Читать книгу Der Karatehamster hisst die Segel - Tina Zang - Страница 10

AUF DEM TABLETT REIST ES SICH NETT

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In der folgenden Nacht hatte ich eine Menge Ausdauersport nachzuholen und schlief danach so tief und fest, dass ich glatt die Abfahrt und vermutlich auch einen großen Teil der Reise verpennte.

Als ich aufwachte, lag ich im Transportkäfig. Neben mir dösten Lee und Chan. Der Automotor brummte. Unser Käfig stand zwischen Kira und Jan auf dem Rücksitz. Vorne unterhielten sich Jans Eltern. Kira und Jan waren mit ihren Smartphones beschäftigt.

„Hallo!“ Ich krallte meine Pfoten in einen Gitterstab und rüttelte. Es war nett, zur Abwechslung mal wieder einen Käfig mit Stäben anstelle von Glaswänden zu haben. Ich hangelte mich nach oben und hängte mich an die oberen Stäbe. „Hallo-ho!“ Immer noch keine Reaktion. „Wuff!“

Kira sah zu mir und sagte kichernd zu Jan: „Einer unserer ‚Hunde’ ist aufgewacht.“

„Na, magst du Gassi gehen?“, fragte mich Jan.

„Jetzt, wo du es sagst!“ Ich ließ mich in die Einstreu fallen und ging in die Pinkelecke.

„Was plätschert da?“, fragte Lee verschlafen.

Chan räkelte sich. „Das ist der Wasserfall, von dem ich gerade geträumt habe.“

„Nein, das bin ich“, sagte ich. „Ich musste mich erleichtern.“

„Aber doch nicht in unserem Schlafhaus!“, entrüstete sich Lee.

„Das ist nicht das Schlafhaus, sondern der Transportkäfig.“

„Jetzt, wo du es sagst!“ Lee stand auf. „Überall Gitter.“

„Was ist mit den Bäumen los?“, fragte Chan, der zum Seitenfenster sah. „Die haben es aber eilig.“

„Nicht die Bäume, sondern wir haben es eilig“, sagte ich. „Wir fahren mit dem Auto.“

Jans Mutter drehte sich zu den Kindern um. „Kleiner Snack gefällig?“

„Jetzt, wo du es sagst!“ Chan versuchte sich hochzuhangeln, scheiterte aber an seinem Gewicht. „Reisen macht hungrig.“

Kira klappte ein Tablett herunter, das am Sitz vor ihr befestigt war, dann öffnete sie die Käfigtür, holte uns heraus und setzte uns auf das Tablett.

„Snacks für alle!“, rief Jan und seine Mutter reichte ihm eine Plastikdose. Jan nahm einen Apfelschnitz heraus, teilte ihn in drei Teile, die er uns anbot, bevor er die Dose an Kira weitergab.

Chan hatte recht, Reisen macht hungrig. Zufrieden knabberte ich an dem Apfelstück. Chan aß seines auf und bekam von Jan ein paar Nüsse und Sonnenblumenkerne.

„Hach, ich weiß nicht.“ Unschlüssig betrachtete Lee sein Apfelstück. „Ich weiß nicht, ob es klug ist, wenn ich etwas esse. Was, wenn sich herausstellt, dass ich an Reiseübelkeit leide?“

„Iss ruhig trotzdem etwas“, sagte ich. „Was kann schlimmstenfalls passieren?“

„Dass mir die restliche Fahrt über schlecht ist“, jammerte Lee. „Was soll ich dann tun?“

„Dich übergeben“, sagte Chan unbeeindruckt. „Oder einen Kreischanfall bekommen.“

„Womöglich beides“, stöhnte Lee.

Da ich keine Lust hatte, mir von Lees eingebildeten Wehwehchen die Freude an der Reise verderben zu lassen, behauptete ich: „Ich habe mal im Fernsehen gesehen, dass es garantiert gegen Reiseübelkeit hilft, wenn man …“, ich dachte kurz nach, „… wenn man die Backen aufbläst wie ein Frosch.“ Ich pustete die Backentaschen auf.

Lee zögerte, dann tat er es mir nach.

„Und, ist dir übel?“, fragte ich.

„Nein“, sagte Lee. „Aber ich habe das dringende Bedürfnis, zu quaken.“

„Tu dir keinen Tschwang an“, nuschelte Chan, dessen Backen ebenfalls ziemlich aufgeblasen aussahen. Bei ihm war aber keine Luft drin, sondern eine Riesenportion Reisesnack.

Lee blies die Backen erneut auf und ließ die Luft mit einem lauten „Quak, quak!“ entweichen. Dann nagte er vorsichtig an dem Apfel. Nach jedem Bissen quakte er.

Kira und Jan kriegten sich schier nicht mehr ein vor Lachen über ihren „Froschhamster“. Dann fragte Kira: „Wo wohnen wir eigentlich? In einem Hotel?“

„In einer Pension“, sagte Jan. Er tupfte seiner Mutter auf die Schulter. „Stimmt doch, oder?“

„Ja, genau“, sagte Frau Winkler. „Rosis Gästehaus. Liegt direkt am See. Dein Vater und ich haben ein Doppelzimmer. Und für dich, Kira und die Hamster gibt es ein Gartenhaus, das speziell für Kinder eingerichtet ist, mit Stockbetten, eigenem Bad und einer Veranda.“

„Genial“, sagte Kira. „Unser eigenes Häuschen.“

Chan schluckte alles hinunter, was er im Maul hatte, und legte entzückt eine Pfote an die Backe. „Kira, Jan und wir zusammen in einem Häuschen. Wie eine richtige Familie! Aber was sind Stockbetten? Klingt irgendwie ungemütlich.“

„Das hat nichts mit Stöcken zu tun“, sagte Lee. „Das sind Betten, die übereinandergestapelt sind.“

„Toll, das probieren wir aus.“ Chan winkte Lee herbei, streckte die Pfoten zur Seite, bis er ganz flach dalag, und sagte: „Und jetzt hüpf auf mich drauf.“

Lee seufzte, spielte aber mit und legte sich bäuchlings auf Chan. Zuletzt stieg ich auf die beiden. Lee ächzte, als wäre ich tonnenschwer.

„Hui“, sagte Kira. „Ein Hamsterstapel.“

„Vielleicht spielen sie Stockbett“, meinte Jan. „Das bringt mich auf eine Idee. Wie wäre es, wenn wir Scharaden spielen? Du fängst an.“

Ich ließ mich vom Stapel kullern. Lee ging sein Apfelstück weiter benagen und Chan sagte: „Ich fühle mich total platt. Wenn wir uns das nächste Mal stapeln, will ich nach oben.“

Während Lee Chan erklärte, dass der Dickste immer nach unten musste, weil der Stapel sonst zu wackelig wurde, beobachtete ich Kira, um zu sehen, was ein Stockbett-Hamsterstapel mit einem Spiel zu tun hatte, das „Scharaden“ hieß. Kira dachte kurz nach, dann tat sie so, als würde sie etwas schreiben. Dabei schüttelte sie den Kopf, schlug sich an die Stirn und kaute auf dem unsichtbaren Stift herum.

„Schreibblockade?“, fragte Jan.

„Nein“, antwortete Kira und machte weiter. Sie ballte die Fäuste und schimpfte lautlos vor sich hin. Dann raufte sie sich die Haare.

„Nervenzusammenbruch“, riet Jan.

Kira tat noch einmal so, als würde sie schreiben. Sie kritzelte wild auf dem Tablett vor sich herum. Wir mussten ausweichen, damit sie uns nicht hinunterfegte.

„Ich hab’s!“, rief Jan. „Hausaufgaben!“

Kira gab ihm ein High Five. „Richtig.“

Ich hatte nicht kapiert, was das alles sollte, also erkundigte ich mich bei Oberschlaumeier Lee: „Was sind Scharaden?“

„Das ist ein Ratespiel“, kam prompt die Antwort. „Jemand stellt einen Begriff oder eine Redewendung dar, ohne dabei etwas zu sagen, und die anderen müssen es erraten. So zum Beispiel.“ Lee stellte sich auf die Hinterpfoten, zappelte mit den Vorderpfoten und riss das Maul auf.

„Heißhunger“, riet Chan.

„Kreischanfall“, riet ich.

„Neo hat gewonnen“, sagte Lee. „Nun darf er etwas vorspielen.“

Ich machte mich klein. Dann richtete ich mich auf, machte mich wieder klein. Und immer so weiter.


„Ein Zwerg, der gern ein Riese sein möchte“, riet Lee.

„Jemand, der nach Essen Ausschau hält“, mutmaßte Chan.

Ich hielt inne. „Alles falsch. Das soll eine Wippe darstellen. Ich bin auf einer Seite, und die geht rauf und runter.“

Das Spiel gefiel mir, darum stellte ich gleich noch etwas dar. Ich trippelte auf der Stelle, erst langsam, dann immer schneller.

„Laufrad“, sagten Lee und Chan gleichzeitig.

„Ihr habt beide gewonnen“, sagte ich.

„Dann dürfen wir gemeinsam etwas vorspielen.“ Lee beugte sich zu Chan und sie begannen zu tuscheln. „Okay, wir sind so weit“, sagte er schließlich.

Doch gerade als sie anfangen wollten, wurde die Landschaft, die am Fenster vorbeizog, immer langsamer und kam bald ganz zum Stillstand. Dr. Winkler stellte den Motor ab und verkündete: „Setzt die Hamster in den Käfig. Wir sind da.“

Der Karatehamster hisst die Segel

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