Читать книгу Tauchcomputer – Einblicke für Taucher und Tauchprofis - Wolfgang Wild - Страница 5

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Was heißt beim Tauchen eigentlich „konservativ“?

Schon aus der Zeit der Tauchtabellen kennen wir die vollmundige Aussage: Unsere xyz-Tabelle ist konservativer als andere. Auch Tauchcomputer und Simulationsprogramme für PC und/oder Tablet machen diesen Anspruch geltend. Was wird damit suggeriert bzw. dem Taucher versprochen?


Tauchtabellen – der BLOB-Effekt

Eine früher in Tauchzeitschriften gleichermaßen populäre wie triviale Gegenüberstellung von Tauchtabellen sah etwa wie folgt aus:

Man nehme verschiedene Tabellen, trage ihre Nullzeitgrenzen in eine Grafik ein – und siehe da, die Tabelle mit den kürzesten Nullzeiten für bestimmte Tiefen wurde als „am sichersten“ betitelt, denn sie war ja offensichtlich am „konservativsten“.

Die in der nachfolgenden Grafik exemplarisch herangezogenen Tabellen für das Tauchen mit Pressluft sind:

Deko’92VDST / Max Hahn (1992)

Deko 2000VDST / Max Hahn (1992)

Uni ZürichDruckkammerlabor Universität Zürich (1986)

RDPRecreational Dive Planner, DSAT/PADI (1988)

NAUIbasierend auf der US Navy Tabelle (1995)

US Navyhier die mittels Doppler modifizierten Werte (2007)




[Hinweis für eBook-Leser, deren Lesegerät keine Farben anzeigt: Die oberste, gestrichelte Linie ist die der Deko '92 Tabelle, die unterste, gepunktete Linie ist die der US Navy Tabelle.]

Die Grafik zeigt uns die Tauchtabelle mit den konservativsten Werten – oder?

Nicht ganz. Ich vergaß eine weitere Tauchtabelle, mit noch kürzeren Nullzeiten bzw. Nullzeitgrenzen:



[Hinweis für eBook-Leser, deren Lesegerät keine Farben anzeigt: Die oberste durchgängige Linie zeigt den BLOB-Effekt.]

Der Leser wird sich mit Recht fragen: Von welcher Tauchtabelle stammen denn die Werte dieser Linie? Nun, ich muss gestehen, von keiner auf dem Markt erhältlichen Tauchtabelle. Aber sie ist schnell gemacht: Man nimmt dazu einen Stift, platziert oberhalb der zuvor „konservativsten“ Linie einige Punkte und verbindet diese. Und siehe da, schon haben wir eine sicherere, weil konservativere „Tauchtabelle“ generiert. (Mit EXCEL dauert so etwas nur ein paar Sekunden …)

Frage: Gibt es noch eine Steigerung dieses enorm ökonomischen Entwicklungsverfahrens?

Antwort: Ja. Das BLOB Prinzip – BLeibe OBen. Denn natürlich ist es für Taucher am sichersten, nicht tauchen zu gehen und zu Hause zu bleiben, dann erspart man sich das ganze Gerödele mit der Ausrüstung und die Unsicherheit, sich möglicherweise eine Dekompressionskrankheit einzufangen. Anmerkung: Wobei man auch zu Hause davor leider nicht sicher sein kann. Raymond Rogers hat darauf hingewiesen, dass eine unbeschränkte Nullzeitgrenze nur in einem Bruchteil von einem Fuß Tiefe („a fraction of a foot depth“) existiert: „Dies würde bedeuten, dass man, wenn man lange genug in einer halb mit Wasser gefüllten Badewanne liegt, beim Aufstehen von der Dekompressionskrankheit befallen wird!“ (Rogers, Raymond, Haldanes Erneuerung, The Undersea Journal, Drittes Quartal 1988, in: PADI Instructor Candidate Workbook 1991). Der Leser und enthusiastische Taucher wird verstehen, wie es gemeint ist (augenzwinkernde Smileys kommen im eBook leider nicht gut raus …).

Also: So geht das natürlich nicht mit dem Thema „konservative“ Nullzeiten. Wenn man schon die „Leistungsfähigkeit“ einer Tauchtabelle (und natürlich auch die eines Tauchcomputers) testen will und diese mit anderen Tauchtabellen oder Tauchcomputern vergleichen möchte, dann müsste man vom Entwickler (modern: Designer) der Tabelle resp. des Computers wissen, wie es denn zur Konzeption bzw. zum Design kam. Welche Parameter (außer Tiefe bzw. Druck und Zeit) sind eingeflossen – und vor allen Dingen: Wie wurde denn überprüft, ob ein Taucher, der damit taucht, sicher und gesund wieder nach Hause kommt – soll heißen: ohne die Dekompressionskrankheit zu erleiden (höchstwahrscheinlich, zumindest).

Hierzu gibt es leider eine unrühmliche „Tradition“ unter den Designern, die sich von den Tauchtabellen zu den Tauchcomputern fortgesetzt hat: Nur mit wenigen Ausnahmen erfährt der Taucher – nichts (oder nichts Genaues). Wie lautet hierfür die Sprachregelung in der Werbung und auch in den entsprechenden Bedienungsanleitungen: „modifiziertes Haldane-Modell“ oder „für Sporttaucher angepasste Werte der US-Navy Tabelle“ oder „auf RGBM Basis“, usw. Es kann zwar sein, dass ein Taucher, der die Nullzeitgrenzen einer bestimmten Tauchtabelle resp. eines Tauchcomputers einhält, ohne Probleme auftaucht und nach einer gewissen Oberflächenpause genauso sicher und gesund weitertaucht – es kann aber auch sein, dass er ohne weiteres noch etwas länger unter Wasser hätte bleiben können, und das ist es doch, warum wir tauchen gehen, oder? Kurz: Vielleicht hat der Taucher mit dieser Tabelle resp. diesem Tauchcomputer wunderschöne Zeit unter Wasser verschenkt, weil er zu früh aufgetaucht ist und deshalb den Walhai, Nautilus oder anderes begiertes Getier eben nicht gesehen hat. Und er hat kostbares Atemgas ebenfalls verschenkt, denn bekanntlich kosten Flaschenfüllungen gewöhnlich etwas.

Merke:


Schauen wir uns ergänzend noch an, wie weit die oben als Beispiel gewählten Tauchtabellen auseinander liegen, wenn man sie für einen Wiederholungstauchgang strapaziert.

Dazu benötigen wir aus den Tabellen die sog. Wiederholungsgruppe (WG), die den Reststickstoff vom vorherigen Tauchgang repräsentiert, und natürlich die Zeit der Oberflächenpause (OFP). Wir wollen als Beispiel nach dem ersten Tauchgang eine 1-stündige Oberflächenpause (OFP = 60 Minuten) machen, und beim anschließenden Wiederholungstauchgang soll es nochmals auf 18 Meter gehen, wie schon beim ersten Tauchgang. Nehmen wir an, beim ersten Tauchgang war der Taucher 50 Minuten unter Wasser:

• Tauchgang 1 – Tiefe 18 m, Zeit 50 Minuten

• OFP – 60 Minuten

• Tauchgang 2 – Tiefe 18 m, maximale Nullzeit?

Als maximale Nullzeit für den zweiten Tauchgang auf 18 Meter erlauben die obigen Tabellen:

• 6 Minuten – Deko 2000 und US Navy (2007)

• 10 Minuten – Deko'92

• 24 Minuten – NAUI (1995)

• 34 Minuten – Druckkammerlabor Uni Zürich (1986) und RDP/DSAT (1988)

Die Schwankung bei den von den Tabellen erlaubten Nullzeitgrenzen beim zweiten Tauchgang beträgt zwischen 6 Minuten und 34 Minuten, mithin eine Differenz von 28 Minuten bzw. über 500%. Heißt das, dass die 6-Minuten-Tabellen etliche 100% „sicherer“ sind als die anderen und die ausgiebig validierte DSAT-Tabelle mit ihren 34 Minuten „unsicher“? Davon abgesehen, dass ein Steigern des Eigenschaftswortes „sicher“ grammatikalisch zwar möglich, inhaltlich jedoch unsinnig ist (sicher – sicherer – am sichersten? Nein – entweder sicher oder nicht sicher, grammatikalisch vergleichbar mit „schwanger“, zum Beispiel), lautet auch hier die Antwort wie zuvor: Kann sein, muss aber nicht sein. Und: Wer rödelt für läppische 6 Minuten nochmals auf und steigt ins Wasser? Zugegeben: es gibt überall „Süchtige“ …

Dem Taucher ist mit einem reinen Vergleich von Tabellenwerten – und dies gilt gleichermaßen für Tauchcomputer – überhaupt nicht geholfen. Der Taucher müsste viel mehr über diese Werte wissen, insbesondere, wie sie denn zustande gekommen sind und wie sie getestet (d.h. validiert) wurden.


Ein Beispiel für seriös entwickelte, validierte und dokumentierte Tauchtabellen – der Recreational Dive Planner (RDP)

Aus Sicht des Tauchers gibt es an der Entwicklung und Validierung des Recreational Dive Planners (RDP) von DSAT eigentlich nichts zu mäkeln: Die mathematische Gleichung (der „Algorithmus“), nach der Sättigung und Entsättigung berechnet werden, wurde langwierig ausgetüftelt (Details bei Bedarf bitte in nachfolgend genannter Dokumentation nachlesen), dann erfolgten ausgiebige trockene „Testtauchgänge“ in der Druckkammer unter ärztlicher Aufsicht und Begleitung, und wenn es dabei unter Einsatz der Doppler-Sonographie zu hörbaren Stickstoffblasen kam, die ein zuvor definiertes Ausmaß (engl. „grade“) respektive Lautstärke überschritten, wurden Koeffizienten der mathematischen Gleichung angepasst. Erst dann kam der nächste, ultimative Schritt bei der Validierung des Modells: 228 echte „nasse“ Tauchgänge im Puget Sound nahe der kanadischen Grenze im Westen der USA, bei Seattle (ja, es ist frisch dort unter Wasser, im Sommer ca. 12 Grad Celsius, d.h. die erfolgten Testtauchgänge haben eher als anstrengend zu gelten). Die Testpersonen waren junge und alte Taucher, Männlein/Weiblein, wenig/viel Taucherfahrung, viel Biopren/athletisch/hager, also ein guter Durchschnitt. Die Tauchgänge erfolgten über mehrere Tage, Multilevel-Tauchgänge und Wiederholungs-Multilevel-Tauchgänge inbegriffen. Nach ihrem Tauchgang wurden die Testpersonen mittels Doppler auf hörbare Stickstoffblasen überprüft, und erst nachdem keinerlei Probleme mehr zu verzeichnen waren, wurde der Algorithmus, der von Diving Science & Technology (DSAT) entwickelt wurde, freigegeben.

„Beim Testen der DSAT-Tabelle kam es nicht zu Caissonkrankheiten, und Dopplertests zeigten extrem niedrige Blasenwerte (Grad 0-2) – viel geringer als die Werte, die normalerweise mit dem Auftreten der Caissonkrankheit in Verbindung gebracht werden.“ („Grad“-Einteilung in vier Grade gem. Merrill Spencer, 1974; siehe Richardson, Drew, Fragen und Antworten zum Recreational Dive Planner, zu DSAT und zur Tauchtabellenforschung, The Undersea Journal, Drittes Quartal 1988, in: PADI Instructor Candidate Workbook 1991)

Insgesamt wurden 911 Testtauchgänge durchgeführt und evaluiert (Druckkammer und Freiwasser). Die Validierung erfolgte extern, das heißt: nicht durch DSAT selbst, sondern unter Leitung von Dr. Michael Powell am Institute of Applied Physiology and Medicine (IAPM) in Seattle, USA. Die gesamte Abschlussdokumentation - Development of no-stop decompression procedures for recreational diving: The DSAT Recreational Dive Planner (1994) - findet sich zum Herunterladen im Internet hier (für Leser, die im Englischen sattelfest sind); eine Vorabversion erschien bereits Ende 1987 unter dem Titel: Recreational Dive Planning … The Next Generation – New Frontiers in Hyperbaric Research, Santa Ana, California (USA).

Das folgende Bild aus der DSAT Dokumentation zeigt eine Taucherin in der Druckkammer nach ihrem „Testtauchgang“ am Rudergerät, um möglichst viele Stickstoffbläschen aus irgendwelchen Nischen in Körpergeweben herauszuagitieren. Erst danach wurde gedopplert, wobei die Testpersonen auch noch Kniebeugen machen durften.


Ohne dies zu tief auszuführen (alles ist ausführlich nachlesbar), hier nur noch stichpunktartig ein paar Details, die den Leser besonders interessieren dürften:

• Da die Entwicklung der mathematischen Gleichung (Algorithmus) von der Tauchausbildungsorganisation PADI finanziell gesponsert wurde, hatte PADI sich das Exklusivrecht für einen darauf basierenden „Tauchgang-Planer für Sporttaucher“ gesichert und als Recreational Dive Planner (RDP) auf den Markt gebracht (im Jahre 1988). Damit hatten Sporttaucher zum ersten Mal eine Tauchtabelle, die Sporttaucher nicht mit zu kurzen Nullzeiten und Nullzeitgrenzen bestraft, denn die US Navy Tabelle war bekanntlich überhaupt nicht für Sporttaucher gedacht (und für TaucherINNEN schon gar nicht). Andere Tabellen gingen lieber „auf Nummer sicher“ und verkürzten ihre (wie auch immer zustande gekommenen) Nullzeiten; der BLOB-Effekt lässt grüßen …

• Weil DSAT den Algorithmus freigegeben hatte, griffen etliche kluge (weil auf diese Weise u.a. Entwicklungskosten sparende) Tauchprodukte-Hersteller gleich zu, ließen sich gemeinsam einen Chip bzw. Mikroprozessor fertigen und montierten diesen in ihre Tauchcomputer. In den USA waren dies, nach Kenntnis des Autors, Dacor, Oceanic, Sherwood, US Divers (wenngleich auch nicht bei allen Tauchcomputer-Varianten dieser Hersteller). Damit hatten sie einen Tauchcomputer, der Sättigung und Entsättigung anhand einer validierten mathematischen Gleichung berechnete. [Auf andere Probleme von Tauchcomputern wird später eingegangen.]

• Im RDP kommen 14 Kompartimente zum Zuge (5 – 10 – 20 – 30 – 40 – 60 – 80 – 100 – 120 – 160 – 200 – 240 – 360 und 480 Minuten – zum Begriff „Kompartiment“ siehe weiter unten). Als „Kontrollgewebe“ (engl. „controlling tissue“) wurde schließlich das 60-Minuten-Kompartiment gewählt. Zum „Kontrollgewebe“ noch einige Ausführungen, die Tauchprofis wahrscheinlich bekannt sind und insofern von diesen überlesen werden können: Alle Tauchtabellen und Tauchcomputer, deren Designmerkmal ein sog. „Gewebe-Modell“ ist (siehe weiter unten), verwenden ein spezifisches Kontrollgewebe, worunter dasjenige theoretische Gewebe verstanden wird, das bei einem Tauchgang seiner maximalen, aber noch sicheren Stickstoffsättigung (engl. „gas-loading“) am nächsten kam. Bei der Entwicklung des Recreational Dive Planners (RDP) galt hierfür als Kriterium <kein Doppler-Grad gem. Spencer größer als Grad 3> was bedeutet, keine mittels Doppler hörbaren Stickstoffblasen, die zu Symptomen der Dekompressionskrankheit führen (siehe DSAT, Recreational Dive Planning … The Next Generation – New Frontiers in Hyperbaric Research, Executive Summary, Santa Ana, California (USA) 1987). Beim RDP wurde, wie erwähnt, auf dieser Grundlage das 60-Minuten-Kompartiment gewählt, bei der US-Navy Tabelle ist es das 120-Minuten-Kompartiment. Für Militärtaucher mag ein 120-Minuten-Kompartiment als „Kontrollgewebe“ durchaus adäquat sein, für Sporttaucher ist es jedoch unnötig konservativ. Die für dieses „Kontrollgewebe“ kalkulierte (noch sichere) Sättigung wird dann verwendet, um für einen Wiederholungstauchgang die maximal sichere Tauchzeit in Form verkürzter Nullzeitgrenzen zu berechnen. So viel in aller Kürze an dieser Stelle dazu, später noch etwas mehr. Schließlich noch ein Hinweis zur Zahl der für den Algorithmus des RDP verwendeten Kompartimente: Zur Planung von Tauchgängen auf Meereshöhe bis 300 Meter Höhe liegen dem RDP die zuvor genannten 14 Kompartimente zugrunde; um den RDP mittels Umrechnungstabelle auch für Höhen über 300 Meter verwendbar zu machen, wurde mit 20 Kompartimenten gerechnet (siehe Richardson, Drew, Deep, Repetitive Diving – A New Rule Applies, The Undersea Journal, Drittes Quartal 1989).

• In der Nachfolge kamen auf Grundlage der Werte des RDP weitere Tabellen für das Tauchen mit Enriched Air / Nitrox (EANx32 und EANx36) sowie Hardware insbesondere für die Schulung hinzu – der eRDP (2005) und der eRDPML (2008).


Einige Gedanken zur Aufstiegsgeschwindigkeit

Der Recreational Dive Planner (RDP) wurde mit einer maximalen Aufstiegsgeschwindigkeit von 18 Metern pro Minute getestet und validiert (für das Tauchen in größerer Höhe, das heißt für den RDP ab 300 Meter ü.M., wurde die Aufstiegsgeschwindigkeit auf 9 Meter pro Minute limitiert). Andere Tabellen und heutige Tauchcomputer schreiben zumeist max. 10 Meter pro Minute vor oder noch langsamer; auch variable Aufstiegsgeschwindigkeiten für verschiedene Tiefenbereiche sind bei diversen Tauchcomputern zu finden. Hinweis: Auch die US Navy Tabelle war bis 1993 an 60ft/18m/min gebunden, seitdem gelten 30ft/9m/min als Limit für die Aufstiegsgeschwindigkeit („with no change made in any of the table entries“ – also ohne jegliche Änderungen der Tabellenwerte; Downloadmöglichkeit dieses Dokumentes der US Navy hier (NEDU - US Navy Experimental Diving Unit, Graphical Analysis: Decompression Tables and Dive-Outcome Data; Panama City, Florida (USA) 2004).

Was ist eigentlich der Hintergrund der Aufstiegsgeschwindigkeit?

In einem Workshop der American Academy of Underwater Sciences (AAUS) im Jahre 1989 wurde der Frage nachgegangen. Die erstaunliche Erkenntnis war, dass das zu dieser Zeit übliche 60ft/18 Meter/Minute Limit offenbar gar nicht aus dem Tauchen stammte, sondern auf einer Vorschrift beim Unterwasserausstieg aus U-Booten der Royal Navy fußte. In einem Beitrag während des AAUS Workshops führte Edward Lanphier, der seit 1951 der US Navy Experimental Diving Unit (NEDU) angehörte, interessanterweise aus: „The concern seemed to be less with the rate of ascent itself than with the chance that the diver would miss his first decompression stop if he were coming up too fast.” Nicht die Aufstiegsgeschwindigkeit selbst war demnach das Primäre, sondern Ziel war zu gewährleisten, dass der Taucher seine Stopp-Tiefe einhalten kann und nicht daran „vorbeischießt“ (Lanphier, Edward, A Historical Look at Ascent; in: Lang, MA & Egstrom, GH, Biomechanics of Safe Ascents Workshop, AAUS 1989; zum Herunterladen im Internet hier).

Diesem Hinweis wollen wir noch etwas genauer nachgehen:

Aus praktischen Erwägungen geht es bei einem Stopp (oder mehreren) vor dem endgültigen Aufstieg zur Oberfläche insbesondere um zweierlei:

• Gelegenheit, seine Tarierung zu überprüfen und ggf. anzupassen.

• Dem Körper Zeit zu verschaffen, überschüssiges Gas, das sich beim Tauchgang in seinen Geweben gelöst hat, wieder loszuwerden (salopp gesagt) – „off-gassing“ oder „gas-washout“ heißt dies sehr treffend im Englischen.

Wer als Tauchlehrer im Unterrichtsraum oder an Land vor dem Tauchgang seine Tauchschüler schon einmal 18 Meter pro Minute hat „gehen“ lassen, besser ausgedrückt sollte man vielleicht „schlendern“ sagen, weiß, wie langsam dies ist. Und dass sich unter Wasser auf dem Weg nach oben die Luft im Tarierjacket (und ggf. im Trocki) ausdehnt, ist hinlänglich bekannt. Soll heißen: auf dem Weg zur Oberfläche wird es insbesondere in den letzten 10 Metern bis zur Oberfläche, wo bekanntlich der (Wasser-)Druck um 100% abnimmt und das Luftvolumen im Jacket entsprechend zunimmt (wenn der Taucher nicht flott entlüftet), auf diesen letzten Metern wird es zunehmend schwierig für den Taucher, seine Aufstiegsgeschwindigkeit zu kontrollieren – denn er soll dabei ja zur Oberfläche blicken, damit auch seine Atemwege frei sind, dabei zugleich auf seinen Tiefenmesser bzw. Tauchcomputer schauen und gleichzeitig sein Jacket entlüften. So-o-o ganz einfach ist das insbesondere für Tauchanfänger nicht. Und wir sprachen eben von 18 Metern/60 Fuß pro Minute – nicht etwa von 9 Metern/30 Fuß pro Minute oder noch langsamer …

Insofern hat sich nichts an der Feststellung geändert, die im Mai 1989 in der US-Amerikanischen Zeitschrift Skin Diver in einem Editorial des Herausgebers Bill Gleason als Überschrift zu lesen war:

60 FEET A MINUTE IS A LONG, LONG TIME

18 Meter pro Minute ist eine lange, lange Zeit

Einer Anregung in eben diesem Skin Diver Leitartikel folgend, wurde vom Autor dieses eBooks im Rahmen eines Tauchlehrerkurses ein kleines Experiment durchgeführt: Am Aufstiegsseil, das von einer auf 16 Meter Tiefe befestigten Plattform zur Oberfläche führte, wurden gut sichtbare Tiefenmarkungen befestigt. Gut sichtbar jedoch nur für die Ausbilder – die Tauchlehrerkandidaten durften mit Blick ins Blaue mit der Aufgabe auftauchen, eine möglichst langsame Aufstiegsgeschwindigkeit einzuhalten. Ich will es kurz machen: die meisten waren ziemlich fest davon überzeugt, sie hätten eine Aufstiegsgeschwindigkeit von höchstens 18 Meter pro Minute praktiziert – was aus 16 Meter Tiefe 53 Sekunden bedeutet hätte. Nun, aus guten Gründen waren diverse Ausbilder in verschiedenen Tiefen bei den Tiefenmarkierungen am Aufstiegsseil so positioniert, dass sie die Zeit festhalten konnten, die ein Taucher von 16 auf 12, von 12 auf 9, von 9 auf 5 und von 5 Metern zur Oberfläche benötigte. Der Leser wird schon ahnen, was dabei herauskam: Maximal 18m/min? Von wegen! Auf den letzten 5 Metern zur Oberfläche kam es zu rekordverdächtigen „Katapultwerten“ von bis zu 50 Metern pro Minute (d.h. 6 Sekunden für die letzten 5 Meter). Nicht nur wir Ausbilder waren überrascht, aber wir auch. Schließlich hatten wir ja keine TauchANFÄNGER zum Selbstversuch eingeladen, sondern angehende und entsprechend ambitionierte TauchLEHRER.


Um alle wieder zu versöhnen, auch mit sich selbst, gab es am darauffolgenden Tag einen weiteren Versuch: Die Kandidaten sollten beim Aufstieg einen kurzen Stopp auf 9 Metern machen, sich ggf. nachtarieren, dann weiter aufsteigen, auf 5 Metern nochmals kurz stoppen, sich erneut ggf. nachtarieren und dann zur Oberfläche aufsteigen. (Die Stopp-Dauer war irrelevant, da die Tauchzeit fernab irgendwelcher Nullzeitgrenzen war.) Und jetzt gab es insgesamt zufriedene Gesichter beim Debriefing nach dem Tauchgang; das gemütliche Ambiente bei einem Steyrischen im Gasthof „Seewirt“ am wunderschönen Erlaufsee in Österreich hob die Stimmung zusätzlich.

Bei gelegentlichem Kontakt mit Teilnehmern dieses praktischen „Feldversuches“ wird immer wieder deutlich, dass ein bleibender Eindruck zurückgeblieben ist, der das Tauchverhalten der Teilnehmer nachhaltig verändert hat. Eine Frage bleibt noch offen: Was ist mit dem Versuch, eine Aufstiegsgeschwindigkeit von, sagen wir, 10 Metern pro Minute einzuhalten? Die Antwort ist eine praktische: Ausprobieren, geschätzter Leser, ausprobieren – und sich dabei kritisch vom Tauchpartner beobachten lassen.

Ungeduldige Leser werden an dieser Stelle vielleicht den Einwand vorbringen: Aber mein Tauchcomputer zeigt mir doch an, falls ich zu schnell auftauchen sollte, und zusätzlich warnt er mich auch noch mit einem akustischen Signal. Guter Einwand. Ärgerlicherweise schien es zumindest früher bei manchen Tauchcomputern so zu sein, dass eine solche „Warnung“ keinerlei Konsequenzen nach sich zieht, wenn sie vom Taucher ignoriert wird.

„Fast alle Bedienungsanleitungen der von uns getesteten Tauchcomputer empfehlen eine geringere Aufstiegsgeschwindigkeit als 18 m/Minute. Während unserer Tests, die ohne Ausnahme mit einer Aufstiegsgeschwindigkeit von 18 m/Minute durchgeführt wurden, piepsten und blinkten sie, und es fehlte nur noch, dass sie versucht hätten, uns Elektroschocks zu versetzen. Manche raten dem Taucher zu variablen Aufstiegsgeschwindigkeiten, die teilweise nur 6 m/Minute betragen. Jeder, der einmal versucht hat, eine solche Aufstiegsgeschwindigkeit einzuhalten oder es bei dem Versuch belassen hat, dies einem Anfänger beizubringen, der würde hoch erfreut sein, zu hören, dass die Funktionstüchtigkeit der Tauchcomputer nicht von solch unpraktikablen Werten abhängt. Obwohl wir glauben, dass dem so ist, gab es leider keine Möglichkeit, dies in der Praxis zu testen.“ (Lewis, John & Shreeves, Karl, Eine Einführung des Sporttauchers in Dekompressionstheorie, Tauchtabellen und Tauchcomputer, 1994, S. 8-6.)

Und der Rat für den ratlosen Leser lautete auch damals schon so wie heute:

„Wir können dem Leser nur nachdrücklich raten, sich selbst direkt an den Hersteller zu wenden und diesen zu fragen, welche Erfordernisse, falls es solche gibt, für die Funktionstüchtigkeit des Computers unabdingbar sind. Solange vom Hersteller nichts anderes verlautet, ist es das Beste, sich an das in der Bedienungsanleitung des Computers vorgeschriebene Aufstiegsverfahren zu halten.“ (ebenda)

Bei den Themen Tiefenstopps – Was ist das? und Welche Stopp-Tiefe ist die Richtige? kommen wir nochmals auf diese Thematik zurück.


Exkurs – Wie kontrollieren Taucher ihre Aufstiegsgeschwindigkeit?

Wie oben ausgeführt, sind die Herausforderungen (Neu-Deutsch: Challenges) beim Aufstieg ja ziemlich komplex: zur Oberfläche blicken, ob auch kein Manta, Boot oder Ähnliches den Weg versperrt, dabei zugleich sicherstellen, dass die Atemwege frei sind, auf den Tiefenmesser bzw. Tauchcomputer schauen, um nicht zu schnell zu werden und gleichzeitig sein Tarierjacket und/oder seinen Trocki entlüften.

Auch dies kann man mal in der Praxis durchspielen. Haben wir auch gemacht (wieder mit Tauchlehrerkandidaten) und unsere „Testlinge“ dabei fotografiert. Ohne den Beweis von Bildern hätten einige nicht geglaubt bzw. abgestritten, wie sie ihren Aufstieg gestaltet hatten. Einige Beispiele: Blick nicht nach oben, sondern runter zur Konsole mit dem Tiefenmesser bzw. dem Tauchcomputer. Oder Blick zwar nach oben, linker Arm am hochgehaltenen Faltenschlauch des Tarierjackets, rechter Arm zum Schutz des Kopfes auch nach oben – aber was war mit dem Blick auf die Konsole bzw. auf den Tauchcomputer am linken Handgelenk? Die folgenden Bilder, die aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen mit Mitgliedern des Ausbildungsteams nachgestellt wurden, sprechen für sich und bedürfen keiner weiteren Erläuterung:







Damit hätten wir auch diesen Punkt mit Hinweisen zur praktischen Anwendung diskutiert und können uns weiteren, wichtigen Kenntnisbereichen zuwenden.

Tauchcomputer – Einblicke für Taucher und Tauchprofis

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