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EINLEITUNG

Liebe Leserin, lieber Leser, ich lade Sie zu einem gefährlichen Selbstexperiment ein. Die Sache beginnt harmlos, nämlich mit dem Nachsprechen eines Satzes. Er enthält das Wort »Hammer«, das in unserem Zusammenhang eine symbolische Bedeutung besitzt. »Einen Hammer haben« heißt gemäß großem Wörterbuch des Dudenverlags »leicht verrückt sein«. Leicht, das geht noch. Wenn hier schwer stände, würde ich das folgende Experiment mit Ihnen nicht wagen …

Aber nun der Satz. Er lautet: »Alle haben einen Hammer, alle; ich habe noch keinen gesehen, der keinen hatte.« Wollen Sie das nachsprechen? Oder dieser Äußerung zumindest innerlich zustimmen? Drückt sie auch Ihre Erfahrung aus? Um uns herum, im Alltagsleben, wimmelt es von Toren. Oder besser gesagt von Menschen, die dann und wann zu Toren werden. Eigentlich sind sie ganz normal, liebenswürdig, aber jederzeit kann etwas durchbrechen, etwas Irrationales, und dann wird eine Handlung begangen, über die wir – als Zuschauer – fassungslos sind.

Und nun die gefährliche Seite des Experiments. Ich bitte Sie, vor einen Spiegel zu treten. Sprechen Sie jetzt den Satz noch einmal aus: »Alle haben einen Hammer, alle; ich habe noch keinen gesehen, der keinen hatte.« Dieses Mal sollten Sie wirklich laut reden, Denken reicht nicht. Gnadenlos muss über Ihre Lippen kommen: »Alle haben einen Hammer …«, wobei Sie sich in die Augen schauen. So beziehen Sie das Spiegelbild – beziehen Sie sich selbst – in die Aussage ein.

Das ist schwer, nicht wahr?

Ich hoffe, dass Sie jetzt nicht das Buch zuklappen. Dass Sie sich nicht beleidigt fühlen. Nicht angegriffen fühlen. Vielleicht sind Sie ja neugierig geworden. Dann lade ich Sie zu einem Streifzug durch die Geistesgeschichte und Psychologie ein. Ziel ist es, das Phänomen der Torheit besser zu verstehen. Um gelassener und vielleicht sogar souverän mit ihm umgehen zu können. Los werden wir die Torheit nie. Warum nicht – darauf sollen im Laufe der Ausführungen Antworten versucht werden. Auf jeden Fall steht jedem von uns die nächste eigene Torheit unweigerlich bevor. Unsere Torheiten gehören zu dem Stoff dazu, aus dem sich unser Leben aufbaut; sie gehören zu uns, und zwar mit all ihren Konsequenzen. Es ist grundsätzlich unmöglich, einem Lebensplan zu folgen, in dem nur die Vernunft regiert.

Aber die antiken Philosophen, waren die nicht der Meinung, dass die Vernunft den Menschen leiten soll und dass dies auch möglich ist? Insbesondere die Stoiker wären hier zu nennen, die davon ausgingen, dass eine göttliche Vernunft den Kosmos durchwaltet und dass der Mensch für sie empfänglich werden und sich von ihr bestimmen lassen muss. Bei Seneca (4 v. Chr. – 65 n. Chr.) begegnet uns diese Vorstellung auf Schritt und Tritt. Fast schon wollen wir uns vor diesem Philosophen mit seinem hohen sittlichen Ernst ehrfurchtsvoll verneigen und die These von der Unvermeidbarkeit der Torheit noch einmal überdenken, da stoßen wir auf Senecas 50. Brief an Lucilius, in dem er schreibt: »Wenn ich mich über einen törichten Menschen belustigen will, so brauche ich nicht lange zu suchen: Ich lache über mich selbst.« – Wir sind erleichtert. Oh Seneca, du gehörst zum Club. Du hättest dich wahrscheinlich auch auf das Selbstexperiment vor dem Spiegel eingelassen.

Über sich selbst lachen, über seine Torheiten lachen, das ist gut. So werden wir lockerer. So kann sich leichter etwas ändern, und tatsächlich (auch das ist eine These des vorliegenden Buches) wären viele Torheiten durchaus vermeidbar. Nicht alle, aber viele.

Also, sind Sie für den Streifzug durch die Geistesgeschichte und Psychologie bereit? Ich bitte Sie zunächst in ein griechisches Theater. Sie sollen einen Mann bewundern, der sich auf der Bühne als Sänger und Zitherspieler produziert. Hinterher müssen Sie unbedingt Beifall klatschen. Auch wenn Sie die Darbietung schlecht gefunden haben. Sie müssen – andernfalls bringen Sie sich in Lebensgefahr …

Kleine Philosophie der Torheit

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