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19.

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Der schwarze Taucheranzug schimmerte nur stumpf. Steve McCoy hatte beim Kauf darauf geachtet, keine glänzenden Sachen zu bekommen. Schwimmflossen, Taucherbrille und Schnorchel vervollständigten die Grundausstattung. Das scharfe Tauchermesser hatte er besonders sorgfältig ausgewählt. In dem wasserdichten Beutel, den er an seinem Gürtel befestigen konnte, hatte er Pistole, Ersatzmunition und das kleine Funkgerät untergebracht.

Leila befühlte den Anzug. „Keine besonders gute Qualität“, meinte sie.

„Es wird reichen, ich will nicht lange im Wasser bleiben.“ Er packte die Sachen in seine Reisetasche. „Es wird Zeit. Gehen wir.“

Er fand den Weg ohne Schwierigkeiten. Eine Stunde später stand er fast genau an demselben Platz, an dem kurz zuvor Heinz Müller gestanden hatte. Sie waren beide Profis, und so war es nicht erstaunlich, dass sie denselben Beobachtungsplatz wählten.

Steve öffnete den Kofferraum und holte ein weiteres Paket heraus. Ein Schlauchboot! Er hatte lange gesucht, bis er das passende ohne grelle Signalfarbe gefunden hatte. Es war dunkelblau, und man würde es bei Dunkelheit auf dem Wasser nur schwer erkennen.

Danach zog er sich um. Leila half ihm beim Überstreifen des Gummianzuges. Er befestigte das Messer am Unterschenkel und schnallte den Gürtel mit dem wasserdichten Beutel um.

Er ging ein paar Schritte vor und starrte zu dem Lichtpunkt hinüber, der das Militärlager bezeichnete. Sein Fuß trat auf eine leere Zigarettenschachtel. Instinktiv bückte er sich und hob sie auf.

Steves Augen zogen sich zusammen; auf seiner Stirn bildete sich eine steile Falte. Er erinnerte sich, wer diese Marke rauchte. Ein Zufall? Er knüllte die Schachtel zusammen und warf sie weg. Er glaubte nicht an Zufälle!

Leila half ihm, das Schlauchboot zum Strand zu tragen. Die Gaspatrone blies das Boot auf, und Steve steckte das kleine Paddel zusammen. Er würde einige Zeit brauchen, bis er in die Nähe der Anlage kam. Aber er hatte die ganze Nacht vor sich.

Steve paddelte mit ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen. Die See war fast völlig glatt, und er kam gut vorwärts. Als er weit genug draußen war, änderte er den Kurs und steuerte parallel zur Küste.

Leila würde inzwischen den Wagen wegfahren und später zu dem vereinbarten Treffpunkt kommen. Es war alles vorbereitet, vorausgesetzt, er fand Petrow und konnte ihn aus dem Lager herausholen. Aber darüber machte er sich keine Gedanken. Er musste an Ort und Stelle improvisieren.

Allmählich kam die Anlage näher, und der amerikanische Agent konnte Einzelheiten erkennen. Das Schiff lag immer noch vor der Küste, es hatte nur die Positionslichter gesetzt. Das Lager selbst war von hellen Lampen erleuchtet, die in regelmäßigen Abständen aufgebaut waren.

Die geheimnisvolle Stahlkonstruktion lag im Dunkeln, nur einige schwache Lampen waren daran befestigt. Trotzdem sah Steve McCoy, dass in den letzten Tagen weiter daran gebaut worden war. Die antennenähnlichen Einrichtungen wirkten recht massiv und sahen so aus, als könnten sie eine Menge Belastungen aushalten.

Ein flacher Felsen, der ein ganzes Stück ins Wasser ragte, war für seine Zwecke richtig. Er ließ das Schlauchboot langsam treiben, bis es über Steine scharrte.

Lautlos ließ er sich ins Wasser gleiten und zerrte das Schlauchboot auf den Felsen. Zwischen den Steinen war es kaum zu erkennen. Er hatte Glück, dass fast Windstille herrschte, sodass es kaum Brandung gab. die ihn behindert hätte. Ein letztes Mal prüfte er seine Ausrüstung und warf einen Blick zu dem Lager hinüber, das nur noch einige hundert Meter entfernt war, schließlich zog er die Maske mit dem Schnorchel über die Augen.

Mit langen Stößen schwamm er dicht unter die Wasseroberfläche auf die Anlage zu. Gleichmäßig paddelten seine Beine mit den Schwimmflossen; Steve kam gut voran.

Der winzige Schnorchel mit dem Ball, den er ebenfalls dunkel gefärbt hatte, tauchte nur hin und wieder über der Oberfläche auf, die leicht vom Wind gekräuselt wurde. Nur ein sehr aufmerksamer Beobachter hätte zufällig etwas bemerkt.

Als er kurz auftauchte, um sich einen Überblick zu verschaffen, ragte die dunkle Bordwand des sowjetischen Schiffes unmittelbar vor ihm auf. Der Frachter hätte mal wieder einen Anstrich nötig, dachte er flüchtig, dann glitt er dicht neben der Bordwand weiter.

Das Schiff war nicht sein Ziel. Er musste zum Strand. Die Strecke, die noch dazwischenlag, schaffte der Agent in zehn Minuten. Als er dann wieder kurz auftauchte, war er dicht vor der merkwürdigen Konstruktion, die einem Bohrturm glich.

Erstmalig stellte er fest, dass das Gerüst überhaupt nicht auf dem festen Land gebaut war, sondern im Wasser lag. Es ruhte auf mehreren großen, pontonartigen Gebilden, die unter dem schweren Gewicht tief im Wasser lagen.

Die drei mächtigen Stahlrohre, die eine dicke Plattform trugen, waren mindestens zehn Meter hoch. Lautlos zerteilte Steve das Wasser und glitt näher heran.

Er schob sich auf einen der Pontons hinauf und hielt sich fest. Eine kleine Ruhepause tat gut. Er sah, dass die Befestigung auf den Pontons nur provisorisch war. Mächtige Halterungen verrieten, dass die ganze Anlage irgendwo anders befestigt werden sollte. Und da gab es eigentlich nur eine Möglichkeit: am Meeresgrund.

Die Zusammenhänge wurden ihm plötzlich klar. Dieses gewaltige Gerüst war das Fundament einer Unterwasserortungsanlage. Deshalb war Oleg Petrow hier und deshalb hatte man ihn über die Grundbegriffe der Schallortung unter Wasser eingeweiht. Die Sowjets planten also, vor der syrischen Küste dieses Gerät zu installieren. Ihm war klar, was das bedeutete.

Er umrundete den Ponton und sah nach oben, wo die fast kreisrunde Plattform drohend über ihm hing. Vorher hatte er gesehen, dass auf der Plattform eine ganze Reihe rätselhafter Einrichtungen angebracht waren – vermutlich die eigentlichen Ortungsanlagen. Da er noch nie welche gesehen hatte, konnte er auch nicht wissen, wie sie aussahen.

Die Stahlrohre, die die Plattform trugen, hatten mindestens drei Meter Durchmesser. Dort liefen offensichtlich die Versorgungsleitungen und die Energiezufuhr entlang.

Dicke Stahltrossen hielten die Plattform am Land verankert. Dort war auch ein Gerüst mit einer Art Gangway aufgebaut, die man wie auch jetzt ähnlich einer Zugbrücke einziehen konnte. Das war bei den schwankenden Wasserständen schon nötig. Man konnte also vom Land bequem auf die eigentliche Plattform gelangen, wenn der Laufsteg ausgeklappt war.

Steve zog sich auf den Ponton hinauf, der dem Strand am nächsten lag. Von dort verschaffte er sich einen genauen Überblick über die Lage. Das dicke Stahlrohr gab ihm dabei ausgezeichnete Deckung.

Er sah einen Ausschnitt des Platzes, den er noch in guter Erinnerung hatte. Einige Soldaten standen herum und sprachen miteinander. Der größte Teil des Lagers war allerdings schon ruhig. Er erkannte die Baracke des syrischen Kommandanten. Sie war erleuchtet, Posten standen vor der Tür.

Die Baracken in unmittelbarer Nähe waren besser ausgestattet als die anderen. Auch hier brannte hinter einigen Fenstern noch Licht. Er vermutete, dass hier die Techniker und Wissenschaftler untergebracht waren. Dort war also Petrow.

Steve suchte die Wachtposten. Die Wachttürme mit den Maschinengewehren lagen weit weg. Von dort drohte keine Gefahr. Er sah, dass der Stacheldrahtzaun jetzt gänzlich ausgeleuchtet war. Er hätte keine Chance gehabt, auf diesem Weg ins Lager einzudringen. Der Zaun reichte bis ins Wasser. Von der Seeseite zu kommen, war tatsächlich die einzige Möglichkeit.

Auf der Innenseite des Zaunes patrouillierten Doppelstreifen, die mit Maschinenpistolen ausgerüstet waren.

Als er plötzlich über sich Stimmen hörte, wusste er, dass auch auf der Plattform Wachen stationiert waren. Sein Blick glitt wieder über die Baracken in Strandnähe. Er konnte keinen Posten sehen, war aber sicher, dass dort einer war. Aber wo?

Erst das Lichtpünktchen einer aufglimmenden Zigarette verriet ihm den Standort der Wache. Der Mann lehnte im Schatten einer Baracke, von wo er die Eingänge im Auge behielt, da die Gebäude etwas versetzt errichtet waren.

Steve sah zu dem Arbeitsgerüst am Strand hinüber. Das war eine ideale Position für einen Wachtposten. Es gab sicher einen, wenn er ihn auch von hier nicht sehen konnte.

Er streifte die Schwimmflossen von den Füßen, nahm die Maske ab und deponierte die Sachen auf dem Ponton. Anschließend nahm er seine Waffe aus dem wasserdichten Beutel und schraubte mit sorgfältigen Bewegungen den Schalldämpfer auf.

Mit einem Griff überzeugte er sich davon, dass das Messer an der richtigen Stelle saß. Er löste den Riegel, sodass er es leicht herausziehen konnte.

An jedem Stahlrohr war eine Metallleiter angebaut. Sie war sicher für das Wartungspersonal gedacht, nützte ihm aber jetzt sehr. Er war den Konstrukteuren dankbar. Die Gummischuhe verursachten keinen Laut, er musste nur aufpassen, dass er nicht abrutschte.

Am Ende der Stahlrohre befand sich eine Luke, die mit einem einfachen Riegel gesichert war. Er drehte ihn mit einem Griff zur Seite. Alles war noch neu und gut geölt.

Im Innern der Plattform war es heiß und roch nach Maschinenöl. In regelmäßigen Abständen waren Arbeitslichter angebracht. Es war eng wie in einem U-Boot. Der Raum war vollgestopft mit Geräten, Maschinen und elektrischen Einrichtungen, für die er keine Erklärung hatte. Er hoffte nur, dass es auch auf der oberen Seite der Plattform eine Luke gab. Er fluchte leise, als er sich durch die engen Gänge zwängte, bis er etwa in der Mitte angekommen war. Hier war etwas mehr Platz. Aber da es eine ganze Menge Kabelenden gab, war zu vermuten, dass bestimmte Einrichtungen noch fehlten. Die Anlage war also offensichtlich noch nicht funktionsfähig. Das war gut zu wissen, denn vielleicht gab es doch noch eine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen.

Nach einigem Suchen fand er die Luke. Sie war mit einem ähnlichen Riegel verschlossen. Vorsichtig drehte er ihn zur Seite und hob die Luke leicht an.

Er musste sie festhalten, denn ein Gegengewicht bewegte den schweren Deckel sonst bis zum Einrasten, das hatte er bei der anderen Luke gemerkt. Seine Sinne waren bis auf das Äußerste angespannt, er hielt den Atem an und lauschte.

Stimmengemurmel klang aus einiger Entfernung. Es waren zwei Männer, die sich leise unterhielten.

Steve drückte den Deckel ganz auf und schwang sich hoch. Er rollte sofort zur Seite, die Pistole schussbereit in der Faust. Die Wachen waren nicht zu sehen.

Er schloss den Luken-Deckel leise und verriegelte ihn. Unnötige Spuren musste er vermeiden. Auf Knien und Fingerspitzen kroch er langsam durch die verwirrenden technischen Anlagen in die Richtung, aus der er die Stimmen gehört hatte.

Schließlich sah er die beiden. Es waren Soldaten. Sie saßen Rücken an Rücken auf einem flachen Metallsockel und blickten in verschiedene Richtungen. Ihre Kalaschnikow-Maschinenkarabiner lehnten zwischen den Knien.

Zentimeter um Zentimeter kam Steve McCoy näher. Der eine Soldat stand plötzlich auf und reckte sich, aber er blickte sich nicht um. Steve verschmolz fast mit der Umgebung.

Als der andere Soldat auch aufstand, waren sie in der richtigen Position. Steve McCoy kam hoch, federte mit einem gewaltigen Satz vorwärts – und seine Hände fanden ihr Ziel.

Einer der beiden kam noch halb auf dem Absatz herum, ehe ihn die Handkante im Nacken erwischte, den zweiten traf er präzise mit den ausgestreckten Fingerspitzen unter dem Ohr.

Beide gingen lautlos zu Boden. Rasch fing Steve sie auf und ließ sie vorsichtig nach unten sinken. Eine Kalaschnikow schepperte leicht, als sie auf die Plattform glitt.

Steve öffnete seinen wasserdichten Beutel und holte den kleinen Kasten heraus, den er für solche Zwecke in seinem Gepäck mitgebracht hatte. Er öffnete ihn und nahm aus der stoßsicheren Verpackung zwei winzige Wegwerfspritzen heraus. Sie waren mit einem schnellwirkenden Betäubungsmittel gefüllt und versetzten einen Mann mittlerer Konstitution in einen mehrstündigen Tiefschlaf.

Er zog die Plastikhüllen von den Kanülen, suchte nach den Venen und stieß die Nadeln mit einem kräftigen Ruck hinein. Danach schleifte er die beiden Soldaten außer Sicht.

Den Rücken hatte er jetzt frei. Die nächsten Hindernisse würden schwieriger sein.

Er ging bis zum Rand der Plattform und spähte zum Strand hinüber. Von hier aus konnte er auch den Posten auf dem Gerüst mit der Gangway sehen. Das Ganze wirkte wie ein Kran. Der Posten lehnte mit dem Rücken zu ihm an einer Verstrebung. Die Kalaschnikow hing über seiner Schulter und klirrte leise gegen das Metall, wenn er sich bewegte.

Steve konnte von der Plattform aus nichts unternehmen, er musste jetzt an Land. Er sah allerdings keine Möglichkeit, den Posten auf dem Gerüst ebenfalls auszuschalten. Eine Art Wendeltreppe führte dort hinauf, aber sie lag völlig offen, und unbemerkt wäre dort noch nicht mal eine Maus hinaufgekommen.

Den Rückweg trat er wieder durch die Luke ins Innere an. Er sah keine andere Möglichkeit. Diesmal ging es schneller.

Auf dem Ponton ruhte er sich ein paar Minuten aus, anschließend ließ er sich in das schwarze Wasser sinken. Es war kalt, und der Agent fröstelte. Kräftige Schwimmstöße brachten ihn rasch vorwärts.

Er kam direkt unterhalb des Gerüstes aus dem Wasser. Die einzige Stelle, wo ihn der Posten nicht sehen konnte. Hier befand er sich im toten Winkel. Er schüttelte sich, und die glitzernden Tropfen flogen von seinem Tauchanzug.

Er duckte sich in den warmen Sand im Schatten des Stahlgerüstes und orientierte sich erneut. Bis zu den Baracken gab es keine Deckung. Der Strandabschnitt war völlig leer.

Der Posten musste ihn sehen, wenn er versuchte, zu den Baracken zu kommen. Es gab nur eine Möglichkeit, er musste ihn von seinem Turm herunterlocken. Steve McCoy richtete sich auf – und stolperte über eine der Trossen, mit der die schwimmende Insel festgemacht war. Das war die Lösung!

Die Trosse lief über eine breite Trommel, die arretiert war. Man konnte die Arretierung mit einem Hebel lösen. Er zögerte nicht lange, setzte den Hebel ein und hob die Sperre an.

Es klickte – und die Trommel drehte sich ein Stück. Die Trosse sank tiefer. Wieder setzte er den Hebel an. Klick … Die Trosse schwankte. Noch mal! Die Trosse lag jetzt wie eine Schlange im Sand. Bei der letzten Drehung ließ er es absichtlich laut klicken. Das musste der Posten hören!

Steve spürte, wie sich der Mann hoch über ihm bewegte. Er duckte sich tief hinter die Trommel. Gleich darauf hörte er den leisen, erstaunten Ausruf, als sich der Mann vornüber beugte. Hoffentlich alarmierte er nicht gleich das ganze Lager …

Aber Steve hatte richtig kalkuliert. Der Posten kam die Treppe herunter. Er sah den dunklen Schatten gleichmäßig von Stufe zu Stufe steigen. Die Kalaschnikow hing noch über seiner Schulter. Er hatte offenbar noch keinen Verdacht geschöpft.

Unten sah sich der Mann suchend um. Er ging auf die Trosse zu und hob sie an. Danach blickte er zu der Trommel und ging auf sie zu.

Steve machte sich bereit.

Als der Soldat nur noch zwei Schritte entfernt war, sprang er aus seiner Deckung. Sein Arm mit der brettförmig ausgestreckten Hand zum Schlag erhoben. Er bediente den Mann genau wie seine ersten Gegner und verpasste ihm eine Schlafspritze.

Jetzt trennte ihn nur noch ein breiter Sandstreifen von seinem Ziel. Er sah auf die wasserdichte Uhr. Die ganze Aktion hatte nicht so lange gedauert, wie er geglaubt hatte. Er brauchte sich nicht zu beeilen.

Nur noch in wenigen Fenstern brannte Licht. Die meisten schliefen sicher schon. Aber einer war bestimmt wach: der Posten, den er vorhin an der glühenden Zigarette bemerkt hatte. Immerhin war es nicht so schwer, ohne von ihm entdeckt zu werden, an das Ende der Baracke zu kommen.

Steve hetzte in weiten Sätzen über den weichen Sand, seine Gummischuhe machten kaum ein Geräusch. Das Messer hatte er an seinen Platz geschoben. Im Laufen zog er die Waffe aus dem Gürtel.

An der Barackenwand kauerte er sich nieder. Der Posten befand sich an der Schmalseite. Langsam arbeitete er sich bis zur Ecke vor. Er hörte kein Geräusch, aber er spürte, dass jemand da war. Jahrelanges Training hatte sein Gespür für solche Dinge geschärft, denn es entschied über Leben und Tod.

So vorsichtig wie er nur konnte, sah er um die Ecke. Der Posten war ein Zivilist. Das war erstaunlich. Er war groß, mindestens ein Meter fünfundachtzig. Außerdem war er kein Araber, das war deutlich zu sehen. Er rauchte eine Zigarette, das heißt, er hielt sie bewegungslos in der Hand.

Steve sah, wie der andere die nur halb gerauchte Zigarette in den Sand warf und mit dem Schuh sorgfältig austrat. Den Kopf drehte er nicht, aber er hatte gemerkt, dass er nicht mehr allein war, daran gab es keinen Zweifel.

Das war ein Profi wie er!

Steve überlegte fieberhaft, wie er am besten reagierte, aber der andere nahm ihm die Entscheidung ab. Der Mann machte ein paar Schritte auf die Ecke zu, sprang plötzlich vorwärts und riss gleichzeitig eine schwere Pistole aus dem Schulterhalfter.

Er hatte aber nicht damit gerechnet, dass sein Gegner schon an der Ecke auf ihn wartete.

Steves Fuß sauste hoch – die Pistole flog im hohen Bogen in den Sand. Der Lauf seiner eigenen Waffe bohrte sich dem anderen gegen den Kehlkopf. „Nicht so schnell, Towarischtsch“, flüsterte er, „sonst geht die Kanone los.“

Der Mann begriff sofort und blieb regungslos stehen, die Arme leicht vom Körper gespreizt.

Die nächsten Sekunden dehnten sich in tödlichem Schweigen. Jeder schätzte den anderen ab und wartete auf eine Reaktion. Schließlich entspannte sich der Posten ein wenig, er hatte eingesehen, dass der Mann mit dem Taucheranzug im Moment am Drücker war.

„Verstehen Sie englisch?“, erkundigte sich Steve McCoy.

Als keine Antwort kam, verstärkte er den Druck mit der Waffe. Er drehte den anderen mit dem Rücken zur Wand und tastete ihn mit der freien Hand schnell ab, fand aber keine weitere Waffe.

„Entweder Sie antworten mir jetzt oder ich töte Sie auf der Stelle! Dieser Schalldämpfer macht nicht mehr Geräusch als ein leichtes Husten. Also?“

Der Mann nickte mit verzerrtem Gesicht, und Steve zog den Revolverlauf ein Stück zurück. „Sind Sie Russe?“

Wieder nickte der Mann. Seine Augen funkelten. Steve wusste, dass er ihm nicht die geringste Chance geben durfte. „Ich möchte von Ihnen wissen, wo sich Oleg Petrow aufhält.“

Der Russe schwieg.

„Das ist kein Spaß. Ich finde ihn notfalls auch selbst. Aber wenn Sie diese Nacht überleben wollen, sagen Sie es mir lieber!“

Steve erkannte eine Spur von Erstaunen in den Augen des anderen. Er zögerte noch. Schließlich sprach er, sein Englisch war holprig und hatte einen starken Akzent. „Genosse Petrow ist in dieser Baracke. Was wollen Sie von ihm?“

„Die Fragen stelle ich hier! Gehen Sie voraus! Ich möchte mit dem Wissenschaftler nur ein paar Worte wechseln!“

Steve drehte dem Russen den Arm auf den Rücken und bog ihn hoch. Die Mündung der Waffe presste er ihm unter das rechte Ohr und schob er ihn vor sich her. „Kein Laut – und keine unbedachte Bewegung, sonst fliegt Ihr Kopf in Stücke!“

Der Russe gehorchte. Er würde aber auf eine Gelegenheit warten …

Sie betraten die Baracke. Ein langer Gang, von dem zahlreiche Türen abgingen, war nur schwach erleuchtet. Die Türen waren nummeriert. „Nummer acht“, knurrte der Russe.

Sie gingen langsam weiter, bis sie vor der genannten Tür standen. Ein schmaler Lichtstreifen fiel unter der Ritze durch. Petrow war noch wach.

„Öffnen Sie“, befahl Steve McCoy.

Der Russe stieß die Tür auf und blieb abwartend stehen. Steve überflog die Szene mit einem Blick.

Petrow saß beim Schein einer kleinen Lampe am Schreibtisch und blätterte in einem Stapel Papiere. Er sah erschreckt auf. als er spürte, wie die Tür geöffnet wurde.

„Bleiben Sie sitzen und rühren Sie sich nicht von der Stelle, bis ich es sage“, zischte Steve. Er schob seinen Gefangenen in den Raum und schloss die Tür. Der Wissenschaftler hatte noch nicht begriffen, was eigentlich vorging. Hilflos starrte er auf die beiden Männer, bis sich in seinem Gesicht eine langsame Erkenntnis abzeichnete. Steve ließ den Arm seines Gefangenen los und hob den Zeigefinger an die Lippen.

Petrow verstand und starrte wieder ausdruckslos vor sich hin. Der Gefangene brauchte nicht unbedingt zu wissen, dass Petrow freiwillig mit dem Amerikaner ging.

Steve holte aus, und seine trainierte Handkante sauste genau auf die Stelle, wo es am wirkungsvollsten war. Der Russe stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum.

„Schnell, machen Sie sich fertig, wir müssen uns jetzt beeilen“, sagte Steve.

Petrow reagierte sofort und zog einen schweren Koffer unter dem Bett hervor.

„Nein. Nur Ihre Aktentasche. Auf den Rest müssen Sie verzichten. Wir haben keinen Gepäckträger dabei. Nehmen Sie nur das Notwendigste! Alles andere ist zu ersetzen.“

Er wühlte in seinem wasserdichten Beutel und kramte das Kästchen mit den Betäubungsspritzen heraus. Es dauerte nur Sekunden, dann war der Wachtposten versorgt.

Petrow kramte seine Papiere zusammen und stopfte sie in eine geräumige Aktentasche.

Sie wandten sich zum Gehen, als Steve McCoy noch eine Idee hatte. „Helfen Sie mir!“ Gemeinsam hoben sie den Bewusstlosen hoch und legten ihn auf das Bett. Sie rollten ihn auf die Seite und zogen die Decke über ihn. Falls jetzt zufällig jemand ins Zimmer kam, würde er annehmen, dass Petrow schliefe.

„Wie geht’s jetzt weiter?“, erkundigte sich der Wissenschaftler.

„Sie tun genau das, was ich sage. Wir müssen runter zum Strand. Die Wachen sind ausgeschaltet. Folgen Sie mir!“

Petrow presste seine Aktentasche an sich und gehorchte.

Draußen rührte sich nichts. Der Strand lag immer noch verlassen da. Unter seinem Anzug war Steve McCoy schweißüberströmt. Er warf einen Blick auf die Uhr. Die Zeit drängte langsam, wenn er den Treffpunkt mit Leila rechtzeitig erreichen wollte. Und das musste er, denn ohne den Wagen waren sie verloren.

Sie hasteten über den Sand, bis sie die Deckung des Gerüstes erreichten. Petrow stieß einen erschreckten Laut aus, als er die reglose Gestalt neben der Kabeltrommel bemerkte. Steve packte ihn an der Schulter. .„Los, weiter, wir müssen auf den Ponton!“

Petrow murmelte vor sich hin und schien nicht ganz glücklich darüber, dass er sich nassmachen musste.

„Geben Sie mir die Tasche und ziehen Sie Ihre Sachen aus!“

Fröstelnd stieg Petrow in das dunkle Wasser und schwamm zum Ponton. Steve McCoy folgte und tastete nach seinen Schwimmflossen. „Ziehen Sie sich wieder an, wenn Sie trocken sind, und bleiben Sie immer in Deckung der Stahlröhre! Ich hole jetzt ein Schlauchboot. Es dauert nicht lange. Und verhalten Sie sich ruhig!“

Petrow nickte. „Beeilen Sie sich! Es wird Zeit, dass wir hier wegkommen.“

Steve McCoy glitt ins Wasser und schwamm so schnell er konnte zu dem Felsen, an dem er das Boot versteckt hatte. Trotzdem dauerte es eine ganze Weile, bis er endlich das Schlauchboot losmachte und zurückschwamm, eine phosphoreszierende Spur hinter sich.

Petrow sah ihm ängstlich entgegen und betrachtete zweifelnd das winzige Schlauchboot. Steve musste ihn fast hineinschubsen. „Machen Sie sich so flach wie möglich“, sagte er. „Ich ziehe das Boot, das geht schneller.“

Sie waren noch keine zweihundert Meter entfernt, als die Hölle losbrach.

Im Lager heulte eine Sirene, Lampen flammten auf, Schreie und scharfe Kommandos ertönten. Die Scheinwerfer auf den Wachttürmen bewegten sich ziellos hin und her. Taschenlampenstrahlen tanzten durch die Gegend, zahllose Männer schienen ziellos umherzulaufen.

Steves Eindringen war früher bemerkt worden, als ihm lieb war. Wahrscheinlich war es bei einer Wachablösung passiert. Jetzt half nur noch eine schnelle Flucht.

Um den Scheinwerfern zu entgehen, die vom Zaun mitunter auch auf das Wasser leuchteten, musste er in gerader Linie vom Strand weg. Das führte ihn allerdings in unmittelbarer Nähe des vor Anker liegenden Schiffes, wo an Deck in diesem Augenblick ebenfalls die Lichter aufflammten.

Noch war anscheinend niemand auf die Idee gekommen, dass der Eindringling auf dem Seeweg entfloh, aber das musste in den nächsten Minuten bemerkt werden.

Steve keuchte vor Anstrengung und bemühte sich, seine Geschwindigkeit zu steigern. Aber die strömungsungünstige Form des Schlauchbootes hemmte ihn sehr.

Allmählich war er so weit vom Lager entfernt, dass er wieder parallel zur Küste steuern konnte, dorthin, wo der Wagen wartete.

Er glaubte schon, dass sie es geschafft hätten, als ein starker Lichtschein über die Wasseroberfläche glitt. Auch auf dem Schiff hatte man einen Scheinwerfer angeschaltet.

Schließlich waren sie entdeckt. Steve McCoy blinzelte, als ihn der helle Schein blendete. Petrow schrie ängstlich auf.

„Ruhe!“, brüllte Steve, „wir schaffen es noch. Bis die ein Boot ins Wasser gelassen haben, sind wir weit genug.“

In diesem Augenblick ratterte ein Maschinengewehr los. Steve McCoy sah die lange Reihe der kleinen Fontänen in einiger Entfernung aufspritzen, aber sie kamen näher. Immerhin waren sie schon so weit weg, dass gezielte Treffer fast unmöglich waren. Aber auch ungezielte Kugeln konnten töten …

Die nächste Garbe lag verdammt nahe. Dann verlor sie der Scheinwerfer. Steve änderte sofort die Richtung zum Land hin. Wieder hörte er das Maschinengewehr rattern. Er spürte, wie das Schlauchboot von mehreren Geschossen getroffen wurde. Zischend entwich die Luft.

„Sind Sie verletzt?“, fragte Steve atemlos und nahm dabei einen Schluck Mittelmeerwasser zu sich.

Petrow jammerte nur auf Russisch vor sich hin, und Steve McCoy verstand kein Wort.

Die nächsten Geschosse lagen wieder sehr weit ab. Der Schütze hatte sie verloren. Auch der Scheinwerfer suchte einen entfernteren Bereich ab, der Kurswechsel zahlte sich aus.

Aber das Schlauchboot sank langsam …

Die Küstenlinie, dunkel vor dem langsam heller werdenden Horizont, kam näher. Sie mussten an Land, obwohl das an dieser Stelle noch nicht geplant war. Aber Steve hatte gesehen, wie an den Davits des Schiffes ein Beiboot ausgeschwenkt wurde, und das hatte mit Sicherheit einen Motor. Nur eine Flucht an Land konnte sie jetzt noch retten.

Steve schwamm wie ein Weltmeister, aber Petrow bekam langsam nasse Füße. Er saß hilflos im Boot, das schon bedenklich tief im Wasser lag und presste seine Tasche wie einen Schatz an sich.

Sie schafften es gerade noch, das flache Ufer zu erreichen, ehe das Boot gänzlich unterging. Petrow stolperte völlig durchnässt über den steinigen Strand und ließ sich einfach fallen.

Steve brach neben ihm zusammen – völlig außer Atem. Er zwang sich, ruhiger zu atmen, aber sie waren noch nicht in Sicherheit. Hier konnten sie nicht bleiben. Unter Aufbietung aller Kräfte stemmte er sich wieder hoch und zerrte den Wissenschaftler mit sich. „Wir müssen weiter“, brachte er mühsam heraus.

Er zog ihn am Arm hinter sich her, immer am Ufer entlang. Hoffentlich hatten die anderen noch keine Patrouillen ausgeschickt, um sie abzufangen.

Steve hätte später nicht sagen können, wie lange diese Flucht durch nassen Sand und über scharfe Steine dauerte. Mit brennender Kehle stolperte er vorwärts, seine Beine bewegten sich automatisch, wie bei einer Maschine, vorwärtsgetrieben von einem eisernen Willen.

Es war schon fast hell, als sie endlich den Treffpunkt erreichten. Leila war noch da, obwohl die verabredete Zeit schon überschritten war. Sie sah den beiden fassungslos entgegen. Gleich darauf reagierte sie schnell, riss die Türen des Autos, auf und ließ die beiden Männer einsteigen, ohne eine Frage zu stellen.

Steve spürte nur noch im Unterbewusstsein, wie der Wagen anfuhr, dann sank er auf dem Rücksitz völlig erschöpft zusammen.

Krimi Sammelband 7010: 7 Action Thriller November 2019

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