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Achtes Kapitel
Die Arten des Mauerwerks

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1. Die Arten des Mauerwerks sind folgende: reticulatum (netzförmiges Mauerwerk), das jetzt alle verwenden, und ein altertümliches, das opus incertum (unregelmäßiges Bruchsteinmauerwerk) genannt wird. Von diesen ist das netzförmige Mauerwerk das anmutigere, aber es neigt deshalb dazu, Risse zu bilden, weil es seine Lager- und Stoßfugen nach allen Richtungen fortlaufend ohne Verband hat. Die unregelmäßigen Bruchsteine aber, die einer über dem anderen sitzen und unter sich im Verband stehen, geben kein gut aussehendes, aber festeres Mauerwerk als das netzförmige. 2. Beide Arten von Steinen sollen in eine sehr feinkörnige Masse106 eingebaut werden, damit die Wände, stark gesättigt mit Mörtel aus Kalk und Sand, länger Zusammenhalten. Wenn sie nämlich weich und porös sind, trocknen sie durch Aussaugen der Feuchtigkeit aus dem Mörtel aus. Wenn aber die Menge an Kalk und Sand überwiegt und reichlich vorhanden ist, dann wird die Mauer, da sie mehr Feuchtigkeit hat, nicht schnell baufällig, sondern sie wird von diesen zusammengehalten. Sobald aber die Feuchtigkeit aus dem Mörtel durch die Porosität der Bruchsteine107 ausgesogen ist und der Kalk vom Sand sich trennt und gelöst wird, können auch die Bruchsteine nicht mit diesen Zusammenhängen, sondern sie lassen die Mauern im Laufe der Zeit baufällig werden. 3. Dies aber kann man auch an einigen Bauwerken beobachten, die in der Umgebung Roms aus Marmor oder Quadersteinen gebaut sind und innen eine Füllung108 aus Mörtelmauerwerk haben. Nachdem im Laufe der Zeit der Mörtel kraftlos geworden und durch die Porosität der Bruchsteine ausgetrocknet ist, setzen sie sich und zerfallen, weil die Verbindungen durch den Verfall der Fugen gelöst sind. 4. Will jemand nicht in diesen Fehler verfallen, dann errichte er in dem mittleren Hohlraum, der innen zwischen den Schalen bleibt, aus roten Quadersteinen oder gebranntem Ziegel oder gewöhnlichen Silexsteinen zwei Fuß starke Mauern, und mit diesen sollen die Schalen mit verbleiten Eisenklammern verankert sein. So nämlich wird das Mauerwerk, nicht einfach aufgeschichtet, sondern regelrecht gebaut, ohne Fehler dauerhaft sein können, weil seine Lager- und Stoßfugen, die unter sich fest sitzen und mit Klammern verbunden sind, das Mauerwerk nicht nach außen drücken und verhindern, daß die miteinander verbundenen Schalen nachgeben. 5. Daher ist die Bauweise der Griechen nicht zu verachten. Sie verwenden nämlich nicht109 geglättetes Mauerwerk aus weichem Bruchstein, sondern, wenn sie vom Quaderbau abweichen, verlegen sie rechtwinklig gearbeitete Blöcke aus Silex87 oder hartem Stein und binden so wie beim Ziegelbau ihre Stoßfugen in den abwechselnden Schichten. Und so erreichen sie für ewige Dauer in höchstem Maße feste Vorzüge. Diese aber werden in zwei Arten geschichtet: die eine davon wird isodom, die andere pseudisodom genannt. 6. Isodom sagt man, wenn alle Schichten von gleicher Höhe verlegt sind, pseudisodom, wenn abwechselnd ungleich hohe Reihen von Schichten angeordnet sind. Beide Arten sind deswegen fest, erstens weil die Steine selbst dicht und hart sind und aus dem Mörtel die Feuchtigkeit nicht aussaugen können, sondern ihn in seiner Feuchtigkeit bis zum höchsten Alter bewahren, und (zweitens) ihre Lagerfugen, von Anbeginn eben und waagerecht gelegt, den Mörtel nicht schrumpfen lassen, sondern ihn, durch die unveränderliche Stärke der Mauern gebunden, bis zum höchsten Alter Zusammenhalten. 7. Eine andere Bauweise ist die, die sie Enplekton (das verflochtene Mauerwerk) nennen, deren sich auch unsere Bauern bedienen. Die Stirnseiten werden glatt behauen110. Das Übrige wird, in natürlichem Zustand mit Mörtel geschichtet, durch abwechselnde Stoßfugen verbunden. Die Unseren aber, auf schnelle Ausführung bedacht, richten ihre Aufmerksamkeit nur auf die Aufrichtung der Schalen, versetzen die Steine hochkant und hinterfüllen sie in der Mitte getrennt mit Bruchsteinbrocken mit Mörtel vermischt. So werden bei diesem Mauerwerk drei Schichten hochgezogen: zwei Außenschalen und eine mittlere aus Füllmasse. Nicht so aber die Griechen, denn die versetzen die Steine flach, lassen ihre Längen abwechselnd in die Mauerdicke einbinden und füllen nicht einfach die Mitte, sondern stellen von den Schalen her eine durchgehende Mauer in einheitlicher Dicke her. Außerdem verlegen sie einzelne Steine von der ganzen Mauerstärke, die an beiden Seiten Stirnen zeigen — die Griechen nennen sie Diatonoi —, die durch den Verband in höchstem Maße die Festigkeit der Mauern sichern.

8. Itaque si qui voluerit ex his commentariis animadvertere et eligere genus structurae, perpetuitatis poterit rationem habere. Non enim quae sunt e molli caemento subtili facie venustatis, non eae possunt esse in vetustate non ruinosae. Itaque cum arbitrio communium parietum su|25|muntur, non aestimant eos quanti facti fuerint, sed cum ex tabulis inveniunt eorum locationes, pretia praeteritorum annorum singulorum deducunt octogesimas et ita — ex reliqua summa parte reddi pro his parietibus — sententiam pronuntiant eos non posse 49 plus quam annos LXXX durare. 9. De latericiis vero, dummodo ad perpendiculum sint stantes, nihil deducitur, sed quanti fuerint olim facti, tanti esse semper aestimantur. Itaque nonnullis civitatibus et publica opera et privatas domos etiam regias e latere structas licet |5| videre: et primum Athenis murum, qui spectat ad Hymettum111 montem et Pentelensem; item Pariis112 in aede Jovis et Herculis latericias cellas, cum circa lapidea in aede epistylia sint et columnae; in Italia Arretio113 vetustum egregie factum murum. Trallibus114 domus regibus Attalicis facta, quae ad |10| habitandum semper datur ei, qui civitatis gerit sacerdotium115. Item Lacedaemone e quibusdam parietibus etiam picturae excisae intersectis lateribus inclusae sunt in ligneis formis et in comitium116 ad ornatum aedilitatis Varronis117 et Murenae fuerunt adlatae. 10. Croesi118 domus, quam Sardiani [civibus ad |15 requiescendum aetatis otio] seniorum collegio gerusiam119 dedicaverunt; item Halicarnasso potentissimi regis Mausoli120 domus, cum Proconnensio121 marmore omnia haberet ornata, parietes habet latere structos, qui ad hoc tempus egregiam praestant firmitatem ita tectoriis operibus expoliti, uti vitri perlucidi|20|tatem videantur habere. Neque is rex ab inopia id fecit; infinitis enim vectigalibus erat fartus, quod imperabat Cariae toti. 11. Acumen autem eius et sollertiam ad aedificia paranda sic licet considerare. Cum esset enim natus Mylasis122 et animadvertisset Halicarnasso locum naturaliter esse munitum, em|25| poriumque idoneum portum utile123, ibi sibi domum constituit. Is autem locus est theatri curvaturae similis. Itaque in imo secundum portum forum est constitutum; per mediam autem altitudinis curva- turam praecinctionemque124 platea ampla la|50|titudine facta, in qua media Mausoleum ita egregiis operibus est factum, ut in septem spectaculis nominetur. In summa arce media Martis fanum habens statuam colossicam acrolithon125 nobili manu Leocharis126 factam. Hanc autem statuam |5| alii Leocharis, alii Timothei126 putant esse. In cornu autem summo dextro Veneris et Mercuri fanum ad ipsum Salmacidis127 fontem. 12. Is autem falsa opinione putatur venerio morbo inplicare eos, qui ex eo biberint. Sed haec opinio quare per orbem terrae falso rumore sit pervagata, non pigebit ex|10|ponere. Non enim quod dicitur molles et inpudicos ex ea aqua fieri, id potest esse, sed est eius fontis potestas perlucida sapor que egregius. Cum autem Melas et Areuanias ab Argis et Troezene coloniam communem eo loci deduxerunt, barbaros Caras et Lelegas eiecerunt. Hi autem ad mon|15|tes fugati inter se congregantes discurrebant et ibi latrocinia facientes crudeliter eos vastabant. Postea de colonis unus ad eum fontem propter bonitatem aquae quaestus causa tabernam omnibus copiis instruxit eamque exercendo eos barbaros allectabat. Ita singillatim decurrentes et ad coetus |20| convenientes e duro feroque more commutati in Graecorum consuetudinem et suavitatem sua voluntate reducebantur. Ergo ea aqua non inpudico morbi vitio, sed humanitatis dulcedine mollitis animis barbarorum eam famam est adepta.

8. Wenn daher jemand aus diesen Darlegungen etwas lernen und eine Art des Mauerwerks auswählen will, wird er auf die Dauerhaftigkeit Rücksicht nehmen können. Nur das Mauerwerk nämlich kann im Laufe der Zeit nicht baufällig sein, das nicht aus weichem Bruchstein mit einem schönen anmutigen Aussehn besteht. Sooft daher für das Abschätzen gemeinsamer Mauern (Leute) bestellt werden, bewerten diese sie nicht so hoch, wie sie wert waren, als sie gebaut wurden, sondern wenn sie aus den Bauunterlagen die Herstellungskosten finden, ziehen sie als Preis für jedes vergangene Jahr ab, (ordnen an), daß der von der Gesamtsumme übrig bleibende Rest für diese Mauern bezahlt wird und geben so ihre Meinung kund, daß die Mauern nicht länger als 80 Jahre stehen können. 9. Bei Ziegelmauern aber wird, wenn sie noch lotrecht stehen, nichts abgezogen, sondern sie werden immer mit dem Wert eingeschätzt, den sie hatten, als sie einst gebaut wurden. Deshalb kann man in einigen Städten öffentliche Bauten und Privathäuser, sogar königliche, aus Ziegeln errichtet sehen. Und zwar erstlich in Athen eine Mauer, die gegen den Hymettos111 und Pentelikon111 hin gerichtet ist. Ferner in Paros112 im Tempel des Jupiter und des Herkules Cellen aus Ziegeln, während ringsherum am Gebäude steinerne Epistyle und Säulen sind. In Italien zu Arretium113 eine vortrefflich gebaute alte Mauer. In Tralles114 die für die attalischen Könige erbaute Residenz, die jeweils dem zum Bewohnen gegeben wird, der das Priesteramt115 der Gemeinde führt. Ebenso sind in Sparta aus gewissen Wänden sogar Gemälde herausgeschnitten, dadurch daß man die Ziegel durchsägt hatte. Sie wurden in hölzerne Rahmen eingeschlossen und, um die Aedilität Varros117 und Murenas zu verherrlichen, auf das Comitium116 gebracht. 10. Die Residenz des Krösus118, die die Einwohner von Sardes [ihren Mitbürgern zum Ausruhen in der Muße des Alters und]119 dem Rat der Alten als Gerusia119 gewidmet haben. Ferner hat in Halikarnaß der Palast des überaus mächtigen Königs Maussollus120, obwohl sonst alles an ihm mit prokonnesischem121 Marmor geschmückt ist, aus Ziegel gebaute Wände, die bis auf den heutigen Tag eine hervorragende Festigkeit zeigen. Sie sind so glatt verputzt, daß sie die Durchsichtigkeit von Glas zu haben scheinen. Und dieser König hat das nicht aus Geldmangel getan, denn er war durch seine unbegrenzten Einkünfte reich, da er über ganz Karien herrschte. 11. Seinen Scharfsinn und seinen schöpferischen Geist bei der Anlage von Bauten kann man so erkennen. Obwohl er nämlich zu Mylasa122 geboren war, errichtete er sich, als er bemerkt hatte, daß in Halikarnaß ein von Natur befestigter Platz und ein für einen vorteilhaften Handelsplatz geeigneter Hafen vorhanden war123, dort einen Palast. Dieses Gelände aber ist dem Halbrund eines Theatersitzraumes ähnlich. Daher wurde ganz unten längs des Hafens der Markt angelegt. Durch die Mitte der Höhe des Halbrunds und den Gürtelgang124 wurde eine sehr breite Straße geführt, in deren Mitte das Mausoleum mit so hervorragenden Kunstwerken geschaffen ist, daß es unter die sieben Weltwunder gezählt wird. Ganz oben auf der Burghöhe in der Mitte steht das Heiligtum des Mars, das eine Kolossalstatue, den Akrolithos125, birgt, die von der berühmten Hand des Leochares126 gefertigt ist. Einige meinen, diese Statue sei das Werk des Leochares, andere, sie sei ein Werk des Timotheos126. Ganz oben auf dem rechten Flügel (steht) ein Heiligtum der Venus und des Merkur unmittelbar bei der Quelle der Salmakis127 selbst. 12. Man glaubt aber fälschlich daß sie die, die daraus trinken, geschlechtskrank macht. Ich werde es mich aber nicht verdrießen lassen, auseinanderzusetzen, warum diese Meinung sich durch ein falsches Gerücht über die Welt verbreitet hat. Denn das, was da erzählt wird, kann nicht sein, daß man durch dieses Wasser weichlich und unzüchtig wird, denn dieses Quellwasser ist ganz klar und schmeckt vorzüglich. Als aber Melas und Areuanias von Argos und Troizen einer gemeinsame Kolonie dorthin führten, vertrieben sie die barbarischen Karer und Leleger. Nachdem diese aber zu den Bergen hingejagt waren, rotteten sie sich zusammen, unternahmen Streifzüge und, dort Räuberei treibend, brandschatzten sie sie grausam. Später richtete einer der Siedler bei dieser Quelle wegen der Güte ihres Wassers, um Geschäfte zu machen, eine Trinkhalle mit allen Waren ein, und mit diesem Geschäft lockte er die Barbaren an. So kamen diese einzeln (aus den Bergen) herab, fanden sich in Zusammenkünften zusammen und, umgewandelt von ihrer harten und wilden Art, wurden sie ohne Zwang zu dem gesitteten Benehmen der Griechen hingeführt. Also hat dieses Wasser nicht, weil es eine Geschlechtskrankheit verursachte, sondern dadurch, daß es die Barbaren durch den Zauber menschlicher Gesittung zähmte, diesen Ruf erlangt.

13. Relinquitur nunc, quoniam ad explicationem moenium |25| eorum sum invectus, tota uti sunt definiam. Quemadmodum enim in dextra parte fanum est Veneris et fons supra scriptus, ita in sinistro cornu regia domus, quam rex Mausolus ad suam rationem conlocavit. Conspicitur enim ex ea |51| ad dextram partem forum et portus moeniumque tota finitio, sub sinistram secretus sub montibus latens portus, ita ut nemo posset, quid in eo geratur, aspicere nec scire, ut rex ipse de sua domo remigibus et militibus sine ullo sciente, |5| quae opus essent, imperaret. 14. Itaque post mortem Mausoli Artemisia128 uxore eius regnante Rhodii indignantes mulierem imperare civitatibus Cariae totius, armata classe profecti sunt, uti id regnum occuparent. Tum Artemisiae cum esset id renuntiatum, in eo portu abstrusam classem celatis remigibus |10| et epibatis conparatis, reliquos autem cives in muro esse iussit. Cum autem Rhodii ornata classe in portum maiorem exposuissent, plausum iussit ab muro his dare pollicerique se oppidum tradituros. Qui cum penetravissent intra murum relictis navibus inanibus, Artemisia repente fossa facta in |15| pelagum eduxit classem ex portu minore et ita invecta est in maiorem. Expositis autem militibus classem Rhodiorum inanem abduxit in altum. Ita Rhodii non habentes, quo se reciperent, in medio conclusi in ipso foro sunt trucidati. 15. Ita Artemisia in navibus Rhodiorum suis militibus et remigibus |20| inpositis Rhodum est profecta. Rhodii autem, cum prospexissent suas naves laureatas venire, opinantes cives victores reverti hostes receperunt. Turn Artemisia Rhodo capta principibus occisis tropaeum in urbe Rhodo suae victoriae constituit aeneasque duas statuas fecit, unam Rhodiorum civita|25|tis, alteram suae imaginis, et ita figuravit Rhodiorum |52| civitati stigmata inponentem. Id autem postea Rhodii religione inpediti, quod nefas est tropaea dedicata removeri, circa eum locum aedificium struxerunt et id erecta Graia statione129 texerunt, ne qui posset aspicere, et id voci|5| tari iusserunt.

13. Da ich ja nun zu der Beschreibung dieser Mauern gekommen bin, bleibt jetzt noch übrig, daß ich die ganze Anlage so beschreibe, wie sie ist. Wie nämlich auf der rechten Seite das Heiligtum der Venus und die oben beschriebene Quelle liegt, so liegt auf dem linken Flügel des Halbrunds der Königspalast, den Maussollus nach seinem eigenen Plan errichten ließ. Man sieht nämlich von ihm aus rechter Hand den Markt, den Hafen und den ganzen Umfang der Stadtmauern, linker Hand, abgesondert am Fuße der Berge versteckt, einen (anderen) Hafen, so daß niemand sehen und wissen konnte, was dort vorgeht, der König selbst aber von seinem Palast, ohne daß jemand es merkte, den Ruderknechten und Soldaten die nötigen Befehle erteilte. 14. Als daher nach des Maussollus Tod seine Gattin Artemisia128 als Königin herrschte, brachen die Rhodier, verärgert darüber, daß eine Frau über die Städte ganz Kariens herrschte, mit einer Kriegsflotte auf, um dieses Königreich zu besetzen. Als Artemisia dies gemeldet worden war, gab sie den Befehl, die Flotte sollte, nachdem heimlich Ruderknechte und Seesoldaten in Bereitschaft gesetzt waren, in diesem Hafen sich verborgen halten, die übrigen Bürger sollten auf der Stadtmauer stehen. Als aber die Rhodier mit ihrer Kriegsflotte in den größeren Hafen eingelaufen und gelandet waren, befahl sie (den Bürgern), ihnen von der Mauer aus zuzuklatschen und zu versprechen, sie würden die Stadt übergeben. Als die Rhodier, die ihre Schiffe leer zurückgelassen hatten, innerhalb der Stadtmauern eingedrungen waren, ließ Artemisia plötzlich durch einen künstlichen Kanal ihre Flotte aus dem kleinen Hafen auf das hohe Meer fahren und fuhr so in den großen Hafen ein. Ihre Soldaten aber setzte sie an Land, die unbemannte Flotte der Rhodier ließ sie auf die hohe See entführen. So wurden die Rhodier, die keine Rückzugsmöglichkeit hatten, eingekreist und auf dem Marktplatz selbst niedergemacht. 15. Nachdem Artemisia so mit ihren Ruderknechten und Soldaten die Schiffe der Rhodier bemannt hatte, fuhr sie gen Rhodos. Als aber die Rhodier in der Ferne ihre eigenen Schiffe lorbeerbekränzt kommen sahen, ließen sie, in der Meinung ihre Leute kehrten als Sieger zurück, die Feinde in die Stadt ein. Nach der Einnahme von Rhodos ließ Artemisia dann die führenden Männer hinrichten, errichtete in der Stadt Rhodos ein Siegesdenkmal und ließ zwei eherne Standbilder anfertigen, deren eines die Stadt Rhodos darstellte, das andere sie selbst. Das letztere zeigte sie, wie sie der Stadt Rhodos ein Brandmal einbrannte. Später bauten die Rhodier, durch religiöse Scheu daran gehindert, dies zu beseitigen, da es ein Frevel ist, geweihte Siegeszeichen zu entfernen, rings um den Platz ein Gebäude, und schirmten es, nachdem sie ein mit Griechen besetztes Wachhaus errichtet hatten129, ab, damit (das Standbild) niemand sehen könnte, und ließen den Ort abaton (das Unzugängliche) nennen.

16. Cum ergo tam magna potentia reges non contempserint latericiorum parietum structuras, quibus et vectigalibus et praeda saepius licitum fuerat non modo caementicio aut quadrato saxo sed etiam marmoreo habere, non puto oportere |10| inprobare quae sunt e latericia structura facta aedificia, dummodo recte sint tecta. Sed id genus quid ita populo Romano in urbe fieri non oporteat, exponam, quaeque sunt eius rei causae et rationes, non praetermittam. 17. Leges publicae non patiuntur maiores crassitudines quam sesquipedales constitui I loco communi; ceteri autem parietes, ne spatia angustiora fierent, eadem crassitudine conlocantur. Latericii vero, nisi diplinthii aut triplinthii fuerint, sesquipedali crassitudine non possunt plus unam sustinere contignationem. In ea autem maiestate urbis et civium infinita frequentia innumerabiles habitationes |20| opus est explicare. Ergo cum recipere non possint areae planatae tantam multitudinem ad habitandum in urbe, ad auxilium altitudinis aedificiorum res ipsa coegit devenire. Itaque pilis lapideis, structuris testaceis, parietibus caementiciis altitudines extructae contignationibus crebris coaxatae cenaculorum ad |25| summas utilitates perficiunt despectationes130. Ergo moenibus e contignationibus variis alto spatio multiplicatis populus Romanus egregias habet sine inpeditione habitationes.

16. Da also so mächtige Könige, die aus ihren Steuereinnahmen und häufiger noch aus Beute Bauten nicht nur aus Bruchsteinen oder Quadern, sondern sogar aus Marmor hätten haben können, Mauern aus Ziegel nicht verschmäht haben, glaube ich nicht, daß man Gebäude aus Ziegelmauerwerk nicht für gut befinden darf, wenn sie nur richtig gedeckt sind. Warum aber diese Art (von Mauerwerk) vom römischen Volke in der Hauptstadt nicht verwendet werden darf, will ich auseinandersetzen, und ich will nicht übergehen, welche Ursachen und Gründe es hierfür gibt. 17. Die Staatsgesetze erlauben nicht, daß bei gemeinschaftlichen Mauern größere Mauerstärken als 1½ Fuß gebaut werden. Die übrigen Wände aber werden, damit die Räume nicht zu eng werden, mit derselben Stärke gebaut. Ziegelmauern aber können wohl bei einer Stärke von zwei oder drei Ziegellängen, nicht aber bei einer Stärke von nur 1/2 Fuß mehr als ein Stockwerk tragen. Bei der großen Bedeutung der Stadt aber und der unendlich großen Zahl von Bürgern muß man unzählige Wohnungen schaffen. Da also Häuser, die nur ein Erdgeschoß haben, eine so große Menge zum Wohnen in der Stadt nicht aufnehmen können, zwangen die Umstände selbst dazu, daß man sich damit half, die Häuser in die Höhe zu bauen. So wurden mit Hilfe von Steinpfeilern, Mauern aus gebrannten Ziegeln und Bruchsteinmauern hohe Häuser errichtet; sie wurden auf häufigen Balkenlagen mit Bretterböden versehen mit dem Ergebnis, daß die oberen Stockwerke zum größten Nutzen Aussicht (auf die Stadt) haben130. Da also das Fassungsvermögen der Stadtmauern durch die verschiedenen Stockwerke nach der Höhe zu vervielfältigt ist, hat das römische Volk ohne Schwierigkeit ausgezeichnete Wohnungen.

18. Quoniam ergo explicata ratio est, quid ita in urbe propter necessitatem angustiarum non patiuntur esse latericios parietes, cum extra urbem opus erit his uti sine vitiis ad vetustatem, sic erit faciendum. 5 Summis parietibus structura |5| testacea sub tegula subiciatur altitudine circiter sesquipedali habeatque proiecturas coronarum. Ita vitari poterunt quae solent in his fieri vitia; cum enim in tecto tegulae fuerint fractae aut a ventis deiectae, qua possint ex imbribus aquae perpluere, non patietur lorica testacea laedi laterem, |10| sed proiectura coronarum reiciet extra perpendiculum stillas et ea ratione servaverit integras parietum latericiorum structuras. 19. De ipsa autem testa, si sit optima seu vitiosa ad structuram, statim nemo potest iudicare, quod in tempestatibus et aestate in tecto131 cum est conlocata, tune, si est firma, |15| probatur; namque quae non fuerit ex creta bona aut parum erit cocta, ibi se ostendet esse vitiosam gelicidiis et pruina tacta. Ergo quae non in tectis poterit pati laborem, ea non potest in structura oneri ferendo esse firma. Quare maxime ex veteribus tegulis tecti structi parietes firmitatem poterunt |20| habere.

18. Da nun der Grund angegeben ist, warum man in der Hauptstadt aus Raummangel Ziegelmauern nicht gestattet, wird man, wenn es außerhalb der Hauptstadt nötig sein wird, sich doch ihrer zu bedienen, folgendermaßen verfahren müssen, damit sie bis ins hohe Alter fehlerfrei sind: Ganz oben auf den Wänden schiebe man unter den Dachziegeln Mauerwerk aus gebrannten Ziegeln ungefähr 1/2 Fuß hoch unter, und dies soll ein vorspringendes Gesims haben. So werden Schäden vermieden werden können, die an diesen (Lehmziegelwänden) aufzutreten pflegen. Wenn nämlich im Dach Ziegel gebrochen oder von den Winden herabgeworfen sind, so daß dort von Regenschauern Wasser eindringen kann, wird der Panzer aus gebrannten Ziegeln nicht zulassen, daß der (lufttrockene) Ziegel beschädigt wird, sondern das vorspringende Gesims wird die Regentropfen außerhalb der senkrechten (Wand) herabfallen lassen und auf diese Weise das Ziegelmauerwerk vor Beschädigung bewahren. 19. Über den gebrannten Ziegel selbst aber kann niemand sich sofort ein Urteil bilden, ob er für Mauerwerk sehr gut ist oder Mängel hat, weil es sich erst dann erweist, ob er fest ist, wenn er stürmischem Regenwetter oder Sonnenhitze auf dem Dach131 ausgesetzt gewesen ist. Denn der nicht aus gutem Ton hergestellt oder nicht genug gebrannt ist, wird sich dort durch die Berührung mit Frost und Reif als mangelhaft erweisen. Der Ziegel also, der auf dem Dach die Unbill der Witterung nicht ertragen kann, kann auch im Mauerwerk nicht fest sein, um eine Belastung zu ertragen. Deswegen werden besonders aus alten Dachziegeln errichtete Mauern fest sein können.

20. Craticii vero velim quidem ne inventi essent; quantum enim celeritate et loci laxamento prosunt, tanto maiori et communi sunt calamitati, quod ad incendia uti faces sunt parati. Itaque satius esse videtur inpensa testaceorum in sumptu, quam compendio craticiorum esse in periculo. Etiam |25| qui in tectoriis operibus, rimas in his faciunt arrectariorum et transversariorum dispositione. Cum enim linuntur, recipientes umorem turgescunt, deinde siccescendo contrahuntur et ita extenuati disrumpunt tectoriorum soliditatem. Sed quoniam nonnullos celeritas aut inopia aut in pendenti loco |54| dissaeptio cogit, sic erit faciundum. Solum132 substruatur alte, ut sit intactum ab rudere et pavimento; obruta enim in his cum sunt, vetustate marcida fiunt; deinde subsidentia proclinantur et disrumpunt speciem tectoriorum.

De parietibus et apparatione generatim materiae eorum, quibus sint virtutibus et vitiis, quemadmodum potui, exposui; de contignationibus autem et copiis earum, quibus comparentur, ut ad vetustatem non sint infirmae, uti natura rerum monstrat, explicabo.

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