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Der geschichtliche Ausgangspunkt

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Um sich intensiv mit dem Geschlecht der Fugger zu beschäftigen, müssen erst einige Daten und Fakten des 16. Jahrhunderts betrachtet werden.

Das Jahrhundert begann mit der Geburt eines Knaben, der wie kein anderer seine Zeit prägte. Am 24. Februar 1500 wurde in Gent, einer der mächtigsten Städte der Burgundischen Niederlande, ein Kind geboren, das zeit seines Lebens Unglück hatte und als 55-Jähriger enttäuscht seine Ambitionen aufgab: Karl V., Enkel Kaiser Maximilians und Sohn des burgundischen Herzogs Philipps I., des Schönen, und der spanischen Prinzessin Johanna der Wahnsinnigen von Aragonien.

Diesem Kind fiel ein Reich in den Schoß, von dem man sagte, dass in ihm die Sonne nie untergehe und das in der Geschichte bisher beispiellos war: die Burgundischen Niederlande, Kastilien und Aragonien in Spanien, große Teile Italiens und die Neue Welt auf der anderen Seite des Atlantiks. Außerdem erwarb Karl V. die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches. Kein Herrscher vor ihm verfügte jemals über eine derartige Machtfülle, und zudem konnte Karl V. noch die zahlreichen neuen wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten dieses Jahrhunderts nutzen.

Tizian: Karl V. im Lehnstuhl (1548), Alte Pinakothek, München

Der Lauf der Geschichte Europas und Amerikas wurde durch ihn und seine Nachkommen maßgeblich geprägt. Karl war dabei immer noch den alten Idealen der Ritterlichkeit verhaftet. So erklärte er am 17. April 1536 gegenüber Papst Paul III. (1534-1549) und der vatikanischen Kurie, dass er bereit sei, den Krieg zwischen Frankreich und den Habsburgern auf ritterliche Art zu beschließen: im Zweikampf.

Anlässlich des Reichstags in Augsburg malte Tizian 1548 das Porträt des Kaisers Karl V. im Lehnstuhl, das heute in der Alten Pinakothek in München hängt. Im Gegensatz zu seinem Bildnis von Karl V. bei der Schlacht von Mühlberg vermittelt Tizians sitzender Karl V. die Würde und das Selbstbewusstsein des Renaissancefürsten.

„Ich versichere Eurer Heiligkeit, diesem heiligen Kollegium und allen anwesenden Rittern, dass ich bereit bin, gegen den König von Frankreich zu kämpfen, wenn er bereit ist, gegen mich auf den Kampfplatz zu treten. Ich werde dies in Rüstung oder im einfachen Waffenrock tun, mit dem Schwert oder einem Dolch, zu Lande oder zu Wasser, auf einer Brücke oder einer Insel, innerhalb eines geschlossenen Bereiches oder unter den Augen unserer Armeen. Er selbst soll entscheiden, was er will.”

Karl war zu dieser Zeit 36 Jahre alt, sein Gegenspieler Franz I. von Frankreich 42, dieser reagierte nicht einmal auf seinen Vorschlag. Bei all seiner Ritterlichkeit war Karl V. ein modern denkender Herrscher, der die Zentralisierung des Staates anstrebte und seine Macht auf Kosten des Adels ausbaute, ein Mann auch, der die modernen Finanzmärkte zu nutzen wusste, stehende Heere unterhielt und die zynischen Methoden der aufkommenden Diplomatie beherrschte. Er war außerdem ein zutiefst gläubiger Mann, der von der Wahrheit und Allgemeingültigkeit des katholischen Glaubens so überzeugt war, dass er den Fortbestand seines Reiches aufs Spiel setzte, um die Ketzerei und die Ketzer zu besiegen.

Er träumte davon, das alte christliche Europa von seiner Bedrohung durch die Türken zu befreien. 1535 leitete er persönlich einen Feldzug nach Nordafrika und beklagte sich bitter über den Mangel an Unterstützung durch die anderen christlichen Mächte.

Aber er ließ auch protestantische Söldner gegen den Papst antreten, Rom plündern und den Papst in der Engelsburg festhalten. Und als seine Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches anstand, nahm er 850 000 Goldtaler auf – 540 000 davon bei der Augsburger Kaufmannsfamilie Fugger –, um die Stimmen der Kurfürsten zu kaufen.

Karl erwarb sein Weltreich durch eine Reihe von Todesfällen. 1504 starb seine Großmutter Isabella von Kastilien, die 1469 heimlich Ferdinand II. von Aragonien geheiratet und damit die Einigung Spaniens herbeigeführt hatte. 1506 starb Karls Vater, Philipp der Schöne, und 1516 sein Großvater mütterlicherseits, Ferdinand von Aragonien. Karls Mutter Johanna, die rechtmäßige Thronerbin Ferdinands und Isabellas, verwand den Tod ihres Mannes nie und wurde als außerstande betrachtet, die Herrschaft zu übernehmen. Sein Großvater väterlicherseits, Maximilian von Österreich, der durch seine Ehe mit Maria von Burgund Nachfolger der Herzöge von Burgund geworden war und 1493 zum deutschen Kaiser gekrönt worden war, starb 1519. Dadurch fielen Karl die österreichischen Erblande zu: Österreich, die Steiermark, Kärnten und Tirol. Mit dieser Hausmacht wurde Karl zu einem aussichtsreichen Kandidaten für die deutsche Kaiserkrone.

Wenig später eroberte Hernán Cortés das Reich der Azteken, und 1532 fügte Francisco Pizarro den spanischen Überseebesitzungen das Reich der Inka hinzu. Mit 30 Jahren war Karl der mächtigste Mann der Welt. Nie zuvor war das alte Ideal der zwei Schwerter, das geistliche Schwert in den Händen des Papstes und das weltliche in denen des Kaisers, so nah an seiner Verwirklichung gewesen. Dem Heiligen Römischen Reich mit seinem Anspruch, die gesamte Christenheit zu vertreten, hatten sich durch dynastische Zufälle und durch technische Entwicklungen die Möglichkeiten eröffnet, seine Universalität wiederherzustellen. Die Schaffung eines starken, geschlossenen Reiches stand Karl deutlich vor Augen. Diese Idee hatte ihm sein Großkanzler Mercurio de Gattinara 1519 nach seiner Wahl zum Kaiser in klaren Worten eingeschärft.

In seinem jugendlichen Idealismus mögen Karl vor allem Gedanken an Ritterlichkeit und Kreuzzüge vor Augen gestanden haben, während der nüchterne Gattinara zweifellos an konkrete machtpolitische und organisatorische Maßnahmen dachte. Die politischen Widerstände gegen eine Reichsreform waren allerdings fast unüberwindlich. Karl V. musste sich mit dem Kleinmut des Adels, dessen Beharren auf die Wahrung der eigenen Interessen, mit Geldmangel und der Langsamkeit der Kommunikation und des Verkehrs auseinander setzen. Wenn es darum ging, dem Kaiser Steine in den Weg zu legen, standen die Kurfürsten in der ersten Reihe.

Der französische König, der sich selbst um die Kaiserkrone bemüht hatte, stand dem Habsburger Alleinvertretungsanspruch unversöhnlich entgegen. Außerdem wurde die Einheit der Kirche, welche die Basis des Reichsgedankens bildete, durch die Erfolge Luthers in Frage gestellt. Karl V. begegneten also überall politische und religiöse Widerstände.

In Süddeutschland, Tirol und in der Steiermark erhoben sich die Bauern zu Aufständen, die nur mit Mühe von den Landesfürsten niedergeschlagen wurden. Karl musste überdies einen Krieg nach dem anderen führen, um sein zentralisiertes Europa gegen Feinde von innen und von außen zu verteidigen.

In diesem Jahrhundert erlebte Europa kein einziges Jahr des Friedens. Die Zeit der Feudalheere mit Rittern, die selbst für ihren Lebensunterhalt sorgten und ihre Ausrüstung bezahlten, war nun endgültig vorbei. Die modernen Heere erforderten den Einsatz enormer Finanzmittel, die das Steueraufkommen ihrer Herrschaftsgebiete weit überschritten. Dies hatte Folgen, die die Untertanen schmerzlich zu spüren bekamen.

Die wirtschaftliche Lage war durch den anhaltenden Geldmangel der Fürsten, drohende und manchmal auch eintretende Staatsbankrotte sowie durch Inflation und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Im heldenhaften Freiheitskampf der Niederlande gegen Spanien trug das wirtschaftliche Elend zur Verbissenheit des Wider-standes bei. Karl V. kämpfte sein Leben lang um Steuern und Kredite. Das ging so weit, dass einer seiner größten Geldgeber, der Augsburger Kaufmann Fugger, ihn in einem Brief unverblümt daran erinnerte, dass er niemals Kaiser geworden wäre, wenn dieser ihm nicht den Wahlkampf finanziert hätte. Die Steuerlast, unter der die Untertanen zu leiden hatten, war – auch aufgrund der mangelhaften Organisation – außerordentlich schwer.

Das System der Verpachtung von Steuerquellen an Privatpersonen – selbstverständlich gegen Zahlung einer stattlichen Summe im Voraus – förderte das Aufkommen eines Systems der persönlichen finanziellen Tyrannei. Staatliche Macht und Privilegien wurden käuflich, und die Folgen dieser Entwicklung ließen nicht lange auf sich warten. Hinzu kam noch die Tatsache, dass die neuen Heere aus Söldnern bestanden.

Durch die zunehmende Bedeutung der Feuerwaffen verschob sich der Schwerpunkt von der Kavallerie zur Infanterie. Diese Söldnertruppen waren nur aus einem Grund bereit, ihren Herren zu dienen: Sie wurden dafür bezahlt. Der Sold blieb aber oft aus. Das führte zu Meutereien und marodierenden Söldnerhaufen, die jeden, dessen sie habhaft wurden, bis aufs Hemd ausraubten, um auf diese Weise doch noch an ihr Geld zu kommen. Selbst der König von Frankreich, der keine Residenz hatte, sondern mit seinem Hofstaat durch das Land reiste, wäre mehrmals beinahe in die Hände soldatischer Räuberbanden gefallen. Die um ihren Sold geprellten Soldaten verbreiteten überall Unsicherheit und Gewalt. Mord, Totschlag, Überfall und Raub waren an der Tagesordnung, und die Obrigkeit stand dieser Entwicklung weitgehend machtlos gegenüber. Der Besitz von Waffen war weit verbreitet. Und die Soldatengaben ihre Waffen nicht aus der Hand, solange ihr Sold nicht ausbezahlt wurde.

Für die Verwirklichung des Traumes von Karl V. von einer Vereinigung des Abendlandes unter einer Krone war die Zeit in psychologischer, technischer und finanzieller Hinsicht noch nicht reif. Als er 1555 in Brüssel enttäuscht und zermürbt abdankte, fiel sein Reich auseinander. Spanien, die Niederlande, Italien und die Neue Welt gingen an seinen Sohn Philipp über, die Habsburger Erblande an seinen Bruder Ferdinand, der außerdem deutscher Kaiser wurde.

König Philipp II., Sohn Kaiser Karls V., herrschte über vier Jahrzehnte, von 1555 bis 1598, als absoluter Monarch in Spanien und den spanischen Besitzungen in Europa und der Neuen Welt. Als Vorkämpfer der Gegenreformation führte er zahlreiche Kriege und suchte den Protestantismus in seinen eigenen Landen mit Gewalt und mit Hilfe der Inquisition zu unterdrücken. In der Nähe von Madrid ließ er den Klosterpalast El Escorial errichten, den er schließlich zu seiner Residenz machte. Das Gemälde von Juan Pantoja de la Cruz gibt Philipp II. in bereits fortgeschrittenem Alter wieder (El Escorial).

Die Fugger

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