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Frust

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So ging es in den nächsten Tagen jeden Abend. Völlig gefrustet kam Rolf von der Arbeit nach Hause und verbreitete dann nur noch schlechte Stimmung. Nina machte sich zunehmend Sorgen, aber jedes Mal, wenn sie wissen wollte, was denn genau los sei, erfuhr sie nur, dass man Rolf vorwarf, etwas falsch gemacht zu haben. Vehement stritt er ab, tatsächlich der Übeltäter gewesen zu sein. Leider könne er es nicht mehr beweisen und sei nun bei seinem Chef unten durch. Nur mit viel Zureden durch Nina fuhr er dennoch jeden Tag weiterhin zur Arbeit.

Mittlerweile graute ihr schon jeden Tag davor, dass es 18 Uhr wurde, die Wohnungstür aufging und mit Rolf wieder der Frust in der Wohnung Einzug hielt. Rolf wurde im Zuge seiner eigenen Unzufriedenheit nämlich auch Nina gegenüber manchmal sehr ungerecht.

Oft fragte Nina sich, wo das noch enden sollte. Sie machte morgens drei Kreuze, wenn er das Haus verließ und sie tagsüber ihre Ruhe vor ihm hatte.

Irgendwann stand Nina dann vormittags bei Maik vor der Tür.

Als er öffnete, fragte sie: „Hallo. Kann ich deine tollen Fotos noch mal sehen? Ich könnte eine kleine Aufmunterung gebrauchen.“

Sofort ließ Maik sie eintreten. Erst als sie in seiner Wohnung stand, registrierte sie, dass er noch total verschlafen aussah. „Hab ich dich etwa geweckt?“ fragte sie erschrocken.

Er hob nur die Schultern. „Ich hatte Nachtschicht…“

„Soll ich ein anderes Mal wiederkommen?“ fragte Nina, bereit, die Wohnung sofort wieder zu verlassen.

Maik fuhr sich durch seine kurzen dunklen Haare und lachte: „Nein, bleib ruhig, ich kann mich auch nach dem Mittag wieder hinlegen. Du hast was auf dem Herzen, oder?“

Sie senkte den Blick. „Ich brauch irgendwas oder irgendjemanden, der mich ein bisschen aufmuntert…“

Maik sah links und dann rechts an ihr vorbei. „Wo hast du deinen Knirps versteckt?“

„Meine Mutter passt heute mal auf ihn auf. Sie hat frei und wollte den Kleinen unbedingt mal wieder bei sich haben.“

„Ach so, na dann. Komm, magst du einen Kaffee oder lieber einen Tee?“

„Mir egal, ich nehme das, was du auch trinkst.“

Sie folgte ihm in die Küche und sank dort auf einen Stuhl.

Maik entschied sich für Tee und brühte gleich eine Kanne voll auf. Als er mit der Zubereitung fertig war und alles auf ein Tablett gestellt hatte, meinte er: „Wir müssen nicht in der Küche sitzen. Kannst ruhig mit ins Wohnzimmer kommen.“

Wieder folgte sie ihm. Sie ließen sich im Wohnzimmer nieder. Nina setzte sich auf das gemütliche, leicht knautschige, schwarze Leder-Sofa. Maik ließ sich in seinen Sessel fallen. „Soll ich die Fotos herauskramen oder möchtest du mir lieber erst mal erzählen, was los ist?“ fragte er dann.

„Ich weiß nicht, ob ich dich wirklich damit belästigen soll.“

Maik lachte kurz auf. „Na, nun bist du schon mal hier… Oder wolltest du allen Ernstes nur meine Fotos anschauen?“ Sein Blick wurde ernst, um ihr zu signalisieren, dass sie sich bei ihm ruhig ihre Last von der Seele reden durfte, wenn ihr danach war.

Zögernd begann sie, über Rolf zu sprechen, über seine Probleme und seine Unzufriedenheit, die inzwischen auch ihre Beziehung arg belasteten.

Maik hörte geduldig zu.

Als Nina ihren Kopf in die Hände stützte und sagte, dass sie bald nicht mehr weiter wusste, setzte er sich zu ihr aufs Sofa und nahm ihre Hand in seine. „Hey“, meinte er leise.

Sie sah zu ihm, ihr Blick war müde.

„Lass dich nicht zum Prellbock machen. Lass dir nicht alles gefallen.“

„Und wie? Er ist manchmal so verdammt stur und dickköpfig. Da kommt man nicht gegen an.“

„Doch, kommst du“, meinte Maik überzeugt.

„Ich meine, ich kann verstehen, dass die Situation ihn erdrückt“, nahm sie ihren Freund in Schutz. „Er hat den Fehler nicht gemacht, aber man beschuldigt ihn trotzdem.“

„Dann soll er ihnen klar machen, dass er es nicht war. Ich versteh nicht, dass er nichts dagegen unternimmt.“ Maiks dunkle Augen ruhten auf Nina.

Dass Rolf gegen die Situation in der Firma nichts unternahm, konnte Nina auch nicht so ganz nachvollziehen. Was hatte sie schon alles versucht, ihn dazu zu bewegen, zum Chef zu gehen und die Sache richtigzustellen. Er sträubte sich. Manchmal hatte sie sich schon gefragt, ob er vielleicht doch was falsch gemacht hatte, es sich aber nicht eingestehen wollte oder zu stolz war, seinen Fehler offen zuzugeben.

Nina schüttelte den Kopf und winkte ab.

Maik fragte sich wohl in diesem Augenblick, warum das Mädchen sich von diesem Typen das Leben so schwer machen ließ. „Wenn die Situation so unerträglich ist und dein Kerl nichts daran ändert, dann solltest DU vielleicht irgendwas unternehmen.“

„Ihn vor die Tür setzen?“ meinte sie, seinen Wink richtig zu deuten. Rasch schüttelte sie den Kopf. „So eine bin ich nicht. Ich lass ihn nicht hängen.“

„Nein, das meine ich auch nicht“, besänftigte er sie leise. „Stell ihn vor die Wahl, entweder so weiter zu machen und damit eure Familie langsam, aber sicher zu zerstören oder an seiner Lage was zu ändern.“

Er hatte ja Recht. Und sie hatte selbst auch schon darüber nachgedacht. Aber allein die Vorstellung, ihm das entgegenzuschmettern, wenn er eh schon so geladen war, dass er dann möglicherweise komplett austickte - was sollte das werden? Die Schlacht im Obergeschoss?

So in etwa machte sie das nun auch Maik klar.

Er wurde nachdenklich. „Du bist nicht zu beneiden.“

„Danke.“ Nun schaffte sie es tatsächlich zu einem kläglichen Lächeln.

„Wenn er tatsächlich ausrastet - bei mir sind noch zwei Betten frei.“ Maik versuchte, angemessen ernst zu bleiben, denn die Situation war alles andere als lustig. Aber als Nina nun fragte: „Ach ja? Wo denn?“ musste er doch grinsen.

„Mein Bett ist groß genug für zwei und das Kinderbett würde ich dann notfalls noch aus dem Ärmel schütteln.“

„Kannst du noch mehr aus dem Ärmel schütteln?“ interessierte Nina sich nun verstärkt für die Arm-Enden seines Pullovers, in dem sie eine seiner Hände nahm und den Ärmel ein Stück anhob, so dass sie ein Stück hineinschauen konnte.

Maik lachte. „Das wird nicht verraten.“

Nina verspürte auf einmal das unbändige Bedürfnis, sich einfach bei ihm anzulehnen. Er hatte so eine frische, unkomplizierte Art – und in diesem Moment sah er sie mit einem Blick an, der sie regelrecht dazu einlud, es sich in seinen Armen gemütlich zu machen.

Doch plötzlich sprang sie auf. Maik griff nach ihrer Hand. „Setz dich ruhig wieder, ich beiße dich schon nicht.“

Das vielleicht nicht, aber wer weiß, was du anstelle dessen tust, dachte sie in diesem Moment. Maik lachte ihre Bedenken weg. Sie sank erneut auf das Sofa und lehnte sich zurück. Gut, dass er nicht sehen konnte, was sie in diesem Augenblick dachte.

Er strich ihr nur kurz über den Oberschenkel und lachte dann sein sympathisches, unter die Haut gehendes Lachen. Nina nahm seine Hand und zog sie an ihre Wange.

„Warum…“ Sie brach ab.

Warum konnte Rolf nicht ein paar von Maiks Eigenschaften haben? Eine Antwort würde sie darauf nicht bekommen.

„Ich würde dir gern sagen, schieß ihn ab, aber da du das nicht hören willst, sag ich es halt nicht.“ Er sagte es zwar mit ziemlich ernstem Ton, aber der Satz an sich war schon wieder so komisch, dass Nina unwillkürlich lächeln musste.

Doch genauso rasch wurde sie wieder ernst. „Was mich bei ihm hält: Ich liebe ihn trotz allem und wir sind eine Familie.“ Wie gern hätte sie in diesem Moment alle Moral über Bord geworfen und würde einfach ihrem Bauchgefühl folgen. Aber da war diese innere Vernunfts-Stimme, die sie unaufhörlich warnte: Denk an dein Kind, mach die Familie nicht kaputt!

Nina trank ihren Tee, leerte ihre Tasse in wenigen Zügen. Dann erhob sie sich. „Danke, dass ich mich bei dir ausheulen durfte.“

„Du hast gar nicht geheult“, bemerkte er trocken.

„Trotzdem danke“, gab sie genauso trocken zurück.

„Wenn dir mal wieder zum Heulen ist, dann weißt du ja, wo ich wohne.“ Er folgte ihr zur Tür. „Du bist jederzeit willkommen, auch wenn du mich aus dem Schlaf reißt…“

Nina war ein süßes Wesen. Ihre Nähe tat gut, auch wenn sie unglücklich war und leider einen Partner hatte. Maik behielt diese Gedanken für sich, denn er wollte nicht riskieren, dass diese Frau aus purem Anstand künftig einen Bogen um ihn machte.

Als Nina in ihre Wohnung hinaufging, fühlte sie sich schon etwas besser. Sie wollte mit Rolf reden, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab.

So konnte es jedenfalls nicht weitergehen.

Treue ist nur ein Wort

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