Verweisung › B. Renvoi (Rück- und Weiterverweisung)

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