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ALLE AN BORD – DANN FAHREN WIR FORT!

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Nach drei Tagen Laufradstreik war ich nur noch ein Schatten meiner selbst. Entkräftet taumelte ich durch den Käfig. „Meine Muskeln“, jammerte ich mit schwacher Stimme. „Sie sind alle weg. Ich komme kaum noch gegen die Schwerkraft an. Bald werde ich platt auf dem Boden liegen und meinen letzten Japser machen.“

„Sei nicht albern“, sagte Lee. „Sieh mich an. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie freiwillig Laufrad gelaufen und habe dennoch Muskeln für ein ganz normales Hamsterleben.“

„Es geht nicht nur um Muskeln, es geht auch um Ausdauer“, sagte ich. „Und um Gelenkigkeit. Und Drahtigkeit. Und Fitness. Jawohl! Das ist jetzt alles futsch. Ich bekomme vermutlich nicht einmal mehr die Karategrundstellung hin.“ Ich versuchte, mich auf die Hinterpfoten aufzurichten, und kippte sofort um.


„Reiß dich zusammen“, schimpfte Lee. „Das bildest du dir alles nur ein.“

„Du undankbarer Wicht.“ Ich ging mit gezückten Fäusten auf ihn los. „Ich streike, damit wir alle in den Urlaub fahren dürfen. Und was tust du? Nichts. Dabei bist du von uns dreien derjenige, der sich am meisten vor Vincent gruseln sollte. Denk nur daran, wie er versucht hat, dir unter Hypnose falsche Erinnerungen einzureden.“

„Keine Sorge“, sagte Lee. „Ich lasse mich von ihm bestimmt nie wieder hypnotisieren. Übrigens stehst du gerade recht drahtig da.“

Tatsächlich! Ich stand auf den Hinterpfoten und ließ die Fäuste spielen. Dann bestand Hoffnung, dass ich bald wieder in meine alte Form zurückfinden würde. Ich stieg ins Laufrad und lief los. Ein herrliches Gefühl. „Wie habe ich es nur ohne dich ausgehalten, mein geliebtes Turbo Hamsti!“ Nach einigen Runden fühlte ich, wie mich die Kräfte verließen. „Schnell, Lee, ärgere mich. Wenn ich wütend bin, habe ich mehr Power.“

„Ärgere dich doch selbst“, sagte Lee patzig, worüber ich mich tierisch ärgerte. Schon lief ich schneller.

Chan sagte: „Dein Streik hat sowieso nichts genützt, weil Kira nichts davon mitbekommen hat. Schließlich schläft sie nachts, wenn wir am aktivsten sind.“

„So ist es“, sagte Lee. „Bald werden wir zu Vincent verfrachtet. Da beißt die Maus keinen Faden ab.“

„Welche Maus?“, keuchte ich, während ich weiter beschleunigte, ins Stolpern kam, mich mehrfach überschlug und schließlich erschöpft aus dem Laufrad purzelte. Ich wankte zufrieden zum Fressnapf, um mich zu stärken. Endlich fühlte ich mich wieder wie ich selbst.

„Das ist nur eine Redensart“, klärte Lee mich auf.

Kurz darauf kam Kira in ihr Zimmer, wuchtete einen Koffer aufs Bett und begann zu packen. Es war kein schöner Anblick, weil Kira vom Packen keine Ahnung hatte. Wahllos warf sie T-Shirts, Pullover und Unterwäsche in den Koffer, stopfte ein paar Jeans dazu, rief dann: „Oh, Mist, jetzt passt die Kosmetik nicht mehr hinein“, rannte ins Bad, drückte hektisch eine Zahnbürste und eine Shampooflasche in irgendwelche Lücken und setzte sich dann seufzend aufs Bett.

Es klopfte und Jan kam herein. „Schlechte Neuigkeiten“, sagte er. „Mechthild Stiefelschmitt war gerade mit Vincent bei meinem Vater in der Praxis. Stell dir vor, sie, ihr Mann und Vincent sind krank. Alles schnieft und schneuzt und schnupft und schnoddert.“

Kira runzelte die Stirn. „Ich wusste nicht, dass auch Hamster eine Erkältung bekommen können.“

„Hamster können alles bekommen“, behauptete Lee. „Sogar Krankheiten, von denen Menschen verschont bleiben, wie beispielsweise Backentaschenverstopfung.“

„Nein, das ist es nicht“, sagte Jan. „Mechthild war es, die geniest und gehustet hat, aber Vincent war rein organisch völlig in Ordnung. Mein Vater hat ihn gründlich untersucht und keine Ursache dafür gefunden, wieso er seit Tagen nur noch ein Schatten seiner selbst ist.“

Ich merkte auf. Das kam mir sehr bekannt vor.

„Er rührt sein Futter nicht an“, fuhr Jan fort, „benutzt das Turbo Hamsti Deluxe nicht mehr und macht generell einen völlig apathischen Eindruck.“

„Er streikt, ist doch klar“, rief ich.

„Er streikt gleich doppelt“, sagte Lee. „Laufradstreik und Hungerstreik. Das ist eine beeindruckende Leistung. Aber warum streikt er?“

„Bestimmt hat Vincent genauso wenig Lust auf unseren Besuch wie wir“, meinte Chan.

Plötzlich fühlte ich Sympathie für Vincent, weil er so empfand wie ich. Er war eine absolute Nervensäge, aber er hatte Charakter. Das musste ich ihm lassen. „Das kommt wohl daher, dass wir in der Überzahl sind“, sagte ich. „Vincent ist allein und wir sind zu dritt. Er hat niemanden, der ihm beisteht. Eigentlich toll, wie er es trotzdem immer schafft, uns alle drei zu ärgern. Er bringt mich auf die Palme, piesackt Lee und haut abfällige Bemerkungen zu Chans Aussehen raus.“

„Das stört mich nicht“, sagte Chan. „Ich stehe zu meinen Fettpolstern, egal was Vincent sagt. Außerdem beleidigst du ihn doch auch ständig.“

„Was soll man mit dem Plüschzausel sonst machen, als ihn zu beleidigen?“, fragte ich.

„Man sollte ihn vielleicht mit seinem richtigen Namen anreden“, meinte Chan.

„Sehr weise“, fand Lee.

„Sehr langweilig“, widersprach ich. Es machte mir viel zu großen Spaß, mir Schimpfnamen für ihn auszudenken.

Jan nahm mich aus dem Käfig und setzte mich auf seine Schulter. „Mechthild und ihr Mann sind jetzt damit beschäftigt, sich selbst und Vincent zu kurieren. Also können sie unsere drei Hamster nicht bei sich aufnehmen.“

Kiras Mundwinkel wanderten nach unten. „Dann fällt der Urlaub für mich ins Wasser.“

Jan legte tröstend einen Arm um sie. Ich sprang auf ihre Schulter und leckte ihr eine Träne von der Wange.

Kira seufzte aus tiefstem Herzen. „Mein süßer, kleiner Neo“, sagte sie und drückte mir ein Küsschen zwischen die Ohren. „Du kannst nichts dafür, dass ich wegen euch nicht in den Urlaub fahren kann. So ist das nun mal, wenn man Haustiere hat. Man ist für sie verantwortlich. Schade, dass ihr keine Hunde seid. Dann könnte ich euch einfach in den Urlaub mitnehmen.“

War das die Lösung? Konnten wir uns wie Hunde aufführen? „Wuff“, sagte ich probehalber. „Wuff, wuff.“


„Wau wau“, bellte Chan.

„Grrr, jaul“, gab Lee zum Besten und versuchte, mit dem Schwanz zu wedeln.

Jan lachte. „Sag mal, haben die drei gerade gebellt?“

Interessant. Verstanden sie es, wenn wir andere Tiere nachahmten? Das musste ich testen. „Miau“, sagte ich.

Kira kicherte. „Neo spielt Kätzchen.“

„Weißt du was, das bringt mich auf eine Idee“, sagte Jan. „Wie wäre es, wenn wir die drei an den Walchensee mitnehmen? Als wir sie letztes Jahr zum Superhamster-Casting gebracht haben, waren sie im Transportkäfig sehr brav.“

„1A super brav“, bekräftigte ich und setzte noch ein „Wau“ und ein „Miau“ hinterher.

„Ich frage meine Eltern, ob das okay wäre.“ Jan hielt sich das Handy ans Ohr. „Mama, ich hätte noch drei weitere Passagiere. Neo, Lee und Chan samt Transportkäfig. Meinst du, das ginge?“ Während er zuhörte, zeigte er Kira den hochgereckten Daumen. „Danke, Mama. Bis nachher.“ Er steckte das Handy weg. „Alles klar, die Hamster sind mit an Bord.“

Kira fiel Jan um den Hals.

„Wie – an Bord?“, fragte ich. „Fahren wir etwa mit einem Schiff? Über Wasser? Eklig nasses, grausiges Wasser?“

Lee und Chan lachten und sagten im Chor: „Aber Neo, das ist doch nur eine Redensart.“

Jan setzte mich wieder in den Käfig zurück.

„Juchhu, wir fahren in den Urlaub!“ Chan packte Lee und mich an den Pfoten und tanzte mit uns im Kreis herum.

„So agil habe ich dich noch nie erlebt“, staunte Lee.

„Ich weiß zwar nicht, was agil bedeutet“, sagte Chan etwas außer Puste. „Aber danke.“

„Uff“, sagte Kira und klang auch etwas außer Puste. Sie versuchte gerade, ihren prallvollen Koffer zu schließen. „Das ist anstrengender als Karatetraining.“

Jan lachte. „Kein Wunder, wenn du die Sachen unsystematisch hineinwirfst. Ich zeige dir, wie man richtig packt.“ Er leerte alles aufs Bett und begann, die Sachen klein zusammenzurollen. Dann legte er diese Würste nebeneinander in den Koffer. „Siehst du, jetzt passt noch eine Menge hinein. Und für die Hamster nehmen wir den gefütterten Rucksack mit. So haben wir gleich etwas für sie dabei, falls es überraschend kalt werden sollte. Für die Fahrt transportieren wir im Rucksack Futter, Streu und die Wollbeutel.“ Während er das sagte, packte er bereits alles in den Rucksack.

Kira staunte: „Jan, du bist ein Organisationsgenie.“

Der Karatehamster hisst die Segel

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